Krieg in der Ukraine: EU gegen schnelle Waffenruhe
Die Mitgliedstaaten fordern einen vollständigen Abzug russischer Truppen als Bedingung für Verhandlungen. Und denken über neue Sanktionen nach.
Eine schnelle Waffenruhe hatte China vorgeschlagen. Sie ist Teil des umstrittenen 12-Punkte-Plans, den Präsident Xi Jinping bei seinem Staatsbesuch in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin diskutiert hat. Der chinesische Plan könne als Grundlage für eine Friedenslösung dienen, sagte Putin. Zugleich beschuldigte er die Ukraine und den Westen, nicht an einem Ende des Kriegs interessiert zu sein.
Der Beschlussentwurf für den EU-Gipfel verliert kein Wort über die chinesisch-russischen Vorstöße. Stattdessen stellt er sich hinter die ukrainische „Friedensformel“, die den vollständigen Abzug der russischen Besatzer vorsieht. Russland müsse seine Aggression beenden und die Truppen „sofort, vollständig und ohne Bedingungen“ aus dem gesamten Gebiet der Ukraine abziehen, so die EU.
Einen eigenen Plan zur Beendigung des Kriegs legen die Europäer nicht vor. Ratspräsident Charles Michel setzt vielmehr auf eine Fortsetzung des Militärkonflikts bis zum Sieg. „Eine Niederlage der Ukraine ist keine Option“, betont Michel. In seinem Einladungsschreiben für den Gipfel spricht sich Michel zudem für mehr und schnellere Waffen- und Munitionslieferungen in die Ukraine aus.
Schneller aufrüsten
Die EU-Außenminister hatten am Montag beschlossen, binnen zwölf Monaten bis zu eine Million Artillerie-Geschosse an die Ukraine zu liefern. Dafür sollen 2 Milliarden Euro aus der sogenannten Friedensfazilität fließen. Der EU-Gipfel will diesen Beschluss bekräftigen und sogar noch weiter gehen. Der schwedische EU-Vorsitz hat eine Aufstockung um 3,5 Milliarden Euro vorgeschlagen.
Auch der EU-Kommission geht die Aufrüstung nicht schnell genug. Binnenmarktkommissar Thierry Breton klappert derzeit die Waffenfabriken in der EU ab, um die Produktion anzukurbeln. Der Franzose bereitet zudem ein Gesetz vor, das Zahlungen aus dem EU-Budget ermöglichen soll. Bisher war dies nicht möglich; die Friedensfazilität wurde neben dem Gemeinschaftshaushalt eingerichtet.
Die EU will sich auch verstärkt um die Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine kümmern. Der Haftbefehl gegen Putin, den der Internationale Strafgerichtshof vor einer Woche wegen der Verschleppung von Kindern erlassen hatte, reicht den europäischen Staats- und Regierungschefs offenbar nicht aus – im Gipfelentwurf wird er fast beiläufig „zur Kenntnis“ genommen.
Die Staats- und Regierungschefs wollen Neuland betreten – und ein Sondergericht für „das Verbrechen der Aggression“ einrichten. Dafür ist der Strafgerichtshof in Den Haag nicht zuständig. Über die juristischen und praktischen Details sind sich die 27 EU-Staaten jedoch noch nicht einig. Auch über den Haftbefehl für Putin gibt es Streit; Ungarn hat einen EU-Beschluss mit seinem Veto blockiert.
Für Diskussionen beim Gipfel dürften auch die Sanktionen gegen Russland sorgen. Sie weisen immer noch Lücken auf und haben nicht die erwünschte Wirkung erzielt: Weder wurde „Russland ruiniert“, wie dies Außenministerin Annalena Baerbock vor einem Jahr gefordert hat, noch wurde der Krieg schnell beendet. Deshalb wird nun der Ruf nach einem weiteren, elften Sanktionspaket laut.
Die USA haben zudem Wirtschaftssanktionen gegen China ins Spiel gebracht. Die EU will aber nur dann mitziehen, wenn handfeste Beweise für chinesische Waffenlieferungen an Russland vorliegen. Bisher ist lediglich von Sturmgewehren die Rede. Das reiche nicht, sagen EU-Diplomaten. Falls Peking jedoch militärtaugliche Drohnen nach Moskau liefern sollte, müsse Europa reagieren. Für Deutschland wäre dies der „Worst Case“. Denn China ist der wichtigste Handelspartner, noch vor den USA. EU-Sanktionen würden den Handel stören und die deutsche Wirtschaft treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Habeck vor der Bundestagswahl
Friede, Freude, Wahlkampf