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Arbeitsgerät: Schuhe einer Prostituierten auf der Kurfürstenstraße in Berlin Foto: Doro Zinn

Auf dem Straßenstrich in BerlinSelbstbestimmt und ausgebeutet

Der Verkauf von Sex ist in Deutschland legal. Zuhälter müssen kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Kann ein Sexkaufverbot helfen?

D ie Abendsonne brennt auf den Asphalt der Kurfürstenstraße in Berlin-Mitte, als Daria durch die Tür des Vereins Neustart kommt. Sie trägt eine Jogginghose und Cap, ihre Haare sehen zerzaust, ihr Gesicht müde aus. Daria geht schnurstracks auf die „Zum Mitnehmen“-Kiste zu, holt eine bunte Kette heraus und wirft sie einer Frau auf der Couch zu. Sie wirkt aufgedreht, ihre Augen blicken nervös durch den Raum, bevor sie sich hinsetzt, um ein belegtes Brötchen zu essen. Der Verein ist eine gemütliche, kleine Erdgeschosswohnung mit mehreren Sofas sowie einer Einbauküche. Hier bekommen Sex­ar­bei­te­r:in­nen dreimal die Woche kostenlos Essen und Getränke.

Daria lebt seit etwa 15 Jahren in Berlin, so ganz weiß sie das aber selbst nicht mehr. Ihren Weg in die Hauptstadt findet sie über einen Bekannten, der ihr einen Job als Prostituierte in Berlin verspricht. In Bulgarien hat sie zuvor auch als Prostituierte gearbeitet. Daria spricht kaum Deutsch, eine Sozialarbeiterin hilft bei der Übersetzung. Mehr als ihr halbes Leben ist sie schon in diesem Beruf, doch es fällt ihr noch immer schwer, ihren Körper zu verkaufen. „Ich würde lieber als Putzfrau arbeiten“, sagt sie.

Daria ist wohl der Typ Prostituierte, den man meint, wenn in Deutschland über Armutsprostitution gesprochen wird. Wie viele andere Frauen aus Osteuropa kam Daria nach Deutschland, um hier Geld zu verdienen. Der Verkauf von Sex ist in Deutschland legal, er ist geregelt über das Prostitutionsschutzgesetz. Kri­ti­ke­r:in­nen des Gesetzes behaupten, Deutschland habe sich seit der Legalisierung vor mehr als 20 Jahren zum „größten Bordell Europas“ entwickelt; Frauen würden Opfer von sexueller Ausbeutung. Sie fordern deshalb ein sogenanntes Nordisches Modell, bei dem sich Freier mit dem Kauf von Sex strafbar machen. Die Sex­abei­te­r:in­nen selbst werden dabei nicht kriminalisiert. In Schweden und Frankreich gibt es bereits ein solches Modell.

In Deutschland fordern Teile der SPD schon länger ein Sexkaufverbot, die Grünen und die FDP stehen dem Modell eher skeptisch gegenüber. Andere fordern im Gegenteil eine Entkriminalisierung der bisherigen Regelungen, um so Sex­ar­bei­te­r:in­nen weniger zu stigmatisieren. Derzeit wird das Gesetz evaluiert. Doch was sagen eigentlich Frauen wie Daria dazu? Und gibt es womöglich andere politische Lösungen, um die Situation von Sex­ar­bei­te­r:in­nen in Deutschland zu verbessern?

Daria lebt wie ein Phantom in der Stadt, kämpft sich permanent durch. Ohne Papiere und ohne eine offizielle Anmeldung hat die 47-Jährige keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sie will deshalb auch anonym bleiben. Anfangs arbeitete sie noch in einer Bar in der Kantstraße im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie hatte eine Wohnung, musste dort aber ihrem Zuhälter die Hälfte ihres Gehalts abgeben. Seit einigen Jahren ist sie obdachlos und verdient ihr Geld weiterhin in der Prostitution. Sich von ihrem Zuhälter zu lösen, war ihre eigene Entscheidung. Sie kennt aber auch Frauen, die nicht von ihrem Zuhälter loskommen.

Das kann verschiedene Gründe haben. Manche Prostituierte sind von ihrem Zuhälter emotional abhängig. Sie denken beispielsweise, dass sie ohne ihren Zuhälter in Deutschland nicht klarkommen. Andere werden psychisch unter Druck gesetzt. Wirklich gewaltsam in die Prostitution gezwungen werden wenige, die Beziehung und das Abhängigkeitsverhältnis sind meist komplex, was auch die Strafverfolgung erschwert.

Daria muss zweimal am Tag einen Kunden treffen, um zu überleben. Nicht weil es ein Job ist, der ihr Spaß macht

Daria muss zweimal am Tag einen Kunden treffen, um zu überleben. Nicht weil es ein Job ist, der ihr Spaß macht. Deshalb wird sie in diesem Text auch Prostituierte genannt und nicht Sexarbeiterin, denn mit Selbstbestimmung hat ihre Geschichte wenig zu tun. Fragt man Daria, was ihr helfen würde, sagt sie sofort: eine Wohnung.

Der Verein Neustart bietet seit März 2022 eine sogenannte Ausstiegswohnung an, hier können Frauen ein paar Monate kostenlos wohnen. Doch für soziale Angebote wie diese kommt Daria nicht infrage: Die Frauen müssen clean sein, um dort leben zu können, da der Verein keine 24-Stunden-Betreuung anbieten kann. Daria konsumiert aber seit einigen Jahren Crystal Meth.

Darias Geschichte zeigt, wie komplex die Probleme sind, denen vor allem Sexarbeiter:innen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, ausgesetzt sind. Denn oft gehen Sexarbeit, Armut und Wohnungslosigkeit an der Kurfürstenstraße Hand in Hand. „Wir haben schon mal versucht, Daria über einen Drogenentzug zu helfen, von der Straße zu kommen“, erzählt Gerhard Schönborn vom Verein Neustart. Doch sie hatte einen Rückfall. Laut dem Streetworker gibt es auf dem Straßenstrich einen immensen Anstieg beim Konsum von Crystal Meth. „Die Verelendung hat hier in den letzten Jahren zugenommen“, sagt der 61-Jährige, der seit 19 Jahren als Streetworker auf der Kurfürstenstraße unterwegs ist.

In Deutschland müssen Sex­ar­bei­te­r:in­nen nach dem Prostituiertenschutzgesetz registriert sein. Die Bundesregierung schätzt, dass es bis zu 400.000 Sex­ar­bei­te­r:in­nen in Deutschland gibt. Nur etwa 23.700 sind offiziell gemeldet, vier Fünftel davon haben keine deutsche Staatsbürgerschaft. Um sich als Sex­ar­bei­te­r:in zu registrieren, muss man sich einer jährlichen Gesundheitsberatung unterziehen. Einige Sex­ar­bei­te­r:in­nen halten die Registrierung für überflüssig, weil ihnen der sogenannte Hurenausweis keinen Vorteil bringt. Andere haben Angst, dass ihre Daten weitergegeben werden. Prostituierte wie Daria, die ganz ohne Papiere im Land sind, gehören zu all jenen Prostituierten, die im großen statistischen Dunkelfeld arbeiten.

Im Frauentreff Olga können sich die Frauen kostenlos medizinisch untersuchen lassen Foto: Doro Zinn

Etwa 100 Frauen kommen pro Woche in den Verein Neustart. Die meisten Frauen kommen aus Bulgarien, Rumänien, ein paar Deutsche sind auch dabei. In der Ausstiegswohnung des Vereins wohnen derzeit drei Frauen kostenlos. Sofern sie keine Sozialleistungen bekommen, erhalten sie von dem Verein ein monatliches Taschengeld von 400 Euro, angelehnt an das Bürgergeld. Einige sind trotzdem noch weiter in der Sexarbeit tätig, weil sie beispielsweise Geld an ihre Familien in den Herkunftsländern schicken müssen.

In den Wohnungen sollen sie zur Ruhe kommen. Sie sollen Zeit haben, sich anzumelden, Sozialleistungen zu beantragen sowie eine Krankenversicherung. Eigentlich war die Idee, dass die Frauen dort nur für drei Monate bleiben. Doch es zeigte sich schnell: Die Frauen brauchen mehr Zeit. Eine der Frauen wohnt mittlerweile seit mehr als einem Jahr dort. „Wenn die Frauen erst mal aus diesem Modus des Funktionierens raus sind, dann kommen körperliche Beschwerden und psychische Probleme auf“, sagt eine der Sozialarbeiterinnen von Neustart.

Auch Elena ist an diesem Montag in den Verein gekommen. „Stell mir auch Fragen, ich will berühmt werden“, ruft sie der Journalistin lachend zu. Auch sie möchte anonym bleiben. Elena trägt ein pinkes Kleid, mit silbernen Glitzerelementen entlang des Kragens. Sie ist eine trans-Frau und nach Deutschland gekommen, weil sie die Stigmatisierung in ihrem Heimatland nicht mehr ausgehalten hat. Dort wurde sie aufgrund ihrer sexuellen Identität teils auf der Straße verfolgt und zusammengeschlagen. Ihre Familie will sie nicht als Frau akzeptieren. Deshalb ist sie nach Berlin gekommen.

Elena arbeitet seit über zehn Jahren in der Sexarbeit. Mit ihren Kunden verabredet sie sich meist privat, auf der Kurfürstenstraße ist sie nur unterwegs, wenn sie etwas mehr Geld dazuverdienen will. „Die Kunden haben sich verändert, früher waren alle nett, mittlerweile sind viele aggressiv und nehmen Drogen“, sagt sie.

Anders als Daria ist sie nicht obdachlos, sie lebt in einem Frauenwohnheim in Wedding. Die 35-Jährige ist offiziell als Prostituierte registriert und macht einen Deutschkurs, den sie aus eigener Tasche bezahlt. Gerade ist sie auf der Suche nach einer Wohnung. Am liebsten würde sie eine Ausbildung zur Maskenbildnerin machen, aber mit der Sexarbeit will sie nicht aufhören. „Ich liebe meinen Beruf, er macht mir Spaß“, sagt sie. „Und ich liebe Männer“, fügt sie hinzu.

Elena mag es, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, der Sex spielt dabei nur eine Nebenrolle. Aber auch sie berichtet von schlimmen Erfahrungen: Kunden hätten sie ausgeraubt oder geschlagen – auch deshalb sei es für sie sicherer, sich mit einem Kundenstamm von ihr bereits bekannten Männern zu treffen. Mit ihrer Familie hat sie wenig Kontakt und wenn, dann wollen sie meistens, dass sie ihnen Geld aus Deutschland schickt, erzählt Elena.

Dass Sex­ar­bei­te­r:in­nen an der Kurfürstenstraße Geld an ihre Verwandten in die Heimat schicken, kommt häufig vor, sagt Gerhard Schönborn. „Man würde da jetzt nicht von Menschenhandel sprechen, aber das ist auch eine Form der Nötigung oder des sozialen Zwangs.“ Die Bedingungen, unter denen die Frauen auf der Kurfürstenstraße anschaffen, sind prekär. Laut dem Verein fragen Männer regelmäßig nach Sex ohne Kondom. Einige Prostituierte stehen den ganzen Tag an der Straße, bieten sexuelle Dienstleistungen zu Dumpingpreisen an. Sex im Auto gibt es teils schon für 20 Euro.

Das Prostituiertenschutzgesetz sieht man im Verein Neustart kritisch, es biete den Betroffenen keinen Schutz. Langfristig wünscht man sich hier das Nordische Modell, das Freier bestraft, während Sex­ar­bei­te­r:in­nen ungestraft bleiben. „Es ist die teuerste Lösung und es würde nur funktionieren, wenn man genug Ausstiegsprogramme anbietet“, sagt der Vereinsvorsitzende. Es wären Zehntausende Frauen, die man langfristig begleiten müsste, mit Wohnungen, Jobs und psychologischer Betreuung. Frauen müsste dabei vor allem der Zugang zu Sozialleistungen ermöglicht werden, denn viele sind seit Jahren in Deutschland, aber ohne Anmeldung.

Doch könnte man nicht auch soziale Programme anbieten, ohne den Verkauf von Sex zu verbieten? Das sieht man bei Neustart kritisch, weil so das Problem der Zwangsprostitution nicht gelöst werde. Auch sieht Schönborn ein moralisches Argument für das Nordische Modell: „Es sollte nicht normal sein, dass wenn Männer ein sexuelles Bedürfnis haben, sie das einfach an einer Frau ausleben können.“

Findet man es feministisch, dass Frauen sexuelle Dienstleistungen anbieten? Will man eine Gesellschaft, in der Männer sich Sex kaufen können?

Zwei Hausnummern weiter sieht man das anders. „Indirekt werden die Frauen dann doch kriminalisiert“, sagt Lonneke Schmidt-Bink, die Leiterin des Frauentreffs Olga in der Kurfürstenstraße. In Schweden berichten beispielsweise Sexarbeiter:innen, dass sie ihr Einkommen mit ihren Part­ne­r:in­nen nicht mehr teilen könnten. Denn diese machen sich strafbar, wenn sie Geld, das mit Sexarbeit verdient wurde, ausgeben – weil sie so indirekt von einer kriminellen Tätigkeit profitieren.

Auch das moralische Argument überzeugt sie nicht: „Wer bin ich denn, Frauen meine Sexualmoral aufzudrängen?“ Auch der Frauentreff Olga ist eine umfunktionierte Altbauwohnung, die Räumlichkeiten sind hier etwas größer. Neben einem Aufenthaltsraum gibt es noch eine große Küche, einen Raum mit Ruhebetten, ein Bad sowie ein Behandlungszimmer. Neben einem Frauenarztstuhl gibt es ein Ultraschallgerät. Spricht man mit der Leiterin des Frauentrefffs, dann fällt immer wieder ein Wort: „zieloffen“. Sie wollen die Frauen selbst entscheiden lassen, welche Hilfe sie brauchen.

Hier kann man Sex kaufen: An der Ecke Kurfürstenstraße in Berlin-Mitte Foto: Doro Zinn

Zweimal im Monat können Sex­ar­bei­te­r:in­nen hier eine Frauenärztin oder einen Allgemeinarzt aufsuchen. „Wenn wir die Frauen hier nicht versorgen würden, hätten viele von ihnen überhaupt keine medizinischen Leistungen“, sagt Lonneke Schmidt-Bink. Tests für sexuell übertragbare Krankheiten (STI) wie zum Beispiel HIV oder Chlamydien, Schwangerschaftstests, Krebsvorsorge, Wundheilung – all das sind Leistungen, die das Team vom Frauentreff Olga anbieten kann. Doch auch ihre Kapazitäten sind begrenzt: „Wir haben in den letzten Jahren insgesamt weniger Frauen auf der Straße angetroffen. Aber die, die hier sind, haben einen sehr hohen Bedarf an Betreuung.“

Auch bei Olga beobachtet man einen erhöhten Drogenkonsum, immer mehr Sex­ar­bei­te­r:in­nen rutschten in die Sucht ab. Insgesamt sei die Zahl der Sex­ar­bei­te­r:in­nen in den letzten Jahren auf der Straße zurückgegangen, haben die So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen beobachtet. Das heißt aber nicht, dass sie nicht stattfindet. Sie findet eher im Verborgenen statt, etwa in Bordellen in Wohnhäusern. Das geht auch aus der Bundeskriminalstatistik hervor und ist ein weiteres Argument gegen das Nordische Modell: Durch die Kriminalisierung könnte Sexarbeit womöglich mehr im Verborgenen stattfinden und so weniger reguliert werden.

Prostitution in Deutschland

Legal und umstritten

Der Verkauf von Sex ist in Deutschland legal, geregelt über das Prostituiertenschutzgesetz. Kritiker:innen des Gesetzes behaupten, Sexarbeiter:innen seien in der Branche hauptsächlich Opfer von sexueller Ausbeutung. Sie fordern deshalb ein sogenanntes Nordisches Modell, wie es in Schweden in Kraft ist. Freier machen sich dabei mit dem Kauf von Sex strafbar. Die Sexabeiter:innen selbst werden nicht kriminalisiert. Teile der SPD fordern schon länger ein sogenanntes Sexkaufverbot. Die Grünen und die FDP sind eher dagegen.

400.000 Sexarbeiter:innen

Laut der Bundesregierung gibt es bis zu 400.000 Sexarbeiter:innen in Deutschland. Davon sind nur etwa 23.700 offiziell gemeldet, vier Fünftel haben keine deutsche Staatsbürgerschaft. Um sich als Prostituierte zu registrieren, muss man sich einer jährlichen Gesundheitsberatung unterziehen. (taz)

Davor hätten auch Daria und Elena Angst: Sie wären den Freiern so noch mehr ausgeliefert. Sie sind besorgt, dass es durch eine Kriminalisierung weniger Nachfrage geben würde und sie so Kunden annehmen müssten, die sie nicht annehmen wollen. Daria fände es gut, wenn es mehr sichere Räume gebe, wohin sie mit ihren Kunden gehen kann. Auch das ist ein Problem an der Kurfürstenstraße: Gentrifizierung. Säumten vor einigen Jahren noch viele leerstehende Häuser die Straße, reihen sich jetzt Neubauten aneinander. Damit gehen Räume verloren, zu denen die Sex­ar­bei­te­r:in­nen mit ihren Kun­d:in­nen gehen können. „Drogen und Wohnungslosigkeit sind das größte Problem hier“, bilanziert auch Elena über die Kurfürstenstraße. Sie würde sich wünschen, dass es mehr Therapie- und Wohnungsangebote gibt, um den Frauen zu helfen.

Es ist auch eine feministische Frage, was man von dem Nordischen Modell hält. Findet man es feministisch, dass Frauen sexuelle Dienstleistungen anbieten? Will man eine Gesellschaft, in der Männer sich Sex kaufen können? Der eigene Standpunkt fängt dabei schon mit der Formulierung an. Spricht man von Prostitution, schwingt gleich eine negative Komponente mit, es hebt den Unterschied zu anderen Formen der Arbeit hervor. Sagt man Sexarbeit, betont man, dass Prostitution eben auch Arbeit sei. Beim Frauentreff Olga spricht man von „Umstieg“ statt „Ausstieg“, man sagt Sex­ar­bei­te­r:in­nen, nicht „Prostituierte“ – denn es sind ja nicht nur Frauen auf der Straße, sondern auch Männer und nicht-binäre Personen.

Schmidt-Bink, die Leiterin von Olga, ist insgesamt genervt von der Art und Weise, wie über Sexarbeit in den Medien und in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Sie findet es problematisch, dass nicht klar zwischen Sexarbeit und Zwangsprostitution unterschieden wird. Denn es gibt eben auch einige Sexarbeiter:innen, die selbstbestimmt im Beruf arbeiten. „Das würde auch eine bessere Diskussion über politische Maßnahmen ermöglichen“, sagt sie. Sie hält es für völlig unrealistisch, dass ein Nordisches Modell den Menschenhandel in Deutschland bekämpfen würde. „Vieles von dem, was passiert, ist bereits illegal, eine weitere Kriminalisierung würde die Zuhälter nicht abschrecken.“

Laut Bundeskriminalamt haben etwa 90 Prozent des Menschenhandels in Deutschland sexuelle Ausbeutung zum Ziel. Die Ursachen von Menschenhandel sind komplex. Sie hängen viel mit Migration und Armut zusammen. In Deutschland gab es im Jahr 2022 291 Ermittlungsverfahren wegen sexueller Ausbeutung sowie 220 wegen kommerzieller sexueller Ausbeutung von Minderjährigen. Fachleute und das Bundeskriminalamt gehen von einem großen Dunkelfeld aus.

An der Emotionalität der Debatte stört sich auch die Grünen-Abgeordnete Denise Loop. „Ich finde, wir entfernen uns bei dem Thema zu sehr von einer sachlichen Debatte“, sagt sie. „Man kann auch entkriminalisieren und gleichzeitig gegen Menschenhandel vorgehen.“ In etwa 50 Prozent der Fälle kommt es durch die Opfer selbst zu einem Verfahren, diese Zahl ist jedoch rückläufig. Im Jahr 2020 gingen die Anzeigen noch zu 55,4 Prozent von den Opfern aus, 2021 nur noch zu 47,1 Prozent. Der Rest der Verfahren wird durch die Polizei eigeninitiativ, über einen Hinweis oder über eine Anzeige durch Dritte, eingeleitet.

Würde ein Nordisches Modell helfen, die Strafverfolgung von Zwangsprostitution zu verbessern? Loop ist da skeptisch. Sie sieht das Potenzial eher in anderen politischen Instrumenten, den Menschenhandel zu stoppen. Dabei hakt es derzeit aber noch an der Umsetzung. So gibt es bei der Staatsanwaltschaft keine gesonderte Stelle für Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung, außer in einzelnen Bundesländern. Auch sei die Polizei nicht ausreichend spezialisiert im Umgang mit Opfern. Das sei aber essenziell, um gegen Menschenhändler vorzugehen. Eine Forderung aus dem Ampel-Koalitionsvertrag sei es, die Aussagebereitschaft vom Aufenthaltstitel zu entkoppeln, so Loop. Wenn den Opfern keine Abschiebung droht, wenn sie eine Aussage machen, sind sie womöglich eher bereit, mit der Polizei zu sprechen.

„Da warte ich seit 20 Jahren drauf und es passiert nichts“, sagt hingegen Leni Breymaier von der SPD. Sie setzt sich schon seit Jahren für das Nordische Modell ein. Die Politikerin sieht es nicht als die ultimative politische Lösung – aber als die beste zur Verfügung stehende. Deutschland habe sich laut Breymaier zum Zielland von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung entwickelt, deshalb sei es wichtig, die Nachfrage zu regulieren. Ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Legalisierung von Prostitution und einer Zunahme des Menschenhandels in Deutschland gibt, ist jedoch umstritten.

Laut Neustart-Leiter Schönborn begünstigt eine liberale Gesetzgebung das System: „Zuhälter können sich bedenkenlos auf die Straße stellen und den Frauen zusehen, wie sie für sie Geld verdienen“, sagt er.

Es gibt jedoch noch andere Faktoren, die zu der Zunahme des Menschenhandels beigetragen haben. Denn das Problem hängt direkt mit der Armutsbekämpfung in ganz Europa zusammen. Seit der EU-Osterweiterung ist es einfacher für Menschen wie Daria und Elena, nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten. Diese Liberalisierung hat auch dazu beigetragen, dass sich solche Netzwerke bilden konnten. Aus Mangel an Perspektiven im Heimatland kommen die Frauen in reichere Länder in Europa. Gleichzeitig ist es für Menschenhändler lukrativer, in Deutschland Sex zu verkaufen.

Genau wie Schönborn findet die SPD-Politikerin Breymaier trotzdem, dass das Nordische Modell der richtige Weg ist: Ein solches Modell funktioniere aber nur, wenn man ausreichend Ausstiegshilfen, Wohnraum und gesundheitliche Versorgung anbiete. Allein solche Maßnahmen zu ergreifen, hält sie für sinnlos. „Für jede Frau, der wir helfen, kommen im Zweifel zehn nach“, sagt sie. Dass es auch Sex­ar­bei­te­r:in­nen gibt, die selbstbestimmt und freiwillig in der Branche tätig sind, streitet sie nicht ab. „Aber das Recht dieser vielleicht 5 Prozent Frauen legitimiert doch nicht das Leid der anderen 95 Prozent.“

Die 5 Prozent kann man an einem heißen Tag in Juni an der Kurfürstenstraße beobachten. Etwa 200 Sex­ar­bei­te­r:in­nen und Prostituierte protestieren anlässlich des Internationalen Hurentags für weniger Stigmatisierung und mehr Mitspracherecht bei der Evaluation des Prostitutionsschutzgesetzes. Rote Schirme säumen die Menge, die Schirme sind ein weltweites Solidaritätssymbol unter Sexarbeiter:innen. Viele leicht bekleidete Frauen sind zu sehen, aber auch viele Unterstützer. Auf Protestbannern stehen Sprüche wie „Sex work is work“, „Stigma kills“ oder „Redet mit uns statt über uns“.

Als der Protestzug vor den Beratungsstellen des Frauentreffs Olga und des Vereins Neustart hält, kommt eine Anwohnerin auf den Balkon. Sie zeigt den Mittelfinger und schüttet Wasser auf die Protestierenden. „Wir bleiben hier“, brüllt die Menge ihr entgegen. Sichtlich unberührt von dem ganzen Trubel stehen Sex­ar­bei­te­r:in­nen am Rand der Straße, die auf einen nächsten Kunden warten. Auch Daria und Elena sind nicht zu sehen. Für ihre Rechte kämpfen, das kommt ihnen wohl bisher noch nicht in den Sinn. Das fällt in dem Gespräch mit ihnen auf: Als man sie fragt, wie man ihre Situation verbessern kann, hat man das Gefühl, sie äußern sich dazu zum ersten Mal.

Dabei ist es wichtig, Menschen wie Elena und Daria zuzuhören. Denn ihre Stimmen gehen in dem Diskurs über Sexarbeit oft verloren. Und ihre Geschichten zeigen, wie vielschichtig die Probleme der Sex­ar­bei­te­r:in­nen sind. Sie zeigen auch, dass man differenzieren muss. Beide Frauen arbeiten unter ähnlich prekären Bedingungen, trotzdem sind ihre Geschichten ganz unterschiedlich: Die eine sieht sich dazu gezwungen, ihren Körper zu verkaufen. Für die andere ist es eine selbstbestimmte Entscheidung. Das wird die Herausforderung für die Zukunft sein: einen gesetzlichen Rahmen zu finden, der das Leben aller Sex­ar­bei­te­r:in­nen beziehungsweise Prostituierten verbessert. Niedrigschwellige Unterstützungsangebote sind dabei zentral. Damit Menschen wie Daria nicht länger durchs System fallen.

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93 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Vielen Dank für eure Beiträge. Wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation

  • Könnte man eigentlich bei einem Sexkaufverbot illegale Prostitution durch das Aufstellen einer Kamera in legale Pornografie verwandeln, so wie hier zu sehen:

    www.youtube.com/watch?v=8nDkBsYto2s

    Im Übrigen müsste bei einem "Sexkaufverbot" (vulgo: einseitige Freierbestrafung) dann die Frage geklärt werden, ob dieses uneingeschränkt genau so für Menschen mit Behinderung gelten soll, oder ob es für diese eine Ausnahme gäbe.

    Siehe:

    www.aerztezeitung....derten-236849.html

  • Wer glaubt, durch das "nordische Modell" gäbe es weniger Prostitution, der möge mal bei Google (natürlich OHNE Jugendschutz-Filter wie "SafeSearch") zusammen die Wörter "Stockholm" + "Escort" oder "Oslo" + "Escort" eingeben.



    Selbst "Reykjavík" + "Escort" bringt noch erstaunlich viele Treffer, obwohl Island doch bekanntlich eine abgelegene, dünn besiedelte, beschauliche Insel mit insgesamt gerade einmal 500.000 Einwohnern ist.

    • @Rojas:

      Angesichts der 1.120.000 Ergebnisse bei Google für "Nordpol Bordell" mus dort wohl ein Bordell stehen :-)

  • Nun, was würde es denn ändern/wie würde es die Situation der Frauen verbessern, wenn Freier sein unter Strafe gestellt wird?

    Die Frauen, die das Freiwillig machen, werden weniger Freier bekommen, denn man weiß ja nie.

    Diejenigen, die zur Sexarbeit gezwungen werden, haben aber keine Vorteile.



    Im Gegenteil, denn nun gibt es ja um einiges mehr Anreize, diese Frauen in Untergrund zu halten.

    Man wird so noch mehr von der elt isolieren, dait sie ja nie einer Seele etwas erzählen können, die Behandlung wird rauer, und wenn man auch nur denn Verdacht hat dass eine Frau etwas über Freier sagen könnte dürfte sie sehr schnell nicht mehr am Leben sein.

  • Für ein Verbot einer Hnadlung braucht die Notwendigkeit einer ethische Ächtung und diese Basis kann ich hier nicht erkennen. Die im Bericht genannten Frauen Daria und Elena wissen worauf sie sich einlassen, sind genau dafür auch hergekommen und sind Volljährig.

    Und es kann auch nicht darauf ankommen, ob ein Job Spaß macht oder nicht.

    So lange alle Beteiligten einvernehmlich machen was sie machen ist alles in Ordung.

  • Es ist leider so: Ausbeutung wird beispielsweise dann als solche erkannt, wenn es um Tönnies-Fleischfabrik-Arbeitende geht - aber wenn vor dem Begriff Ausbeutung das Wort Sex steht, vernebelt das viele Gehirne, leider auch von manchen Linken.



    Beispiellose Naivität hat damals, als das von den Grünen initiierte liberalistische Gesetz installiert worden war, selbst bürgerliche Frauen, oder gerade diese, z.B. vom deutschen Juristinnenbund, zu positiven Statements veranlasst - ja, auch da lebten Menschen schon in ihren "Blasen"!



    Welch ein rudimentäres Männerbild herrscht in einer Gesellschaft, die meint, diese sollten mit Geldscheinen winken, um ihre anders nicht händelbaren Triebe befriedigen zu können - wie armselig!

    • @Toni Zweig:

      Es gibt jede Menge nicht-lebenswichtiger Wünsche, die sich Menschen nicht mit den eigenen (nicht-monitären) Ressourcen erfüllen können oder wollen und sich deshalb behelfen, indem sie die die Erfüllung als Dienstleistung kaufen. Ob das dann tatsächlich erfüllend ist oder nicht, ist Geschmackssache. Aber das Phänomen an sich ist völlig normal. Der Nebel, der beim Wort "Sex" aufzieht, duchwallt insofern auch Ihre Aussage.

      Davon abgesehen frage ich mich immer, wie man etwas als "Ausbeutung" definieren kann, was man dann umgekehrt meint ausmerzen zu müssen, indem man primär den Ausgebeuteten aktiv die Möglichkeit nimmt, sich ausbeuten zu lassen. Bessere Alternativen wären angezeigt, nicht Verbote.

      • @Normalo:

        Die vermeintlich "besseren" Alternativen dachten ja damals die Grünen zu haben mit dem inzwischen schon vergeblich nachgebessertem Gesetz, mit dem Ergebnis, dass sich die Situation in Deutschland vergleichsweise katastrophal entwickelt hat.



        Wenn Sie jemandem gerne Geld für Sex geben wollen, dann tun Sie es doch, verlangen Sie bitte aber nicht von der ganzen Gesellschaft, einen Beruf daraus zu machen - das wollte man, aus ideologischen Gründen, damals schon, es ging gründlich schief!

        • @Toni Zweig:

          Ich meinte bessere Alternativen für die Prostituierten ZUR Prostitution. Man kann nicht sagen "So wie es läuft, ist es schlecht, also wird's verboten." und meinen, dass sich dadurch die Probleme lösen, die die Betroffenen überhaupt dazu bewogen haben, sich zu prostituieren. Das ist in der weit überwiegenden Zahl, dass sie damit eben, wenn nicht "viel", dann doch MEHR Geld verdienen können, als indem sie irgendwas anderes versuchen.

          Solange es diese Gründe gibt, kann man Prostitution zwar vordergründig verbieten, aber nicht abschaffen - insbesondere nicht die jetzt schon verbotenen verbrecherischen Strukturen, die dort teilweise herrschen. Die werden erst recht gedeihen, wenn Sexarbeit insgesamt nur noch im Untergrund stattfindet und das "Angebot" an prostitutionswilligen (bzw. sich fügenden) Frauen nicht abnimmt.

    • @Toni Zweig:

      Man könnte ja mal auf den Gedanken kommen den unmittelbar Betroffenen zuzuhören. Die Haltung der entsprechenden Berufsverbände zu Verbot und Nordischem Modell sind relativ klar. Und während sich etwa die Opfer des systematischen Missbrauchs etwa in der Kirche längst in Verbänden organisiert haben um ihre Interessen zu vertreten sehe ich bislang nirgends eine vergleichbare Gruppen von aktiven oder ehemaligen Sexarbeitenden die sich für ein generelles Verbot einsetzen. Wenn derartige Forderungen aber primär von wohlmeinenden Dritten erhoben werden lohnt sich möglicherweise doch ein kritischer zweiter Blick.

      • @Ingo Bernable:

        Die "Berufsverbände" von denen Sie sprechen, sind Lobbyvereine von SexarbeitgeberInnen (ZuhälterInnen). Sexarbeit war, ist und bleibt ein Geschäft, welches in erster Linie ständig Nachschub extrem junger Mädchen und Frauen benötigt, die aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Herkunft nicht rechtzeitig in der Lage sind sich vor dem grauenvollen Schicksal des Daseins als Prostituierte zu schützen. Die wenigen Frauen, die ihre Sexualität aus freien Stücken selbst verkaufen sind quantitativ nicht erheblich und können nicht für die vielen entrechteten und gedemütigten Sexsklavinnen sprechen.

      • @Ingo Bernable:

        "Und während sich etwa die Opfer des systematischen Missbrauchs etwa in der Kirche längst in Verbänden organisiert haben um ihre Interessen zu vertreten sehe ich bislang nirgends eine vergleichbare Gruppen von aktiven oder ehemaligen Sexarbeitenden"

        Man könnte ja mal ähnlich wie bei den Kirchen, den Verantwortlichen in den Ämtern und deren Vorgesetzten bis an die Spitze auf die Finger schauen und öffentlich machen wo überall weggeschaut wurde und nicht gehandelt wurde. Gut wäre es, wenn die Behörden ähnlich wie die Kirchen unabhängige Untersuchungen einleiten.

        Oder wollten Sie mit ihren Hinweis auf nicht vorhandne Opferorganisationen sagen, dass da nichts ist unterm Teppich?

      • @Ingo Bernable:

        Es gibt sehr wohl Ex-Sexarbeiterinnen, die sich dahingehend zu Wort melden - da sind Sie nicht informiert.



        Empfehle mal, bei der "Emma" reinzuschauen!

        • @Toni Zweig:

          Ich halte die Position der Emma in dieser Frage für ähnlich befangen wie eine päpstliche Enzyklika und offensichtlich konnte die Emma bislang auch keine der größeren Organisationen von Sexarbeitenden dazu bewegen sich ihrer Position anzuschließen.

        • @Toni Zweig:

          P.S.



          Oder schauen Sie rein bei "Solwodi" und/oder bei "SISTERS E.V."!

          • @Toni Zweig:

            Sisters eV ist nach deren Selbstdarstellung ein abolitionistischer Verein der von sich erklärt immerhin eine(!) ehemalige Sexarbeiterin in ihren Reihen zu haben und Solwodi scheint ebenfalls eher eine typische Wohltätigkeits-NGO zu sein, zumal mit einem ursprünglich kenianischen Kontext bei dem man schon zu fragen wäre wie gut sich dieser auf eine deutsche Situation mit erheblich besseren sozialen Netzen übertragen lässt.



            Unterm Strich jedenfalls wieder mal allerlei Gruppierungen die meinen besser zu wissen was für Sexarbeitende am Besten ist als diese selber.

  • Der Mafia im Hintergrund ist weder mit dem Nordischen Modell noch mit der aktuellen wegschauender Legalität beizukommen.



    Für die Organisierte Kriminalität, egal in welcher Ausprägung, ist das doch ein Traum: Über Drogenhandel generiertes Geld im steuerlich kaum bzw. schwer zu kontrollierenden Sexverkauf und Gastrogewerbe waschen und die (Selbst-)Ausbeutung der Sexarbeitenden als vermeintlich selbstbestimmte Selbstständigkeit bemänteln.



    Wie viele Sexarbeiter*innen sind denn wirklich selbstständig und selbstbestimmt und machen ihren Job mit ähnlicher Freude und Lebensunterhaltsnotwenigkeit wie ne Bürokauffrau oder Bäckerin, n Produktionshelfer oder Zimmerer? Und wie gut sind sie arbeitsrechtlich geschützt im Vergleich?



    Und nein: Mit dem Nordischen Modell wird es nicht besser. Besser würde es vermutlich mit strikteren arbeitsrechtlichen und vertragsrechtlichen Vorgaben und mit viel stärkerer Kontrolle bzw. Bekämpfung der OK. Dann könnten auch die, die diese Arbeit machen wollen, sie sicherer ausüben.

  • ...Leben wir nicht in einem freiem Land ?



    Gesetze gegeben kriminelle Handlungen sind richtig und sollen Meschen vor Kriminellen schützen - was ist kriminell, wenn ein Mensch, einen snderen Menschen für seine Dienstleistungen bezahlt ?



    Problem - wenn ein Mensch hier illegal lebt, ist er selber kriminell...wie soll er etwas zur Anzeige bei der Polizei bringen ? Hier sollte Angesetzt -/Nachgebessert werden...

  • Ich wollte nicht dass meine Tochter Sexarbeit betreibt aber ich möchte sie auch nicht in der Müllabfuhr, bei der Armee oder in einer Kohlemine sehen. Ich will aber auch keinen Beruf verbieten oder kriminalisieren oder meiner Tochter ihre Entscheidung wie sie ihr Leben führen wird, das steht mir nicht zu.

    • @echobravo:

      Ich bin wirklich überrascht, wie verklärt das Bild von Prostitution häufig ist. Müllwerker ist wirklich kein schlechter Job, angestellt bei der Stadt, sicher und ordentlich bezahlt. In einer Studie geben 63% der Prostitutierten an bei ihrer Arbeit mindestens eine Vergewaltigung erlebt zu haben, 50% davon mehr als 5 Vergewaltigungen! Zwischen 4 und 30 Freier am Tag werden bedient. Abgesehen von der psychischen Belastung ist das auch körperlich ohne starke Schmerzmittel gar nicht aushaltbar. Prostitution ist einfach kein Beruf wie jeder andere

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Keine Fragen, wie die Käufer ticken?



    Wer sind die Käufer von sexualisierter Nötigungs- und Gewaltverfügung?



    Wo sind die Artikel zu r Sozialforschung über die Käuferschichten?



    Vieleicht hülfe das ein wenig um mit der Frage anders weiter zu kommen.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Tatsächlich etwas, was ich mich selten frage. Danke für den Hinweis.

  • Amnesty International und die Deustche Aidshilfe sind gegen ein Sexkaufverbot. Diese undifferenzierte Herangehensweise in vielen Leserkommentaren hier ist dann doch etwas sehr unterkomplex!



    Die Argumente von Amnesty International und Deutsche Aids-Hilfe überzeugen mich u. a. daher mehr!



    "Die Behauptung, Prostituierte könnten so vor Zwang und Menschenhandel geschützt werden, weisen die Fachleute zurück. Ganz im Gegenteil: Gerade Prostituierte in prekären und gefährlichen Lagen würden besonders geschädigt, weil sie weiter marginalisiert und sichere Arbeitsbedingungen verhindert würden. Der Zugang zu Hilfe und Beratung würde enorm erschwert.



    Die Studien sind eindeutig: Eine Kriminalisierung erhöht das Risiko der Betroffenen, Opfer von Gewalt und anderen Straftaten zu werden oder sich sexuell übertragbare Infektionen wie HIV zuzuziehen. Wer wirklich etwas für Menschen in der Sexarbeit tun will, muss ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern. Das gilt ganz besonders für Frauen mit aufenthaltsrechtlichen Problemen und ohne Krankenversicherung. Das Sexkaufverbot hingegen würde außerdem auch Verbote des Betriebs von Bordellen und Zimmervermietungen nach sich ziehen – und damit den Aufbau sicherer Arbeitsbedingungen illegalisieren.



    Dazu sagt Johanna Thie, Fachreferentin „Hilfen für Frauen“ der Diakonie Deutschland - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.: „Die aufflammende Diskussion erfüllt uns mit tiefer Sorge. Sie geht in die völlig falsche Richtung und verkennt die Realität in Prävention und Sozialarbeit. Gerade bereits marginalisierte Gruppen wie Migrantinnen, Trans* oder Drogen konsumierende Menschen würden geschädigt. Was die Menschen in der Prostitution schützen soll, könnte ihnen am Ende zum Verhängnis werden.“



    www.aidshilfe.de/m...arnt-sexkaufverbot



    www.amnesty.ch/de/...iminalisieren-will

    • @Hannah Remark:

      @Amnesty

      Zitat Amnesty: "Die Positionierung von Amnesty dreht sich nicht um die Freiheiten oder die Menschenrechte von Freiern und Zuhältern, sondern um diejenigen der SexarbeiterInnen."

      Es geht beim Sexkaufverbot nicht um die Kriminalisierung von Prostituierten und Amnesty positioniert sich in dem von Ihnen verlinkten Beitrag auch nicht dagegen.

      • @Rudolf Fissner:

        Doch, tun Sie, da ich dort selbst Fördermitglied bin, weiß ich dies besser als Sie, da ich in zahlreichen Diskussionen dies nachverfolgen konnte und der von Ihnen aufgeführte Abschnitt widerlegt dies auch nicht. Amnesty ist gegen Zwangsprostitution, die bereits in Deutschland auch verboten ist. Für das schwedische oder nordische Modell oder ein generelles Sexkaufverbot oder Prostitutionsverbot ist Amnesty nicht. Sie sollten genauer lesen, zu Ende lesen und Abschnitte nicht falsch interpretieren. Was bezwecken Sie damit?

        • @Hannah Remark:

          "Was bezwecken Sie damit?"

          Was bezweckt man wohl damit, eine Text zu lesen? Schlicht nur einen Faktencheck natürlich!

          Nochmal. Das Wörtchen "Sexkaufverbot" kommt in ihrem Link nicht vor. Auch vom schwedischen und norwegischen Modell ist dort nicht die Rede. Sexkaufverbot betrifft die Freiheiten der Freier und da ist der von mir zitierte Satz von Amnesty ziemlich klar.

          Bringen Sie also bitte einen Beleg an, wo Amnesty sich konkret dagegen positioniert. Interpretation, die sich auf keinen konkreten Satz beziehen, sind nur nebulös.

          • @Rudolf Fissner:

            Wenn die eine Seite eines zweiseitigen Geschäfts bestraft wird, wirkt sich das über die Abschreckungswirkung der Strafe absichtsvoll auch auf die andere Seite aus: Wer Sexkauf unter Strafe stellt, WILL doch erreichen, dass Sex möglichst weniger und jedenfalls nur noch im Untergrund gekauft wird. Enstprechend reduziert sich unmittelbar auch die (zumindest faktische) Freiheit, Sex zu VERkaufen auf das, was dann noch übrig bleibt. Sich an der Augenwischerei NICHT zu beteiligen, ein "Sexkaufverbot" schränke ja nur die Freier ein, ist also nur eins: Ehrlich.

            • @Normalo:

              P.S. Wenn man es aber anders nicht gebacken bekommt und weiterhin Tausende Frauen als Zwangsprostituierte leben, dann wäre ich in der Abwägung auch für ein Sexkaufverbot, wenn dadurch die Zahlen gesenkt werden können. Das wäre aber keine Entscheidung gegen "Sex" sondern für Menschenrechte.

            • @Normalo:

              "Wer Sexkauf unter Strafe stellt, WILL doch erreichen, dass Sex möglichst weniger und jedenfalls nur noch im Untergrund gekauft wird."

              Das halte ich für überdreht gedacht. Ich kann mir auch einen Sexkauf vorstellen, bei dem es nicht zu Missbrauch kommt. Nur weil beispielsweise kein Alkohol an 6 Jährige verkauft werden darf bedeutet dies ja nicht dass Alkohol verboten werden soll.

              • @Rudolf Fissner:

                Aber wenn Sexkauf verboten wird, dann wird er GENERELL verboten - auch der ohne Missbrauch. Schauen Sie doch nach Skandinavien: Die Sexarbeiterinnen, die gerne weiter ihren Job machen würden, finden noch nicht mal Vermieter. Und Zwangsprostitution steht bereits unter Strafe. Das Problem ist, den Unterschied zu sehen UND die geeigneten Gegenmittel zu finden.

                Mir sieht es nur aktuell nicht aus, als wäre das Nordischen Modell ein solches - eher ein optischer Aufheller, der das Problem aus den Augen des wohlfühlbedürftigen Bürgertums verschwinden lässt. Es kommt natürlich darauf an, wie hoch der Anteil an echter Zwangs- (nicht bloß Armuts-) prostitution wirklich liegt. Die Zahlen liegen da sehr im Auge des Betrachters. Aber gehen Sie davon aus, dass im Nordischen Modell die Prostitution insgesamt zurückgeht, der Anteil der zwielichtigen oder auch wirklich schwerkriminellen Verhälntisse aber zunimmt. Es ist ja völlig klar, dass die Ersten, die so ein Verbot aus dem Markt treibt, diejenigen sind, die auf Legalität und staatlichen Schutz am meisten Wert legen, während sich ungekehrt für die Leute, die jetzt schon schauen müssen, dass ihnen niemand auf die Schliche kommt, am wenigsten ändern würde.

                • @Normalo:

                  Sexkauf bei Zwangsprostituierten ist bereits aktuell verboten. Deshalb ist Sexkauf nicht "GENERELL" verboten.

                  Ihre Prämisse stimmt also nicht. Sexkauf kann und ist durchaus gesetlich gestaltet sein bis hin zu Verboten.

          • @Rudolf Fissner:

            Steht doch in dem Text von Amnesty: "Entkriminalisierung bedeutet, dass einvernehmliche sexuelle Beziehungen unter Erwachsenen, auch wenn diese bezahlt sind, nicht strafrechtlich verfolgt werden. "

            Was verstehen Sei daran nicht? Diese Aussage schließt ein generelles Sexkaufverbot und ebenso das schwedische bzw. nordische Modell aus!

            Selbst die taz hat 2015 darüber bereits berichtet, hier für Ihr Verständnis der Link:

            taz.de/Amnesty-Int...titution/!5223665/

            Ich hoffe, die Verdeutlichung ist jetzt verständlich genug für Sie!

            • @Hannah Remark:

              Dann sollte der Sexkauf dahingehen strafbar sein, dass wenn ein Freier sich nicht zuvor eingend davon überzeugt hat (und dies auch nachweisen kann), dass er seinen Kauf nicht unter Missbrauch von Frauen getätigt hat.

              Oder denken Sie dass Amnesty auch den Sexkauf von Zwangsprostituierten enkriminalisieren will?

              • @Rudolf Fissner:

                Der Nachweis ist schwer zu führen wenn er etwas wert sein soll. So richtiug leicht bekommt man aus den Damen die Wahrheit im Zweifel nicht raus, wenn sie missbraucht werden ("Machst Du das hier auch freiwillig?" "Klar, mein Großer!*schmacht*" "Kann ja Jede sagen. Wo ist Dein Zuhälterfrei-Zertifikat?" "Bitte WAS??"...). Oder der Freier stalkt die Prostitutierte erstmal ein, zwei Tage...

                Sie merken - so richtig weit kommt man damit nicht.

                • @Normalo:

                  Es kann beispielsweise staatlich zertifizierte überprüfte Bordelle geben, wo nur deren Besuch legal ist. Deren Listen wären unmanipuliert von Zuhältern öffentlich bekannt. Wer woanders erwischt wird macht sich dann halt strafbar.

              • @Rudolf Fissner:

                Gute Idee mit der Verantwortung und dem Nachweis!

  • Vielleicht sollte man es einfach wie einen normalen Job behandeln. Mit Rechten und Pflichten von Arbeitgebern und nehmern. Alle haben sich an die üblichen Gesetze zu halten, eine Gewerkschaft wäre super.



    Die Sexarbeit jetzt quasi wieder zu kriminalisieren führt in die düstere Vergangenheit zurück, aus der man solche Maßnahmen kennt.

    • @Jalella:

      Gute Idee. Vielleicht sollte es dann auch überprüfbar sein wie jeder andere Job. Sexverkauf also nur noch an zertifizierten Orten, die einer Überprüfung standhalten. Keine finanziellen Transaktionen mehr unter der Hand. Kein Straßenstrich mehr. Sicherstellung regelmäßiger ärztlicher Untersuchungen ( auch der freien "selbstständigen"). Sicher gibt es da noch viel mehr Kontrollen gegen Zwangsprostitutionen.

      Und wer dann noch als Freier meint, sich daran vorbei mogeln zu können, der wird dann halt belangt. Ebenso wie die Eigentümer von Bordellen.

    • @Jalella:

      Genau das hat der Gesetzgeber in Deutschland Stand heute doch vorgesehen. Prostituierte können und sollen sich anmelden. Die meisten tun es schlichtweg nicht.

      Die Statistik dazu wird ja genannt: von geschätzt 400.000 nur etwa 23.700 offiziell gemeldet. Es funktioniert einfach nicht. In jeder anderen Branche würde wegen Sozialbetrugs hart durchgegriffen, weil dem Fiskus und den Sozialkassen Einkünfte entgehen.

      • @Winnetaz:

        Sehr guter Hinweis: Prostitution ohne den im Artikel erwähnten Ausweis sollte für den Freier verboten sein.

  • Ich möchte noch in den Ring werfen, dass es auch um die Gesellschaft geht, um patriarchale Selbstüberhöhung und die Sicht auf andere Menschen – besonders Frauen – als benutzbare Objekte. Weil es beim bezahlten Sex eher nicht um die Wünsche des dafür bezahlten Gegenübers geht, hat es wohl oft auch wenig mit wirklichem Einvernehmen zu tun.

    • @Kjeld Jensen:

      In welchem Dienstleistungsberuf geht es NICHT eher um die Wünsche dessen, der bezahlt?

      Und nein, Sex ist nicht notwendigerweise eine Aneignung/ Objektivierung der ganzen Person, sondern ein biologischer Akt, den zwei (oder mehr) Menschen miteinander in aller Regel beiderseitig zustimmend vollziehen. Wenn dem Einen dabei der Spaß Geld wert ist und es dem Anderen das Geld wert ist, dass der Spaß mehr oder minder kurz kommt - warum wird das immer gleich so behandelt, als gäbe letzterer seine Selbstbestimmung auf?

      Es ist etwas anderes, wenn der Freier Dinge verlangt, die die Sexarbeiterin nicht - auch nicht für Geld - mitmachen will. Das sollte klargestellt werden - möglichst im Voraus. und dann kommt es entweder nicht zum Geschäft oder zu einer Strafanzeige.

      • @Normalo:

        ''Wenn dem Einen dabei der Spaß Geld wert ist und es dem Anderen das Geld wert ist, dass der Spaß mehr oder minder kurz kommt - warum wird das immer gleich so behandelt, als gäbe letzterer seine Selbstbestimmung auf?'' Demgegenüber:

        ''Daria muss zweimal am Tag einen Kunden treffen, um zu überleben. Nicht weil es ein Job ist, der ihr Spaß macht''

        So Ihrer Meinung nach ist die Entscheidung a) etwas zu tun was man nicht möchte oder b) zu verhungern und/oder in den kalten Entzug betreffend Drogenabhängigkeiten zu geraten eine komplette 'freiwillige' Entscheidung?



        Materieller Zwang ist Zwang. Zwang ist unfrei. Dass Machtstrukturen abstrakt sind heißt nicht das Machtstrukturen nicht sehr real sind.



        Eine solche Situation hat mit Konsens oder Freiheit überhaupt nichts zu tun.



        Und eine Gesellschaft in der Männer bereitwillig Körper für ihre eignen nicht-konsensualen Befriedigung kaufen, darf für die zugrunde liegenden Strukturen kritisiert werden, darauf zielte obiger Kommentar ab. Frage: was läuft bei diesen Männern schief?

        Tatsächlich konsensuellen Sex als Dienstleistung zu handeln steht auf einem völlig anderem Blatt. „Ich liebe meinen Beruf, er macht mir Spaß“

        • @Eydeet14:

          Das ist genau die Übertdramtisierung, die ich meine: In Deutschland muss NIEMAND verhungern. Das als einzige Alternative hinzustellen, ist schlicht Quatsch. Stellen Sie sich einfach vor, Darja wäre ein hässlicher, ungepflegter Mann (hätte also aus Marktgründen schlicht nicht die Option, sich durch Prostitution zu ernähren) in im Übrigen exakt gleicher Situation! Müsste der automatisch erhungern?

          • @Normalo:

            Was auf jeden Fall Quatsch ist, ist hier einen bizarren whatabout Vergleich eines ''hässlichen, ungepflegten Manns'' heranzuziehen. (btw, da gelten natürlich übrigens auch materielle Zwänge, aber was auch immer....?!)

            Ich hielt in erster Linie Ihre Darstellung für gruselig, das ganze mir nichts dir nichts für 'selbstbestimmt' zu erklären als ob sich damit jeder Diskurs über patriarchale Machtstrukturen/Konsens in Luft auflösen würde.



            Ich kann etwas nicht wirklich 'frei' tun wenn ich es nicht will. Entweder ich will es oder es ist in irgendeiner Form unfrei.



            Es ist egal ob es in der Theorie 'objektiv' von außen Alternativen gäbe, Problem ist dass aus Darjas eigener Perspektive offensichtlich(!) keine Alternative in Sicht ist.



            Nein, Darja hat keinen konsensuellen Sex mit Freiern, und die Fragestellung was mit einer Gesellschaft los ist in der es Männer gibt die sich Körper kaufen um sich nicht-konsensuell zu befriedigen (und das ganze noch als normal gebilligt wird) ist absolut berechtigt. Darum ging es ja in diesem thread.

            • @Eydeet14:

              Danke für die guten Ergänzungen und Erläuterungen.

              Es werden nicht umsonst nicht etwa "hässliche ungepflegte Männer" in wohlhabendere Länder zum Anschaffen geschickt, sondern eben konkret Frauen*. Warum wohl @Normalo? Und bitte einmal darüber informieren, inwiefern es die Realität trifft, dass angeblich in Deutschland niemand hungern müsse. Diese beiden Dinge sind allerdings NICHT der Kern meiner Anmerkung.

              Ich wollte hier einfach ergänzend zum Artikel erwähnen, dass es keineswegs allein um die Sex:arbeiterinnen geht, sondern um die Sicht auf meist Frauen und weiblich Gelesene.

              In dem Zusammenhang ist auch sehr interessant, wer eigentlich wieviel für die Zusammenkunft investiert (nicht nur monetär), wer welche Risiken eingeht, wer wie viel zu kompensieren hat, welche Erwartungen an wen gestellt werden, wer wieviel von der Bezahlung abbekommt (Miete Zimmer/Etablissement, Service, Garderobe, Ausstattung, Sicherheitsvorkehrungen, ggf Zuhälter..), wer welche Auswirkungen für den weiteren Lebensweg erlebt uvm. Freier zahlen daran gemessen einen geringen Preis, haben das geringste Risiko und die Sache betrifft ihr Leben am allerwenigsten. Und weitere Männer sind es oft, die am meisten an der bezahlten Person verdienen. Sie selbst hat von dem erhaltenen Geld idR am wenigsten.

              Es mag auch glückliche Sexworker:innen geben. Doch die Grundhaltung, körperliche Verfügung zu erkaufen, betrifft nicht nur das Gewerbe, sondern beispielsweise auch Beziehungen und sogar flüchtige Begegnungen. Beispiel: Männer, die Stress machen, wenn sie etwas spendieren und dann "trotzdem" keinen Sex bekommen, wovon sie stillschweigend ausgegangen waren. Ein Nein werten sie als Affront, schließlich haben sie "gezahlt". Es ist das Gegenteil davon, Frauen* auf Augenhöhe wahrzunehmen. Wie derart toxisches Selbstverständnis beenden? Welche Rolle spielt Sexarbeit? Warum wohl ist das Gros der Freier + Mitverdienenden männlich*, die Anbietenden und Hauptrisiko-Tragenden hingegen meist weiblich*?

              • @Kjeld Jensen:

                So komplex das System "Prostitution" auch sein mag: Was es motiviert und worauf Alle aus sind, die sich irgendwie an Prostitution beteiligen, ist das Geld des Freiers. ER bezahlt das alles. Natürlich erwartet er dafür etwas zurück und nicht den ganzen Trabbel.

                Das MUSS aber nichts mit einem kaputten Frauenbild zu tun haben. Sie merken vielleicht an der Länge Ihrer Liste von Übergriffigkeiten, dass DIESES Feld deutlich breiter ist. Dazu bedarf es auch gesellschaftlichen Drucks - einem Entzug an Akzeptanz solcher Toxizität. Aber in der konkreten Situation kommt frau nach meinem Empfinden solcher Mentalität nur mit Selbstbewustsein in der konkreten Situation bei. Dazu gehört natürlich zunächst, sich nicht abhängig zu fühlen, was wieder am leichtesten fällt, wenn frau nicht abhängig IST. Wer als Mensch nicht käuflich ist, kann so ziemlich Alles tun, ohne sich zu verkaufen.

            • @Eydeet14:

              Sie haben ja völlig Recht, dass es immer materielle Zwänge gibt. Auch ich "will" nicht immer arbeiten, "muss" aber, um mein Geld zu verdienen. Nun hätte ich Alternativen (und ja - sicher mehr und weit bessere als Darja), nur sind die mir nicht attraktiv genug. Also mache ich meinen Job weiter.

              Was ich mit dem "bizarren Whatabout" meinte war, dass es zumindest in eine Land wie Deutschland IMMER Alternativen zur Prostitution gibt. Und dafür ist jemand, der aufgrund seiner körperlichen Beschaffenheit nicht existenzwahrend der Prostitution nachgehen KANN, ein ziemlich einschlägiges Beispiel. Der muss nämlich OHNE diese "einzige" Möglichkeit auskommen, die Darja immerhin hat.

              Dass auch so jemand nicht hungers sterben muss, beweist, dass das mit der "einzigen" Möglichkeit eben nicht stimmt. Darja scheint nur die anderen Möglichkeiten (unter denen ihr prostitutions-untaugliches Gegenstück notgedrungen wählen müsste) für noch weniger attraktiv zu halten. Also macht sie weiter. Das IST eine Entscheidung, und die macht den Sex letztlich konsensuell - auch wenn man ihr natürlich ein besseres Leben mit besseren Optionen wünschen würde.

              • @Normalo:

                Daria ist Drogenabhängig. Das hat mit freier Entscheidung nichts zu tun.

                Vielleicht ließe sich erstmal da ansetzen: die Drogenhändler aus dem Verkehr ziehen und Drogenabhängigen aus der Abhängigkeit helfen.

                Deren Handlungen sind auch schon illegal, nur an dem Vollzug mangelt es.

                • @Arne Babenhauserheide:

                  Bin ich voll bei Ihnen. Drogen lassen Menschen Alles mögliche machen, was ohne die Abhängigkeit nicht tun würden. Ist es keine Prostitution, ist es was Anders.

                  Nur packt man dieses Problem eben nicht über die gernerelle Stigmatisierung von Prostitution an - und AUCH nicht über die Hinterfragung, was mit den Freiern nicht stimmt, dass die dafür zahlen. Das ist eine andere Baustelle.

    • @Kjeld Jensen:

      Deshalb sollte es bei der Debatte nicht ausschließlich um Sexworker:innen und Prostituierte, ihre unterschiedlichen Situationen, ihre Rechte und berechtigten Bedürfnisse gehen, sondern auch um patriarchalisch geprägte gesellschaftliche Haltungen, besonders nicht männlich gelesenen Personen gegenüber. Oft bleibt das wenigste Geld ja denen übrig, die ihren Körper feil bieten. Das meiste Geld daran werden männlich Gelesene verdienen und das überwiegende Gros der Kundschaft, die gegen Geld über Körper verfügt, dürfte männlich gelesen sein. Ich kann mir vorstellen, dass die gesellschaftlich verankerten Muster außerdem dazu führen, es selbst vielleicht völlig normal zu finden, andauernd eigene Grenzen zu verletzen, sogar, wenn selbst von Freiwilligkeit ausgegangen wird. Deshalb rechne ich damit, dass wirklich freiwillige Sexarbeit die Totalausnahme ist. Dem gegenüber steht die Ausbeutung in Kopf und Tat und die gesellschaftlich verankerte Selbstgerechtigkeit des Patriarchats. Wie damit umgehen?

  • Da es nicht die eine, einzige Form von prostitution gibt, kann es auch keine echte, umfassende Destigmatisierung geben. Und selbst wenn: 80 Prozent aller Prostituierten landen irgendwann in der Sozialhilfe. Oft früher als später, da der Bedarf nach älteren Frauen eben doch nicht so hoch ist wie der nach jungen. Und wenn man 15 Jahre als Prostituierte gearbeitet, in der Zeit kein Deutsch gelernt und auch keinen geregelten Job gemacht hat, hat man nun mal nur sehr geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Man sollte sich vom naiven Bild der selbstbewussten, selbstbestimmten Sexarbeiterin verabschieden. Die mag es geben, aber in der Realität sieht es für die meisten der betroffenen Frauen eben ganz anders aus. So gut wie keine Frau mit guter Qualifikation und einem sicheren sozialen Umfeld wählt wirklich freiwillig die „Karriere“ in der Prostitution. Und wenn, dann in der Regel gerade nicht wegen eines sicheren Einkommens à la Arbeitsvertrag, sondern weil das Business natürlich immer noch massiv von Schwarzarbeit geprägt ist und kurzfristig steuerfreie Einnahmen locken. Langfristig funktioniert das, siehe oben, aber doch nicht.

  • "Der Verkauf von Sex ist in Deutschland legal. Zuhälter müssen kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Kann ein Sexkaufverbot helfen?"

    Es geht dabei sicher nicht um Sex. Es geht um Menschenhandel, Ausbeutung, Vergewaltigungen. Um Gewalt an Frauen.

    • @Rudolf Fissner:

      Zwangsprostitution ist bereits verboten:



      Deutschland

      Rechtslage seit 2016

      Systematik



      Zwangsprostitution wird seit 15. Oktober 2016 nach § 232a StGB n. F. im Zusammenhang mit Menschenhandel (§ 232 StGB), zumeist in Form des Frauenhandels bestraft.[20] In Erweiterung des allgemeinen Gültigkeitsbereiches des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) wird gem. § 6 Nr. 4 in Verbindung mit §§ 232a, 232 StGB Zwangsprostitution auch dann verfolgt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde.



      In den Fällen der § 232 und § 232a Abs. 1 bis 5 StGB kann das Gericht gem. § 233b StGB Führungsaufsicht anordnen.



      Taterträge aus der Zwangsprostitution unterliegen bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung der selbständigen Einziehung (§ 76a Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. e StGB).



      Am 1. Juli 2017 ist das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten, das Frauen auch vor Menschenhandel und Zwangsprostitution schützen soll.[21]



      de.wikipedia.org/w...Zwangsprostitution

      • @Hannah Remark:

        "Zwangsprostitution ist bereits verboten"

        ???

        Und deswegen gibt es keine Zwangsprostitution, Menschenhandel, Ausbeutung, Vergewaltigungen und Gewalt an Frauen?

        • @Rudolf Fissner:

          ??? Hä ???

          Zwangsprostitution, Menschenhandel, Ausbeutung, Vergewaltigungen und Gewalt an Frauen ist bereits mit rechtsstaatlichen Mitteln beizukommen. Die Polizei müsste hier nur entsprechend aufgestockt werden. Wenn niemand die bisherigen Gesetze anwendet, wird nichts passieren.

          • @Hannah Remark:

            "??? Hä ???"

            Jepp :-)

            Das war doch gar nicht das Thema meines Beitrags. Ich bemängelte das Artikelintro, der den Anschein erweckt als würde es bei Sexkaufverbot nur um Sex gehen und nicht um Zwangsprostitution.

            • @Rudolf Fissner:

              Beim Differenzieren sind wir uns also einig, nicht jede Form von Prostitution ist gleich Zwangsprostitution, die bereits verboten ist.

              • @Hannah Remark:

                ??? Hä ???

                Wurd nie von mir behauptet.

  • Problematisch ist besonders der Teufelskreis "widerwärtige Arbeit" - Flucht in die Drogen - erhöhter Geldbedarf für Drogen - Abhängigkeit von der Prostitution bzw. Sexarbeit, ggf. auch durch geminderte Fähigkeit, anderen Jobs nachzugehen.

    • @meerwind7:

      Da hilft nur staatlich kontrollierte Legalisierung / Versorgung.

      Meth und Heroinabhängige müssten so nicht mehr "anschaffen gehen".

      Aktuell profitiert der Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität gleich 2x durch den "Teufelskreis".

      Drogenabhängige können in vielen Fällen durchaus auch einem regulären Job nachgehen.



      Bei Ärzt*innen gibt es nicht selten Opioide Abhängigkeit, vor allem im Krankenhaus.



      Die Cocain

      "Geminderte Fähigkeit" ist weniger das Problem in meinen Augen. Sprachliche Barierren, prekäre Wohnsituation und die fehlende Arbeitserlaubnis wiegen schwerer.

      Stellen Sie sich mal vor Sie wären ohne Wohnung, ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Arbeitserlaubnis und können die deutsche Sprache nicht gut sprechen. Welche Optionen haben Sie an Geld zu gelangen, ohne eine Straftat zu begehen? Und wenn sie noch dazu, Ihr ganzes Leben, nur mit mit Sexarbeit Geld verdient haben?

      In prekären Lebenssituation ist Drogenmissbrauch grundsätzlich weit verbreitet, egal ob jemand Sexarbeiter*in ist, oder nicht.

      Ein Dach über dem Kopf sollte nicht abhängig gemacht werden davon, ob Menschen "Clean" sind.

  • Sexarbeit wird heute faktisch subventioniert, weil sie steuer- und sozialabgabenfrei erfolgt und u.a. auch die Freier nicht für die Abführung der Abgaben haften.



    Würden dieselben Frauen im Supermarkt an der Kasse stehen, ginge erst mal viel vom Marktwert ihrer Arbeitsleistung an die Sozialversicherungen.

    Vielleicht sollte man auch dieser Ebene auch aktiver werden? Dass Freier aus mehrerlei Gründen Bargeld bevorzugen, mach das natürlich nicht leichter.

    • @meerwind7:

      Warum sollten die Freier für die Abführung der Abgaben haften? Also mal völlig ab von der moralischen Komponente kaufen Freier eine Dienstleistung ein - Ich hafte auch nicht dafür dass mein Friseur Abgaben zahlt.

      Eine Erfassung der Sexarbeit und Prostitution würde wohl bei denjenigen funktionieren, bei denen es bisher auch relativ unproblematisch läuft und bei den problematischen Fällen eher ein Schritt weiter in die Schatten.

      • @Questor:

        Aber natürlich haftest du auch dafür. Gängigstes Beispiel ist, wenn du bei 'nem Handwerker Schwarzarbeit beauftragst. Da ist das natürlich nicht ausschließlich das Problem des Handwerkers, dass die USt und Sozialabgaben nicht abgeführt wird.

  • Würde das nordische Modell denn auf einem Straßenstrich überhaupt funktionieren? Meines Wissens sprechen die Prostituierten gezielt Passanten an und bieten ihre Dienstleistungen an. Das wäre beim nordischen Modell doch Anstiftung "zur Straftat" und somit selbst strafbewehrt.

    • @Kai Nothdurft:

      Es macht eigentlich IMMER die Prostituierte das Angebot, ob nun an der Straße oder im Internet. Und es ist in der Tat rechtsstaatlich fragwürdig, das Machen eines Angebots legal, das Annehmen dieses Angebots aber illegal zu machen.

    • @Kai Nothdurft:

      In Hamburg Sankt Georg gilt seit mehreren Jahren ein Kontaktanbahnungsverbot für beide Parteien, um den dort seit Jahrzehnten etablierten Drogenstrich einzudämmen. Es bringt augenscheinlich so gut wie nichts. Wenn eine Frau sich mit einem Autofahrer unterhält und dann zu ihm ins Auto steigt, kann die Polizei selten nachweisen, dass sie das tut, um mit ihm bezahlten Sex zu haben.

    • @Kai Nothdurft:

      Exakt so wäre es nach dem nordischen Modell. Frauen würden Männer zu Straftaten anstiften und davon auch noch finanziell profitieren. Wenn dies nicht unmoralisch ist, was dann ?



      Am Ende würde die Polizei vielleicht auch noch 'Lockvögeln' einsetzen, um mehr Fahndungserfolge zu erzielen.

    • @Kai Nothdurft:

      Entsprechend verschiebt dann eben vieles in Hinterzimmer und Dunkelfeld.

    • @Kai Nothdurft:

      Kann man so regeln, dass die Prostituierte selbst nicht Täterin oder Teilnehmerin sein kann. Geschäftsbehindernd dürfte es aber so oder so sein.

      • @Normalo:

        Normalo

        Sie wäre ja im nordischen Modell erst einmal gerade nicht Täterin. Kann also sehr wohl Anstiferin sein.

        • @Heidi Schneider:

          Wenn man es richtig formuliert, kann auch die Anstiftungsstrafbarkeit nach persönlichen Merkmalen eingeschränkt werden (ähnlich wie z. B. bei Amtsdelikten, wo man Amtsträger sein MUSS, um sich irgendwie strafbar machen zu können) - Frage des politischen Willens.

  • Ein erfreulich unaufgeregter Artikel, der unterschiedliche Sichtweisen berücksichtigt und zwei ganz entscheidende Probleme der Debatte um die Prostitution benennt, nämlich erstens die Neigung zum "Hochmoralisieren" des eigenen Standpunktes und zweitens das Nicht-Einbeziehen der Betroffenen.

    Um so ärgerlicher, auch hier wieder die Falschaussage lesen zu müssen, die Prostitution sei vor 20 Jahren legalisiert worden. Sie konnte gar nicht legalisiert werden, denn sie war auch vorher nicht verboten! Das damalige, nur 3 Paragraphen kurze Prostitutionsgesetz stellte lediglich juristische Waffengleichheit zwischen Sexarbeiter_innen und Kund_innen her und öffnete ersteren den Zugang zur gesetzlichen Sozialversicherung.

  • Alle paar Jahre wird über ein 'Prostitutionsverbot' in Deutschland diskutiert, aber über die Hauptursache für Prostitution wird nie geredet - ARMUT. Vielleicht sollte man mal Armut verbieten, denn dann wäre sicherlich schon einmal die Armutsprostitution weg. Aber das geht natürlich nicht, denn mit Armut kann man ja auch sehr gut andere "unsittliche Jobs" am Leben halten (der Niedriglohnsektor hat ja nicht ohne Grund den Namen 'Niedriglohn'). Mit einem BGE wäre ein erster Schritt aus der Armut gemacht, aber dann kommt ja reflexartig die Frage 'Wer soll das finanzieren?' Mir fällt dazu die Finanztransaktionssteuer ein, aber so etwas möchten unsere Politiker den windigen Finanzjongleuren ja nicht zumuten; lieber lässt man die Armen weiterhin als Hilfsarbeiter für ein paar Euro schuften oder in die Prostitution abgleiten.

    Die Armut (auch die Armutsprostitution), die aus dem armen Ausland zu uns "einwandert", ist auch ein Produkt der deutschen Politik, denn nicht umsonst ist Deutschland der Exportweltmeister von Europa geworden - wenn auch auf Kosten vieler anderer Länder. Darüber möchten deutsche Politiker aber nicht so gerne nachdenken, sonst käme man vielleicht noch zu der Erkenntnis, dass die aggressive Wirtschaftspolitik von Deutschland einen erheblichen Anteil an dem Anstieg der Armutsprostitution im angrenzenden Europa (und natürlich auch in Deutschland) hat. Der Austausch von Gütern und Kapital wird von unseren Politikern natürlich gerne gesehen, aber die Armut, die wir durch diesen aggressiven Wirtschaftshandel noch vermehrt haben, und die seit Jahren in unser Land in Form von armen Menschen immer mehr einströmt, die will man hier natürlich nicht haben. Wenn Deutschland nicht Exportweltmeister von Europa wäre, würden andere europäische Länder vielleicht nicht so arm sein und deren Menschen wären nicht gezwungen ihre Länder zu verlassen um zu uns zu kommen - z.B. als Hilfsarbeiter oder als Prostituierte.

    • @Ricky-13:

      Hauptursprungsland ist wohl Moldawien da ist weniger deutsche Exportpolitik das Problem sondern postsozialistisches Elend und Korruption. Dazu Probleme weil die reichste Provinz (Transnistrien) mit russischer Hilfe abgespalten wurde.

      Migration von arm zu reich und damit verbundene Prostitution wird es leider immer geben. Deutschlands wirtschaftlicher Einfluss in der Welt ist weit beschränkter als sie es darstellen.

      • @Machiavelli:

        "Deutschlands wirtschaftlicher Einfluss in der Welt ist weit beschränkter ..."

        Ich sprach auch nicht von der gesamten Welt, sondern von den armen Ländern in Europa (Rumänien, Bulgarien, ...), denn da hat die aggressive Wirtschaftspolitik von Deutschland einen "tiefen Eindruck" hinterlassen. Die SPD hat damals unter Schröder aus Deutschland den Exportweltmeister von Europa gemacht, mit den bekannten Auswirkungen (Abbau des Sozialstaates Deutschland und eine zunehmende Verelendung in den armen Ländern von Europa).

        taz: "Leni Breymaier von der SPD setzt sich schon seit Jahren für das Nordische Modell ein."

        "Verbote" - Ja, Verbote liebt der Deutsche. Die Armutsprostitution "verlagert" man damit aber nur in andere Länder, aber das ist Frau Breymaier (SPD) wohl egal, denn „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Wenn man dann noch von Menschenwürde reden kann, obwohl links und rechts von einem die Menschenwürde ständig mit Füßen getreten wird (Obdachlosigkeit, Niedriglohnsklaverei, Rentner- und Kinderarmut, immer noch Sanktionen für Arbeitslose etc.), aber man da als Politiker/in natürlich lieber die Augen schließt - besonders wenn man aus der SPD kommt und man mit dem menschenverachtenden Hartz IV (Schröder'sche Agenda 2010 Politik) viele Frauen erst in die Armutsprostitution getrieben, beziehungsweise mit einem aggressiven Wirtschaftshandel die Armut in Europa noch vergrößert hat, sodass die "Armutsprostitution" auch aus armen europäischen Ländern zu uns kommt - dann weiß man doch worum es bei dem "Hochjubeln" des nordischen Modell wirklich geht.

        Zum Glück denken aber nicht alle in der SPD so eindimensional wie Frau Breymaier, die lieber Verbote ausspricht als das Grundproblem anzugehen (ARMUT). Elke Ferner (frühere Staatssekretärin der SPD im Frauenministerium) sagte: "Zwangsprostituierte müssen jede erdenkliche Unterstützung bekommen, die Nutznießer müssen hart bestraft werden. Aber diejenigen, die der Prostitution freiwillig nachgehen, dürfen nicht diskriminiert werden."

        • @Ricky-13:

          Übrigens - Armutsprostitution bekämpft man mit sozialer Politik und einem BGE. Zwangsprostitution bekämpft man mit schärferen Gesetzen. Frauen, die ihren Körper aber freiwillig anbieten, denen gibt man jegliche Unterstützung, die auch andere 'Dienstleister' in Anspruch nehmen können.







          Falls es jemand auch noch nicht mitbekommen hat; Armut kann ein sehr großer Zwang sein. Die größte Zwangsprostitution ist also im Grunde die Armutsprostitution. Wer ist dann also folglich der größte Zuhälter? Einfach mal drüber nachdenken, dann kommt man sicherlich auf die Antwort. (Kleiner Tipp: Es hat etwas mit Wirtschaftswachstum und der damit einhergehenden Ausbeutung von Menschen zu tun).

  • Die Behauptung das 95% der Sexarbeitenden Zwangsprostituierte sind,erscheint mir gewaltig übertrieben.Das mag vielleicht auf den Straßenstrich zutreffen,nur wie repräsentativ ist dieses spezielle Milieu für die Gesamtprostitution? Das ist eine ehrliche Frage ,ich weiß es nicht. Eines der Probleme bei der Diskussion über dieses Thema ist das es keine wirklich genauen Zahlen gibt,nur Schätzungen. Die dann meist der jeweiligen Grundeinstellung angepasst ausfallen.



    Das Nordische Modell ist so logisch und erfolgreich wie Prohibition: Gar nicht! In Schweden sind auch "Drogen" aller Art verboten ,man ist da sogar weniger tolerant als in Deutschland, trotzdem wird auch im Norden konsumiert. Die Preise sind halt höher:Risikoaufschlag! Bezüglich Prostitution gilt entsprechendes und wird auch im Artikel erwähnt: „Vieles von dem, was passiert, ist bereits illegal, eine weitere Kriminalisierung würde die Zuhälter nicht abschrecken.“



    Ein weiteres großes Problem ist die soziale Stigmatisierung. Da ist noch einiges an Weg zu bewältigen die gesamtgesellschaftliche Einstellung da toleranter wird,wie es bspw. bei Homosexualität Drogenkonsum der Fall war /ist.

  • Die Frage beim "Nordischen Modell" ist doch immer: Was würden diese Frauen, die heute in der Sexarbeit landen, STATT Sexarbeit tun, wenn die faktisch illegal würde (Man komme mir bitte nicht mit der Augenwischerei, ein ZWEIseitiges Geschäft könne man nur mit Wirkung für die EINE Seite verbieten!)??

    Was unterschiede sie dann noch von anderen in Armut verfallenen Menschen, die möglicherweise drogenabhängig sind und auf den Straßen leben oder in Heimen - und warum sollten sie Anrecht auf eine intensivere soziale Betreuung haben als diese?

    Sexarbeit ist doch für die Allermeisten eine Entscheidung, die sie treffen, um ihren Lebensstandard im Vergleich zum Zustand OHNE Sexarbeit zu verbessern. Denn egal wie wenig auch mit der Sexarbeit rauskommt und wie groß die gefühte Abhängikeit von einem etwaigen Zuhälter ist, OHNE wäre es im Zweifel weniger - oder rein quantitativ mehr Arbeit. Dass diese Entscheidung als "Zwang" gesehen wird, ist aus meiner Sicht in den meisten Fallkonstellationen nicht zutreffend sondern eher der fortwährenden sexualmoralischen Stigmatisierung geschuldet, der das Konzept von Sexarbeit als bezahlbarer Dienstleistung (die je nach persönlicher Einstellung mehr oder minder erträglich oder gar erfüllend sein kann) auch heute noch unterliegt. Ich spüre immer das "ICH würde es nie für Geld machen - also wie kommen diese Frauen dazu, wenn man sie nicht greußlich dazu zwingt" mitschwingen, wenn ich Leute pauschal Alle, die nicht mit Feuer und Flamme dabei sind, als "Zwangesprostituierte" bezeichnen höre.

    Fazit: Man sollte wirklich mehr MIT den Sexarbeiterinnen reden als ÜBER sie, aber vielleicht sollten auch die Sexarbeiterinnen mehr MITEINANDER reden - gerade Jene, die sich eine Entstigmatisierung wünschen, mit denen, die sich eher als Leidtragende begreifen.

    • @Normalo:

      Ich kann die Diskussion auch nicht mehr hören. Aber so sind sie die AntisexarbeitsaktivistInnen, verurteilen und verbieten ja, aber systemische Antworten auf Armut und fehlende Aufenthaltstitel, weit gefehlt. Da endet die Solidarität mancher so genannter FeministInnen gleich wieder. Armut, Obdachlosigkeit und Abschiebung sind ja nicht ihre Themen. Ein paar kleine Vereine helfen da auch nicht weiter und sind bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein.

      Würden Armut und die Möglichkeiten der Vergabe von Aufenthaltstiteln an Menschen in Ausbeutungsverhältnissen grundsätzlich angegangen, gäbe es von sich aus weniger Angebot. Andernfalls ist es ein Indikator dafür, dass Menschen eben auch zu Vielem bereit sind, um ihre Lebensumstände zu verändern. Das zu verbieten, geht nur in authoritären bzw. totalitären Regimen, jedenfalls oberflächlich.

  • Wieso ist es gerade in Deutschland so schwierig, eine Branche zu regulieren? Wir sind doch die Weltmeister der Regularien.



    Gesetzlich festgelegter Mindestpreis für sexuelle Dienstleistungen. So würde Dumping unterbunden.



    Wer als Sex-Arbeiter:in keine Steuererklärung abgibt, inklusive Einnahmen-Überschuss-Anlagen, bekommt Besuch vom Finanzamt.



    Wer als Freier den Mindestpreis unterläuft, ist wegen Steuerhinterziehung dran.



    Wenn man die Prostitution schon legalisiert, dann muss man sie auch richtig ins Licht ziehen, damit es hinter den Kulissen nicht doch so weitergeht, wie in der Illegalität.



    Wie kann es sein, dass die überwiegende Mehrheit der Sexarbeiter:innen die verpflichtende Gesundheitsprüfung und Registrierung schwänzt, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen? Das geht in keinem anderen Beruf.



    Und natürlich werden die Daten irgendwo bekannt sein müssen. Jeder andere Freiberufler muss auch bekannt geben, womit er sein Geld verdient. Und Rechnungen schreiben, auf denen die Steuernummer angegeben ist.



    Als positiven Anreiz könnte man ja Sex-Rechnungen von der Steuer absetzbar machen, um den höheren Preis wieder auszugleichen.



    Ja, der Markt würde einbrechen, weil kaum ein Freier das will.



    Aber wenn wirklich nur 5 % der Leute das freiwillig macht, würden ja auch 5 % der Freier ausreichen.

    • @Herma Huhn:

      Herma

      wir sind nur gut im Regularien aufstellen. Sie umzusetzen gelingt in völlig unterschiedlichen Bereichen und völlig unterschiedlichen MIlieus schon längst nicht mehr. Das Steuerrecht verstehen selbst Finanzbeamte oft nicht mehr, nur um mal ein Beispiel zu nennen.

    • @Herma Huhn:

      Dazu dann auch eine Schwarzgeldkontrolle, sprich Beweislastumkehr wie bei den Anti Mafiagesetzen in Italien. Wenn der Zuhälter alles abgenommen wird, von dem er keinen legalen Erwerb nachweisen kann, wird das Geschäft uninteressant.

    • @Herma Huhn:

      Keine Ahnung ob das so funktioneiren würde, aber die Ideen klingen besser als ca alles andere, was ich bislang so gehört habe.

      Geht halt nicht mit "Christen", das ist der Haken.

    • @Herma Huhn:

      Leider lebt das Stigma in den Köpfen fort - sieht man schön an der moralinsauren Einlassung dieses "Neustart"-Vorsitzenden. Das Gewerbe bleibt - zumindest AUCH deshalb - erkennbar "lichtscheu", wie die - trotz der im Verglrich zu anderen selbständigen Berufen immer noch durchaus erträglichen Regulierungsdichte - verschwindend geringe Zahl an registrierten Sexarbeiterinnen überdeutlich zeigt. Auch scheint es - von GANZ außen betrachtet - an Solidarität und Interaktion zwischen den lautstark aktiven "Freiwilligen" und den im Zwielicht verharrenden "Gezwungenen" zu mangeln. Das sollten vor allem die Freiwilligen ändern, wenn sie ihre Freiheit behalten und bei der Normalisierung ihrer Arbeit helfen wollen.

  • Ich finde sehr gut, dass in dem Artikel diverse Perspektiven vorkommen und er sich die Zeit und den Platz nimmt, diese ausführlich darzustellen. Auch wird die Komplexität und die Vielschichtigkeit der Herausforderungen gut eingefangen. Ich denke, dass sich die verschiedenen Positionen in dem Artikel wiederfinden lassen.

    Interessant fand ich, dass ich von Seiten der Prostituierten/Sexarbeiter:innen auch neue Argumente gegen das nordische Modell gehört habe, die mir vorher nicht bekannt waren. Insgesamt haben vor allem die Aussagen der Politiker:innen bei mir den Eindruck hinterlassen, dass sie häufig eher aus ideologisch-moralischen Gründen ein NM fordern als aus Gründen, die sich durch Gespräche mit verschiedenen Verbänden und nicht zuletzt der Bandbreite der in diesem Bereich arbeitenden Personen ergeben.

    Übrigens: Als feministische Position muss man gar nicht gut finden, dass Männer* sich sexuelle Dienstleistungen kaufen können (sollen). Man kann Sexarbeit trotzdem ablehnen, man kann sie aber auch positiv finden. Der Punkt ist: Es geht hier nicht nur um Männer*, sondern potenziell darum, dass auch Nicht-Männer solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, wenn diese es aus welchen Gründen auch immer möchten. Wie viele Frauen* haben unerfüllte sexuelle Bedürfnisse? Wie viele Personen mit Beeinträchtigungen (körperlich, psychisch etc.)? Usw. usf. Die Trennung von Sexarbeit und Zwangsprostitution - wie im Artikel aufgeworfen - könnte hier wichtige Impulse auch für die feministische Debatte bieten.

  • Die bewegenden Schicksale dieser Frauen zeigen mir vor allem: Es hat keinen Sinn, etwas zu legalisieren, was Menschen kaputt macht. Das Label "legal" hilft den Betroffenen herzlich wenig. Es ist wie bei Drogen.

    Etwas zum Sprachgebrauch: Der beschönigende Begriff "Sexarbeiter:in" übertüncht viel Leid und Ausbeutung. Den sollte man wirklich nicht gebrauchen. Die Autoren bemühen sich erst noch, den Unterschied zwischen Prostituierten und Sexarbeitern zu erklären. Weiter unten behaupten sie dann aber, dass es geschätzt "bis zu 400.000 Sexarbeiter:innen in Deutschland gibt." Nach ihrer eigenen Definition von weiter oben wären die allermeisten davon aber Prostituierte zu nennen. Warum also doch wieder schönreden...?

    • @Winnetaz:

      Die bewegenden Beispiele zeigen, dass es nicht die Lösung ist, diese in die Illegalität zu drängen, weil es noch schwieriger wird ihnen zu helfen und diese weiteren Gefahren aussetzt.

      Ob legal oder illegal ist sch...egal, wichtig sind Hilfsangebote.

      Das gilt ganz genauso auch für Drogen.

      Lesen Sie nochmal den Artikel.

      Daria hat ein Drogenproblem.

      Stellen Sie sich vor es gäbe die Möglichkeit für Daria und andere Menschen in ihrer Situation, kostenfrei/günstig, vom Staat Meth zu bekommen. Dabei könnte man Ihr auch Therapie + Ausstiegsprogramme und ähnliches bieten.

      Daria ist Prostituierte, weil Daria abhängig ist und dafür viel Geld braucht.

      Wie im Artikel steht muss sie mind 2 Kunden am Tag haben. Das sind selbst bei dem genannten absoluten Dumpingpreis 1200€ im Monat. Vermutlich sind es eher 1800-3000.



      Also 30-50€ pro Kunde.

      Daria würde lieber gerne als Putzfrau arbeiten, aber sie hat weder einen legalen Aufenthaltsstatus, noch würde sie genug Geld verdienen.

      Wie soll ein Verbot Menschen wie Daria bitte helfen?

    • @Winnetaz:

      In einem freiheitlichen Rechtsstaat sollte die Frage eigentlich immer umgekehrt lauten "Was BRINGT ein Verbot?". Wäre z. B. eine Einwanderin aus Südosteuropa ohne Deutschkenntnisse, ohne Papiere und ohne Berufsausbildung so viel besser dran, wenn ihr die Möglichkeit genommen würde, sich legal zu "prostituieren" (nenn ich Ihnen zuliebe jetzt mal so, warne aber vor dem nächsten gutbürgerlichen Kleinkrieg um Begrifflichkeiten)?

      Da sehe ich relativ wenig Land. Aufwendige "Ausstiegsprogramme" werden irgendwann auslaufen. Der "Nachwuchs" aber, der einfach nur ein besseres Leben will, aber nichts anderes kann, wird weiter kommen - und im Zweifel in der ILLEGALEN Prostituion landen, wo die Bedingungen schlechter und die Preise niedriger sein werden. Wem ist damit geholfen, außer den bloß ja "unbeteiligten" Spießbürgern, denen ein Problem aus den Augen genommen wird (außer es drückt gerade mal wieder ganz gewaltig, dann muss mann halt einen Weg finden...)?

    • @Winnetaz:

      Ich finde, dass der Artikel ziemlich gut zeigt, dass es eher die Umstände sind, in denen sich die Prostituierten bzw. Sexarbeiter:innen bewegen (müssen), die hier Probleme verursachen. Außerdem vermischst du hier die Zahlen bzw. Sexarbeit/Zwangsprostitution und nicht die Autorinnen. Legalität kann zumindest Anerkennung als Beruf schaffen. Wenn diese - siehe Artikel - z.B. mit der Entkopplung von Aussage bei der Polizei und potenzieller Abschiebegefahr verbunden wäre, könnten von Menschenhandel betroffene Personen auch einfacher kriminelle Strukturen anzeigen. Auch hier hilft eine legalisierte Tätigkeit sicher besser weiter, als das Phänomen durch eine Illegalisierung weiter in das (ohnehin schon große) Dunkelfeld zu drängen.



      Der Artikel zeigt zudem, dass auch die Betroffenen einige Probleme in der weiteren Verschärfung sehen, die durch eine weitere Verschärfung der Gesetzgebung nicht geringer, sondern potenziell sogar noch schlimmer würden.

      Es geht hier nicht um eine "Beschönigung" von Zwangsprostitution, sondern um eine differenzierte Darstellung eines äußerst komplexen Systems. In der Auseinandersetzung mit dessen Problemen helfen moralische Urteile nicht weiter und - das zeigt der Artikel auch - am wenigsten den betroffenen Personen.

  • Die Zuhälter sollen selbst anschaffen gehen.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @sachmah:

      Wer wollte zu denen?