Streit über Bürgergeld: Jährlich grüßt die Arbeitspflicht

Vor der Haushaltsdebatte geht es ums Bürgergeld. Der Arbeitsminister warnt, den Job für Sozialleistungen aufzugeben.

Hubertus Heil in der Kulisse der Talkshow "Hart aber Fair"

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei „hart aber fair“ am Montag Foto: Thomas Bartilla/imago

BERLIN taz | Angefeuert von führenden Politikern der Union beginnt im Zuge der Bürgergelderhöhung zum Januar 2024 erneut die Debatte, ob die Einkommensunterschiede zu Menschen, die für Mindestlohn arbeiten, zu gering werden. Aber wegen des Bürgergelds, den Job aufzugeben, sei „bescheuert“, stellte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Montagabend in der ARD-Sendung „hart aber fair“ klar. Wer das tue, „der bekommt erst mal kein Bürgergeld, der kriegt erst einmal eine Sperre beim Arbeitslosengeld“.

In Folge der gestiegenen Kosten für Sozialleistungen kommt aus der CDU die Forderung, das Bürgergeld abzuschaffen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht das Bürgergeld als gescheitert an. Er verlangt: „Jeder, der arbeiten kann und Sozialleistungen bezieht, muss nach spätestens sechs Monaten einen Job annehmen, ansonsten gemeinnützig arbeiten.“ Dem stimmt auch Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, zu.

Ab Januar gibt es deutlich mehr Bürgergeld, um 12 Prozent sollen die Sätze steigen. Damit sollen Alleinstehende 61 Euro mehr als bisher, nämlich 563 Euro im Monat erhalten. Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene erhalten künftig 506 Euro statt bisher 451 Euro. Heil verwies auf den Mechanismus, dass die starke Erhöhung mit der hohen Inflation dieses Jahres zu tun habe.

Mit der Einführung des Bürgergeldes zu Beginn des Jahres wurde – mit Zustimmung der Union – beschlossen, die durch Inflation folgenden Preisanstiege schneller in die Regelsätze beim Bürgergeld einfließen zu lassen als früher. So folgte bereits Anfang 2023 die erste Erhöhung. Wenn die Inflation aber 2024 wieder sinke, werde die darauffolgende Bürgergelderhöhung „relativ mickrig sein“, sagte der Minister voraus.

Höhere Haushaltskosten wegen Inflation

Durch die Erhöhung steigen aber auch die Kosten: Bisher war die Bundesregierung von 23,76 Milliarden Euro für das Bürgergeld im laufenden Jahr ausgegangen. Vergangenen Sonntag wurde dann bekannt, dass 3,25 Milliarden Euro zusätzlich für das Bürgergeld nötig sind. Gründe für die gestiegenen Kosten lägen vor allem in der hohen Inflation, einer schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung und der Versorgung ukrainischer Geflüchteter, sagt Heil gegenüber T-Online.

Was Linnemann betreibt, sei „substanzloses Armenbashing“, erklärte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Linnemanns Forderung zur gemeinnützigen Arbeit sieht Schneider kritisch, für diese brauche es Organisationen und Träger, die das überhaupt anböten.

Entgegen der Behauptung von der Union lohnt sich Arbeit weiterhin. Zu dem Schluss kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die für die ARD nachgerechnet haben. Ihren Ergebnissen zufolge bliebe das Haushaltseinkommen von Erwerbstätigen mit Mindestlohn auch nach der anstehenden Bürgergelds-Erhöhung deutlich über dem Bürgergeld.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken kann über die Kritik der CDU nur staunen. „Die CDU hat dem Bürgergeld und damit auch dem frühzeitigen Inflationsausgleich doch zugestimmt“, so Esken zur taz. Sie halte es weiterhin für richtig und notwendig, dass die Bürgergeldsätze im Zuge der Inflation steigen. „Das und die Tatsache, dass wir eine Million Ukrai­ne­r:in­nen aufgenommen und direkt im Bürgergeld versorgt haben, führt erwartbar zu höheren Kosten.“

Esken fordert bessere Arbeitsmarktintegration

Um die Kosten für das Bürgergeld in den Griff zu bekommen, werde die Ampel dafür sorgen, die Ukrainerinnen und Ukrainer sowie andere Geflüchtete schneller als bisher in Arbeit zu bringen. Für Esken ist vor allem eine schnellere Anerkennung von Abschlüssen entscheidend. Viele Ukrainerinnen hätten gute berufliche Qualifikationen, die schneller anerkannt werden müssten.

Statt das Bürgergeld niedrig zu halten, gäbe es auch die Möglichkeit Löhne zu erhöhen. So argumentiert auch Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. Wer jetzt, wo es gegen das Bürgergeld gehe, sein Herz für Menschen im Niedriglohnsektor entdecke, solle sich doch lieber für bessere Löhne einsetzen. Auch sie sei für das Lohnabstandsgebot. „Aber wer im Niedriglohnsektor arbeitet, hat wenig von einem schlechten Bürgergeld, dafür aber viel von guten Tariflöhnen und einem höheren Mindestlohn.“

Ulrich Schneider betont, Menschen im Niedriglohnsektor und Bü­r-ger­geld­zie­he­r*in­nen gegeneinander auszuspielen – das sei genau das Gegenteil von dem, was nötig sei: Solidarität.

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