Attentat auf Trump: Voll daneben
Der Attentäter erreichte genau das Gegenteil dessen, was er vorhatte. Mit Blick auf den Wahlkampf sind die Schüsse für Trump ein Geschenk des Himmels.
D as Attentat auf Donald Trump hat alle Zutaten, in diesem Jahr entscheidend zum Wahlausgang beizutragen – und noch in mehreren Jahrzehnten Gegenstand von verschwörungstheoretisch inspirierten Diskussionen zu sein. Die Sekunden nach den Schüssen vom Samstag in jener Arena haben Bilder produziert, die Trumps gesamte Selbstdarstellung zusammenfassen: Opfer jeder Art von politischer, juristischer und physischer Gewalt seiner Gegner, aber stark, nicht unterzukriegen, ein Sieger, von Gott beschützt, der sein Leben riskiert, um für das wahre Volk zu kämpfen.
Eins muss man Trump lassen: In solch einem Stressmoment derartige Medieninstinkte zu zeigen wie auf dieser Bühne mit einem angeschossenen Ohr, ist eine sehr besondere Fähigkeit. Erinnerungen werden wach an den brasilianischen Rechtspopulisten Jair Bolsonaro, der in seinem ersten Wahlkampf um die Präsidentschaft im Jahr 2018 bei einem Messerattentat verletzt wurde. Bolsonaro nutzte das Attentat maximal aus und gewann die Wahl.
Für die nach der katastrophalen TV-Debatte zwischen Trump und Joe Biden ohnehin verunsicherten und in allen Umfragen klar zurückliegenden Demokrat*innen ist die Wahl nach dem Attentat noch schwerer zu gewinnen. Ihr ganzer Plan bestand darin, in den kommenden Wochen das Augenmerk der Öffentlichkeit komplett auf das „Project 2025“ zu lenken, jenes von der rechten Heritage Foundation koordinierte Regierungsprogramm für eine zweite Trump-Amtszeit, das so viele antidemokratische Vorschläge enthält, dass nach seiner Umsetzung die USA nicht mehr wiederzuerkennen wären.
Die Warnung vor einer Trump-Diktatur sollte auch die Biden-Zweifler*innen an die Wahlurnen bringen, um das Schlimme zu verhindern. Das bedingt scharfe Rhetorik – aber die ist nach dem Samstag kaum noch in dieser Form möglich. Dass es zuallererst Trump selbst und der sich daraus entwickelnde Trumpismus waren, die politische Gewalt als Mittel der Politik offen ins Spiel brachten, ist in so einem Moment fast vergessen.
Es war Trump, der 2016 auf einer Wahlkampfbühne ausrief, wenn seine Anhänger einen einzelnen Protestierenden aus dem Saal prügeln würden, würde er die Anwaltskosten übernehmen. Und das war nur der Anfang einer militanten Rhetorik, die am 6. Januar 2021 im gewaltsamen Sturm aufs Kapitol endete. Trump könnte nach dem Attentat mit einer moderierenden „Es reicht!“-Rede auf dem Parteitag die politische Kultur zum Besseren verändern. Aber niemand kann sich vorstellen, dass er das tun wird.
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