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Mittelstreckenwaffen in DeutschlandUngeteiltes Risiko

Gastkommentar von Helmut W. Ganser

Die Konfrontation mit Russland darf durch offensive Rüstungsmaßnahmen der Nato nicht verschärft werden – nicht ohne einen stabilisierenden Dialog.

Der Start einer Tomahawk-Rakete aus einer US-Navy-Basis (Datum unbekannt) Foto: Department of Defense/Zuma Press/imago

D ie amerikanisch-deutsche Erklärung zur Stationierung von neuen konventionellen Langstreckenwaffen (M6-Raketenabwehrsysteme, Tomahawk-Marschflugkörper und Hyperschallgleiter) erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar zu sein.

Die Bundesregierung hat die ab 2026 zunächst „episodisch“ und später dauerhaft vorgesehene Stationierung in bisherigen Äußerungen mit einer „Fähigkeitslücke“ begründet. Russland besitzt in der Tat ein bedrohlich großes und breit gefächertes Potenzial an Kurz- und Mittelstreckenraketen, einschließlich Hyperschallwaffen und Marschflugkörpern.

Eine Reihe dieser Waffen können sowohl mit konventionellen als auch mit atomaren Sprengköpfen eingesetzt werden. Die Nato-Staaten verfügen auf europäischem Boden bis auf luftgestützte Marschflugkörper über keine vergleichbaren Raketensysteme. Washington hat diese Raketenstationierung in Deutschland bereits seit Jahren geplant und 2021 eine Taskforce für Führung und Einsatz dieser Systeme in Wiesbaden aktiviert. Die Bundesregierung hat der Statio­nierung nunmehr offiziell zugestimmt. Die Tragweite dieser Entscheidung ist gravierend und erfordert eine umfassende Begründung, vor allem hinsichtlich der Implikationen für Deutschland.

Lage zwischen Nato und Russland wird sich verschärfen

Helmut W. Ganser

ist Brigadegeneral a. D. sowie Diplompsychologe und Diplompolitologe. Er war Stellvertretender Leiter der Stabsabteilung Militärpolitik im Verteidigungsministerium Berlin sowie militärpolitischer Berater der deutschen Ständigen Vertreter bei der Nato in Brüssel und den Vereinten Nationen in New York.

Denn Russland wird aller Wahrscheinlichkeit nach als Reaktion eine noch größere Zahl seiner nuklearfähigen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad und in Belarus stationieren, insbesondere unmittelbar gegenüber Polen und den baltischen Staaten, auch in Kaliningrad und in Belarus. Eine Verschärfung der Lage an der Konfrontationslinie zwischen der Nato und Russland wäre die Folge und wird gegebenenfalls zu weiteren Rüstungsschritten auf der westlichen Seite führen.

Warum wird die Stationierung aber nicht im Nato-Rahmen vorgenommen, wie dies im Sinne einer Risiko- und Lastenteilung etwa bei der nuklearen Teilhabe der Fall ist? Bisher ist nicht erkennbar, dass irgendein anderer Bündnispartner bereit ist, diese Waffensysteme auf seinem Territorium zu dislozieren und die damit verbundenen Risiken einzugehen. Deutschland wäre im Kriegsfall aufgrund seiner geografischen Lage und Funktion als zentrale Drehscheibe für Aufmarsch und Logistik zur Verteidigung der Nato-Ostflanke ohnehin bereits in erheblichem Maße durch russische Mittelstreckenraketen bedroht.

Darüber hinaus würden in einem Krieg an der Ostflanke die amerikanischen bodengebundenen Mittelstreckensysteme durch die russischen Streitkräfte mit allerhöchster Priorität aufgeklärt und bekämpft werden. Deutschland verfügt zudem auf viele Jahre hinaus über keinen nennenswerten Zivilschutz und ist gegen Raketenangriffe hoch verwundbar. Eine flächendeckende Raketenabwehr ist unrealistisch.

Im Gegensatz zur atomaren Nachrüstung der Nato in den frühen 1980er Jahren (Doppelbeschluss) ist die Stationierungsentscheidung nicht mit einem Rüstungskontrollvorschlag zur Ver­ringerung des russischen Raketenpoten­zials verknüpft worden. Dies mag zwar angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine schwierig erscheinen. Andererseits hat die Nato in der Gipfelerklärung von Washington ihre Bereitschaft zur Rüstungskontrolle und Abrüstung bekräftigt.

Allein die Option wirkt destabilisierend

Die gravierendsten Folgen der Raketenstationierung, insbesondere der Hyperschallwaffen in Deutschland, liegen in den Auswirkungen auf die künftige nuklearstrategische Stabilität zwischen den atomaren Supermächten USA und Russland. Von dieser Balance hängt auch die deutsche und europäische Sicherheit ab. Die USA könnten in der russischen Wahrnehmung aufgrund der Reichweite, Zielpräzision und eventuell bunkerbrechenden konventionellen Sprengkraft dieser neuen Waffensysteme von Deutschland aus strategische Atomwaffen, die in den westlichen Bezirken Russlands stationiert sind, mit kurzen Flugzeiten ausschalten.

Die USA würden solche Angriffe zwar nicht führen, weil dies in einen großen Atomkrieg zwischen beiden Mächten münden würde. Aber allein diese Angriffsoption wäre destabilisierend und gefährlich, weil Russland im permanenten Alarmzustand verharren würde und weil Fehlalarme im schlimmsten Fall zum Start von Atomraketen führen können. Überdies muss wohl davon ausgegangen werden, dass mit der Stationierung der Marschflugkörper und Hyperschallgleiter eine Verlängerung des 2026 auslaufenden New-Start-Vertrags mit Obergrenzen für die strategischen Atomwaffen beider Seiten unmöglich wird.

Die Bevölkerung wird so im instabilen Zustand prekärer Sicherheit verharren, heikler als im Kalten Krieg

Als Fazit kann festgehalten werden: Der Aufwuchs militärischer Kräfte zur Abschreckung und zur Verteidigung der Ostflanke der Nato ist angesichts der russischen Aggression unabdingbar. Zugleich darf die bereits vorhandene Konfrontation zwischen Russland und der Nato nicht noch durch offensive Rüstungsmaßnahmen ohne einen begleitenden stabilisierenden Dialog verschärft werden. Ob die angekündigte Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland die deutsche Sicherheit tatsächlich stärkt, muss noch überzeugend begründet werden. Dies hängt letztlich von Annahmen über die psychologische Abschreckungswirkung auf die Machthaber im Kreml ab. Also von Annahmen, bei denen Fehleinschätzungen leicht möglich sind.

Es könnte sich als Trugschluss erweisen, unsere Sicherheit auf viele Jahre hinaus allein auf Abschreckung und Kriegstüchtigkeit zu stützen. Die Bevölkerung wird so im instabilen Zustand prekärer Sicherheit verharren, heikler als im Kalten Krieg. Frieden wird so zur Utopie. Wir haben uns im amerikanisch-deutschen Tandem Schritt für Schritt auf einen ungesicherten Pfad begeben, einen Pfad der irreversiblen Konfrontation mit Russland, ohne zu wissen, wo uns das am Ende hinführt und wie lange die Regierenden noch die Kontrolle über die weitere Konfrontation in der Hand behalten. Immer weiter ins Risiko zu gehen, ist auch politisch-moralisch fragwürdig.

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39 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

    Die Moderation

  • Russland hat schon seit den 2000er sein Mittelstreckenarsenal an seiner Westgrenze, insbesondere in der Oblast Kaliningrad massiv ausgebaut (Mittelstrecke heißt Reichweite bis Portugal!). Eine russische Overkill-Situation besteht bereits für Europa. Mehr Atomwaffen braucht Russland gar nicht.

    Während die NATO Atombomben sich keinen Zentimeter nach Osten bewegt haben, hat Russland zudem seine Atomwaffen nach Westen (Weißrussland) verlegt.

    Die beschlossenen amerikanische Stationierungen wiegen das bei weitem nicht auf. Welche weitere russischen Eskalationsstufen soll Russland denn zünden (außer dem Präventivschlag)?

    Hier stimmt doch die Verhältnismäßigkeit nicht.

  • Wenn Russland seine Raketen aus Kaliningrad und Belarus wegschafft, können die bei uns auch weg. Ganz einfach. Der Ball liegt bei Russland.

  • Mir fehlt in dem Kommentar eine Abwägung der Alternativen: Russland HAT nunmal das ganze, die mögliche Reaktionszeit der Nato einschrumpfende, Angriffsarsenal schon positioniert und in den letzten Jahren nicht wirklich Anlass gegeben, diese Tatsache mit einem "Naja, was soll's, er wird schon nicht..." abzutun. Der Autor sieht den Handlungsbedarf ja auch. Aber er erklärt verdammt wenig darüber, wie der auf dem engen Raum Europas umzusetzen wäre, OHNE auch die strategische Tiefe zu schaffen, für die Langstreckenwaffen gebraucht werden. Gegen Putin hilft nur, was ihn wirklich hart stoppen kann.

    Hingegen mit dem einseitig friedfischigen "Mimimi, DAS dürfen wir Putin (der sich ja auch vor objektiv nichtexistenten Bedrohungen ach so sehr fürchtet) nun wirklich nicht vorsetzen!" haben wir ihn die Krim kassieren lassen und, weil das nicht reichte, zum machtbesoffenen Marsch auf Kijw eingeladen. Die Angst, die ihn zum Losschlagen motiviert, ist nicht etwa seine sondern UNSERE.

    Sickert das vielleicht endlich mal durch?

    • @Normalo:

      Weit bessere Analyse, als der General a. D.

    • @Normalo:

      "Die Angst, die ihn zum Losschlagen motiviert, ist nicht etwa seine sondern UNSERE."

      Auch wenn wir uns immer mehr versuchen einzureden, dass Putin uns angreifen wird, spricht sehr wenig für diese These. Selbst wenn Putin wollte, könnte er die NATO nachdem UkraineKrieg nicht mehr angreifen.



      Es fehlen einfach die personellen Kapazitäten. Theoretisch wäre dieses zwar in 20 Jahren möglich, wenn russische Frauen etwa 4x mehr Kinder bekommen würden als bisher, aber das sind alles sehr wilde Spekulationen. Schade, dass die Arbeit der Waffenlobby auf so fruchtbaren Boden trifft.

  • Mit der Stationierung solcher Waffen ändert sich das Risiko für Deutschland nicht. Es ist anders als früher heute nicht mehr möglich, wirklich zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen zu unterscheiden.



    Aber was Putin bzw Russland als Bedrohung wahrnimmt, ergibt sich aus den Zielen der politischen Führung - wenn die einen Krieg auslösen will - dann gibt es kein erfolgreiches Appeasement. Das zumindest hat unser Gröfaz ja wohl entgültig bewiesen.



    Ja, das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung ist hoch, wird aber durch eine solche Stationierung nicht höher. Nach Lage der Dinge wohl sogar eher kleiner.

  • Option wirkt destabilisierend ?



    Ich gebe mal ein Bild:



    Im Raum hängt ein Mobilé (die Älteren werden wissen was das ist...;-))



    Die Option, eine tür zu öffnen wirkt destabilisierend.



    Aber auf ein hochgradig instabiles Konstrukt. Es gibt mit Russland keine stabile Lage im hier und jetzt.



    Dialog ja - als Angebot. Aber mit der Wachsamkeit, dass von Russland nicht das Netanjahu-Spiel gespielt wird: Verhandeln mit dem Ziel, Zeit zu haben, mit allem weiter zu machen wie bisher.

  • Russland will keinen Dialog, es will Weltmacht sein, mit eigener Einflusszone in Osteuropa. Putin hat jetzt so oft gesagt er will die Kapitulation der Ukraine bevor Verhandlungen beginnen. Konfrontation ist unvermeidlich, außer man möchte um Ruhe zu haben die Freiheit Osteropas opfern. Europa sollte einfach in Raketenabwehr und eigene Raketen investieren.

  • "Wir haben uns im amerikanisch-deutschen Tandem Schritt für Schritt auf einen ungesicherten Pfad begeben, einen Pfad der irreversiblen Konfrontation mit Russland, ohne zu wissen, wo uns das am Ende hinführt und wie lange die Regierenden noch die Kontrolle über die weitere Konfrontation in der Hand behalten. Immer weiter ins Risiko zu gehen, ist auch politisch-moralisch fragwürdig."

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Erschreckend, das solche Stimmen so selten sind.

  • Beeindruckend und bedrückend!



    Aussergewöhnlich eine solche Einschätzung in der TAZ zu lesen.



    Es wird Zeit, allerhöchste Zeit ,massenhaft auf die Strasse zu gehen.



    Nicht nur die Demokratie ist bedroht. Bedroht ist auch ganz konkret under Überleben in D.

    Wäre wünschenswert, diese Regierung würde mal aus dem Hinterteil der USA herauskommen.



    Die Sicht auf die Dinge wäre dann vielleicht wieder gegeben.



    Im Dunkel sieht man schlecht.

    • @D. MEIN:

      "Eine flächendeckende Raketenabwehr ist unrealistisch." Wenn ein General das sagt....dann ist zu fragen:



      Warum? Genau das ist es doch, was die Ukraine jetzt braucht und wohl auch aufbaut bzw verbessert. Unter Kriegsbedingungen.



      Dann muss diese flächendeckende Raketenabwehr eben entwickelt und aufgebaut werden. Und zwar schnell.



      Alles andere ist eine Einladung. Unsere Nato-Partner werden sich mit "geht nicht, gibt's nicht" kaum zufrieden geben, besonders alle östlich von uns.

    • @D. MEIN:

      Ich finde die Wahrnehmung wir seien "im Hinterteil der USA" übertrieben. Auch wenn Scholz einen solchen Eindruck durch Nicht-Kommunikation entstehen und bestehen lässt. Europa und Deutschland reißen aus eigener Entschlossenheit, bzw fehlender Entschlußfähigkeit allerdings eigenständig auch nicht viel.



      aber sei's drum: bleiben wir im Bild mit dem Hinterteil.



      Also raus - und dann stehen wir allein auf weiter Flur im hellen Licht. Und dann? Ich habe den Verdacht, der erste Vorschlag für ein sicheres Versteck lautet dann: auf ins Hinterteil des russischen Bären. Oder wohin sonst....?

  • "eine noch größere Zahl seiner nuklearfähigen Mittelstreckenraketen in Kaliningrad und in Belarus stationieren"

    Aha. Also wenn Russland nur ein paar nuklearfähige Mittelstreckenraketen an der Nato-Grenze aufstellt ist das vollkommen okay. Aber die Nato soll nicht "Konfrontation mit Russland...durch offensive Rüstungsmaßnahmen" anfachen?

    Hier wird einfach schon wieder das russische Opfernarrativ befeuert. Russland, dass so von einem Verteidigungsbündnis bedroht wird.

    Warum wird nicht zuerst Russland aufgefordert seine Nuklearraketen von der Nato Ostflanke abzuziehen? Dann wären Raketen in Deutschland mit Sicherheit nicht mehr notwenidug und wir alle hätten eine apokalyptische Sorge weniger

    • @Pawelko:

      Vielen Dank für diesen Kommentar. Es war auch mein erster Gedanke, warum eigentlich die ständigen russischen Angriffsdrohungen gegenüber Europa und die Aufrüstung durch Russland an der russischen Westgrenze keinerlei kritische Erwähnung findet.

      Deutschland reagiert auf die ständigen Eskalationen durch Russland. Im Falle eines russischen Angriffs, der unter Putin (und angesichts eines möglichen US Präsidenten Trump) im Bereich des Möglichen liegt, hat Deutschland keinerlei effektive Verteidigungsmöglichkeit. Zum Glück fällt es auch den Politikern langsam auf, dass wir ein gefundenes Fressen für Putin sind.

      Putin ist der Aggressor, nicht Deutschland und auch nicht die NATO.

    • @Pawelko:

      War die Stationierung von russischen Nuklear-Mittelstreckenraketen in Kaliningrad nicht eine Reaktion? Sie erinnern sich vielleicht an den Raketenschirm gegen Iran um Russland rum.

      Und vielleicht wird die "Diktatur Russland" ja ihre Atomwaffen abziehen, wenn eine Regierung im demokratischen Deutschland den Willen der Bevoelkerung gegen die Stationierung von US-Atombomben im Rahmen der nuklearen Teilhabe umsetzt.



      Nur danach sieht es nicht aus wenn der Kanzler die Bevoelkerung 2 Jahre im Dunkeln laesst und dann vor vollendete Tatsachen stellt, um eine Debatte oder gar Demonstrationen zu verhindern.

      • @elektrozwerg:

        Das einzige Land, was gebetsmühlenartig davon spricht Atomwaffen einzusetzen ist Russland.

        Im russischen Staatsfernsehen wird sogar regelrecht mit einem möglichen atomaren Angriff auf die NATO geprahlt.

        www.merkur.de/poli...s-zr-93097837.html

        www.fr.de/politik/...sten-93189179.html

        (Usw...)

        Hab ich bei uns in der Tagesschau noch nicht so gesehen.

        Halten wir fest. Russland hat schon Atomwaffen an unserer Grenze und spricht davon diese auch einzusetzen.

        Und Gott sei Dank denken nicht die meisten Deutschen wir sollten uns Putin schutzlos ausliefern. Denn sonst enden wir, wie bereits treffend hier in den Kommentaren gesagt, wie die Krim 2.0. Keiner möchte Massaker wie in Butscha. Denn das ist nur eines der vielen Folgen die einen unter der russischen Herrschaft erwarten. Oder warum meinen Sie kämpfen die Ukrainer so verzweifelt?

      • @elektrozwerg:

        Genau. Und vielleicht wird Russland ja auch aufhören, die Ukraine zu erobern, wenn die einfach aufhört, sich zu wehren? War ja auch Alles nur eine "Reaktion"...

        @Pawelko hat schon Recht: Das ist genau Putins Narrativ. Es gibt genau EINEN denkbaren Grund, dass Putin wirklich von der Angst getrieben sein könnte, die Nato wäre eine aktive Bedrohung für russisches Territorium: Er schließt komplett von sich auf Andere.

      • @elektrozwerg:

        "Und vielleicht wird die "Diktatur Russland" ja ihre Atomwaffen abziehen, wenn eine Regierung im demokratischen Deutschland den Willen der Bevoelkerung gegen die Stationierung von US-Atombomben im Rahmen der nuklearen Teilhabe umsetzt."



        Ja, vielleicht. Vielleicht werden sie auch einfach nur in tosendes Gelächter ausbrechen und ihre Atomwaffen einfach ein paar Kilometer nach Westen verlegen.



        Und vielleicht wachen wir morgen alle in Marzipan und Schokosauce auf.

        Aber das kleine Detail, dass Sie die Worte Diktatur Russland in Gänsefüßchen setzen, zeigt ja bereits, wo Ihre Sympathien sitzen.

  • Danke für diesen ausgeglichen Beitrag. Es ist befremdlich, dass es kaum Diskussionen zur neuen Strategie gibt, gerade unter moralischen Aspekten.

    "Immer weiter ins Risiko zu gehen, ist auch politisch-moralisch fragwürdig."

    Ich stimme Ihrer Aussage vollkommen zu. Ich halte es auch für sehr naiv durch eine Eskalationsspirale (auch wenn sie langsam läuft) mittelfristig ein Entspannung erreichen zu können. Andere als im kalten Krieg 1.0 ist es auch naiv zu erwarten, dass jemand wie Gorbatschow die Hand austrecken wird. Da wird wohl, wenn die ganze Empörung (die natürlich auch gernechtfertigt ist) über die Jahre etwas abschwächt ist, jemand aus dem Westen hoffentlich die Initiative übernehmen.

  • Auch von mir vielen Dank für diesen Beitrag.



    Es zeigt, dass hier mehr dem Druck der USA nachgegeben und unsere Interessen geopfert wurden. Soll das die viel gesagte Zeitenwende sein?

  • 》Frieden wird so zur Utopie. Wir haben uns im amerikanisch-deutschen Tandem Schritt für Schritt auf einen ungesicherten Pfad begeben, einen Pfad der irreversiblen Konfrontation mit Russland, ohne zu wissen, wo uns das am Ende hinführt und wie lange die Regierenden noch die Kontrolle über die weitere Konfrontation in der Hand behalten《

    Sehr wichtige Analyse, die besonders SPD und Grüne, beide mit Wurzeln in der Friedensbewegung, wenigstens jetzt dringend berücksichtigen sollten (auch wenn VK Habeck inzwischen von 'Vulgär-Pazifismus' spricht)

    》Aber allein diese Angriffsoption wäre destabilisierend und gefährlich, weil Russland im permanenten Alarmzustand verharren würde und weil Fehlalarme im schlimmsten Fall zum Start von Atomraketen führen können《

    Auf diese Gefahr weist auch der frühere Generalinspekteur der Bundeswehrund von 2002 bis 2005 Vorsitzenden desNATO-Militärausschusses, Kujat hin

    www.emma.de/artike...-eskalieren-341167

    1983 hätte so ein Fehlalarm fast in die Katastrophe geführt, hätte ihn nicht der sowjetische Offizier Petrow eigenverantwortlich ignoriert

    de.m.wikipedia.org...grafowitsch_Petrow

    • @ke1ner:

      Danke für Ihre nachdenklichen und warnenden Worte.



      Leider sind solche Beiträge auch in linken Kreisen keine Selbstverständlichkeit mehr.

  • Die Tür der NATO steht meines Wissens durchaus offen. Allerdings stellt sich schon die Frage, wie dieser "Dialog" aussehen sollte, solange sich Putin offenbar eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine wünscht, gekoppelt mit der widerspruchslosen Akzeptanz der russischen Vorherrschaft in der Region.

    Also de facto neoimperiale Eroberungspolitik Russlands.

  • Ich finde es etwas makaber nach mehr als zwei Jahren Nuklearangriffs-Rhethorik seitens des faschistischen Regimes im Kreml und der Stationierung von eben solchen Raketen in Belarus und Königsberg auf einmal die äußerst unzureichende Landesverteidigung ständig zu hinterfragen. Es zeigt nur, dass nix aus der Geschichte gelernt und die Ambitionen und die Grausamkeit von Faschisten weiterhin unterschätzt werden, nur weil es ma ein paar Jahrzehnte Frieden in Europa war (welcher weitestgehend den USA als Schutzmacht geschuldet ist - was viele der Pazifisten hier in Deutschland dank ihres dekadenten Lebens gerne vergessen oder ausblenden).

  • Henne oder Ei?

    Russland hat doch bereits Juli 2023 die angekündigte Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus durchgeführt. Das wurde von Lukaschenko höchstpersönlich bestätigt. Russland hat damit einseitig die mögliche Reaktionszeit für die Nato in Europa erheblich verkürzt. Angesichts dessen gibt es seitens der Nato oder der Bundesregierung, wie ich finde, überhaupt keinen Klärungsbedarf.

    Es läuft alles nach dem alten Tit for Tat. Ansonsten ist es doch verwunderlich, dass Putins fortwährendes atomares Säbelrasseln folgenlos bleiben sollte.

    Und die Stationierung hat einen weiteren indirekten Effekt, denn sollte dies wirklich zu Verlagerung von Kapazitäten seitens Russland führen, wären hier Ressourcen gebunden, die an anderer Stelle dann nicht zur Verfügung stehen.

  • "Wir haben uns im amerikanisch-deutschen Tandem Schritt für Schritt auf einen ungesicherten Pfad begeben, einen Pfad der irreversiblen Konfrontation mit Russland,..." "Wir" haben uns auf überhaupt keinen solchen Pfad begeben. Russland hat diesen Pfad beschritten, als es die Krim besetzte, damit die Souveränität der Ukraine verletzt hat und zuletzt sogar anstrebt, die Ukraine als Staat komplett zu zerstören. Wenn die NATO, EU und USA die Ukraine dabei unterstützen, ihre Souveränität zu erhalten, so ist das keine Eskalation. Wer die Verhältnisse so umdreht, kaut 1:1 die russische Propaganda wider. Selbstverständlich sollte der Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen. Aber Verhandlungen führt man sinnvollerweise nicht aus einer Position der Schwäche heraus.

  • Ein kluger und ausgewogener Beitrag. Leider viel zu selten. Wir brauchen dringend eine Deeskalation, Frieden in der Ukraine und in Gaza, und ein Konzept für die gemeinsame Bewältigung der globalen Herausforderungen unserer Zeit. Waffen, Krieg, Aufrüstung, Politiker im Euro-Fighter (da hat Merz sich wohl ein Beispiel an Putin genommen), all das führt in die falsche Richtung. Ebenso der Glauben, dass die nächsten Jahre durch kriegerische Konflikte des "Westens" mit Russland und China geprägt werden. Es gibt eine Alternative! Leider verdient die Rüstungsindustrie dabei weniger, Kapital würde gerechter verteilt... Alles Dinge, an denen eine kleine, aber einflussreiche Gruppe in unserer Gesellschaft kein Interesse hat.

    • @Marco Bünger:

      Sagen sie es Putin.....den Hamas...und auch Netanjahu.

    • @Marco Bünger:

      Ja, wir brauchen, was Sie schreiben, aber Sie tun so, als ob alle Akteur*innen das auch so wollten und nein, da ist nicht immer nur die böse Rüstungsindustrie des Westens schuld. Das schaffen die autoritären Regime auch ganz alleine, der Welt ihren machtlüsternen Stempel aufzudrücken. Ich vermisse in solchen Kommentaren immer die machtkritische Analyse antidemokratischer Akteur*innen und wie sich mit diesen ein Umgang finden lässt, der nicht bedeutet, duckmäuserisch in den eigenen Käfig zu laufen. Aggressor*innen müssen wir nicht aggressiv begegnen, aber entschieden und konsequent, wenn sie unseren Frieden und unsere Sicherheit gefährden.Entschieden und konsequent lässt sich leider aber nur handeln, wenn wir entsprechend gerüstet sind. Sie würden ja auch nicht unbewaffnet in einen Löwenkäfig gehen.

      • @DieLottoFee:

        Guter Kommentar.

      • @DieLottoFee:

        Auch eine "schwache" NATO bietet so viel Abechreckungspotential, dass sie niemand angreifen wird.



        Es gibt momentan kaum Industrien, die so viel Geld in Lobbyarbeit steckt wie die Waffenindustrie und wie wir an der öffentlichen Stimmung feststellen scheint das ihre Wirkung nicht zu verfehlen.



        Wenn morgen Scholz erzählen würde (das wird er natürlich nicht) , dass wir 300 Milliarden mehr zur Aufrüstung brauchen, dann würden weite Teile der Linke vermutlich auch soziale Kürzungen kritisch aktzeptieren. Hoffentlich gibt es mittelfristig auch dem linken Bereich wieder mehr kritische Stimmen zur jetzigen Ukrainepolitik und auch zur Aufrüstung.

        • @Alexander Schulz:

          "Wir haben uns im amerikanisch-deutschen Tandem Schritt für Schritt auf einen ungesicherten Pfad begeben, einen Pfad der irreversiblen Konfrontation mit Russland, ..."

          Merkwürdige Verdrehung der Fakten. Nein, nicht WIR haben uns auf einen irreversiblen Pfad der Konfrontation begeben. Soviel sollte auch Herr Ganser eigentlich wissen.

          Aber es lohnt sich, gelegentlich mal nachzulesen, was Herr Ganser in den letzten zwei Jahren so alles geschrieben hat. Es liegt durchweg auf der Linie der ehemaligen Generäle Vad und Kujat (letzterer ja vor allem bekannt als militärischer Sidekick von Wagenknecht und Krone-Schmalz).

          Er gehört erkennbar zu jenen, die bis heute in den Kategorien des Kalten Krieges denken und nicht begreifen wollen, dass diese Kategorien nichts mehr taugen. Putin geht es aber, anders als Breschnew, nicht um Bestandsbewahrung, sondern um territoriale und politische Expansion. Für Putin ist Krieg schlicht ein normales Mittel der Politik, das hat in den letzten Jahren zur Genüge bewiesen. Insofern geht auch die Vorstellung einer "Sicherheitspartnerschaft" MIT Russland, die auch Gansers Beitrag unüberhörbar unterlegt ist, an der Realität vorbei.

        • @Alexander Schulz:

          "Auch eine "schwache" NATO bietet so viel Abechreckungspotential, dass sie niemand angreifen wird."

          Das ist, glaube ich, genau die "Husch in den eigenen Käfig"-Denke, die @dielottofee meinte. Herr Biedermann lässt grüßen, er hätte gerne seinen Dachboden wieder - aber natürlich erst wenn die Herren mit den Benzinfässern ihn nicht mehr brauchen...

          Und was man sich für solche gutgläubigen "Russland wird doch nicht..."-Prognosen kaufen kann, war schon 2014 ersichtlich und seit 2022 traurige Gewissheit.

          • @Normalo:

            Ich verstehe Ihre Bedenken. Trotzdem fehlt einfach jegliches Maß. Man muss sich alleine nur die finnische, türkische Armee oder polnische Armee anschauen. Die kann man nicht mit der ukrainischen vergleichen. Russland hätte selbst, wenn es wollen würde, gar nicht das Potential konventionell Europa oder die Nato zu besiegen.



            Ich finde diese Ängstlichkeit, die sich immer mehr breit macht zwar verständlich, aber es fehlen die Fakten, die das rational untermauern.



            Wäre die NATO oder Europa schwach und Russland stark fände ich Ängstlichkeit plausibel.

        • @Alexander Schulz:

          "Auch eine "schwache" NATO bietet so viel Abechreckungspotential, dass sie niemand angreifen wird." Die NATO ohne die USA hat genug Munition für 30 Tage und ist über ganz Europa verteilt, mit der Masse der Soldaten in Bürojobs ohne Kampferfahrung.



          Noch dazu kommt es nicht nur auf Zahlen an, wenn Putins Geheimdienst ihm erzählt Europa zieht nicht wegen Finland in den Krieg, ist ein Krieg viel wahrscheinlicher. Und Putins Geheimdienst hat ihm schon so oft Blödsinn erzählt.



          Man darf nicht davon ausgehen das die andere Seite immer gut informiert ist oder aus richtigen Informationen, die richtigen Schlüsse zieht.

    • @Marco Bünger:

      Vielen Dank für die abwägenden Worte.



      Die Alternative zu Krieg heißt Frieden, aber das Geld wird dort verdient, wo das Blut auf der Straße klebt.



      Leider.

      • @GlaubeLiebeHoffnung:

        Der Mensch ist weder rational noch rein materialistisch. Daher greifen solche Erklärungen zu kurz. Für Russland macht der Krieg wirtschaftlich keinen Sinn, für den Westen auch nicht. Ginge es nur ums Geld hätten wir Weltfrieden. Einem Menschen 70 Jahre lang Schrott verkaufen den er nicht braucht macht mehr Sinn als den Menschen mit 25 mit einem Gewehr zum Sterben in einen Schützengraben zu schicken.

      • @GlaubeLiebeHoffnung:

        Bitten Sie Putin um Frieden, der Westen wird nicht nein sagen, wenn er seine Soldaten aus der Ukraine abzieht.