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P. Diddy ist kein EinzelfallDas Schweigen der Männer

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

Nach misogynen Gewalttaten wird es viel zu schnell wieder leise. Die aktuellen Schreckensnachrichten zeigen: Wir müssen noch lauter werden – und mehr.

Teilnehmerinnen einer Demo gegen Männergewalt am 26. November 2022 in Rom Foto: Riccardo De Luca

O ft habe ich das Gefühl, ich schreie gegen die Wand. Eine Wand, die verhindert, dass mein Schreien durchdringt, sondern es lediglich reflektiert und mir selbst um die Ohren haut. Dieses Gefühl teile ich mit allen, die journalistisch, juristisch oder aktivistisch zu Gewalt gegen Frauen arbeiten. Denn jeden Tag werden Frauen und Queers weltweit geschlagen, vergewaltigt und getötet. Misogyne Gewalt ist Teil unseres gesellschaftlichen Alltags, doch einen Großteil scheint das nicht zu interessieren. Denn egal wie laut wir schreien, es ändert sich nichts.

Immer wieder gibt es kleine Momente, in denen Feminist_innen durchdringen. Meist dann, wenn ein großer #MeToo-Fall oder ein Femizid an die Öffentlichkeit gelangt. Für kurze Zeit sind dann alle ganz erschrocken und fragen: Wie konnte das so lange im Verborgenen bleiben? Wieso konnte das nicht verhindert werden?

So ein Moment ist jetzt gerade wieder: Große Medien berichten gehäuft über misogyne Gewalt und fürchten sich nicht mehr davor, den Begriff „Femizid“ zu nutzen. Und auch in den sozialen Medien ist die Empörung laut.

Ein Fall, an dem sich das entzündet, ist die Festnahme von Sean Combs, besser bekannt als P. Diddy, am vergangenen Montag wegen des Verdachts, eine „kriminelle Unternehmung“ zu betreiben. Er soll über Jahrzehnte Frauen missbraucht, bedroht und genötigt haben, seine sexuellen Wünsche zu erfüllen. Dafür soll er mithilfe von Angestellten ein ganzes System aufgebaut haben, damit seine Gewalttaten nicht an die Öffentlichkeit kommen.

„Extreme Gefahr“ für die Gesellschaft

Die Vorwürfe gegen Combs sind seit Längerem bekannt. Im Mai veröffentlichte CNN ein Video, in dem zu sehen ist, wie er seine Ex-Freundin Casandra Ventura zu Boden schlägt, auf sie eintritt und sie anschließend über den Hotelflur zerrt. Es ist grausam, diese Szene anzugucken. Noch grausamer ist lediglich das Wissen, dass es noch viel gewaltvollere Vorwürfe gegen den Rapper und Unternehmer gibt. Combs hat vor Gericht unschuldig plädiert, er muss bis zum Prozessbeginn in Haft bleiben, weil er eine „extreme Gefahr“ für die Gesellschaft darstelle.

Der Fall P. Diddy ist nur die aktuellste Schreckensnachricht in einer ganzen Reihe von Meldungen, die seit Wochen auf uns einprasseln. Wie der Tod der olympischen Läuferin Rebecca Cheptegei, sie wurde von ihrem Ex-Freund angezündet. Oder die ehemalige Miss-Schweiz-Finalistin, die von ihrem Mann mit einem Messer getötet und anschließend mit einer Gartenschere zerlegt wurde und deren Körperteile im Stabmixer zerkleinert wurden.

Und dann ist da noch dieser Prozess in Frankreich, der Grausamkeiten offen legt, die kaum zu begreifen sind. Ein Mann hat über neun Jahre hinweg seine Ehefrau Gisèle Pélicot unter Drogen gesetzt und sie dann entweder selbst vergewaltigt oder auf einer Website zur Vergewaltigung angeboten. Mit dem geständigen Ehemann sind 50 weitere Männer angeklagt, sie sind Journalisten, Krankenpfleger, Informatiker, Feuerwehrmänner. Über 200 Mal soll Pélicot vergewaltigt worden sein, sie selbst wusste wegen Erinnerungslücken durch die Drogen nichts davon. Erst Videos, die die Polizei sicherstellte, ließen sie begreifen, was passiert war. Statt zu schweigen, geht sie mit ihrem Gesicht und ihrer Geschichte in die Öffentlichkeit – im Namen aller Frauen, die sich nicht erinnern können. Dafür bekommt sie international Anerkennung und Respekt – vor allem von Frauen.

All die genannten Fälle mögen nicht direkt vor oder hinter unserer Haustür passiert sein, aber das heißt nicht, dass nicht auch hier in Deutschland geschlagen, vergewaltigt und getötet wird: Mittlerweile wird fast jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Ich könnte jetzt weiter eine Statistik nach der anderen runterbeten, doch letztlich zeigen sie alle das Gleiche: Wir alle kennen Frauen, die Gewalt erfahren, und wir alle kennen Männer, die gewalttätig sind.

Und die Männer?

Die Taten können passieren, weil andere mitmachen, das System stützen oder wegschauen. Im Fall von Pélicot sind es die 90 Männer, die sie vergewaltigt haben. Aber auch die Plattform, die es erlaubt hat, das Angebot des Ehemanns online zu stellen. Es sind die Ärzt_innen, die sie wegen Schmerzen im Unterleib konsultierte, die aber trotz Entzündungen nicht hellhörig wurden.

Die aktuelle Empörung über all diese Gewalttaten in etablierten wie sozialen Medien ist richtig. Doch im Regelfall ebbt sie nach ein paar Tagen oder Wochen wieder ab, ohne dass sich irgendetwas verbessert hat. Doch wenn uns das Leben von Queers und Frauen etwas wert ist, dann dürfen wir den Moment nicht an uns vorbeiziehen lassen – wir müssen ihn nutzen.

Wir müssen noch lauter schreien, damit die Regierung zum Handeln gezwungen wird. Wir müssen mehr werden, die schreien, damit wir misogyne Strukturen aufbrechen. Allein werden Feminist_innen das nicht schaffen. Jetzt sind vor allem die gefragt, die bislang geschwiegen haben – und das sind vor allem Männer.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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36 Kommentare

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  • An all die edlen Männer, die nur andere edle Männer in ihrem Umfeld haben, Gewalt fängt nicht da an, wo die Fäuste fliegen, sondern früher.

    Etwa beim emotionalen, beim seelischen Missbrauch, beim installieren von ungleichen Verhältnissen, beim öffentlichen Bloßstellen, bei dem, was etwas Widerlinge wie Andrew Tate lehren, die bedauerlicherweise viele Fans und Nachahmer haben.

    Sieht man die Sache so, ergibt sich vielleicht manchmal ein anderes Bild.

    • @Jim Hawkins:

      "bei dem, was etwas Widerlinge wie Andrew Tate lehren"

      Da dieser Widerling und andere seines Schlages gerade unter 10-13 jährigen Jungs erschreckend viele Fans hat, stehen wir wohl leider erst am Beginn einer noch schlimmeren Rückentwicklung als in den vergangenen Jahren bereits.

  • Also so eine Aussage ist wirklich krass:



    „Die Taten können passieren, weil andere mitmachen, das System stützen oder wegschauen. … [hier diverse Aufzählungen] … . Es sind die Ärzt_innen, die sie wegen Schmerzen im Unterleib konsultierte, die aber trotz Entzündungen nicht hellhörig wurden.”

    Ich kenne keine Gynäkologen den ich zutraue, bei einem ernsthaften Verdacht einfach wegzuschauen. Wer rechnet den damit, dass eine Patientin mittels regelmäßigen Betäubung serienvergewaltigt wird?

    • @Andi S:

      "Ich kenne keine Gynäkologen den ich zutraue..."

      Wie viele kennen Sie denn? Und wie viel davon praktizieren in Frankreich?

    • @Andi S:

      Mit (auch krasser) Gewalt zu rechnen, wäre in vielen Tätigkeitsfeldern für von Gewalt Betroffene sehr hilfreich. Es geht um genauer hinschauen (Leider schauen manche aber auch aktiv weg). Es fehlt so viel an Bewusstsein und Vorstellungsvermögen und eben gerade auch Mitgefühl.

    • @Andi S:

      Der Fakt, dass eine Frau wegen Schmerzen zu einem cis-Mann gehen muss, weil er Expertise hat, ist für FLINTAs untragbar.

      Linderung von Schmerzen im Austausch die privaten, geschützten Bereiche einer Frau zu begutachten. Grenzt schon hart an sexueller Erpressung, da muss ich FLINTAs recht geben.

      Unerwüschte Doktorspielchen wegen unerträglicher Schmerzen, und dann kommen psychische hinzu. So besiegen wir Femizide und Vergewaltigungen.....

  • " Wir müssen noch lauter schreien, damit die Regierung zum Handeln gezwungen wird"

    Was bitteschön soll die Regierung denn tun? Härtere Gesetze erlassen? Mehr Förderung beispielsweise von Frauenhäusern? Der Staat kann zwar präventiv tätig werden, aber nicht das Problem an sich lösen.

    Es bleibt halt ein gesellschaftliches Problem, welches viel mit Ignoranz zu tun hat. Mit einem falschen Frauenbild und psychischen Störungen in der eigenen männlichen Wahrnehmung. Mehr Therapieangebote wären ein richtiger Schritt. Ebenso noch mehr Aufklärung um für das Thema zu sensibilisieren.

    Und ein offenerer Umgang damit. Wenn, wie in einigen Kommentaren hier, jeder die subjektive Sicht vertritt, dass so etwas in seinem persönlichen Umfeld nicht vorkommt, ist das schon die falsche Herangehensweise.

    • @Sam Spade:

      Mehr Förderung von Frauenhäusern wäre schon mal ein Punkt.

    • @Sam Spade:

      Wir alle und auch Berufspolitik sind 'die' Gesellschaft. Alle können - wie in allen Themen- immer oder auch 'nur' gelegentlich etwas Unterstützenden machen.



      Wir sind doch hier auf einer taz Seite, oder?

  • Traurig, dass viele der Kommentare nur damit beschäftigt sind, der Autorin zu widersprechen, dass "Wir alle kennen Frauen, die Gewalt erfahren, und wir alle kennen Männer, die gewalttätig sind" nicht stimme. Die Autorin zieht diese Aussage aus statistischen Werten. Und wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben alle Menschen in unserem Umfeld so gut zu kennen, dass wir Gewalt mit Sicherheit ausschließen können. Oft wird es geschickt vertuscht. Ich hätte mir gewünscht, dass man statt diesen Satz in den Vordergrund zu stellen und zu bestreiten, sich mit dem so wichtigen erschütternden Artikel als Ganzes befasst hätte. Auch ich wünsche mir mehr Solidarität und weniger Schweigen oder Abstreiten.

    • @Mussgarnix:

      Da kann ich ihnen nur zustimmen. Zumal jene Kommentatoren davon ausgehen, dass sich Opfer von häuslicher Gewalt mitteilen, dass sie ihren Freunden und Verwandten davon erzählen. Das ist nur leider oftmals lange Zeit nicht oder manchmal auch gar nicht der Fall. Dafür gibt es diverse Gründe, von Scham bis Angst ist da alles dabei. Und ich habe es leider selber erlebt, dass der Schein nach aussen mächtig trügen kann und Freunde und Familie schockiert sind, was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt hat. Gerade narzisstische Persönlichkeiten, sind oft sehr beliebte Menschen, die in Beziehungen zu ihrem Partner aber kontrollsüchtig, manipulativ und bestrafend agieren können, aber nach außen den liebevollen Partner geben.



      Ich möchte auch mal darauf hinweisen, dass Gewalt nicht nur körperlich, sondern auch psychisch ausgeübt werden kann.



      Und mich würde bei den Kommentatoren die das so abstreiten interessieren, ob sie denn eine der Frauen in ihrer Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis gefragt haben ob sie schon mal irgendwann Gewalt durch einen Mann erfahren hat?

    • @Mussgarnix:

      Das teile ich vollständig. Wir alle müssen sehr viel genauer hinschauen und nicht in die Abwehr bzgl. der Fakten gehen. Bitte keine Nebenschauplätze aufmachen (aka whataboutism).



      Ein CIS Mann

  • [Kommentar gelöscht. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation.]

    • @Wolfgang K:

      "Im Mai veröffentlichte CNN ein Video, in dem zu sehen ist, wie er seine Ex-Freundin Casandra Ventura zu Boden schlägt, auf sie eintritt und sie anschließend über den Hotelflur zerrt."

      Gelesen? Und wenn ja. Wie kommt man auf die Idee, dass das Opfer sich danach gedrängelt hat?

    • @Wolfgang K:

      Exakt diese eklige Art von Schuldumkehr habe ich öfter als genug im Zuge der Debatte um das Rammstein-System lesen müssen. Zwischen einem Überfall auf dunkler Straße und dem Ausnutzen eines Machtgefälles besteht zumindest für die Opfer wohl kaum ein Unterschied, angesehen davon, dass sich das Opfer eines berühmten "Kreativen" noch viel direkter und unverschämter ein "Selbst schuld, was hast du denn erwartet" anhören muss.

    • @Wolfgang K:

      Lieber Wolfgang K



      Du schreibst: "...was junge Mädchen und Frauen alles tun um im Club in den VIP-Bereich zu kommen ist irre..."

      Die Frage ist nicht, ob es "irre" ist oder nicht. Die Frage ist, ob es Gewalt ist oder nicht. War es Gewalt, so ist es strafbar ... ist es aber wohl doch wohl ehr nicht oder? ...



      Das, was du als "irre" bezeichnest, ist in Wirklichkeit die gelebte FREIHEIT dieser Frauen. Und Leben seiner FREIHEIT ist vielleicht das kostbarste, was wir Menschen haben, auch wenn dies andere Menschen vielleicht sexuell oder auf andere Weise provoziert.



      Aber die Provokation ist in der provozierten Person und es darf nie darauf mit sexueller oder anderer Gewalt reagiert werden.



      Denk mal drüber nach!

    • @Wolfgang K:

      Ihr Ernst??? Haben Sie im Artikel gelesen, dass die amerikanische Justiz besagten Täter nicht auf Kaution rauslassen, weil er eine Gefahr für die Gesellschaft ist??? Schuld ist allein der Täter. Ihre Aussagen sind zutiefst misogyn.

      • @Mussgarnix:

        Danke. In realen Machtverhältnissen keine Täter-Opfer-Umkehr betreiben!!!



        Und noch zu Rero 13.23h: Seien Sie sich mal nicht so sicher. Gewalt findet leider auch extrem versteckt statt.

        Liebe Männer: Bitte mit Empathie und Wertschätzung.



        Ein CIS Mann

  • Unfassbare Taten - schrecklich - (re-)traumatisierend- triggernd!

    Es gibt uns - mwd. Wir, die dagegen sind und helfen/ therapieren/ beraten, sich solidarisieren, (an-)sprechen...

    Mit Empathie und Wertschätzung für alle von Gewalt Betroffenen



    Ein CIS Mann.

    • @WehrhafteWürdeWagen:

      Alles richtig was sie schreiben. Aber was soll ihre Signatur?

    • @WehrhafteWürdeWagen:

      Mit Empathie und Wertschätzung für alle von Gewalt Betroffenen

      Das Wort "alle" fehlt mir in vielen Beiträgen, denn knapp 2/3 der von Gewalt betroffenen Menschen sind keine FLINTA, und für diese gibt es wenig Empathie.

      • @Xanyd:

        Nicht Opfer gegeneinander in Konkurrenz setzen. Bitte meinen Kommentar nicht benutzen oder gar missbrauchen.

      • @Xanyd:

        Ich zitiere mich aus einem anderen Kommentar:

        90% der Körperverletzungen und Tötungsdelikte gegen Frauen werden von Männern begangen. Anders herum sind es ca. 10%

        Was jedoch zutrifft: 60% der Opfer von gewalttätigen Männern sind keine FLINTA. Ändert aber nichts an den Relationen.

  • Sorry, ich bin in diesem Fall nicht "wir alle".

    Ich kenne wirklich in meinem persönlichen Umfeld keine Frau, die Gewalt erfährt, und keinen Mann, der gewalttätig ist.

    • @rero:

      Es wäre schön, wenn Sie wirklich recht haben. Die Zahlen lassen anderes befürchten (natürlich abhängig davon, wie groß ihr persönliches Umfeld ist und wie sie es definieren). Und ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass man eben nicht jeden Menschen so gut kennt, wie man ihn zu kennen glaubt. Desweiteren wird Gewalt oft erschütternd effektiv vertuscht. Ich für meinen Teil hoffe, dass es in meinem persönlichen Umfeld auch so ist, wie in Ihrem. Allerdings hat mich meine Arbeit im sozialen Bereich gelernt, vorsichtig zu sein mit absoluten Feststellungen.

      • @Mussgarnix:

        Oh, Entschuldigung, ich habe mit einer falschen Zahl argumentiert.

        In Wirklichkeit waren es 2023 nur 167.865 restrierte Opfer von Partnerschaftsgewalt, um die es Frau Schwarz geht.

        Da wird es natürlich noch unwahrscheinlicher, dass man jemanden kennt.

      • @Mussgarnix:

        Deshalb hüte mich auch vor absoluten Feststellungen.

        Nichtsdestotrotz komme ich um die Erkenntnis, dass ich privat keinen Fall von Partnerschaftsgewalt kenne. "Umfeld" lege ich dabei großzügig aus.

        Früher war das viel verbreiteter.

        Als Kind/Jugendlicher kannte ich Beispiele.

        Manchmal scheint was besser zu werden.

        Die Zahlen bestätigen mich da eher

        Bei 256.276 registrierte Opfer im vergangenen Jahr kann nicht jeder eines kennen.

        Der entscheidende Punkt ist, dass ich dann der Handlungsaufforderung nicht folgen kann.

        • @rero:

          Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft ich bei einem benachbarten Paar die Polizei gerufen habe, selbst geklingelt habe, der Frau dezent und klar Unterstützung angeboten habe - ich vermute, dass in keinem einzigen Fall im Protokoll mehr stand, als dass Nachbarn die 110 gewählt haben und das Paar dann sagte: "Alles ok bei uns."

          Meine eigene Erfahrung war auch nie aktenkundig, erst eine Bedrohung laaange nach Beziehungsende war es dann (Verfahren eingestellt nach Gefährderansprache).



          Soviel zur Statistik - viel zu viele Menschen ertragen ihre gewaltvollen Beziehungen.

  • So richtig Ihr Kommentar ist, dem Satz kann ich nicht zustimmen:

    "Wir alle kennen Frauen, die Gewalt erfahren, und wir alle kennen Männer, die gewalttätig sind."

    Nein, ich kenne (persönlich) weder weibliche Opfer noch gewalttätige Männer.



    Das mag ein ganz subjektiver Blick aus meiner Komfort-Blase sein, ist aber so und betrifft recht viele meiner Bekannten.

    • @Stefan L.:

      Jemendem wie Ihnen, mit dieser von vornherein ablehnenden Haltung (Gibt es nicht! Die lügen doch eh alle!) wird Ihnen keine Betroffene ihre Gewalterfarung auf die Nase binden, und die Täter werden sich auch nicht in öffentlich mit ihren Straftaten brüsten.

      In meinem Umfeld ist JEDE Frau, einschließlich mir, mindestens einmal Opfer sexualisierter Gewalt geworden. Und am Arbeitsplatz musste ich mit *zensiert* zusammenarbeiten, die solche Gewalt ausübten.

      Machen Sie endlich die Augen auf!

    • @Stefan L.:

      Die so wichtige Frage ist:

      KENNT man keine Gewalt im Umfeld - oder GIBT es keine Gewalt im Umfeld?

      In vielen Kreisen spricht man einfach nicht darüber. Oder es wird schnell abgetan und ignoriert.

      Das kann in gutbürgerlichen Kreisen ebenso passieren wie in einer "good-vibes-only"-bubble oder oder oder....

      Die Abwesenheit der Kenntnis ist nicht unbedingt die Abwesenheit von Gewalt.



      Sei es physisch oder auch psychisch.

      Und meiner Erfahrung nach ist psychische Gewalt nochmals deutlich verbreiteter.



      Die FURCHT vor körperlicher Gewalt reicht ja oft schon.



      Ein Schwächegefühl das der Angreifer erzeugt - so dass sich das Opfer gar nicht erst traut sich zu wehren.

      Menschen können grausam sein.

    • @Stefan L.:

      Wen beziehst du in "Umfeld" mit ein? Nur Freund*innen oder auch Kolleg*innen, Nachbarn, Verkäuferin bei deiner Stammbäckerei usw.?



      Sei dir selbst im nahen Umfeld nicht zu sicher...

  • Sorry, aber die Aussage "Wir alle kennen Frauen, die Gewalt erfahren, und wir alle kennen Männer, die gewalttätig sind." ist schlicht falsch. Es gibt bestimmt in meinem Bekanntenkreis Frauen die schonmal Gewalt erfahren haben aber ob in meinem relativ kleinen Bekanntenkreis eine Frau aktuell Gewalt erfährt wage ich zu bezweifeln. Und ob einer meiner näheren bekannten Männer gewalttätig ist wage ich stark zu bezweifeln. Kurz: Liebe Autorin, man sollte nicht von sich auf andere schließen.

  • Nach misogynen Gewalttaten (u.a. im Schnitt zwei Gruppenvergewaltigungen pro Tag, allein nur in Deutschland) wird es viel zu schnell wieder leise (gerade auf linker Seite). Die aktuellen Schreckensnachrichten zeigen: Wir müssen endlich lauter werden (insbesondere auf linker und vermeintlich feministischer Seite)

    • @Alexx:

      Da gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Bin oft auch erschüttert über die Kommentare unter den Texten zu diesen Themen in der taz. Mir ist es schon mehrmals passiert, dass mir von männlichen Kommentaren erklärt wurde, dass sei ja alles gar nicht so. Frauen würden z.B. Streitereien provozieren oder falsch beschuldigen etc. Oder wie zum Teil hier, großes Erstaunen und Abstreiten des Ausmaß. Dann ist da kein so großer Unterschied mehr zum Kommentarbereich in konservativen Medien zu erkennen bei diesen Themen. Das finde ich sehr frustrierend. Und ich denke auch, wir müssen lauter werden!