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Ex-Generalsekretär Polenz zu CDU-Plan„Leitkultur ist übergriffig“

Der frühere Generalsekretär der CDU Ruprecht Polenz fordert Änderungen am Entwurf des Grundsatzprogramms. Er sorgt sich zudem um konservative Ränder.

Was ist Heimat und was ist Leitkultur? Die CDU sucht Antworten Foto: Olaf Schuelke/ddp
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Polenz, Sie wollen den Entwurf des neuen CDU-Grundsatzprogramms vor der Verabschiedung ändern und haben zum Thema „Leitkultur“ einen Änderungsantrag für den Bundesparteitag im Mai eingebracht, für den Sie auf der Plattform X werben. Der Begriff ist eng mit Parteichef Friedrich Merz verknüpft, was genau gefällt Ihnen daran nicht?

Ruprecht Polenz: Ich möchte vermeiden, dass die CDU einen Begriff in ihr Grundsatzprogramm schreibt, der die Grenzen zwischen gesetzlicher Verbindlichkeit und einer allgemeinen Verhaltenserwartung verwischt. Es heißt ja in dem Entwurf, dass alle, die hier leben wollen, die Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen müssen – das gilt bei uns aber nur für Gesetze. Alles weitere führt zu der Frage: Wer definiert eigentlich Leitkultur? Und wie wird entschieden, was dazugehört?

In dem Entwurf werden unter dem Begriff „Leitkultur“ Dinge aufgelistet, die sowieso im Grundgesetz verankert sind, wie die allgemeine Menschenwürde und die daraus folgenden Grund- und Menschenrechte sowie der Rechtsstaat – aber auch Toleranz, Heimatbewusstsein und die Anerkennung des Existenzrechts ­Israels.

Genau, und das darf man nicht alles vermischen. Jeder, der in Deutschland lebt, muss sich an Recht und Gesetz halten, aber ein Heimatgefühl kann man doch nicht vorschreiben. Das Grundgesetz organisiert uns als pluralistische, offene Gesellschaft. Pluralismus heißt unterschiedliche Weltanschauungen, auch unterschiedliche Wertvorstellungen, unterschiedlicher Lebensstil. Das Grundgesetz organisiert kulturelle Vielfalt und schützt sie auch. Von Heimatgefühl etwa steht im Grundgesetz nichts. Der Begriff Leitkultur ist übergriffig.

Im Interview: Ruprecht Polenz

Ruprecht Polenz war Generalsekretär der CDU und hält seine Partei auch als Rentner mit christlich-sozialen Forderungen auf Trab.

Können Sie mit dem Begriff Heimatgefühl etwas anfangen?

Natürlich, das ist wichtig. Vielleicht trifft es der Begriff Heimatliebe sogar besser. Aber die ist nicht einklagbar. Heimat ist etwas, wo man sich wohlfühlt, wo man sich zu Hause fühlt, bei Einwanderern können das durchaus auch zwei Länder sein. Wichtig ist mir aber auch, dass der Begriff Leitkultur zu Missbrauch einlädt. Es gibt etwa AfD-Plakate mit der Aufschrift „Deutsche Leitkultur: islamfreie Schulen“.

Sie brauchen 500 Mitglieder, die Ihren Antrag unterstützen, damit er es auf die Tagesordnung schafft. Wie groß ist die Unterstützung bislang?

Das weiß ich nicht. In der Öffentlichkeit wird der Begriff ja überwiegend sehr kritisch gesehen. In der CDU gibt es dieses Gefühl, dass wir etwas für den gesellschaftlichen Zusammenhalt tun müssen. Das teile ich auch, aber es ist der falsche Weg. Der Begriff Leitkultur führt nicht zusammen, er spaltet eher.

Selbst liberale Mitglieder des Bundesvorstands haben den entsprechenden Passagen zugestimmt, auf X liest man ziemlich böse Kommentare aus Ihrer eigenen Partei.

Das bin ich gewohnt, der ehemalige Geschäftsführer der Mittelstandsvereinigung etwa fordert mich regelmäßig auf, doch zu den Grünen zu gehen. Nicht gerade ein Zeichen innerparteilicher Demokratie.

Ist die Leitkultur der einzige Punkt, bei dem Sie mit dem Entwurf des Grundsatzprogramms nicht einverstanden sind?

Nein, ich werde wahrscheinlich noch einen zweiten Antrag stellen, bei dem geht es um den Begriff des Konservativen. Die CDU hat drei Wurzeln: eine liberale, eine christlich-soziale und eine konservative, das steht auch so im Entwurf. Aber in der gegenwärtigen Situation, wo weltweit das Konservative an den Rändern gefährdet ist abzugleiten, muss man das konkretisieren. Trump würde sich wahrscheinlich auch als konservativ bezeichnen, aber das ist er natürlich nicht. Deshalb bin ich dafür, stärker zu betonen, dass das C, das Christliche, für alle drei Wurzeln die Richtung vorgibt. Liberale Wurzel heißt also vor allem verantwortete Freiheit und heißt nicht libertär. Die soziale Wurzel heißt Hilfe zur Selbsthilfe, Solidarität mit den Schwachen, aber nicht primär Umverteilung. Und konservativ heißt eben nicht reaktionär, rückwärtsgewandt, nationalistisch, ausgrenzend, wie das manche verstehen, sondern heißt Maß und Mitte, eine angemessene politische Sprache und ein bestimmter Stil der Politik.

Es gibt auch andere umstrittene Themen, etwa dass alle Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden sollen und die Geflüchteten, auch wenn sie anerkannt sind, da bleiben sollen, nach Deutschland soll nur ein festgelegtes Kontingent kommen dürfen. Das ist die Abschaffung des individuellen Asylrechts in Deutschland. Gehen Sie da mit?

Nein, aber ich sehe auch keine Mehrheit für eine entsprechende Verfassungsänderung und auch kein Land, das diese Aufgabe für uns übernehmen möchte. Ich denke, wir sollten das mit Blick auf unser Demografieproblem anders diskutieren.

Neuorientierung bei der Asylpolitik, zurück zur Atomkraft – mit diesem Programm verabschiedet sich die Merz-CDU von der Merkel-CDU, oder?

Nein, Grundsatzprogramme dienen ja vor allem der Selbstvergewisserung, der Frage: Was ist unsere gemeinsame Basis? Die hat sich natürlich weiterentwickelt. Ich finde das mit der Atomkraft gar nicht so verkehrt. Das haben wir früher vor allem unter Sicherheitsaspekten diskutiert, aber es spielt ja auch die CO2-Bilanz eine Rolle.

Der Bundesvorstand hat den Entwurf ziemlich geräuschlos durchgewunken, erwarten Sie auf dem Parteitag im Mai zu einzelnen Punkten eine Debatte?

Ja, und das würde ich mir auch wirklich wünschen. Die Partei braucht zu manchen Fragen eine wirkliche Debatte.

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39 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

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  • wenn man wirklich wollte und nicht immer blockieren wuerde, haette man in der zeit, in der man ein atomkraftwerk plant und baut, ca. 10-15 jahre,mindestens die zweifache menge an regenerativen energien aufgebaut, ohne je ein gramm hochradioaktiven muell zu produzieren.



    was bitte soll an atomkraft nicht so ganz verkehrt sein? die millionen, die die zehn leute daran verdienen?



    wann ann dieses thema denn ein fuer alle mal geklaert sein? wer sich da nicht ganz im klaren ist, wie scheinbar herr polenz, kann ja mal bei den baustellen abgeschalteter AKWs vorbeifahren. auf 40 jahre baustelle, zig-milliarden kosten, und muell fuer die naechsten 100.000 jahre, die man auch irgendwie nicht unterbringt. kompliment herr polenz!

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Das bin ich gewohnt, der ehemalige Geschäftsführer der Mittelstandsvereinigung etwa fordert mich regelmäßig auf, doch zu den Grünen zu gehen. Nicht gerade ein Zeichen innerparteilicher Demokratie.“



    Doch doch. Das ist innerparteiliche Demokratie – und Meinungsfreiheit. Eine Partei ist halt wie ein Zug. Das Gleis bestimmt die Richtung. Wenn einem die nicht passt, hilft nur aussteigen. Und/oder neue Gleise legen. Aber das ist schwierig in DE. Es dauert, bis neue Trassen genehmigt werden.



    (Ich wünsche Herrn Polenz viel Glück, und dass der Unions-Zug nicht aufs falsche Gleis gerät. Da sitzen merkwürdige Figuren im Stellwerk. Traurig, dass Bremser*innen zu Hoffnungsträger*innen werden) Das DS-100-Kürzel „AFD“ hat übrigens Friedrich Stadt.



    stellwerke.info/stw/stw.php?id=421

  • ,,Heimat ist etwas, wo man sich wohlfühlt, wo man sich zu Hause fühlt, bei Einwanderern können das durchaus auch zwei Länder sein."

    Endlich sagt das mal jemand aus der CDU!



    Man möchte am liebsten eintreten und für den Antrag stimmen!

    Als Biodeutsche fühle ich mich aktuell in DREI Ländern Zuhause:



    Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen! (Geburt/ Kindheit/ Jugend; berufliche Tätigkeit; Wohnort).

  • Ich wünsche Rupert Polenz viel Glück mit seinem Änderungsantrag zur „Leitkultur“ im CDU-Grundsatzprogramm. Herr Polenz wünscht keine Verwischung der Grenze zwischen gesetzlicher Verbindlichkeit und allgemeiner Verhaltenserwartung - dem kann ich mich anschließen (heute kaum vorstellbar, dass der Mann mal CDU-Generalsekretär war!). Ich befürchte nur gleichzeitig, dass er damit in seiner Partei keine Mehrheit findet.



    Im Grunde rüttelt Polenz‘ Maxime, dass sich Haltungen - wie z.B. Heimatliebe - nicht obrigkeitsstaatlich „per Dekret“ verordnen lassen, an den Grundfesten eines konservativen Werte- und Politikverständnisses. Und wenn man mal den Bogen thematisch etwas spannt, lässt sich das auch von der Formel „Israel-Solidarität als Staatsräson“ sagen - der Schuss kann noch gewaltig nach hinten losgehen. Womit der Sache nicht gedient wäre, im Gegenteil.



    Umso unverständlicher, dass sich Sozialdemokraten, Liberale und Grüne diesem etwas kruden, statischen und staatlich verordneten Verständnis von Israel-Solidarität angeschlossen haben.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Umso unverständlicher, dass sich Sozialdemokraten, Liberale und Grüne diesem etwas kruden, statischen und staatlich verordneten Verständnis von Israel-Solidarität angeschlossen haben."

      Das ist sicher Pragmatismus. Jeder Mensch braucht einen konservativen Kern, um sich durchzusetzen.

      Nur scheint, wer sich selbst Konservativ nennt, an ein gottgegebenes Recht auf Selbstbehauptung zu glauben.



      In dieser elenden Debatte um die Leitkultur spiegelt sich wieder, dass die weltanschauliche Substanz abhanden gekommen ist.



      Herr Polenz hat schon Recht, wenn er meint, dass das "C" in der CDU die Richtung aufzeigen muss. Was das genau für ihn bedeutet, hätte ich gerne gelesen.



      Warum Christentum und nicht Islam oder Hinduismus?



      Konservative könnten sich da sicher genausogut ausleben.



      Einfach nur der Tradition wegen, finde ich zu wenig.

      So wundere ich mich nicht über das populistische Geätze gegenüber politischen Gegnern aus den Reihen der CDU.

  • Für meinen Teil sollten die Werte einer deutschen Politik aus dem Grundgesetz gespeißt werden. Werte sollten viel weniger Gewicht in der Politik haben. Auf jeden Fall sollte Politik nicht Werte definieren, sondern den aktuellen Werten entsprechend handeln. Werte weiter zu entwickeln ist Aufgabe der in Deutschland gelebten Kultur. Diese ist wie die Politik an des Grundgesetz gebunden. Den Begriff Leitkultur mit Übergriffigkeit in Zusammenhang zu bringe ist richtig. Und auch die Medien sollten weniger übereifrig sein wenn es um die Definition von Werten geht.

    • @llorenzo:

      Werte für eine Gesellschaft zu definieren, geht aber nun mal nur in einem Diskurs, der in den Medien stattfindet.

      Es gibt keinen anderen Ort, an dem man darüber reden könnte, wie man als Gesellschaft zusammenleben will.

      Selbst den Wert, Werte nicht durch Politik und Medien zu definieren, diskutieren wir hier gerade in einem Medium.

  • Da weht durch die abgestandene Stammtischluft der muffigen Merz-CDU offenbar doch mal eine frische Brise. Jedenfalls zum Thema "Leitkultur" - was auch immer das sein soll. So eine Art sauerländische Benimmregeln? 🤔😉



    Zur CO2-Bilanz von AKWs sollte sich Herr Polenz aber nochmal schlau machen...

    • @Felis:

      Bassam Tibi, der den Begriff erfunden hat, stammt nicht aus dem Sauerland.

    • @Felis:

      Hat er mit ziemlicher Sicherheit schon...

      www.dw.com/de/fakt...rnkraft/a-59709250

      Verglichen mit Kohle und Gas steht Atomstrom hinsichtlich der CO2-Emissionen ziemlich gut da. Und da wir leider noch langfristig nicht auf 100% Erneuerbare setzen können, werden wir wohl noch länger eine Alternative brauchen. Kohle und Gas können diese Alternative mit Blick auf die sich anbahnende Klimakatastrophe nicht sein, also bleibt...?

      • @Bussard:

        ...weniger Bilder von seinem Essen in soziale Medien zu posten. (Ist ned meine Idee; Volker Wissing, BM für Digitales.)

  • "Alles weitere führt zu der Frage: Wer definiert eigentlich Leitkultur? Und wie wird entschieden, was dazugehört?"

    Stimmt, das ist voller Widersprüche. Aber letztlich kommt keine Gesellschaft um diese Frage drumherum. Auch wenn ich mich etwa für Religionsfreiheit entscheide und das als nicht diskutierbaren Wert ausgebe, habe ich damit alle Menschen, denen ihre Religion als bestimmender Faktor wichtig ist, durch eine Leitkulturentscheidung eingeschränkt.

    Man kann dabei schon etwas offener sein oder weniger, aber das sind keine leichten Unterscheidungen. Und ganz prinzipiell kommt glaube ich keine Gesellschaft um Leitkulturentscheidungen drumherum - selbst bei bestem Willen nicht. Darüber, wie man es nennt und wie man es konkret durchführt, lohnt es sich natürlich trotzdem zu reden.

  • "... Es heißt ja in dem Entwurf, dass alle, die hier leben wollen, die Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen müssen – das gilt bei uns aber nur für Gesetze. ..."

    Ich bin der Ansicht, (Leit)kultur wirkt auf die Gesetzgebung ein und ebenso wirken Gesetze auf (Leit)kultur ein. Ich versuche es an einem Beispiel klarer zu machen.

    Es gibt Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund, die möchten Homosexuelle töten, einfach nur weil sie Homosexuelle sind. Das dürfen sie selbstverständlich nicht. Soweit die Gesetzeslage.

    Ich persönlich fände es schön, und das geht über die Gesetzeslage hinaus und in den Bereich (Leit?)Kultur, wenn diese Menschen das erst gar nicht wollen würden. Also dass es in unserer Gesellschaft einfach niemanden gibt, der Homosexuelle töten möchte, weil sie homosexuell sind.



    Das ist für mich die Art Kultur, die ich u.a. gerne als Leitkultur in unserer Gesellschaft verankert sehen würde.

    Nicht etwas unterlassen, weil es verboten ist, sondern weil "man" es nicht will.

    • @*Sabine*:

      Dann empfehle ich genau den "Leitkultur"-Abschnitt im CDU-Programm, den Herr Polenz streichen will, in dem "Respekt vor der Vielfalt sexueller Orientierungen" als Bestandteil der Leitkultur aufgeführt ist.

      Ich habe manchmal den Eindruck, dass viele, die über das Thema diskutieren, haben den Entwurf nie im Original gelesen und meinen, es ginge nur darum, unter Androhung der Abschiebung Zuwanderer zu Schweinskopfsülzenkonsum und täglichem Hören von preußischen Militärmärschen zu zwingen.

    • @*Sabine*:

      Es ist noch nicht so lange her, dass Homosexualität im krassen Widerspruch zur deutschen Leitkultur stand.

      • @Francesco:

        Exakt deswegen ist Leitkultur ein ewiger Diskurs.



        Typisch für Demokratien.

    • @*Sabine*:

      Leitkultur ist das, bei dem man selber vollkommen konsterniert davorsteht, wenn es angesprochen wird, weil man gar nicht versteht, was es da zu diskutieren gäbe - das ist doch vollkommen alternativlos klar. Aber auch diese Dinge schwingen sich im Miteinander ein - andere Länder und Gruppen sehen ganz andere Dinge als vollkommen alternativlos klar oder auch nur priorisiert an. Insofern kann eine offene Gesellschaft keine wirkliche Leitkultur haben, aber es wird immer ein wichtiges Thema sein, weil es ohne Leitkultur nicht geht. Zumindest komme ich da an meine Grenze und stehe konsterniert da, was eine Gesellschaft ohne Leitkultur sein könnte - ich bekomme das gar nicht zu fassen. Da sind eben meine gedanklichen Grenzen.

  • "Es heißt ja in dem Entwurf, dass alle, die hier leben wollen, die Leitkultur ohne Wenn und Aber anerkennen müssen – das gilt bei uns aber nur für Gesetze."



    /



    Bestimmt nur ein unbeabsichtigter handwerklicher Schnitzer, bei so vielen JuristInnen in politischen Parteien wird das kein Selbstläufer, wenn es um Begrifflichkeiten und Selbstverständlichkeiten geht, es ist ja "nur ein Entwurf".



    Leitentwurf, Leitvermerk, Leitidee, Leitfaden, - vielleicht mehr bei Leitplanke schauen, um nicht falsch abzubiegen und rechtzeitig "die Kurve zu kriegen"!



    Dass Entwürfe aber polarisieren, haben wir beim "Heizungsgesetz" neulich exemplarisch gesehen.



    Mit 'Heimat' gab es sogar Amüsantes, das sollte man alles nicht so verbissen sehen, soweit es sich um ein Angebot handelt, das nicht übergriffig wird:



    rp-online.de/polit...useum_aid-16719363



    /



    "Ohne Wenn und Aber" klingt nach wenig Kompromiss, das ist für eine Volkspark ungewöhnlich direkt und verhärtet erneut die Fronten an dieser Stelle.



    Vom "Kuratorium Heimatmuseum" dazu 2019:



    www.sueddeutsche.d...und-aber-1.4439307

  • Leider ein bisschen unterkomplex diese Debatte.

    Leitkultur.

    Wer hat's erfunden?

    Bassam Tibi.

    Bassam Tibi, Bundesverdienstkreuz, von Horst Köhler als Ehrenmitglied in die Helmut-Schmidt-Gesellschaft berufen, syrisch-deutscher Sozialwissenschaftler und Politikwissenschaftler. Von 1973 bis 2009 Professor für Internationale Beziehungen an der Georg-August-Universität Göttingen, zahlreiche Lehr- und Forschungsaufenthalte an ausländischen Hochschulen, von Kairo bis Harvard und Princeton.

    Was bedeutet Leitkultur wirklich?

    Tibis absolute Kurzfassung:



    „Eigentlich bedeutet Leitkultur nichts anderes als eine Hausordnung für Menschen aus verschiedenen Kulturen in einem werteorientierten Gemeinwesen."

    Ein bisschen ausführlicher:

    Tibis Begriff Europäische Leitkultur bezeichnet einen Wertekonsens basierend auf den Werten der „kulturellen Moderne“ (Jürgen Habermas) und beinhaltet:

    - Vorrang der Vernunft vor religiöser Offenbarung



    - Demokratie, die auf der Trennung von Religion und Politik basiert,



    - Pluralismus und



    - Toleranz

    und noch ausführlicher:

    "Leitkultur als Wertekonsens"



    www.bpb.de/shop/ze...-als-wertekonsens/

    "Leitkultur als Integrationskonzept – revisited"



    www.bpb.de/themen/...konzept-revisited/

    Tibi hat einen prima Job gemacht.

    • @shantivanille:

      Die "Hausordnung" in Deutschland ist keine gefühlte "Leitkultur" (auf die sich nicht einmal die Deutschen ohne MiHiGru) einigen können, sondern die hier herrschenden Gesetze. Innerhalb dieses Rahmens darf man sein Leben allerdings nach eigenem gusto gestalten. Das eben macht einen demokratischen Rechtsstaat aus, der in diesen unseligen Leitkulturdebatten unbewusst (?) in Frage gestellt wird.

    • @shantivanille:

      "Vorrang der Vernunft vor religiöser Offenbarung"

      Beißt sich das nicht mit dem "christlich" in "CDU"?

      Tibis Leitkultur hat wenig mit der von Friedrich Merz zu tun.

      • @Francesco:

        Nicht mal die Kirchen sind in Deutschland der Meinung, religiöse Offenbarung käme vor Vernunft.

        Die CDU erst recht nicht.

        Den Vorrang der Vernunft stellen heute hauptsächlich andere, säkulare Gruppen in Frage.

        • @rero:

          Ich erinnere nur mal an der Verbot der "künstlichen" Empfängnisverhütung durch die katholische Kirche.

          • @Francesco:

            Das ist eine Frage der Werte, keine Frage der Vernunft.

            Danke für dieses Beispiel.

    • @shantivanille:

      Die Debatte wird nicht weniger komplex, wenn man am Thema vorbei redet. Die Union will eine deutsche Leitkultur, keine europäische. Und die Union blickt da auch ganz deutlich auf den Islam. Also schwierig mit Tibis Toleranz. Das gute allerdings wäre, dass eine antidemokratische AfD auf dem Papier auch nicht zur Leitkultur der Union passt. Nur wird sie in dem Zusammenhang nicht von Leitkultur sprechen, sondern nur, wenn es um "Undeutsches" geht.

      • @LeSti:

        Am Thema vorbeireden?

        Es ist normal, dass ein Wertekonsens in Irland anders aussieht als der Wertekonsens in Bulgarien.

        Was ist aus Ihrer Sicht schlecht daran?

        Schon eine einheitlicher Wertekonsens innerhalb Deutschlands ist so eine Sache.

        Ich hoffe, auch die anderen Parteien in Deutschland wollen keine komplette europäische Leitkultur.

        Außerhalb Deutschlands würde man dies nur als Germanisieren begreifen.

        Als müsste man wieder am deutschen Wesen genesen.

    • @shantivanille:

      Aktuell verifizieren lässt sich Tibis Konzept der Leitkultur und seine Befürchtungen durch einen aktuellen Artikel in der FAZ zu der Gründung einer neuen Partei in Deutschland:

      DAVA.

      FAZ: " . . . eine Partei für die Erdoğan-Fans im Land, für Hamas-Sympathisanten, für Islamisten und für all jene, die sich als Muslime hierzulande nicht als vollwertige Bürger fühlen. Es ist eine weitere Partei, die spalten will."

      "Nur dass sie nicht am rechten völkischen Rand fischt, sondern allem Anschein nach auch auf muslimischen Antisemitismus, mangelnden Integrationswillen und die Liebe zu einem Despoten setzt. Um es mit den Worten von Cem Özdemir zu sagen: Ein Erdoğan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen."

      www.faz.net/aktuel...19482761.html#void

      Da kann man Özdemir nur Recht geben.

      Deutschland hat über 50 Prozent säkular denkende Menschen, die sich dem Humanismus und der Aufklärung verpflichtet fühlen.

      Über 40 Prozent Atheisten, Agnostiker, Humanisten (Ungläubige), die für Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte eintreten, die Freiheit der Wissenschaft, Leben, Lachen, Liebe, Tanz.

      Freiheit.

      Das Konfliktpotential ist riesig.

      • @shantivanille:

        "DAVA."

        Das war mir noch nicht bekannt, danke. Tatsächlich habe ich mir mit dem neuen Einbürgerungsgesetz, das ja ein recht ordentliches zusätzliches Wählerpotential verspricht, schon gedacht, dass manche dieser Menschen sich in der gegenwärtigen Parteienlandschaft nicht so gut vertreten sehen und neue Parteien gründen werden.

        Interessant, dass wir so viele neue Parteien bekommen.

  • Wie gut dass ich indigen bin. Da braucht mich die Leitkultur wie hier ausgeführt nicht zu interessieren und: das tut sie auch nicht. Ebenso wie Staatsraison und derlei Dinge. Ich lasse mir Denken und Fühlen nicht vorschreiben. Bei mir ist beides von moralischen Prinzipien geleitet, ich versuche objektiv zu sein, und eventuelle Schwachstellen versuche ich zu erkennen und mich zu verbessern. Mittelfinger für jeden, der mit außerhalb des gesetzlichen Rahmens des direkten Miteinanders irgendwas vorschreiben möchte.

    • @sachmah:

      Der Wertekonsens wirkt aber auf die Gesetzgebung ein und verändert den gesetzlichen Rahmen.

      Insofern kommen sie um den Diskurs zur "Leitkultur" nicht herum.

      Auch persönliche Freiheit ist eine Frage, die kulturell beantwortet wird und dem Diskurs unterliegt.

      Mit Ihrem Kommentar haben Sie sich also voll an der Leitkulturdebatte beteiligt.

  • Gerade dieses Getue um Leitkultur und ähnliche Auswüchse verhindern bei mir nachhaltig das Aufkommen von Heimatgefühl oder gar -liebe.

  • Mit "Streitkultur" hätte ich weniger Schwierigkeiten.



    Mit diesem Vorrschlag biedert sich die cdu (wieder mal) bei derr afd an, wohl in der Hoggnung, denen Stimmen abzujagen. Sowat geht aber nach hinten los, das "Original" ist faschistisch und rassistisch...

  • Genauso albern wie das Gerede vom "kleinen Mann", den die CDU angeblich genau kennt, ist die "Leitkultur", die sich angeblich eine Mehrheit wünscht. Ich weiß echt nicht, was das sein soll und was das soll. Ich glaube auch nicht, dass sich die CDU damit einen Gefallen tut. Ihr sollte eigentlich daran gelegen sein, ein möglichst breites Spektrum der Gesellschaft abbilden und sogar wählbar zu sein für Menschen, die sie nie wählen.

  • Ich schätze Herr Polenz sehr, auch wenn ich meist nicht seine Partei wähle, weil er sich sogar meine Vorschläge als Student zur Steigerung der Ausbildungsplätze genau angehört hat und sehr scharf über alles nachdenkt. Er spricht nicht, wie viele abstoßende Twitter-Kollegen, in sinnlosen Schlagworten, er giert nicht nach Applaus, sondern er formuliert den eigenen Standpunkt genau und mit einladender Geste an seinen politischen Gegener. Das entspricht der Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas und erlaubt überhaupt erst eine Weiterentwicklung der jeweiligen Positionen im demokratischen Diskurs. Z.B. seine Auffassung, den Markenkern über das "C" zu stärken, halte ich für richtig. Menschen werden immer von einer positiven Idee angezogen, nicht von der Abgrenzung zu anderen. Ich weiß noch, wie ich auf dem Prinzipalmarkt mit offenem Mund vor einer gühenden Kommunistin stand und ihrer flammenden Rede lauschte. Auch wenn ich ihre Überzeugungen überhaupt nicht teilte, war das beeindruckend. Der AfD hinterherlaufen ist selbstzerstörerisch, denn die "positive" Idee, die sie ihren Mitgliedern vermittelt, ist, dass Rassismus und Diktatur jedem einzelnen von ihnen viel nützen kann - vorausgesetzt er ist weiß und steht strikt auf der Seite der künftigen AfD-Herrscher. Sich dem als CDU anzubiedern, kann logisch nur in den eigenen Untergang führen.

  • Zunächst hört sich das so an, als wolle Polenz Themen von Relevanz mit Eleganz anpacken, im Detail blendet er aber Probleme non-chalant aus, etwa die der Atom-Kraft - wir sollten sie unbedingt weiterhin unter Sicherheitsaspekten betrachten! Und erhalten dadurch die Motivation, bei den Erneuerbaren nachhaltiger zuzulegen!

    • @Uwe Kulick:

      Man kann die Atomkraft durchaus unter CO2 Aspekten betrachten und nochmal drüber nachdenken.



      Dann wird man zu dem Schluss kommen, dass der Beton für ein neues Kraftwerk eine extreme Anfangslast darstellt, die erst sehr spät wieder aufgeholt werden kann.



      Und außerdem, dass für das gleiche Geld, mit dem ein Atomkraftwerk erbaut wird, viel schneller viel mehr erneuerbare Energie aufgebaut werden kann.



      Und nicht zuletzt: dass kein privater Betreiber mehr ein Interesse hat, ein Atomkraftwerk zu bauen, weil es sich rein finanziell schlicht nicht lohnt.



      Alte Kraftweke haben wir in Deutschland keine mehr, daher könnte mit einer rationalen Betrachtung das Thema eigentlich abgeschlossen werden. Aber es schadet auch nicht mehr, solange es nur in Grundsatzpapieren steht.

    • @Uwe Kulick:

      Stimmt. Das Hat Herr Polenz nur noch nicht durchdrungen. Nicht nur die Eigensicherheit, sondern auch die Sicherheit gegenüber äußere Einflüsse; siehe Saporischschja.

      Aber nicht nur unter Sicherheitsaspekten, sondern vor allem auch unter CO²-Aspekten. Denn bis neue Kernkraftwerke stehen, alte wieder sicherheitsbedingt wieder in Betrieb sind und Strom liefern, haben wir das 3° Ziel gerissen und kein Geld mehr um die Schäden der bis dahin gelaufenen Katastrophen zu reparieren. Daher mehr Geld und Geschwindigkeit in den Ausbau der Regenerativen. In nur wenigen Jahren wird z.B. Frankreich aus finanziellen Gründen den Schwerpunkt Kernkraft auf den militärischen Bereich fokusieren. Auch im Sinne eines wirtschaftlichen Strompreises wird eine Rückkehr zur Strom erzeugenden Kernkraft eine Deinindustriealisierung unseres Landes hervorrufen, da alle stromintensiven Bereiche umsiedeln werden.

  • Danke dafür, Herr Polenz.