Baerbocks Kurzstreckenflug: Desaströse Signale
Außenministerin Baerbock flog mal kurz von Frankfurt nach Luxemburg – ein Wahnsinn. Besser als die Aufregung darüber wären aber teurere Flüge für alle.
E ine Steilvorlage für Hohn der Konservativen und Kopfschütteln der eigenen Klientel: Die grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock setzte sich Ende Juni ins Flugzeug, um die Ministrecke von Frankfurt am Main nach Luxemburg zu reisen. Und dann auch noch so spät abends, dass eine Sondererlaubnis nötig war, um das Frankfurter Nachtflugverbot zu umgehen.
Warum? Um den Besuch eines Fußballspiels bei der laufenden Europameisterschaft der Männer zu ermöglichen. Da kann nun wirklich niemand mehr sagen, dass das Fliegen doch dem internationalen Austausch, dem Verstehen anderer Kulturen, dem Wahrnehmen anderer Lebensrealitäten diene.
Die Lebensrealität in Luxemburg hätte sie allerdings in nicht mal drei Stunden mit dem (E-)Auto erleben können. Trotzdem hob der Flieger ab, wegen „besonderen öffentlichen Interesses“ sogar nachts. Was für ein klimaschädlicher Wahnsinn, während es jeden Tag eine neue Hitze-, Dürre-, Flut- oder Sturmkatastrophe gibt.
Baerbock wurde genüsslich für den Flug kritisiert, weil ihre Grünen für Klimaschutz stehen. Nun wird das Fliegen nicht klimafreundlicher, wenn die fliegende Person die Klimakrise weniger ernst als Grünen-Politiker*innen nimmt. Hunderttausende steigen in Deutschland täglich ins Flugzeug. Nicht der einzelne Flug von Baerbock ist das Problem, natürlich. Im besonderen öffentlichen Interesse liegt es aber schlicht und einfach, wenig bis nicht zu fliegen.
EM sendet deströse Signale
Die EM sendet dafür auch abgesehen von Baerbock als fliegender Besucherin desaströse Signale. Die taz hat kürzlich die albernsten Flugstrecken der Kicker gesammelt. Zum Beispiel beim französischen Team. Das kehrte allen Ernstes in der Luft vom Match gegen Belgien in Düsseldorf zurück in sein Quartier in Paderborn. Dagegen würde sogar das schwache französische Inlandsflugverbot helfen, das Klimaschützer*innen zu wenig wirkungsvoll finden. Es gilt nämlich nur für Strecken, die per Direktverbindung mit dem Zug in höchstens zweieinhalb Stunden zurückzulegen sind. Viele Inlandsflüge sind also weiter erlaubt.
Aber: Immerhin gibt es in Frankreich erste Einschränkungen für die Flugbranche, die immer weiter wachsen will und massiv gegen Klimapolitik lobbyiert. Deutschland muss dringend nachziehen. Nicht durch künstliche Aufregung über einen einzelnen, wenn auch skandalösen Baerbock-Flug. Sondern durch politische Handhabe. Eine richtige Kerosinsteuer und ein Verbot für Inlandsflüge sind überfällig. Denkbar wäre auch die Zuteilung von Flugrechten pro Person. Ein Flug pro Jahr und Kopf – wer mehr will, muss anderen ein Zertifikat abkaufen, die ihres nicht nutzen. Oder eine Steuer auf Flugtickets, die steigt, je öfter man fliegt. Es gibt Wege.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren