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„Friedensdemonstration“ am 3. OktoberDie Friedensbewegung ist tot

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Demo am Einheitstag in Berlin hat erneut gezeigt: Diejenigen, die dort nach Frieden riefen, meinen etwas ganz anderes – die Kapitulation der Ukraine.

Wurde auf der Friedensdemonstration während seiner Rede ausgepfiffen: Ralf Stegner, SPD Foto: Stefan Boness/Ipon

M ehr als zweieinhalb Jahre tobt der Krieg in der Ukraine. Ein Ende des Wütens der russischen Soldateska ist nicht in Sicht. Bei vielen Menschen ist die Angst groß vor einer Eskalation über die Grenzen des überfallenen Landes hinaus. Gleichzeitig findet eine innere Mobilmachung in der Bundesrepublik statt. Wer sich nicht der schlichten Logik des Militärischen ergeben will und zu verstärkten diplomatischen Bemühungen auffordert, steht schnell in der Gefahr, als weltfremder Träumer verspottet zu werden. Das angesichts der deutschen Geschichte geradezu obszöne Gerede von der „Kriegstüchtigkeit“, die wieder erlangt werden müsse, ist nur schwer erträglich. Es wäre also höchste Zeit für eine große Friedensbewegung. Doch in Deutschland gibt es keine Friedensbewegung mehr. Nach längerem Siechtum ist sie am 3. Oktober in Berlin gestorben.

Das ist eine harte, eine bittere Feststellung. Aber wer sich die wütenden Pfiffe und Buhrufe während der Rede des SPD-Politikers Ralf Stegner vor Ort anhören musste, kann kaum zu einem anderen Befund kommen. Selbstverständlich handelt es sich bei dem Überfall auf die Ukraine um „einen russischen Angriffskrieg, der jeden Tag Tod und Zerstörung“ bringt. Wer schon die Aussprache einer solch unbestreitbaren Tatsache für unerträglich hält, der demonstriert nicht für den Frieden, sondern für den Okkupanten. Putins deutscher Resterampe, die da so lautstark gepfiffen hat, geht es nicht, wie ihre Ikone Sahra Wagenknecht behauptet, um Friedens-, sondern um Kapitulationsverhandlungen. Mit einer Friedensbewegung, die diesen Namen verdient, hat das nichts mehr zu tun. Denn dazu gehört zwingend die Empathie und die Solidarität mit den Opfern kriegerischer Aggressionen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Unter den De­mons­tran­t:in­nen in Berlin waren auch viele aufrechte Friedensbewegte. Aber sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nur als Staffage gedient zu haben. Und das war absehbar. Aus gutem Grund hatte der Bun­des­spre­che­r:in­nen­kreis der traditionsreichen Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) der Demo ihre Unterstützung verweigert. An den wüsten Reaktionen auf die Rede Stegners lässt sich unschwer erkennen, warum in dem zentralen Aufruf der Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen nicht benannt worden ist, wer wen angegriffen hat.

Es war auch kein Versehen, dass sich der mehrheitlich mit dem BSW sympathisierende Kreis um den Altfriedensbewegten Reiner Braun dagegen ausgesprochen hat, die Forderungen nach einem Rückzug der russischen Truppen aus der Ukrai­ne oder nach Asyl für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­r:in­nen und De­ser­teu­r:in­nen aus Russland, Belarus sowie der Ukraine aufzunehmen. Beides sollte, ja muss jedoch zum Minimalkonsens gehören, um gemeinsam auf die Straße zu gehen.

Die alte Friedensbewegung ist tot, eine neue wäre notwendig. Immerhin gibt es noch zahlreiche Friedensbewegte sowie Organisationen wie die DFG-VK, die sich weder „kriegstüchtig“ noch zum Handlanger eines rechten Autokraten machen lassen wollen. Sie sind wertvoller denn je.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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51 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Stegner warnt auch davor, die Pfeifenden als Pars pro toto anzusehen und die DGB - Leute u V. a. Zu diffamieren. Was ist nicht verstehe ist, dass die verzweifelten diplomatischen Versuche ( Chinareise des Bundeskanzlers , Initiative Brasilien, China etc., die kommende große Friedenskonferenz, Scholz ' Angebot eines Telefonats) von den BSW/AFD Leuten ignoriert werden, selbst von Stegner nicht. Leider werden diese Bemühungen auch von den „ harten" Ukraineunterstützern wie zB Kiesewetter sofort diskreditiert werden. Da Putin vor Waffenstillstandsverhandlungen klare Annektionsvorbedingungen gestellt hat und diese Gebiete in russischen Karten schon als russisch gekennzeichnet sind, ist der Wunsch nach Waffenstillstand identisch mit Kapitulation u Reduktion der Ukraine auf ein wirtschaftlich nicht überlebensfähiges Gebilde ( Bodenschätze weg) . Da muss SW immer drauf angesprochen werden.

  • Mal halblang. Stegner wurde zeitweise stark ausgebuht, aber es gab auch viel Applaus.



    Bemerkenswert die Rede von Herrn Gauweiler, der die Friedensaktivistin Bertha von Suttner zitierte, die vor dem 1. Weltkrieg vehement warnte. Jetzt, so Gauweiler, sei es wieder kurz vor 12:00 Uhr sagte Gauweiler in Bezug auf Suttner und auf die Kriege im Nahen Osten und Osteuropa (Ukraine) und forderte Friedensverhandlungen.



    Gauweiler verwies auf Strauß, der meinte, die Bundeswehr solle nur der Landesverteidigung dienen. Kohl habe eine Einmischung der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien verneint. Gauweiler verwies zudem auf die Einmischung der Nato in den Krieg in Serbien, der völkerrechtswidrig gewesen sei und auf die Sinnlosigkeit der Intervention der Bundeswehr in Afghanistan.



    Dass die taz die Friedensbewegung wegen einiger idiotischer Störer auf der Demonstration für tot erklärt und Gauweilers bemerkenswerte Rede mit keinem Wort erwähnt, zeigt, dass der Bellizismus kritische Geister in der Redaktion immer stärker prägt.

    Gauweilers bemerkenswerte Rede bei 2:57, davor Stegner, nach Gauweiler dann Wagenknecht

    www.youtube.com/watch?v=ddpsDAbziLU

    • @Lindenberg:

      Der bekannte Aufruf der hochrestpektablen Bertha von Suttner ist in einem Kontext entstanden und kann, wenn überhaupt übertragbar, zunächst nur dem Aggressor gelten und nicht dem Opfer, vor allem wenn es sich nicht um einen "Kabinetts-" sondern um einen, dafür sprechen viele Anzeichen, Vernichtungskrieg handelt.

  • Es gibt ja schon viele Kommentare. Was ich noch zufügen möchte:



    Diesen angeblichen Gegensatz, hier die "schlichte Logik des Militärischen", dort "verstärkte diplomatische Bemühungen", den gibt es meiner Meinung nach so nicht.



    Ich halte die Gegenüberstellung dieser (vermeintlichen) Gegensätze für einen "talking point" der Putin-Apologeten, unterstellt sie doch, dass keine ausreichenden Bemühungen (des Westens, wohlgemerkt, von Russland werden diplomatische Bemühungen schließlich nie eingefordert) erfolgt seien.



    Diplomatie ist aber, eigentlich jedenfalls, grundsätzlich eine Begleitung militärischer Mittel (und umgekehrt), die je nach Lage lediglich in den Vorder- oder Hintergrund tritt. Putin allerdings hat sehr klar gemacht, dass er derzeit kein Interesse an diplomatischen Lösungen hat und bietet hier auch, jenseits der Maximalforderung "Kapitulation", nichts an, deswegen ist die Diplomatie in den Hintergrund getreten.



    Die Forderung nach mehr Diplomatie vom Westen und/oder der Ukraine ist von daher nicht "weltfremdes Träumertum" sondern geht vor allem an die falschen Adressaten und zeugt mMn damit von Unkenntnis über den Konflikt, insbesondere der Position Russlands.

  • Lüge wird Wahrheit und Frieden wird Krieg. (George Orwell - sinngemäß)



    Wer sich hier an dem Wörtchen „obszön" abarbeitet, soll doch bitte mal dem Link zum „obszönen Gerede" folgen. Dann wird vielleicht klarer, was Pascal Beucker meint.

  • Die Friedensbewegung ist nicht vorbei! Vielmehr ist sie gekapert und es wäre Zeit, dass sich aufrechte Pazifisten die Bewegung zurückholen.



    Stegner könnte zu einer neuen Demo aufrufen, ich würde kommen, denn wir können die Welt auch nicht den Falken und Bellizisten überlassen.



    Für die scheinbare moralische Überlegenheit Kriege zu führen an der Seite einer der größten Kriegsmächte (USA) und davor die Augen zu verschließen ist genauso verwerflich wie nur in Friedenszeiten Pazifist zu sein.



    Wieso ist Hawaii eigentlich ein USA Bundesstaat? Wurde das annektiert? Spoiler (August 1898 wurde Hawaii mit der Newlands Resolution von den USA annektiert, denn die Inselgruppe erwies sich im Spanisch-Amerikanischen Krieg als unverzichtbarer Militärstützpunkt).

  • Pazifismus ist immer Naivität.

    Meist wird mit Rabulistik vernebelt, dass es Gründe für Krieg gibt, böse Gründe, gute Gründe. Und vor allem vernebelt der Pazifist stets, worum es geht. Das ist wichtig für die Behauptung, nichts sei so wertvoll wie ein Menschenleben.

    Tatsächlich muss man die Interessen der Beteiligten betrachten. Dann erkennt man, warum Krieg geführt wird. Der Ukraine geht es um ein Leben in Freiheit, ohne Fremdbestimmung, um eine Gesellschaftsform, die sie selbst bestimmen, um Verbündete, die sie sich selbst aussuchen, um das Leben der Bevölkerung und den Schutz vor Mord, Vergewaltigung, Folter und Plünderung.

    Ist das das Leben von Menschen wert?

    Ich denke ja. Ich jedenfalls habe mal versichert, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen und hätte das auch getan.

    Und so gibt es Kriege mit unzureichenden Gründen für eine Seite und mit guten Gründen für eine andere Seite. Pazifismus ist daher ein Irrweg.

    • @Erwin Schiebulski:

      "Pazifismus ist immer Naivität."

      Pauschalurteile sind immer falsch.

    • @Erwin Schiebulski:

      Kein Krieg dieser Welt hatte je einen anderen Grund, als einem Grosskapitalisten Geld und Zugang zu verschaffen. Kein Krieg dieser Welt wurde je gewonnen- 100% wurden nur beendet aufgrund der Toten. Es GIBT keinen Kriegsgrund, es gibt nur Kriegsbegründungen, die stets falsch sind, den Krieg aber sinnvoll erscheinen lassen- zumindest den Dummen.

      • @Mohammed Wasiri:

        Aha also als Vietnam und China krieg geführt haben ging um Grosskapitalisten weil beide Staaten ja zu dem Zeitpunkt sozialistisch waren. Und der Krieg dessen Schlachtfeld bei Tollensetal befindet, das sich lange vor der Einführung in Kapital zutrug auch?

        Religion, Machthunger, Ideologie etc. die Welt ist komplexer als eine anti-kapitalistische Reduktive Analyse.

  • Es ist keine Kunst, eine Bewegung totzusagen, die sowieso nie zu große politische Wirkkraft hatte. Ich denke, im Fall Ukraine werden andere Realitäten schaffen. Vielleicht Trump, vielleicht Harris, wir werden sehen.

  • Es ist für Sie obszön, sich im Falle eines militärischen Angriffes mit geeigneten Waffen verteidigen zu können ?

    • @Linkerhand:

      Die Aufregug über das Wort "Kriegstüchtigkeit" ist für mich alberne Wortglauberei. Und sie ist, gerade wenns gleichzeitig darum geht der Ukraine Solidarität auszusprechen- auch noch wohlfeil dazu. Denn diese muss Krieg führen um sich zu verteidigen, während Putin sich um dieses Wort herumdrückt.



      Jeder weiß ganz genau, dass mit "Kriegstüchtigkeit" Wehrtüchtigkeit und Abwehrbereitschaft gemeint ist. Auszublenden, dass auch im Verteidigungsfall "Krieg" herrscht, ist ziemlich grotesk.

  • Historisch gesehen ist die Situation friedenspolitisch schon interessant. Während des Vietnamkrieges war die USA der Aggressor und bei den vielen Stellvertreterkonflikten war die Lage oft unübersichtlich und Feindbild USA ließ sich gut pflegen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zeigt eindrücklich, wie die Welt sich verändert hat, wie moralisch und sachlich entkernt die Friedensbewegung heute ist. Wäre Russland nicht eindeutig nationalistisch und genozidal in seiner öffentlichen Kommunikation, sondern noch immer "sozialistisch", wie sähe es dann mit unserer Solidarität für die Ukraine aus?

    • @DieLottoFee:

      Was ist das denn für eine Frage? Wenn Russland noch immer (!) "sozialistisch" wäre, wäre nicht die Politik Russland zu beurteilen, sondern die der Sowjetunion, und die Ukraine wäre ein Teil von ihr. Der Krieg wäre dann keiner zwischen zwei Staaten, sondern ein Bürgerkrieg. Falls es überhaupt einen gäbe, denn wenn die Prämisse des Gedankens ist, dass Russland sozialistisch ist, fallen die heutigen Motive, einen Angriffskrieg zu führen, ja weg.

  • Warum denke ich da an den überlieferten Pyrrhussieg?

  • Der Begriff "Frieden" hat sich nunmal gewandelt.



    Sogar Nethanjahu spricht von Frieden, was bedeutet sein Volk solle ruhig ausgelöscht werden bei einem potentiellen Waffenstillstand.

    Der Pazifismus hat versagt. Seine Aufgabe war es, das kein Land mehr militärisch operieren kann, sodass Warlords und Diktatoren keine Möglichkeit erhalten, andere Länder und andere Menschen anzugreifen.

    Nun befinden wir uns in einer bellizistischen Phase. Wenn der Pazifismus wirklich wieder Erfolg haben möchte, müssen erstmal die Ukraine und Israel vor ihren Schlächtern gerettet werden.

  • Ich schließe mich an, das ist ein sehr guter Kommentar, der allerdings viel mehr Beachtung verdient hätte. Vielleicht ganz nach oben schieben auf der Startseite. Danke, Herr Beucker, für die sachliche und richtige Einordnung. Das hilft in diesen wirren Zeiten.

  • Was sie hier verdrehen, sind die Werte von Gandhi, Martin Luther Junior und Nelson Mandela, die alle friedlich gegen Ungerechtigkeit und gekämpft haben. Pazifismus will einen Nicht kurzfristig durch militärisch Überlegenheit und ja kein Mensch leben, ist es wert, für ödes Land und dumme Herrscher zu opfern. Das sollten wir aus der Geschichte gelernt haben, besonders in Europa.

    • @Marko Kardetzky:

      Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela konnten nur deshalb friedlich kämpfen, weil ihre Gegner Staaten waren, die zwar Unrecht begingen, aber ihre Gegner nicht gleich massenhaft umbrachten, wenn diese friedlich blieben. Das ist im Fall von Russlands Überfall auf die Ukraine gänzlich anders, denn Putin lässt ukrainische Zivilisten in großer Zahl abschlachten, durch Bomben und Drohnen, Massaker wie in Butscha usw. Sein Ziel ist die Auslöschung der Ukraine als selbstständiger Staat ebenso wie Auslöschung der ukrainischen Sprache, Kultur und des ukrainischen Volkes als eigenständige Nation.



      Ich denke schon, dass der Kampf gegen diesen eliminatorischen Gegner der Einsatz des eigenen Lebens wert ist, um nicht nur das eigenen Leben und die eigene Freiheit zu bewahren, sondern auch den von Familienangehörigen, Verwandten Freunden und Nachbarn. Würden Sie sich wirklich wegducken und unterwerfen, wenn Sie jemand mit Mord, Vergewaltigung, Plünderung und der Auslöschung Ihrer kulturellen Identität bedroht? Oder würden Sie nur von anderen erwarten, für Sie zu kämpfen, damit Sie sich selbst nicht die Hände schmutzig bzw. blutig machen müssen?

  • Was mich interessieren würde und worüber vielleicht gerade hier jemand eine Antwort wüsste. Gibt es eine einheitliche Position des Veganismus zum Pazifismus, also eine durchgängiges Meinungsbild zum Töten auf dem Schlachtfeld in Bezug zum Töten im Schlachthof?

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Schon seit 40 Jahren.



    Erinnert sei an Wolfgang Pohrt „Ein Volk, ein Reich, ein Frieden.“



    Oder „Lebensschutz und Nationalpolitik“.

  • Es gibt Menschen, die sich verzweifelt an moralische Begriffen wie "Gut", "Böse", "Recht", "Unrecht", "Demokratie", "Diktator", "Freiheit", "Unterdrückung", usw. klammern, um unsinniges Blutvergießen und unendliches Leid zu legitimieren.

    Dabei ist es in der Regel nicht deren eigenes Blut und eigener Schmerz. Es geht vielmehr um die Befriedigend eines subjektiv positiv empfundenen Wunsches, der Forderung, dass aus Prinzip keine Deeskalation, kein Einlenken stattfinden darf. Forderungen, die leicht aus einer sicheren Entfernung gestellt werden können.

    Aber das Blutvergießen ist real. Es verstümmelt, es zerstört, es ist tödlich und es traumatisiert über Generationen hinweg - irreversibel.

    Dieser Konflikt hätte nicht entstehen dürfen und man mag geteilter Meinung darüber sein, wie und warum er entstanden ist und wie man ihn hätte verhindern können. Aber nichts rechtfertigt das weitere, sinnlose Schlachten, nur um eventuell am Ende vielleicht behaupten zu können "Wir hatten Recht, wir waren die Guten und wir haben gewonnen".

    Ist es oft nicht besser, sich aus einer solchen Situation über den Weg "lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" zu befreien?

    • @Conrad Budde:

      Den Schrecken ohne Ende wird ganz Europa noch erleben, wenn Russland mit seiner völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, seiner Invasion der Ukraine und der mit militärischer Gewalt erfolgten Grenzverschiebung und faktischen Auslöschung der Ukraine durchkommt. Denn dann werden Putin und seine Spießgesellen die nächsten Opfer ins Visier nehmen, weil sie gelernt haben, dass der Westen nur bellt, aber nicht beißt.

    • @Conrad Budde:

      Aber den Schrecken ohne Ende werden wir doch dann haben, wenn Russland und andere Akteure sehen, dass sie mit kriegerischen Mitteln alles bekommen können was sie wollen.

  • Ja, die Friedensbewegung ist tot... Erstaunlich nur, wie gut ihr Kadaver noch Putin und seine Komparsen in der deutschen Politik und Öffentlichkeit nährt. Und das Rezeptebuch der Friedensbewegung erfährt dennoch eine "nachgebesserte" Neuauflage. Neuester Hit: Forderungen an das Opfer, es möge doch mit seiner Gegenwehr aufhören...

  • Dem Autor dieses Artikels ist in vielem zuzustimmen; insbesondere darin wenn er feststellt, dass die Forderungen des BSW und anderer selbsternannter Friedensfreunde nichts anderes sind als die Forderungen nach Kapitulation der Ukraine. Es ist an der Ukraine zu entscheiden ob sie diesen Kampf gegen den Invasor führen will und wenn sie es will, dann sollte es Aufgabe jedes anständigen Staates sein sie darin zu unterstützen; die Bereitstellung von Waffen ist dabei noch das Mindeste. Nichtsdestotrotz muss ich dem Autor widersprechen, wenn er die Forderung nach Kriegstüchtigkeit als obszön bezeichnet. Es wäre obszön wenn man als als Fähigkeit verstehen würde einen Angriffskrieg zu führen. Aber so ist es von Pistorius nicht gemeint. Es geht vielmehrt darum in der Lage zu sein gegen einen Aggressor von außen bestehen zu können. Der russische Angriffskrieg beweist wie wichtig diese Fähigkeit ist und damit ist sie alles andere als obszön. Gott sei es gedankt, dass die Ukraine kriegstüchtiger ist als viele, inklusive der Russen, es vermutet haben. Ansonsten wie gesagt volle Zustimmung zum Artikel.

  • Die meinen nicht nur Kapitulation der Ukraine und Israels. Diese meinen eigentlich "Hoch lebe Putin" - "Hoch lebe die Mullahs" und wären total bereit sofort in diesen Diktaturen zu leben. (Wäre das nicht toll?? Zynismus OFF)

  • Lieber Pascal Beucker,



    Ihr Artikel spricht mir aus dem Herzen. Als Kinodokumentarfilmer bin ich seit Jahren unterwegs im Kampf gegen Rechtswahn und Antisemitismus. Was sich in den letzten Jahren zusammengebraut hat als gemeingefährliche Bedrohung, ist beklemmend: Klimaleugner, Covid-Leugner, Rußlands Vernichtungskrieg Leugnende, Fakten Leugnende, Leugnende der grauenhaftesten Massaker und Vergewaltigungen seitens der Hamas am 7.Oktober undundund. Ich habe Gesine Lötzsch meine Fassungslosigkeit darüber zum Ausdruck gebracht, daß sie sich mit Ihrer Teilnahme an dieser furchtbarsten sogenannten Friedensdemo, die Deutschland je gesehen hat, vor den Karren ausgerechnet von Putins Wagenknecht spannen läßt. Sie hofiert ausgerechnet die eiskalte Egomanin, die die Linke zerstört und pulverisiert hat. Auch ich bin froh, daß die DFG-VK und andere wahrhaft Friedensbewegte sich nicht an diesem Trauerspiel beteiligt haben. Und last but not least: mein Respekt gehört den Grünen in Ihrer Haltung zum Krieg Rußlands gegen die Ukraine. Ohne wenn und aber. Für Ihre klare Unterstützung der Ukraine und Verurteilung Rußlands zahlen sie leider einen hohen Preis. Ein Trauerspiel....

  • Es geht bei der Kriegstüchtigkeit nicht darum, andere Länder zu überfallen sondern einen nicht unwahrscheinlichen, möglicherweise tödlichen Überfall auf sich oder anderen Demokratien gemeinsam zu widerstehen. Ich kann da keine Obszönität erkennen.

    Obszön ist es dagegen, den Kopf voller selbstgefälliger Gewissheiten bequem in den Sand zu stecken.

    Die Friedensbewegung braucht es heute nicht hier sondern zuerst in Russland und dem Iran und dann, und erst dann auch wieder hier.

    • @Waage69:

      Es scheint eben doch Leute zu geben, die glauben dass Verteidigung gegen einen militärischen oder hybriden Angriff kein Krieg wäre.

      • @metalhead86:

        Selbstverständlich ist das auch ein Krieg, das hat doch niemand in Abrede gestellt.



        Wenn ich jemandem, der mich ohne Rechtsgrund mit Gewalt angreift, eins in die Schnauze haue und damit den Angriff beende, ist das natürlich auch Gewalt. Allerdings ist meine Gewalt gerechtfertigt, man nennt das Notwehr (gem. § 32 StGB und § 227 BGB).



        Etwas ähnliches gilt auch im Völkerrecht, auch da gibt es ein Recht auf Selbstverteidigung und für Dritte gilt, dass die Unterstützung eines völkerrechtswidrig angegriffenen Staates wie der Ukraine durch zivile und militärische Hilfeleistungen die Unterstützer nicht zu Kriegsparteien macht.

    • @Waage69:

      Dem schließe ich mich an.



      Kriegstüchtigkeit klingt sicherlich martialisch, meint aber hier und heute nur Verteidigungsfähigkeit, oder mit anderen Worten: die Bundeswehr sollte wenigstens das können, wofür wir jedes Jahr Abermilliarden hineinstecken.



      Ansonsten: Zustimmung zu Pascal Beucker. Meine Einschätzung dieser "Friedensbewegung" war schon lange ähnlich, aber dass sie so unverblümt als Putins 5. Kolonne agiert, hätte ich vor Berlin nicht erwartet.

    • @Waage69:

      Stimme Ihnen zu

  • Guter Artikel.

    Bin mal gespannt auf die Kommentare der Freunde Putins.

  • Ich widerspreche da nicht, was den Zustand der Friedensbewegung angeht aber ist das denn wirklich eine neue Erkenntnis?

  • Ist nicht schwer, das Gelesene vollumfänglich zu akzeptieren. Trotzdem ein kleiner, aber wichtiger Nachtrag: 1. Die Ukraine verteidigt sich im eigenen Land und greift nur militärisch wichtige Ziele mit hoher Präzision in Russland an, um weniger angegriffen werden zu können, wobei der Westen (Scholz = Katastrophe) krude Vorschriften macht. 2. Russland zerstört die Lebensgrundlage, um die Ukraine auszulöschen, das ist ein wesentlicher Unterschied, den Wagenknecht und Konsorten einfach mal weglassen. 3. Drohen mit Atom heißt ganz klar: Putin ist Terrorist, neben TyrannDiktator, Kinderschänder, Multimörder, Kreigsverbrecher, der Abschaum schlechthin.

  • Genau so ist es. Da versuchen mal wieder Kadertruppen eine demokratische Basisbewegung zu kapern. Kennt man schon von der früheren DDR finanzierten DKP und ähnlichen politischen Sekten. Nun also mit der aus Moskau protegierten Sektenführerin Sahra.

  • Lassen wir mal einen Aspekt von Wagenknechts Gerede beiseite: Ein Stopp der Waffenlieferungen bedeutet den Untergang der Ukraine und deren Übernahme durch Putins Gewalt.



    Ja, das ist so. Deshalb redet Wagenknecht wie ein Zarenknecht, äh Zarenmagd. ...



    ABER.



    Nehmen wir an: Wir liefern Waffen, was geht. Nicht mit dieser scholzigen Zögerlichkeit, sondern richtig.



    Und trotzdem reicht's nicht für das Kriegsziel: Vertreibung der russischen Armee aus der Ukraine. Irgendwann wird ukrainischen Entscheidern klar: bald können wir nicht mehr. Auch wenn Russland das noch nicht erkennen kann. Dann muss irgendein Weg gefunden werden, zu Verhandlungen zu kommen, solange es noch etwas zu verhandeln gibt. Das ist sehr sehr schwierig, den Zeitpunkt und den Weg zu finden.



    Sich darauf vorzubereiten, das ist das einzige, was man aus Wagenknechts Gerede ziehen kann. Und das geht auch ohne sie.

  • Fronten sind auch hier längst verhärtet und konstruktive Dialoge sind auch hier längst eingefroren. Auch auf kommunaler Ebene ist die Arbeit in Friedensforen oft ein Spagat, da alte Ideologien wieder mehr Zulauf gewinnen und alte Bündnisse das proaktiv zu bedienen scheinen. Es ist an der Zeit...



    endlich genau das zu etablieren, eine neue Kooperation der Friedenswilligen als Bewegung, eingedenk internationaler Standards in der rechtlichen Bewertung staatlicher Aggression als Angriff nach den Vorgaben des Völkerrechts, dem verbindlichen gemeinsamen Nenner.



    Danke Pascal Beucker.

  • Hier ist nichts tot. Wo Stegner war, waren 30.000 und wo Roth demonstrierte waren gerade 300.

  • Danke, für die klaren Worte.



    Hoffe, diesen Kommentar lesen viele.

  • Auf den Punkt. Der Friedensbewegung würde eine Portion Realismus nicht schaden. Ich bin absolut gegen Krieg, aber der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen und einem Diktator wie Putin das Händchen zu halten steht auf einem ganz anderen Blatt. Nun ja, die Wagenknecht hat bereits wärend der Pandemie gezeigt, wes Geistes Kind sie ist. Peinlich, dass ihr so viele zujubeln.

  • „ Das angesichts der deutschen Geschichte geradezu obszöne Gerede von der „Kriegstüchtigkeit“, die wieder erlangt werden müsse, ist nur schwer erträglich.“

    Nein, es ist realistisch. Wenn Russland einen Krieg gegen uns beginnt, und das wird es vermutlich in den nächsten zehn Jahren, wenn es nicht bald aufgehalten wird, dann müssen wir Deutschen nun mal in den Krieg ziehen und uns verteidigen. Wir werden ja nicht aus Aggressivität kriegstüchtig, sondern, weil ein faschistischer Staat uns und unseren Verbündeten und Freunden den Krieg aufzwingt.

    • @Suryo:

      Kriegstüchtigkeit bedeutet für eine Krieg bereit zu sein. Verteidigungsfähigkeit bedeutet sich gegen Angreifende verteidigen zu können.



      Die Bundeswehr hat nach dem Grundgesetz die Aufgabe, die Bundesrepublik zu verteidigen. Von der Bereitschaft zum Krieg steht da nichts.

      Jeder Krieg beginnt mit Worten.

  • Wer nicht vor der russischen Botschaft für Frieden demonstriert, demonstriert in Wahrheit für Krieg.

  • Wenn Stegners Auftritt auf dieser „Friedensdemo“ irgendeinen Sinn hatte, dann um eindringlich das zu demonstrieren, was Pascal Beucker in diesem Beitrag in Worte gefasst hat.



    DAFÜR hätte ich es auch getan, wenn die Wagenknechte mir das Mikrofon überlassen hätten.

  • So ist es. Die Neue entsteht gerade, hoffentlich... Nur mit den Grünen oder dem allergrößten Teil der SPD wird sie nicht mehr viel zu tun haben.

  • Wagenknecht lügt inzwischen genauso schamlos wie die AfD. Das ist fast Trump-Niveau. Sie hat die Friedensbewegung gekapert. Außerdem erinnert dieses dumme Gewäsch von Verhandlungen mit Russland sehr an die Teilung Polens im Hitler-Stalin-Pakt. Warum scheint es vielen am Donnerstag legitim, über die Interessen der Ukraine hinweg sich "diplomatisch" einzumischen? Das ist außerdem nationalistisch und eine unfassbare Überschätzung der Möglichkeiten Deutschlands.



    Der Beitrag macht klar: Wagenknecht macht sich zum Handlanger des Diktators in Moskau und der ganze Mob um sie herum ebenso.

  • Danke, gut gesprochen.