Bundeswehr-Übung in Berlin: Kalt konfrontiert
Die Übung der Bundeswehr mitten in Berlin macht die Debatte um Aufrüstung und Wehrdienst ein Stück konkreter. Was tun wir, wenn es zum Krieg kommt?
B undeswehrsoldat:innen in Kampfanzug und mit Sturmgewehr im Anschlag stürmen einen U-Bahnhof. Mitten in der Nacht, mitten in Berlin. Schüsse hallen durch den raucherfüllten Tunnel. Alles schön inszeniert für die Vertreter:innen der Presse, die mit langen Objektiven die Szene einfangen – und hinaustragen in die Welt.
Ganz egal wie man nun zur Bundeswehr steht, ob man sich für ein solch öffentlichkeitswirksames Säbelgerassel begeistern kann oder es aus tiefstem Herzen unangenehm, unangemessen, ja nervig findet. Man kommt um die Erkenntnis nicht herum, dass die Medienoffensive der deutschen Armee vor allem eins ist: eine Herausforderung. Eine Konfrontation mit der Frage, um die angesichts der Weltlage niemand mehr herumkommt: Was willst du tun, wenn es tatsächlich zum Krieg kommen sollte.
Für Sicherheitsfanatiker:innen ist die Antwort genauso einfach wie für Radikalpazifist:innen. Die einen greifen ohne Wenn und Aber zur Waffe. Die anderen verweigern sich total. Das ist ja ihr gutes Recht. Aber über ihre Position sollten auch gerade die nachdenken, für die das nicht so eindeutig ist. Dann wird schnell klar, dass es die eine, allgemeingültige Antwort nicht gibt, nicht geben kann, auch nicht geben muss.
Verlasse ich das Land? Und wenn ja, wohin würde ich gehen? Bleibe ich hier und engagiere mich auf ziviler Ebene – als Sanitäter, als Feuerwehrfrau oder wie auch immer? Oder halte ich die aktuelle Remilitarisierung der Gesellschaft für die größte Gefahr? Dann müsste ich nicht erst im Falle einer Eskalation, sondern genau jetzt handeln.
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Es ist eine Frage des Gewissens. Aber auch der Kraft. Hält man das aus? Als Soldat:in das eigene Leben aufs Spiel zu setzen? Und andere Menschen zu töten? Als Pazifist:in die andere Wange hinzuhalten, anstatt zur Gegenwehr zu greifen? Als Flüchtling mit Kind und Kegel irgendwohin zu ziehen, wo man im Zweifel vor allem als Problem gesehen wird, wie die Geflüchteten hierzulande?
Gerade weil die Antwort so schwierig ist, sollte man sich Gedanken machen. Damit man sie gut vorbereitet im Zweifel auch wieder über den Haufen werfen kann.
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