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Den Haag zum GazakriegNetanjahu droht Haftbefehl

Den Haags Chefankläger beantragt Haftbefehle gegen Israels Premier und Verteidigungsminister sowie drei Hamas-Führer. Entscheiden muss das Gericht.

Vorwurf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Israels Premier Netanjahu droht ein Strafbefehl aus Den Haag Foto: reuters

Berlin taz | Es war ein Schritt mit Ansage, aber seine politische Sprengkraft ist enorm: Am Montag erklärte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Karim Khan, er habe Haftbefehle gegen drei Hamas-Führer beantragt – sowie gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Joav Galant. Über die Haftbefehle muss nun die Vorverfahrenskammer des Gerichts entscheiden. In der Vergangenheit hatte die Instanz nur ein Mal die Ausstellung von Haftbefehlen abgelehnt – das Verfahren nimmt jedoch in der Regel mehrere Monate in Anspruch.

Anklagen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Artikel 7 und 8 des Rom-Statuts des IStGH) richten sich gegen den Gaza-Chef der Hamas, Jihia al-Sinwar, den Auslandschef Ismail Hanijeh sowie gegen Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif. In einer veröffentlichten Erklärung legte Khan dar, seine Ermittlungen legten die Verantwortlichkeit der drei genannten für Vernichtung, Mord, Geiselnahme, Vergewaltigung, Folter, unmenschliche Handlungen und Vergehen gegen die Menschenwürde nahe. Er bezog sich damit sowohl auf den Überfall von Hamas-Terroristen auf israelische Zi­vi­lis­t*in­nen am 7. Oktober als auch auf den Umgang mit den zunächst 245 Geiseln. Die Situation, sagte Khan, dauere bis heute an.

Auch Israels Regierungschef Netanjahu und Verteidigungsminister Galant wirft Khan Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Insbesondere betont Khan, die Aushungerung von Zivilbevölkerung als Kriegswaffe, wie sie seit dem 8. Oktober 2023 mit der nahezu vollständigen Abriegelung des Gazastreifens und dem Abdrehen von Wasser- und Elektrizitätsversorgung erfolgt sei, sei ein Kriegsverbrechen, genauso wie vorsätzliche Angriffe auf Zivilbevölkerung und zivile Einrichtungen.

Energischer Protest aus Israel

Sollte die Vorverfahrenskammer tatsächlich die Haftbefehle ausstellen, wären damit alle 124 Vertragsstaaten des IStGH verpflichtet, die gesuchten Personen festzunehmen und an Den Haag zu überstellen, sollten sie dazu die Möglichkeit haben. Auslandsreisen in Vertragsstaaten – wie etwa Deutschland und fast die restliche EU, nicht allerdings die USA – wären Netanjahu und Galant damit nur noch unter hohem Risiko möglich. Israel selbst ist nicht Vertragsstaat des IStGH, die Palästinensische Autonomiebehörde hingegen seit 2015 schon. Im unwahrscheinlichen Fall also, dass der in Doha lebende Hamas-Chef Ismail Hanijeh einmal in Ramallah auftauchen sollte, müssten palästinensische Sicherheitskräfte ihn festnehmen und ausliefern.

Aus Israel kam am Montag sofort energischer Protest gegen die Entscheidung des Chefanklägers. Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, nannte die Beantragung der Haftbefehle „ein Verbrechen von historischem Ausmaß“. Es sei eine „tiefe Verzerrung der Gerechtigkeit und ein eklatanter moralischer Bankrott“, wenn der Ankläger Parallelen zwischen den Führern eines demokratischen Staates, der sich gegen den Terror verteidigt, und den „Führern einer blutrünstigen Terrororganisation“ zieht.

Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir bezeichnete den Gerichtshof als „antisemitisch“, der ebenfalls rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich sprach von „Nazi-Propaganda“. Außenminister Israel Katz kündigte an, er werde mit seinen Amtskollegen in führenden Staaten sprechen, damit diese sich gegen die Entscheidung des Chefanklägers wenden „und mitteilen, dass sie auch im Fall von Haftbefehlen diese nicht gegen die Anführer des Staates Israel umsetzen werden“.

Weder aus der Bundesrepublik noch aus den USA, den beiden engsten Verbündeten Israels, gab es zunächst offizielle Reaktionen. In den USA hatten schon vor Wochen republikanische Senatoren gewarnt, sollte Khan Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder beantragen, würden sie sich für Sanktionen gegen ihn und andere Mitarbeiter der Anklagebehörde starkmachen.

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40 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

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  • Ob sich der IStGH durch diese Anklage und mögliche Haftbefehle diskreditiert, indem er drei terroristische Führer, der muss mit einem gewählten Staatsoberhaupt und einem Verteidigungsminister gleichsetzt, kann ich nicht beurteilen.

    Hilfreich ist zumindest, dass die Beweislage gegen die Hamas Führer nun ziemlich klar ist, umso unverständlicher, wenn die Hamas in manchen Kreisen immer noch als Befreiungsbewegung gefeiert wird.

    Der mögliche Haftbefehl und die Vorwürfe betreffen drei Hamas-Führer: Yahia Sinwar, den Hamas-Chef in Gaza, Mohammed Deif, den Anführer der Kassam-Brigaden, sowie denChef des Politbüros in Katar Ismail Hanija. Anklage wegen vorsätzlicher Tötung und "Ausrottung" von Israelis sowie „Angriffs gegen die Zivilbevölkerung". Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen werden die Vergewaltigungen und die Entführung und Misshandlung von Geiseln gewertet. Dafür liegen nun umfangreiche Beweisermittlungen vor. Es fehlen als weitere Anklagepunkte leider noch die Verbrechen gegen die eigene Palästinensische Zivilbevölkerung und das Beschießen israelischer Zivilisten mit Raketen.

    Die Anklage gegen Netanyahu und Gallant lautet dagegen auf den Versuch des „Aushungerns“ der Bevölkerung als Kollektivstrafe, um Druck auf die Hamas auszuüben, die israelischen Geiselnfreizulassen. Der Vorwurf des Genozids wird nicht erhoben.

    Es besteht natürlich die Gefahr, dass sich durch diese Anklage Netanyahu als Opfer stilisieren könnte, aber eigentlich ist davon auszugehen, dass dies ihm und den rechtsextremen Minister endgültig schadet. Die Regierung ist damit nun deutlich angezählt.

  • Es ist gut dass dies rechts-nationalistischen Politiker wie Trump und Netanjahu vor Gericht landen.

    Und Netanjahu muss sich auch endlich für seine selber zugegebene Unterstützung der Hamas verantworten! Er erklärte am 16. Mai 2019 vor der Parlamentsfraktion seiner Partei: »Wer einen palästinensischen Staat verhindern will, muss die Hamas unterstützen und stärken.« ( www.zeit.de/2023/4...-hamas-ehud-olmert )

  • Auch hier mal wieder zu erleben: Juden, die sich wehren - ein Konzept, mit dem dem der Deutsche nichts anfangen kann.

  • Die Anklage von Sinwar für 1200 Morde beim IStGH ist in Ordnung, die Ermordung von über 30000 Zivilisten in Gaza aber (und für die die zweifeln: www.972mag.com/mas...ated-bombing-gaza/ ) ist "skandalös", "outrageous" – das ist doch die most moral army in the world u Israel die einzige Demokratie (gestern wieder Biden; wie sich die Propagandaframingschlagworte im Hirn festfressen, !!!Stop thinking here!!!) wie verlogen! Nebenbei, niemand behauptet eine Gleichsetzung der Taten Hamas' und der Netanjahus u Gallants. Im Gegenteil.

    Abr die Amis haben, Achtung böse antiamerikanische Verleumdung, schon ihre Mittel den Richterlein Recht u Gerechtigkeit beizubringen www.france24.com/e...-afghan-war-crimes

    Bibi weiß schon, dass er sich auf seine amerik. Freunde verlassen kann. Und bei uns werden sie einfach wieder Drei Affen machen und mal wieder Kooperation mit Den Haag ablehnen wenn die Unterlagen von uns anfordern. Dabei hat sich Deutschland so lange bemüht um die Einrichtung des IStGH, dass Völkerrecht gilt, für jeden, Straflosigkeit beendet werden muss, für 'ne bessere Welt. Essig.

  • Meine Empfehlung an Israel und Netanjahu: mit solchen Anschuldigungen offensiv umgehen, auf die Fakten verweisen. Israel hat so viel dafür getan, dass sich die Zivilisten in Sicherheit bringen können. Viel mehr kann man von einer Kriegspartei, die sich gegen abscheuliche Terroristen wehrt, kaum verlangen. Gerade im Kontrast zur Hamas (die mit voller Absicht gegen Zivilisten vorgeht) würde eine Anklage gegen Israel sehr schnell in sich zusammenfallen. Wenn beides im Rahmen eines Prozesses beim IStGH gerichtlich festgestellt würde, wäre das keine Schaden für Israel - im Gegenteil.

    • @Winnetaz:

      So sicher wäre ich mir da nicht -- die komplette Abriegelung des Gaza-Streifens auch für humanitäre Hilfslieferungen war und ist auch von den Verbündeten Israels kritisiert worden. Nicht umsonst bauen die USA einen provisorischen Hafen. Und über die Angemessenheit der israelischen Kriegsführung wurde auch immer wieder diskutiert. Selbst für die USA ist die Offensive auf Rafah eine "rote Linie".

      Natürlich gibt es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen Israel und der Hamas: Im Falle Israels gibt es auch entlastende Indizien -- die gibt es bei der Hamas nicht.

  • 6G
    600539 (Profil gelöscht)

    Das muss man der Hamas schon lassen , ihr Kalkül die halbe zivilisierte Welt gegen Israel aufzubringen , indem Sie jedes zivile Opfer in Gaza einkalkuliert , ja sogar fördert durch Ihre Provokation vom 7/10 ; das verschanzen und angreifen aus zivilen Strukturen ect.. ging mal wieder voll auf .

    • @600539 (Profil gelöscht):

      Das Kalkül geht aber nur deswegen auf, weil die Israelische Seite drauf reinfällt und überzieht.

      • 6G
        600539 (Profil gelöscht)
        @EffeJoSiebenZwo:

        1.Würde ich nicht überzogen nennen , denn die Terrororganisation , die immer noch fleissig angreift und weit von einer Kapitulation entfernt , sollte zumindest komplett entwaffnet werden , und natürlich will man seine Leute da rausholen , solange läuft auch der Krieg weiter 2. Wer sind Sie eigentlich und all die Ankläger und Pseudo-Moralisten die seltsamerweise bloss beim jüdischen Staat so heisslaufen und massregeln ? Wo es doch ausreichend wahre Genozide und abscheuliche Ungerechtigkeiten mit weit mehr Opfern in der Welt gibt momentan ,solche wo es tatsächlich nötet endlich aufzuschreien und sich glühend reinzuhängen, tun Sie aber nicht !?

  • Das ist doch ein Tag zum Feiern 🙌🏼.. Es spricht auch Bände das Israel wie auch die US und Russland Auch Putin soll verhaftet werden) nicht Vertragsstaaten des IStGH sind, die Palästinensische Autonomiebehörde hingegen schon. Netanyahu schwingt jetzt gleich (gemeinsam mit der AfD und der Bildzeitung) wieder die Antisemitismus Keule.

    • @elma:

      Womit Sie leider recht haben.

      Leider hat die aktuelle israelische Regierung aber auch einen entscheidenden Anteil daran, dass es zu den Haftbefehlen gekommen ist. V.a. die Rhetorik der rechten Hardliner, das Vorgehen radikaler Siedler im Westjordanland, die Abriegelung des Gaza-Streifens und die massiven Zerstörungen durch israelische Bombardements passen in der öffentlichen Wahrnehmung nur zu gut zusammen. Und hat nicht auch Galant von "menschlichen Tieren" gesprochen, gegen die man kämpfe?

      Zudem ist gerade bei den israelischen Interventionen im Gaza-Streifen eine zunehmende Entgrenzung zu beobachten gewesen. Da passt die Hamas-Taktik, den kompletten Gaza-Streifen zum Bestandteil ihrer militärischen Infrastruktur zu machen, leider nur zu gut dazu.

  • Ist es möglich, dass ein demokratischer Staat Isreal Kriegsverbrechen begeht? Für manch einen der Kommeratoren hier zum Thema Isreal-Gaza Krieg scheint dies gar nicht möglich zu sein.

    • @Marc Hupertz:

      "Für manch einen der Kommeratoren hier zum Thema Isreal-Gaza Krieg scheint dies gar nicht möglich zu sein."

      Das denk ich hier beim Lesen auch oft.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Der Antisemitismus hat viele Antlitze, und alle sind hässlich.

    Ein solches Gesicht zeigt sich, wenn Israel – nach dem tödlichsten Massenmordanschlag auf das Judentum seit dem Holocaust – zum Mittäter erklärt wird. Es ist Juden offensichtlich nicht erlaubt, sich mit Entschlossenheit zu verteidigen, ob auf dem Campus oder auf dem Schlachtfeld.

    Die schiere Beantragung der Haftbefehle beim IStGH bedeutet immerhin nicht, dass diese auch erlassen werden. Die Prüfung kann sich in die Länge ziehen und ggf. erst nach dem Abschluss des gegen Israel gerichteten Verfahrens vor dem benachbarten IGH beendet werden. In praktischer Hinsicht gibt es zudem einen legitimen Winkelzug, der dem Staate Israel bzw. der Regierung Netanjahus Zeit bescheren kann.

    Denn sofern eine einheimische, also israelisch-staatliche Untersuchungskommission die völkerrechtliche Konformität des Handelns prüft, sowohl was die Regierung als auch was die IDF anbelangt, oder eine derartige Prüfung auch nur demnächst aufzunehmen ankündigt, könnte sich der Strafgerichtshof in Den Haag veranlasst sehen, die Haftbefehle auszusetzen.

    • @Michaela Dudley:

      Sie tun der Sache, für die Sie hier eintreten, definitiv keinen Gefallen, wenn Sie der Staatsanwaltschaft des IGH eins mit der Antisemitismus-Keule drübergegen, auch wenn das ein gern genommenes Mittel ist, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen zu wollen. Schauen Sie doch einfach mal, in welcher Gesellschaft Sie sich befinden (Smotrich, Ben-Gvir usw).

      Ich hingegen hoffe auf ein (hoffentlich unabhängiges) Gericht, das schon zu einer gerechten Entscheidung kommen wird.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @EffeJoSiebenZwo:

        Einspruch! Es handelt sich hier nicht um den IGH, sondern um den IStGH. Der Ankläger beantragt beim IStGH die Haftbefehle. Bitte, auf den „buchstäblichen“ Unterschied achten.

        Die „Antisemitismus-Keule“? Aha. In Realität werden jüdische Menschen zum Freiwild erklärt und mit Waffen angegriffen, die weitaus tödlicher sind als Keulen.

        • @Michaela Dudley:

          " In Realität werden jüdische Menschen zum Freiwild erklärt und mit Waffen angegriffen, die weitaus tödlicher sind als Keulen."

          Das werden sie doch auf beiden Seiten. Das allergrößte Problem in diesem Konflikt ist, dass er auf eine unsäglich zynische und Hardlinern und bescheuklappten Unterstützern "beider Seiten" immer wieder mit Maximalvorwürfen und Halbwahrheiten auf simpelste und verlogene schwarz/weiß Bilder heruntergebrochen wird, die jedes für sich in keinster Weise der Realität standhalten. Dass jegliche Grautöne negiert und eine mögliche Debatte direkt im Keim erstickt wird. Man läßt nur zwei Lager zu, um dann umgehend die Gegenseite grundsätzlich falsch zu verstehen, damit man den dicksten aller Stempel herausholen kann.



          Was da seit dem 7. Oktober an Grausamkeiten passiert, ist die Erruption des Hassvulkans, den fanatische Kleriker und Nationalisten über Jahrzehnte angehäuft haben.



          Und weder ist die Hamas eine Widerstandsorganisation der Unterdrückten, noch ist das Vorgehen der Regierung Netanjahu reine Notwehrhandlung friedliebender Demokraten.



          Dieser notorische "aber die haben doch angefangen - nein die warens, Arpatheid -nein Antisemitismus"- Sermon geht mir unendlich auf den Zeiger.

        • @Michaela Dudley:

          Einspruch abgelehnt: habe tatsächlich das St im Akronym unterschlagen, in der Sache (teleologisch, wenn's beliebt), ändert sich aber halt nix an meiner Aussage. Und ihre Replik zum mindestens unsauber verwendeten Begriff Antisemitismus ist doch ziemlich schwach.

          • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
            @EffeJoSiebenZwo:

            Sonst was?

            • @Michaela Dudley:

              Ja, mein herzlichster Dank an Sie! Es ist selten(er) geworden, dass hier jemand in das Aber-Israel-ganz-ganz-böse-Geraune reingrätscht. Mich macht es zusehends defätistisch, dass die extrem zögerliche und "jo-mai"-mäßige und maue Antwort auf wirklich extremste Greultaten innerhalb von Tagen nach dem 7. Okt. verebbte, der antisemitische Furor hingegen, der mir als wirklich bedrohlich umfassend erscheint, von Tag zu Tag hässlicher, gefährlicher, extremistischer scheint... Nochmal also, danke! Eine Stimme ist nicht so arg viel aber immerhin (OK, es gibt noch vielleicht eine handvoll Kommunarden hier, die meine Hoffnung auf einen nicht komplett abgedrifteten Anti-Israel-Diskurs auch nähren).

              • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
                @Chris Demian:

                Das rührt und inspiriert mich. Danke vielmals für die solidarische Resonanz. Spätestens seit dem 7. Oktober hat sich die einst erhoffte linke Brandmauer gegen den Antisemitismus in Flammen aufgelöst.

                Der Trieb, jüdisches Leid bei jedweder denkbaren Gelegenheit zu bagatellisieren oder zu relativieren, ist grundsätzlich antisemitisch.

                Linke Antisemiten sind Antisemiten.



                Gebildete Antisemiten sind Antisemiten.



                Antisemiten mit jüdischen Bekannten sind Antisemiten.



                Antisemiten sind Antisemiten.

            • @Michaela Dudley:

              Nö, sonst eigentlich nix.

              • @EffeJoSiebenZwo:

                Und genau so kontert man sowas. Bravo! Auf Ihren völlig berechtigten Einwand ist die Autorin halt auch gar nicht eingegangen.

    • @Michaela Dudley:

      Und schon wird unter Androhung der Antisemitismus Keule jeglicher Diskurs zerstört. Ja, definitiv war das, was der Terror der Hamas vom 7.10. anrichtete eine absolute Tragödie sondersgleichen, was kein vernunftbegabter Mensch tolierieren sollte. Nichtsdestotrotz kann man damit nicht den Tod von ca. 25.000 Palistinensern rechtfertigen. Das ist der wahre Skandal. Das sehen immer mehr Menschen und mitnichten hat soetwas mit Antisemitismus zu tun. Israel nutzt das als Freifahrtschein, um skrupelos und gnadenlos Rache nehmen zu können. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wusste doch laut amerikanischen Geheimdienst die Regierung um Netanjahu Wochen vorher vom dem geplanten Terror und es wurde nichts dagegen unternommen. Hat da jemand eventuell auf einem Vorwand zur Vernichtung der Hamas gewartet?Jeder, der den israelischen Gegenangriff relativiert, sollte sich mal ernsthaft hinterfragen, ob seine sichtweise wirklich so objektiv ist, wie sie sein sollte.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Merke:

        Die Todesstatistik, was die „Zivilbevölkerung“ Gazas beträfe, kommt direkt von der Hamas. Dass die Medien die Zahlen in Windeseile verbreiten, und zwar ohne eine belastbare Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, macht die Angaben nicht glaubwürdiger.

        Am 09. April 2024 gab das von der Hamas geleiteten Gesundheitsministerium Gazas zu, fehlerhafte Daten bezüglich der Todesstatistik veröffentlicht zu haben: Siehe: „Hamas-run Gaza Health Ministry admits to flaws in casualty data“, In Foundation for Defense of Democracy, fdd.org.

        • @Michaela Dudley:

          The Foundation for Defense of Democracies (FDD) is non-profit neoconservative[1][2][3] think tank and (since 2019) a registered lobbying organization based in Washington, D.C., United States.[4][5

          Quelle: en.m.wikipedia.org...nse_of_Democracies

          Zu der Sache mit den Opferzahlen gab es hier in der taz schon einige Artikel, auch zu dem angesprochen Datenproblem (identified vs non identified) mit einem mE etwas anderen Tenor.

        • @Michaela Dudley:

          Hüstel, FDD ist, nun, keine ganz neutrale Quelle; es ist vielleicht weiser, sich auf Fachzeitschriften wie Lancet zu verlassen, die davon ausgehen, dass die Opferzahlen des Gesundheitsministeriums (!) wie schon in vorangehenden Fällen recht zuverlässig sind.



          Dass es keine Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten gibt, stimmt, aber das in den Milizen weder Frauen und Kinder kämpfen, und auch nicht alle volljährigen Männer Hamas-Kämpfer sind, gibt es keinen Grund zu zweifeln, dass die Zahl ziviler Opfer schrecklich hoch ist. Ich habe vor einer Weile ein Zitat von einem Deutsch-Palästinenser gelesen, das ich leider sehr treffend fand: Er meinte, für die meisten Deutschen wären tote Palästinenser nur Zahlen - und sogar die werden bezweifelt. Vielleicht ist das ein Anlass, über allzu kaltschnäutzige Anführungszeichen einmal nachzudenken. Palästinensische Leben sind nicht weniger wert als israelische.

          • @O.F.:

            Ihre aus Hamas-Behauptumgen, die angeblich zuverlässig sein sollen, hergeleitete Aussage, die Zahl der zivilen Opfer sei "schrecklich hoch", ist reine Stimmungsmache, die einen Vergleich mit Opferzahlen in anderen Kriegen wohlweislich vermeidet. Und: Als "Kinder" werden alle Personen unter 18, also z. B. auch 17jährige gezählt, die durchaus von der Hamas eingesetzt werden.

          • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
            @O.F.:

            Seit 2018 betreue ich vereinzelte queere Geflohene palästinisischer Herkunft ehrenamtlich mit. Die meisten übrigens aus Gaza. Das, was diese tapferen Menschen seitens der Hamas und ausdrücklich auch seitens einer „zivilen“ Bürgerwehr erlebt bzw. knapp überlebt haben, ist entsetzlich.

            Selbst Amnesty International, der Liebling der Israel-Kritiker, bestätigte z.B. 2021 die Menschenrechtsverletzungen der Hamas gegenüber der LGBTQ-Community.

            Siehe unter anderem meine Kolumne: Dudley, Michaela (12.02.2024) „Schwarze gegen Antisemitismus“, in Taz: taz.de/Schwarze-ge...mitismus/!5987233/

          • @O.F.:

            Viel relevanter ist für mich, dass die Opferzahlen in der öffentlichen Wahrnehmung 1:1 der Kriegsführung Israels zugeschrieben werden.

            Und genau da ist das Problem. Die Hamas hat nämlich die alte PLO-Taktik aus den 70er Jahren kopiert und den kompletten Gaza-Steifen inklusive der dort lebenden Menschen zum Teil ihrer militärischen Infrastruktur gemacht -- was man übrigens seit Jahren wusste und letztlich auch nicht verhindert hat. Im Gegenteil: Man hat der Hamas den Rücken freigehalten, indem man die Gaza-Streifen mit internationaler Hilfe vollgepumpt hat.

            Und genau da ist für mich auch der eigentliche Kritikpunkt an der Begründung der Haftbefehle: Man tut so, als beschränkten sich die Verbrechen der Hamas-Führung auf den 7.10.2023. In Wirklichkeit haben die kein Problem damit, einen großen Teil der palästinensischen Bevölkerung mit über die Klinge springen zu lassen. Und sind damit mit verantwortlich für die hohen Opferzahlen im Gaza-Streifen.

    • @Michaela Dudley:

      Die sogenannte entschlossene Verteidigung schliesst halt nicht ein, gegen elementare Menschenrechte zu verstossen. Wenn Juden mehr Rechte zugesprochen würden als anderen Menschen wären die Menschenrechte nichts mehr wert.

      In dem Sinne kann man der Justiz hier nur dankbar sein, die Unmenschen auf beiden Seiten sucht und zur Verantwortung ziehen will. Mit fehlgeleiteten antisemitischen Studentendemonstrationen und ähnlichem hat das nun nichts zu tun.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @TV:

        Militärische Kriege ohne Kollateralschaden gibt es nicht. Die Stadt Den Haag, die heutige Heimat von IStGH und IGH, wurde von den Nazis nur mit Kollateralschaden zurück erobert. Nur mit Kollateralschaden wurde das Dritte Reich besiegt.

        Israel, von dem der IStGH gar nicht anerkannt wird, muss das zum Überleben tun, was Israel zum Überleben tun muss. Und das ist auch gut so. Woke Wünschträume werden die Causa schließlich nicht entscheiden.

        Juden haben schon mal den Fehler gemacht, such dem Zeitgeist zu beugen und den Massen zu vertrauen. Wir wissen, wie das ausgegangen ist. Drei Jahre später wurde der moderne Judenstaat gegründet. Und der wird bleiben.

        עם ישראל חי

    • @Michaela Dudley:

      Mit dem Antrag auf Haftbefehle gegen beide Seiten wird niemand zum "Mittäter" erklärt, sondern festgestellt, dass nach Ansicht des Chefanklägers beide Seiten Kriegsverbrechen begangen haben. Ich finde es erschreckend, das erklären zu müssen, aber selbst wenn man diesen Konflikt ohne jeden Kontext als Angriff der Hamas auf Israel wahrnimmt, sollte man akzeptieren, dass die Zivilbevölkerung in Gaza nicht einfach zum Abschuss freigegeben ist und Übergriffe auf sie natürlich verfolgt werden müssen. Dass niemand - auch keine israelische Regierung - über dem Recht steht und niemand, ist kein Antisemitismus, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft. Es frustiert mich ein wenig, solche Minimalstandards im Forum einer linksliberalen Zeitschrift verteidigen zu müssen. Vielleicht ist der NO-Konflikt auch ein Anlass für alle Seiten, einmal über die eigene Radikalisierung nachzudenken.

      • @O.F.:

        So ist es.

        Auch die obersten Befehlshaber einer demokratisch gewählten Regierung können Befehle erteilen, die gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßen und damit als Kriegsverbrechen zu werten sind. Das gilt für jede demokratisch gewählte Regierung.

        Und ja, beide Seiten sollten über Radikalisierung nachdenken. Auf der pro-palästinensischen Seite scheint das Agieren der palästinensischen Organisationen schon seit Jahrzehnten keine Rolle mehr zu spielen. Die können tun, was sie wollen, schuld ist immer Israel.

        Was mich aber erschreckt, ist dass man inzwischen das Agieren einer offen rechtsradikalen israelischen Regierung und eines nur auf seinen eigenen Machterhalt fixierten Ministerpräsidenten nicht mehr hinterfragen dürfen soll.

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @O.F.:

        Einspruch. Als gelernte Juristin (Juris Dr., US) rate ich davon ab, hier über „beide Seiten“ zu reden. Denn Haftbefehle sind personenbezogen. Die hier beantragten Haftbefehle richten sich also nicht gegen Israel und Gaza, sondern gegen Netanjahu, Gallant und die drei genannten radikal-islamistischen Hamas-Führer.

        Israel und Gaza treten vor dem IStGH, der mit dem IGH nicht zu verwechseln ist, nicht gegeneinander an.

        Zu Ihrem anderen Punkt: Ich habe nicht behauptet, Israel sei in dieser Causa vom IStGH als Mittäter bezeichnet worden. Meine Bezugnahme betraf die artikulierte Überzeugung des Chefanklägers.

        Diese in Den Haag entfesselten Kreuzzüge gegen Netanjahu und Gallant (IStGH) und gegen Israel (IGH) betrachte ich als antisemitisch. Denn sie erfolgen gemäß dem Reflex, dem Juden bzw. dem Judentum systematisch das Existenzrecht abzuerkennen.

        #StopWhiteSaviors



        #StopMansplaining

        • @Michaela Dudley:

          Hinzu ergänzend kommt, dass es offensichtlich politisch ist die Anträge zeitgleich zu stellen. Die Taten der Hamas vom 7. Oktober sind seit 7 Monaten klar. Wer für diese verantwortlich war ebenfalls.

          Warum also bis jetzt warten und zeitgleich veröffentlichen, wobei in der Sache die Verfahren nichts miteinander zu tun haben, sondern separat geprüft werden müssen? Weil es politisches Handeln des IStGH ist.

  • "...eines demokratischen Staates, der sich gegen den Terror vereidigt,..."



    Schon lange nicht mehr alles was die extrem rechte israelische Regierung im Gaza-Streifen macht, kann man als "Terror verteidigen" rechtfertigen.



    Bei allem Verständnis die Hamas in Grund und Boden vernichten zu wollen, sollten trotzdem nicht zehntausende Zivilisten, und tausende -Frauen und Kinder als "Kollateralschaden" hingenommen werden.



    Ob die Anklage gerechtfertigt ist kann ich nicht beurteilen. Dass die Vorgänge im Gazastreifen von einem außen stehenden Gericht nun überprüft werden finde ich aber richtig.



    Dass die Hamas eine Verbrecherorganisation ist steht für mich außer jedem Zweifel.

  • "In den USA hatten schon vor Wochen republikanische Senatoren gewarnt, sollte Khan Haftbefehle gegen israelische Regierungsmitglieder beantragen, würden sie sich für Sanktionen gegen ihn und andere Mitarbeiter der Anklagebehörde starkmachen."



    ...Und gegen ihre Familien!



    Das ist keinesfalls banal.



    /



    "They threaten, “Target Israel and we will target you” and that any further action will “end all American support for the ICC” and “bar [Khan] and [his] families from the United States.” The letter ended: “You have been warned.”..."



    www.jurist.org/new...e-will-target-you/

    • @Martin Rees:

      mit ner derartigen Haltung empfiehlt man sich nachhaltig als Vorkämpfer für Demokratie, Menschenrechte. Outrageous. Gibt es irgendeinen europäischen Staat, der dazu mal klar Stellung bezogen hätte, zur Verteidigung des IStGH, das man die ohne Schikane u Drohungen ihre Arbeit machen lässt.