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Ukraine-Krieg spaltet OstdeutschlandSicherheit geht vor Freiheit

Der Ukrainekrieg spaltet die ostdeutsche Gesellschaft. Warum so viele „Ossis“ am Bild von der Sowjetunion als Friedensgarant festhalten.

Irgendwie gegen alles: Tausende protestieren auf dem Theaterplatz in Dresden im Oktober 2022 Foto: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

DRESDEN taz | Es sind nicht nur die Bundesbürger westlich von Harz und Thüringer Wald, die mal wieder irritiert auf den unberechenbaren Osten schauen. Auch die „Ossis“ selbst kennen einander nicht mehr. Grund sind die Einstellungen zum russischen Krieg gegen die Ukraine.

Es geht ein Riss durch Freundes- und Kollegenkreise, durch Familien und Institutionen. Es ist die dritte Spaltungswelle in den vergangenen zehn Jahren. Erst war da das Einsickern neurechter Ideologien in die Mitte der Gesellschaft, dann kam der Corona- und Impfkrieg. Und nun ist es der richtige Krieg.

Meine Friseurin, die seinerzeit im Salon der SED-Bezirksleitung führenden Genossen den Kopf wusch, beruft sich auf Kunden als Quellen, wenn sie über angebliche ukrainische Luxusflüchtlinge auf vierteljährlichem Heimaturlaub herzieht. Der Friseurin gilt der ukrainische Präsident Selenski als „der größte Verbrecher – ein Schauspieler“.

Ein Dresdner Theaterkritiker bezeichnet Putin als „sich einst durch Dresden saufenden KGB-Tölpel und heutigen Möchtegern-Zar“. In seiner Münchhausen-Adaption am Dresdner Staatsschauspiel lässt Rainald Grebe eine Schauspielerin von einer seit zehn Jahren getroffenen Familienvereinbarung berichten: „Über das und das wird nicht gesprochen – sonst kracht’s!“ „Unser Freundeskreis ist an der Russlandfrage völlig zerbrochen“, bedauern Günter Kern und Frau Eva in Kamenz. Günter Kern ist der Bruder des weltbekannten Malers Georg Baselitz und durch Lukas Rietzschels „Raumfahrer“ zu einer Romanfigur geworden.

Man braucht sich nicht vorzumachen, da stünde eine rebellische kleine Minderheit gegen eine vermeintlich tragende große Mehrheit. In ganz Deutschland und Europa stehen sich Kräfte gegenüber, die entweder die Ukraine massiv unterstützen – oder aber einen Diktatfrieden um jeden Preis wünschen, wenn dadurch nur wieder Gas in die Kammer käme und die Brötchen billiger würden.

Der Hälfte gehen Sanktionen gegen das Kremlregime zu weit

Und doch bestehen nach wie vor signifikante Unterschiede im Verhalten des ost- und westdeutschen Bevölkerungsdurchschnitts. Ein Drittel der Ostdeutschen sieht in Putin bis heute keine Gefahr, im Westen empfindet nur ein Fünftel so.

Aufschluss bringt die Rubrik „MDR fragt“ des Mitteldeutschen Rundfunks mit jeweils um die 30.000 Teilnehmern. Der Hälfte von ihnen gehen Sanktionen und Maßnahmen gegen das Kremlregime zu weit. Sieben von zehn Ostdeutschen fühlen sich in der Einschätzung russischer Politik kompetenter als die „Wessis“. Folglich konstatieren fast zwei Drittel aktuell eine Vertiefung der Ost-West-Spaltung.

Aber warum – 32 Jahre nach der formalen Vereinigung? Verlässliche Ursachenforschung zu diesem anhaltenden Teilungsphänomen gibt es nach wie vor nicht. Es lässt sich nur mit der fortwirkenden Prägung durch die Jahre bis 1989 erklären, einer Prägung, die das wiedervereinigte Deutschland auch in drei Jahrzehnten nicht aufzuheben vermocht hat.

Für diese Annahme spricht die Generationenspaltung der Ostdeutschen selbst. Hartnäckige Putin-Versteher, die trotz eines offenkundigen Eroberungs- und Vernichtungskriegs immer noch russische Sicherheitsinteressen „ins Feld führen“, haben in aller Regel mindestens die 40, meist die 50 überschritten. Das DDR-Fähnchen eines Demonstranten auf dem Dresdner Theaterplatz liefert den Schlüssel für Erklärungen.

Solche Demos richten sich nur vordergründig gegen die Preisexplosion. Wer hier steht, sucht in manischem Eifer nach allem, was das Moskauer Verbrecherregime irgendwie entlasten könnte. Und grundsätzlich sind immer die zweifellos auch nicht gerade harmlosen US-Amerikaner an jeder Eskalation der Gewalt in der Welt schuld.

Man darf es sich aber nicht zu einfach machen: Hier stehen nicht unbedingt dieselben, die seit Jahren gegen alles, was irgendwie von oben kommt, auf die Straße gehen. Es gibt sehr wohl militante Impfgegner aus dem Vorjahr, die gar keine Lust haben, gemeinsam mit Schwenkern von Russlandflaggen gesehen zu werden.

Russland wird hier gefeiert: „Montagsspaziergang“ in Chemnitz im November 2022 Foto: Härtel Press/imago

Kalter Krieg als Zeichen der Stabilität

Und doch: Wer ostzulande nicht gegen alles ist, wird verdächtigt, für etwas zu sein, mithin mit „denen da oben“ zu kollaborieren – eine subtile Kontinuität aus Zeiten des SED-Regimes.

Im Rückblick erscheint vielen sogar der Kalte Krieg, das Gleichgewicht des Schreckens, als Zeit der Stabilität. Als der eine Pol dieser Abschreckung garantierte die Sowjetunion den Frieden und damit den bescheidenen Fortschritt in der DDR.

Posthum erst wird klar, dass es nicht nur Propaganda war, wenn der FDJ-Chef Egon Krenz 1974 rief: „Alles, was wir sind, sind wir durch sie (die Sowjetunion)!“ Die heute noch lebende DDR-Generation hat die Rote Armee nicht mehr als brutale Besatzungsmacht wie bei dem Aufstand von 1953 kennengelernt. Ausgewählte, wie die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, studierten in der Sowjetunion, Kinder- und Jugendorganisationen veranstalteten Freundschaftstreffen.

Halb ironisch, halb schulterklopfend sprach man vom „Großen Bruder“. In der ARD-Filmproduktion über Russland und die Ostdeutschen bestätigt ein damaliger hoher NVA-Offizier die anerzogene Liebe zur Sowjetunion. „Amerika ist mein Feindbild“, sagt er. Auf Demoplakaten 2022 steht: „Besatzungsmacht USA“.

Sicherheit ging vor Freiheit und schützte zugleich vor der heutigen unüberschaubaren und unheilvollen Welt der schlechten Nachrichten. Ein unterschätzter Anteil der „Ossis“ hat sich enttäuscht in den Trotz zurückgezogen, überfordert von der Nichterfüllung der eigenen Illusionen 1989. Der Westen galt als das Paradies schlechthin, und dann versprach auch noch ein dicker Messias blühende Landschaften. „Wir haben demonstriert, nun macht uns mal richtig glücklich“, könnte man es auf eine Formel bringen.

Das Glücksversprechen war ein materialistisches, das Gefühl für die Wert- und Wertelosigkeiten des eigentlich ersehnten neuen Systems stellte sich erst später ein. Aber man durfte sich doch 1989 unmöglich geirrt haben!

„Mit Trump wäre das nicht passiert“

Das in 30 Jahren mühsam erarbeitete Arrangement mit einer verunsicherten und verunsichernden Welt bekommt einen weiteren Tritt. Krieg? So was gab es damals nicht. Und nicht der Imperator Putin ist der Böse, sondern jene, die ihn und ein System bekämpfen, das die stabile Ordnung um jeden Preis über alles stellt.

Die Anfälligkeit gegenüber Despoten ließ seit 2016 sogar die USA sympathischer erscheinen. „Mit Trump wäre das nicht passiert“, meinte kurz nach Kriegsbeginn der ins Motzermilieu abgedriftete Kabarettist Uwe Steimle – und nicht nur er.

Einmal mehr zeigt sich die Erosion gesellschaftlicher Grundkonsense im Osten deutlicher. Moralfrei, entwurzelt und empathielos gehen hier viele auf Distanz zu einem Krieg, der ohnehin angeblich ein amerikanischer ist. Hauptsache, wir werden nicht noch weiter verunsichert!

Bei den Sachsen kommt ihr kollektives Trauma hinzu, seit 280 Jahren beharrlich zu den Kriegsverlierern zu gehören und untergehenden Systemen gefolgt zu sein. Hier besitzt der Spruch „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“ noch Verführungskraft.

Die Linke derweil bemüht sich um Distanz – und schafft es doch nicht, klarzustellen, dass sie bloß gegen die Krisengewinnler und die Entsolidarisierung demonstrieren will. Im Sächsischen Landtag bedankte sich AfD-Landeschef Jörg Urban für den „teilweisen Schulterschluss“. Immerhin hat der frühere Volkswitz bei den Klardenkern überlebt. Im Netz kursiert die Persiflage des einstigen Straßenrufs der Neunundachtziger: „Wirr ist das Volk!“

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99 Kommentare

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  • Wenn man hier liest, kann einem ganz anders werden. Hallo, wer will freiwillig in einer Putin Diktatur leben? Wer könnte hier noch diskutieren ? Amis hin oder her, aber lieber die Freiheit der letzten 70 Jahre als einen neuen Zaren.

  • Wird gerne vergessen, ist aber Tatsache, die deutsche Industrie hat mit billigem russischem Gas , besorgt durch einen gewissen Herrn Schröder, Jahrzehntelang preiswert produziert. "Exportweltmeister" war man voller Stolz.



    Auch wenn in Afrika so manche bäuerliche Existenz vernichtet wurde, Hunger durch billige Importe erst entstand. Egal, Profit geht vor Menschenwürde.



    Gas für Haushalte zwecks warmer Stube, spielt nur eine Nebenrolle.



    Das ist vorbei.



    Wer alles auf Putin verkürzt, beliebt weil nicht so kompliziert,



    verkürzt die Geschichte auf Rohstoffe.



    Darum gehts auch, aber nicht nur. Es ist auch was politisches dabei.



    Und das verschweigt der Herr Autor.



    Wir wollen, wie alle Anderen auch, etwas sein.



    Daran sind die Deutschen schon zweimal gescheitert.



    Darüber traurig zu sein, muss erlaubt sein.



    "Gas in Kammern" sagt mehr über diesen Autor als der ganze Artikel.



    Was mich mehr besorgt als dieser Artikel, wir machen weiter in fossil. Sperren Leute ein die etwas radikaler dagen vorgehen, und kaufen den Weltmarkt der Energie leer.



    Und führen einen Krieg mit. Freilich aus der Etappe, noch.

  • "...wenn dadurch nur wieder Gas in die Kammer käme..."

    So sehr ich Teilen dieses Artikels zustimmen würde. Die obige Formulierung sollten Sie bitte dringend überdenken.

    • @MikeyBln:

      Meistens ist es ganz gut, wenn jemand anderes noch mal über den Text guckt: ein netter Bürokollege, die Partnerin/der Partner, der beste Freund, die Mutter...

  • "sich einst durch Dresden saufenden KGB-Tölpel und heutigen Möchtegern-Zar"

    Eine exzellente Zusammenfassung.

    • @Ajuga:

      "Eine exzellente Zusammenfassung..."



      ...deutscher Vorurteile, ja durchaus - das ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Öffentlichkeit (oder zumindest der medial-politischen Marktschreier) sich auf so plumpe Weise die Welt erklärt, sollte aber Anlass zur Sorge sein.

  • Ich denke,man interpretiert hier zu viel DDR rein, das ist über 30 Jahre her, viele lebten damals noch gar nicht, waren Kinder oder haben sich total verändert. Auch im Westen lebte man in den 80er Jahren in einer anderen, vor allem weitestgehend vordigitale Welt. Die Unterschiede sind dann bei genauer Betrachtung auch nur graduell, ob 20 8der gut 30% Putin nicht als Gefahr sehen, ist jetzt nicht so unterschiedlich.

    Tatsächlich sind die statistischen Unterschiede ciel mehr demographisch als historisch oder wirtschaftlich begründet. Der Osten ist Üüberaltert und daher auch tendenziell konservativer. Außerdem gab es große Binnenmigrationsbewegungen von Ost nach West, durch die überdurchschnittlich viele gut ausgebildete und junge Menschen sowie Frauen dem Osten verloren gingen, während Menschen die unflexibel sind, der Vergangenheit nachhängen oder die sich nicht selbst für die Lösung ihrer Probleme zuständig fühlen, eher geblieben sind.

    • @Ruediger:

      Guten Abend, das nur demografisch begründen zu wollen finde ich aber auch einfach.



      In den letzten, ich denke mittlerweile mehr als zehn Jahren, gab es ja auch wieder einen Trend zum Rückzug incl.FamilienGründung.



      Nicht zu unterschätzen ist, dass “wendekindet"große Empathie für ihre Eltern und deren Erfahrungen haben.



      Ich bin selbst eines und der Riss verläuft auch unter uns Geschwistern.

    • @Ruediger:

      Das gilt alles noch viel mehr für z.B. Estland. Und dennoch hat dieses Land, gemessen an der Wirtschaftskraft, der Ukraine bislang mehr geholfen als jeder andere Staat, und die Solidarität mit der Ukraine ist riesengroß.

      Und angesichts der Tatsache, dass die Esten jahrzehntelang gezwungen wurden, sich zu russifizieren, kann man wohl auch davon ausgehen, dass sie Russland sehr viel besser einschätzen können als die Ostdeutschen.

      • @Suryo:

        Ich glaube, in den ehemaligen Sowjetrepubliken ist die Situation etwas anders, dort fühlt man sich viel unmittelbarer bedroht und identifiziert sich mehr mit der Ukraine. Dass sich Putin irgendwann Ostdeutschland "zurückholen" will, ist schon deutlich unwahrscheinlicher, als bei Estland oder Georgien.

  • Ob Religionen oder Politik, beides hat gleiche Folgen: Die Bevölkerung hört nicht auf, den geballten Unsinn zu glauben.

    Weder "die" Ukrainer noch "die" Russen führen Krieg, sondern es sind in allen Lagern nur ein paar Bonzen, die die Chance wittern, ihr Vermögen zu vermehren. Und für diesen Zweck sind sie bereit, notfalls auch das gesamte Volk zu opfern.

    Ebenso haben auch "die" Deutschen oder "die" anderen europäischen Länder oder "die" Amerikaner ein Interesse daran, Milliarden und Abermilliarden in die Kriegsgelüste der Macher zu investieren, sondern es sind ein paar Bonzen, die die Chance wittern, ihr Vermögen zu vermehren, indem sie die Völker unter dem Dummspruch angeblicher Notwendigkeiten wirtschaftlich ausbluten lassen.

    Doch gegen das Geschäftsmodell "Aberglauben verbreiten" gibt es eigentlich keine wirksamen Gegenmittel, denn zum Aberglauben gehört auch, stetig trickreich einschmeichelnd neue Feindbilder zu schaffen, egal, ob arm gegen reich, beschäftigt gegen arbeitslos, ost gegen west oder sonstwas.

    • @wxyz:

      Moment. In der Ukraine geht es nicht um "ein paar Bonzen". Da kämpft ein ganzes Volk um das Überleben seiner kulturellen Identität. Angefangen wurde der Krieg von einem Bonzen dem ein Volk desillusionierter Schafe auf die Schlachtbank folgt.

    • @wxyz:

      Klingt erstmal gut. Aber sind Sie jetzt der Ansicht, Ihre paar Bonzen seien sowohl in der Ukraine als auch in Russland am Krieg schuld? Also die Kriegsschuld gleichmäßig auf alle Parteien verteilt? Hm...

      • @Achim Kniefel:

        Es gibt in diesem Krieg nur eine einzige schuldige Partei. Russland.

      • @Achim Kniefel:

        Die Kriegsschuld gleichmäßig auf Großbanken, Rüstungskonzerne, Oligarchen verteilen, paßt doch wohl ganz gut, zumindest, wenn man erst einmal außen vor läßt, daß es daneben gewaltig viele Menschen gibt, die entsprechend kognitiv und emotional indoktriniert unabläßlich ihre Schlachter selbst wählen.

        • 6G
          665119 (Profil gelöscht)
          @wxyz:

          Passt ziemlich schlecht, weil keine Großbank und kein Konzern im Februar ohne Not das Nachbarland überfallen hat, um es wieder Teil der "russischen Welt" zu machen und sich über seinen zukünftigen Geschichtsbucheintrag zu freuen.

        • @wxyz:

          Nein, fas passt hier null. Sie argumentieren schablonenhaft mit Schablonen aus der linken Mottenkiste für Schuldnarrative. Der Schlachter und Kriegstreiber heißt Vladimir Putin. Kein Rüstungskonzern und keine Großbank hat diesen Krieg befeuert oder provoziert.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Naja, im Osten gab es auch viele Nutznießer der russischen Besetzung. Die sehen das mit anderen Augen und kommen jetzt wieder hoch. Man muss ja nur mal schauen welches Alter die meisten Demonstranten haben.

    Vielleicht ist es auch mal Zeit wieder mehr über die Diktatur in der DDR und deren Opfer zu berichten!

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Also es sind vor allem die "Gegner" der DDR, die mit "Dafür sind wir aber nicht auf die Straße gegangen" die 2014er Migrationskrise und alles nachfolgende wie Corona und Ukrainekrieg meinen. Diese Leute sind einfach gegen Alles, was seit 2014 passiert ist, nicht nur Regierung und Verwaltung, sondern auch der Wirtschaft (außer Telegram:D) und Wissenschaft. Praktikable Lösungsideen bis auf mehr direkte Demokratie (würde wirklich helfen, wie so etwas aber dann genau funktioniert Null Peilung bei den Leuten) hat da niemand, einige flüchten sich dann in Reichsbürgerideen etc. Hätte die Regierung gesagt Corona wäre ungefährlich und Deutschland stellt sich na die Seite Russlands, dann wären bei denen 100% geimpft und es würden Ukrainefahnen wehen.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Wobei der Kontakt zu den „Freunden“ ja viel, viel geringer war als der der Westdeutschen in amerikanischen und britischen Garnisonstädten zu GIs und Tommys. Wie viele Ehen zwischen ostdeutschen Frauen und russischen Soldaten gab es zB? So gut wie keine. Wenn sich ein sowjetischer Soldat mit einer Deutschen einließ und das bekannt wurde, wurde er fast immer sofort in die UdSSR zurückgeschickt, erst recht, wenn sie schwanger wurde. Dahingegen wurde bzw wird der Kontakt der amerikanischen und britischen Soldaten und Soldatinnen mit den Deutschen vor Ort spätestens seit den 60ern sehr wohlwollend betrachtet und Austausch und gegenseitiges Kennenlernen gefördert. Je weiter die Stationierung sowjetischer Soldaten in Ostdeutschland zurückliegt, desto mehr wird sie verklärt. Als ob alle Ossis fließend russisch gesprochen, Tolstoj im Original gelesen und ihre Wochenenden beim fröhlichen Borschtsch-Essen mit den engen Freunden Oleg und Katjenka auf der Datsche verbracht hätten.

      • @Suryo:

        Na es gibt aber auch viele Unternehmen, die von zwielichtigen Geldern nach

  • Die Insassen der ehemaligen Ostzone haben eben nur zwischen 1918 und 1933 in einer Demokratie gelebt.

    Das ist lange her.

    Den Insassen der Westzonen blieb gar nichts anderes übrig, als sich an demokratische Verhältnisse zu gewöhnen.

    Auch wenn das natürlich nicht allen gepasst hat, so hat doch einiges auf die meisten abgefärbt und im Laufe der Jahre haben sie etwa auch an die Anwesenheit Fremder gewöhnt und viele haben sie nach und nach als Mitbürger akzeptiert.

    Auch das konnte im Osten so nicht laufen.

    Sowas kommt von sowas.

    • @Jim Hawkins:

      Die "Bewohner der Ostzone" (anachronistische Wortwahl) haben auch von 1990 bis heute in einer Demokratie gelebt...

    • @Jim Hawkins:

      Fremdenfeindlichkeit oder Fremde tolerieren ist hier aber nicht das Thema. Im Gegenteil, geht ja darum, warum man Russland glorifiziert.



      Und wie immer, ich als Ostdeutscher darf die Ossis dissen und die Wessis - weil Kolonialherren.

      • @WeisNich:

        Na dann, viel Erfolg beim antikolionalistischen Kampf.

        Ich dachte ja die Parole war die:

        "Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr."

        • @Jim Hawkins:

          Den Slogan hat der Norbert Blüm erfunden, kurz vor "Marx ist tot, aber Jesus lebt!"

    • @Jim Hawkins:

      "Insassen"

      Ist das ernst gemeint?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ach na ja, so halb halb.

        Gibt es nicht eine Satire-Sendung, die "Die Anstalt" heißt?

        Und wie sagte Heiner Müller:

        "Zehn Deutsche sind natürlich dümmer als fünf Deutsche."

  • Lieber rot als tot ? Irgendwie ernüchternd, aber typisch, wenn so viele Ostbürger am Zusammenhalt, der den tapferen Ukrainern so schwer gemacht wird, zweifeln. Wir Westler unterschätzen den erlebten Stachel des Übergangs in eine Ellenbogen-Gesellschaft, der nur Wenigen eine so sehr erhoffte Perspektive geben konnte, weil sie schlichtweg erst nach dem Wirtschaftswunder eingemeindet wurden und quasi nur noch als Almosenempfänger*innen vor sich hin dümpeln. Nicht zuletzt, weil im Osten ein Austausch stattgefunden hat: Die Aktiven gingen in den Westen und die Westler-Hinterbänkler füllten im Osten die Lücken in Verwaltung, Justiz und Politik. Für wen und was sich da noch einschränken müssen?

    • @Dietmar Rauter:

      Ach Gottchen, das schon wieder.

      Wie war das denn alles in den anderen Ostblockstaaten? Da gab's doch auch massivste Transformationen. Allerdings nicht abgefedert durch eine Billion Euro.

    • @Dietmar Rauter:

      Sie leben in keiner Ellenbogengesellschaft im Westen.



      Höchstens in einem Rugbyteam, dass ruppigen Umgang pflegt, aber auf ein Ziel hin arbeitet.



      Der Osten war und ist wie Afrika, jeder hat sich um sich selbst gekümmert. Zur Not hat man den Nachbarn angeschwärzt um Bonuspunkte zu bekommen.

      Wie immer eine grobe Verallgemeinerung

  • "Der Selensky ist noch schlimmer als Putin", höre ich oft und soll wohl für viele hier im Osten der Kompromiss sein. Eher selten gibt es eine vollständige Position für Putin. Es scheint also um die Wahl des vermeintlich kleineren Übels zu gehen. Das kleinere Übel verspricht zumindest geringere Lebenshaltungskosten. Dass es den Ukrainern dabei schlecht ergeht, nehmen diese Ossis, nach meiner Einschätzung etwa die Hälfte, eben hin. Dass es sich im Osten so verhält, liegt m.M.n. am geringeren Einkommen, am gut etablierten Niedriglohnsektor. Dass dabei die "gute alte Sowjetunion" herangezogen, sich auf die Argumentation der Rechtsextremisten oder Kreml-Propaganda eingelassen wird, dient dabei nur als Vehikel. Letztere nutzen das natürlich wohlfeil. Der Russenhass wird in diesen Kreisen nur vorübergehend verdeckt, der Ukrainerhass (sind für ne Menge Ossis auch nur Russen) wird unverhohlen ausgesprochen. Es gibt im Osten kein Vertrauen in Russland/ Liebe zur Sowjetunion, nur ein opportunes "A..sch an die Wand".



    Ich schäme mich für meine diese Landsleute, doch gleichzeitig sehe ich die Ursache, die die unterste Schublade menschlicher Gemeinschaft damit geöffnet hat - das geringere Einkommen bei hoher Inflation.

    • @zeroton :

      Ihre Wahrnehmung kann ich teilen … ich erlebe es oft so, dass von den “Russen” gesprochen wird, in Wirklichkeit sind jedoch - in verächtlicher Zuschreibung - irgendwie doch alle Osteuropäer gemeint, vor allem eben Ukrainer, aber beispielsweise auch Polen … alte Ressentiments kochen jetzt wieder hoch.



      Andererseits scheinen in diesem Gesellschaften auch antideutsche Ressentiments wieder populär zu werden … man kann mir nicht erzählen, das die PiS-Regierung in Polen dies gegenüber ihrer Bevölkerung nicht instrumentalisiert, um sich innenpolitische Vorteile zu verschaffen. Es kommt mir vor wie ein Nebenkriegsschauplatz gegenüber dem Hauptkriegsschauplatz in der Ukraine bzw. dieser Krieg müsste erst erfunden werden, wenn es ihn nicht schon gäbe, um das Bild vom hässlichen Deutschen zu bedienen oder Deutschland als unsicheren Kantonisten vorzuführen.



      Umgekehrt das Bild vom Osteuropäer, der es mit der Demokratie nicht unbedingt so hält oder zumindest mit deren westlichen liberalen Verständnis und eher zu gewalttätigen Konfliktlösungen neigt (“Russenmafia”), seine (antisemitische) Geschichte nicht aufarbeitet usw. usf. … ich finde, auf diese gegenseitigen Stereotypien sollten wir uns gar nicht erst einlassen.

    • @zeroton :

      Apropos Ukrainerhass, den Vorwurf der Luxusflüchtlinge aus der Ukraine hörte ich im übrigen nicht von der Cousine der Tante meiner Niederlausitzer Frisörangestellten, sondern las das schwarz auf weiß im Focus....tja, ob die Zeitung nun seriös ist....ehem....Aber! Ostdeutsch isse jedenfalls nicht...

  • So viele ist hoffentlich nicht die Mehrheit. Das reicht mir schon.

    Als im Westen lebender Ossi habe ich die Russen in meinem ganzen Leben noch nie für einen Friedensgaranten gehalten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese einhellige Mehrheitsmeinung in den meisten ehem. Ostblockländern ist.

    Das hohe Lied auf die Sowjetunion haben nur die Blockpfeifen in den kommunistischen und sozialistischen Einheitsparteien gesungen. Dass es davon nicht wenige gab, ich schon klar.

    • @insLot:

      Genauso sehe ich das als im Osten lebender Ossi auch. Ich bin immer ganz erstaunt, woher diese ganzen Analysen etc. herkommen. Und da sind wir wieder mal bei dem Besserwissertum einer ganz bestimmten Gruppe. Aber diese Gruppe geht ja nicht nur uns auf den Sender, sondern ganz Europa, wie ich bei meinen zahlreichen Reisen erleben durfte. Es sollte jetzt vielleicht abgewandelt heißen: Am bundesdeutschen Wesen soll die übrige Welt genesen.

    • @insLot:

      Stimme ihnen voll zu.



      Mit der Schuld, die diese Menschen auf sich geladen haben, können sie durch Leugnung besser leben.



      Denn Aufarbeitung fand nach 1989 nicht statt.



      Ich beobachte aber auch eine Vererbung dieser Leugnung. Wer will schon Mama und Papa im Irrtum sehen.



      Dazu kommen noch im Westen gescheiterte Wessis, die im Osten auf dicke Eier machen wollen.

  • "Sieben von zehn Ostdeutschen fühlen sich in der Einschätzung russischer Politik kompetenter als die „Wessis“."

    Man hätte sie mal fragen sollen, ob sie sich auch allen Ernstes für russlandkompetenter als Polen, Balten, Finnen, Tschechen und eben Ukrainer halten.

    • @Suryo:

      Natürlich. Schließlich sind sie Deutsche.

      • @JoaPi:

        Better Kommentar. 😜

    • @Suryo:

      Die würden ganz unironisch sagen ja. Und so manch einer würde sogar noch weitergehen und ihnen erklären das die von ihnen genannten ja gar keine richtigen Staaten/Völker sind.

    • @Suryo:

      Im übrigen halten sich vermutlich die gleichen Leute für USA-kompetenter als die Wessis - oder würden sich heftig empören, wenn man ihnen Umfrageergebnisse vorläse, nach denen 7 von 10 Wessis sich für USA-kompetenter als die Ossis hielten.

      • @Suryo:

        Na ja, wir Deutschen werden die US-Gesellschaft und deren politisches System wohl nie so richtig verstehen … ob in Ost oder West.



        Da ist uns Russland doch wesentlich näher, nicht nur geografisch … “wesensverwandt” eben😉.

  • Die Lehre der SED aus dem Zweiten Weltkrieg war "Nie wieder Krieg" und nicht "Nie wieder Faschismus." Wobei man sich mit letzterem ja auch wenig auseinandersetzte, bzw. fast immer nur im Hinblick auf die Verfolgung von Kommunisten und eben Krieg. Salopp gesagt: Faschismus ist schlecht, weil einem dann irgendwer das Haus zerbombt - im besten Fall die glorreiche Rote Armee, im schlimmsten Fall die bösen Angelsachsen. Die Unterdrückung des Individuums, die Abschaffung jeder Freiheit und das Fehlen von Demokratie im Faschismus wurden verständlicherweise von der SED nicht groß problematisiert.

    "Frieden" war im ganzen Ostblock, besonders aber in der DDR, ein Kampfbegriff - sogar ganz wörtlich: "Mein Arbeitsplatz - mein Kampfplatz für den Frieden". Das führte dann sogar dazu, dass Berlin, wie noch heute an einer Wand im Nikolaiviertel zu sehen ist, allen Ernstes als "Stadt des Friedens" bezeichnete.

    Insofern wurde sowohl der Begriff Frieden als auch Begriff Faschismus ganz anders - um nicht zu sagen, falsch - verstanden als im Westen.

    Was zwischen den Kampfbegriffen "Frieden" und "Faschismus" völlig fehlte, war "Freiheit".

    Diese Lehre wirkt im Osten natürlich bis heute fort. Viele scheinen einfach nicht begreifen zu können, dass ein Leben unter russisch-faschistoider Besatzung für Ukrainer, aber auch alle anderen ehemaligen Vasallen Russlands inner- und außerhalb der UdSSR unerträglich ist. Dass sie bereit sind, für ihre Freiheit und ihre Rechte zu kämpfen, zu sterben und eben auch zu töten.

    Die Frage ist aber: warum sind die "Ossis" die einzigen ehemaligen Ostblockinsassen, die so sind?

    • @Suryo:

      Ich habe die DDR-Gesellschaft eigentlich immer mehr als “preußisch” denn als sozialistisch empfunden - und natürlich als extrem spiessig: “Honeckerscher Cordhütchen-Sozialismus” (Wiglaf Droste?) … nicht nur wegen dem Stechschritt und den NVA-Uniformen.



      Aber das ist wohl auch nur die Aussensicht eines undogmatischen Linken Wessis.

      • @Abdurchdiemitte:

        Interessanterweise empfanden die Polen die DDR viel mehr als Nachfolgestaat des Dritten Reiches als die Bundesrepublik. Unter anderem genau wegen der NVA-Uniformen, die eindeutig nicht viel anders aussahen als die der Wehrmacht und dem Stechschritt. Da gab es eine offenkundige Kontinuität. Und welcher Westdeutsche Rechtsextremist war es noch gleich, der in den 1990ern über die Ostdeutschen sagte, dass sie viel deutscher seien als die Westdeutschen? Und wir wissen ja, was solche Leute damit meinen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Jemand hat dazu mal gesagt: ,, Die deutschen Kommunisten wollten das Kaiser-Reich nicht abschaffen, sie wollten selbst Kaiser sein..!"

        Ich denke das trifft es ehr gut.

      • 6G
        665119 (Profil gelöscht)
        @Abdurchdiemitte:

        Preußen war der erste Rechtsstaat. Da hinkt ihre Wahrnehmung wohl.

        • @665119 (Profil gelöscht):

          Das gilt so richtig wohl nur für die Rheinprovinz, wo der Code Napoleon weiter galt bis zur Jahrhundertwende.

          In "Ost-Elbien" weiter die Landjunker das Sagen...

          • 6G
            665119 (Profil gelöscht)
            @Ruhrpott-ler:

            Sagen wir, dass Preußen vor 1789 der einzige absolutistische Staat war, der mit den aufklärerischen Ideen von Rechtsstaatlichkeit experimentiert hat.

    • @Suryo:

      Die Frage nach dem Warum kann ich Ihnen ganz einfach beantworten: selbst 30 Jahre nach der Wende verpasst der Westdeutsche keine Gelegenheit, uns auf unser Hinterwäldlertum und unsere Bescheuertheit hinzuweisen. Ich bin sehr gerne hinterwäldlerisch und bescheuert. Trotzreaktion. Vielleicht etwas kindisch, ist aber so. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich persönlich als Sachse bei diesem westdeutschen näselnden Dialekten wirklich Kopfschmerzen bekomme. Ich kann da gar nicht gut, lange zuhören.

      • @Leningrad:

        Ihnen ist schon klar, dass in der DDR die Sachsen nicht gerade als sympathisch galten? Kamen gleich nach den Berliner Großschnauzen. Fragen Sie mal in Mecklenburg.

        • @Suryo:

          Schließt das Thüringen und den Bezirk Halle mit ein?

      • @Leningrad:

        Das sehe ich als Wessi wie Sie. Der Besserwessi hinsichtlich dem Osten, aber manchmal auch hinsichtlich der ganzen Welt (und macht sich dabei eher lächerlich), geht gehörig auf den Geist. Und natürlich produziert dies eine Kluft, die sonst vielleicht gar nicht gäbe. Was mich vor allem stört in den Medien ist, dass das Subjekt immer der Westen ist und der Osten das Objekt, der analysiert, kritisiert etc. wird.

      • @Leningrad:

        Als Trotzreaktion faschistische Ansichten zu vertreten ist mit "kindisch" nicht korrekt beschrieben.

    • @Suryo:

      Weil Kohl die SED weiter geduldet hat. Er hätte diesen Verein als Verfassungsfeindlich zerschlagen müssen. Auch wenn die SED PDS hieß.



      Das hätte die Mitläufer abgeschreckt.



      So wie 45. Nennenswerte Naziaufmärsche gab es da nicht.

      • @WeisNich:

        Ein kleiner Tipp: in Deutschland werden Parteien nicht auf Wunsch der Regierung "zerschlagen", sondern konnen (in seltenen Ausnahmefällen) in einem rechtsstaatlichen Verfahren vom Bundesverfassungsgericht verboten werden - und zwar anhand gerichtsfester Kriterien. Wer anderes fordert, sollte mit dem Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit sehr vorsichtig umgehen...

    • @Suryo:

      Weil sie Deutsche sind.

  • "oder aber einen Diktatfrieden um jeden Preis wünschen, wenn dadurch nur wieder Gas in die Kammer käme und die Brötchen billiger würden"



    Das steht meiner Meinung nach exemplarisch für die Spaltprobleme der Gesellschaft: purer Egoismus, der bis zur Realitätsverleugnung führt. Was kümmern mich 150.000 Corona-Tote, die waren doch eh alt und wären sowieso gestorben, wichtig ist nur, dass ich unbehindert meine Privilegien geniessen kann und keine Rücksicht nehmen brauch, und Corona gibt's ja eh nicht. Sollen die Ukrainer doch erfrieren, wichtig ist nur, dass ICH es schön warm hab. Schickt der Putin mir billig Gas, mag er die anderen doch erschiessen, mir egal.



    Es ist der Abschied von jeglicher Solidarität. Vielleicht hat die SED den Begriff zu oft missbraucht, dass heute vor allem im Osten der Egoismus und die Rücksichtslosigkeit blühen, wie Kohl das noch für die Landschaften versprochen hatte.



    Mir klingeln noch die Ohren vom "Integriert doch erstmal uns" - nach 30 Jahren Einheit. Die Herrschaften möchten gern integriert werde. Selbst was dafür tun? Wir doch nicht, wir sind schliesslich die Opfer und ihr die Priviligierten. Hoffentlich hören das die Flüchtenden nicht...



    Das ist das echte Virus, denn warum soll ich mich mit den Ossis solidarisch zeigen, wenn die es selbst nicht tun, wenn es um andere geht? Also wird sich das Ich-zuerst und Haben-haben von Ost nach West ausbreiten, ist ja schon auf dem Vormarsch.

    • @Stechpalme:

      Bin mir nicht sicher, ob der Egoismus-Vorwurf nicht eine argumentative Engführung ist, mit der der deutsch-deutsche gesellschaftliche Entfremdungsprozess eben nicht ausreichend beschrieben werden kann - die Pandemie und Putins Krieg haben ja nur ein Schlaglicht darauf geworfen -, immerhin geht die Egoismus-Verdächtigung doch sonst immer in Richtung Wessis.



      Vielleicht können die Deutschen - als Nation - nur einfach nicht gut zusammenleben und projizieren jetzt alles Mögliche in ihren Konflikt … immerhin haben wir Deutschen (oder was man gemeinhin dafür hält) über weite Strecken ihrer Geschichte keine gemeinsame Staatlichkeit gehabt.



      Und wer weiß, wofür das gut war. Schade nur, dass das zivilisatorisch obsolet gewordene Konzept “Nationalstaat” noch weiter so viel Leid über die Menschen bringt.

    • @Stechpalme:

      Sie haben vollkommen recht und zeigen auch, wieso so viele Querdenker auch Pro-Russen sind: der gemeinsame Nenner ist Egoismus. Übrigens dürfte auch die Schnittmenge mit Pegidisten erheblich sein, schließlich kreischte man in Dresden schon 2015 "Putin, hilf uns!"

      Man sehnt sich danach, dass einen all das - Migranten, Covid, Ukraine, die ganzen Zumutungen einer vielfältigen Welt und eines demokratischen, pluralistischen Landes - nicht mehr behelligen möge. Man sehnt sich nach einem starken Führer, der Minderheiten, die das Maul aufreißen und die eigene Bequemlichkeit stören, einfach zermalmt, statt mit ihnen zu debattieren. Die Ukraine stört wahrscheinlich auch, weil ihr heroischer Kampf gegen Russland einem die eigene moralische Verwahrlosung und materielle Verwöhntheit aufzeigt.

      • @Suryo:

        Eine Sichtweise von Oben. Es gibt auch andere.

        • @resto:

          Ja, falsche.

    • @Stechpalme:

      Keiner verlangt von Ihnen, mit uns solidarisch zu sein. Mir würde es schon reichen, wenn ich hier in Pankow nicht mehr die "Gentrifikatoren" aus dem hessischen Bergland oder der Alb tagtäglich erleben müsste.

      • @Leningrad:

        Wer aus dem hessischen Bergland oder der Alp kommt, ist Gentrifikator und soll aus ihrem Leben verschwinden? Interessant, dass sie die im Text beschriebene Borniertheit und argumentfreie Fremdenfeindlichkeit so schön auf den Punkt bringen.

        • @Achim Kniefel:

          Tja, sehr geehrter Achim, Bornierthein hin oder her...... allerdings nerven die Bundis nicht nur die Zonis, sondern auch die Franzosen, Italiener, Ungarn, Tschechen usw. wir befinden uns also in bester Gesellschaft.... Wen nervt Ihr eigentlich nicht? Mir fällt irgendwie nüscht und niemand ein. Quod erat demonstrandum.

          • @Leningrad:

            Hui, da bin ich ja ganz nach ihrem Geschmack. Bin von Ostberlin nach Hessen gezogen, habe Ihnen Platz gemacht, weil mich das Gejammer der Rest-Zonis gestört hat.

      • @Leningrad:

        Mit Gentrifikation müssen wir alle leben; hier unterscheidet sich West und Ost wohl kaum.

    • @Stechpalme:

      Die Möglichkeit, dass die von Ihnen zitierte Passage bereits eine Unterstellung impliziert, die nämlich, dass eine Seite in dieser Kontroverse allein von höheren Werten getrieben wird, die andere von reinem Egoismus, ziehen Sie nicht in Betracht? Dass soziale Eliten (in diesem Fall ein sehr westdeutsch-bildungsbürgerlich geprägter Politik- und Medienzirkus) die Verteidigung der eigenen Hegemonie als moralisches Projekt verkaufen, ist schließlich nicht gänzlich unbekannt...

      • @O.F.:

        Die Ukraine zu unterstützen, ist moralisch richtig.

        Russland zu unterstützen, ist moralisch falsch. Es gibt absolut keine Fakten, die eine Unterstützung Russlands rechtfertigten - auch moralisch nicht.

        Da können Sie so viel relativieren und dekonstruieren, wie Sie wollen.

        • @Suryo:

          Eine Behauptung ist kein Argument; aber von solchen Feinheiten abgesehen, ist Ihre Einlassung auch keine Antwort auf meinen Beitrag - in dem ging es nämlich nicht um die Richtigkeit einer Position, sondern um die Motive der diese Vertretenden - dass diese beiden Aspekte gerne vermischt werden, ist ein Grundproblem unserer Zeit.

          • @O.F.:

            Dass man tatsächlich von der Moral der eigenen Ansicht überzeugt sein und diese Überzeugung das einzige Motiv sein könnte, gestehen Sie aber noch zu?

            • @Suryo:

              Herrschaftsideologie und -moral setzen gerade darauf, den Eigennutz zu verschleiern - auch und gerade vor den Handelnden selbst; aber um nicht zu skeptisch zu sein; ja, es gibt selbstlos handelnde Idealisten - wenn man diese (und das war der Streitpunkt!) nur auf der eigenen Seite sieht, verfällt man wieder in ziemlich simples Freund-/Feinddenken, das anderen keine lauteren Motive zugestehen kann.

              • @O.F.:

                Wenn ostdeutsche Demonstranten ukrainischen Flüchtlingen in aller Öffentlichkeit „ihr Schweine!“ ins Gesicht brüllen, muss ich das nicht in irgendeinen Herrschaftsdiskurs einordnen.

                • @Suryo:

                  Das wiederum ist kein Argument, sondern eine Unterstellung, die aus einer Anekdote eine Allgemeinaussage macht - im Grunde bestätigen Sie damit meine Diskurskritik...

                  • @O.F.:

                    Und Sie bestätigen meine Kritik an Ihrem Ansatz, jede noch so klare und eindeutige Situation wegdiskutieren zu wollen. Was finden Sie eigentlich unmoralisch?

                    • @Suryo:

                      Um es noch einmal deutlicher zu formulieren: ich finde es unmoralisch, ukrainische (oder auch andere) Flüchtlinge anzuschreien und zu beschimpfen. Meine Kritik galt der Pauschalisierung: nicht jeder Ostdeutsche, der eher prorussische Positionen hat (zumal diese Einordnung heute, hm, rasch, vorgenommen wird) ist ein pöbelnder Flüchtlingshasser, dem das Elend in der restlichen Welt egal ist, solange es billiges Gas bekommt - genauso wenig wie unsere westdeutschen Falken nur von reiner Güte getrieben werden. Der erste Schritt zu einer zivilisierten Diskussion ist die Einsicht, dass Andersdenkende nicht unbedingt moralisch schlecht sind, sondern einfach eine Situation anders einschätzen. Über diese Einschätzung kann man dann sachlich diskutieren.

                      • @O.F.:

                        P.S. Um meinen letzten Punkt mit einem persönlichen Beispiel zu unterstreichen: wir schaffen es doch auch, uns hier regelmäßig zu streiten, ohne uns gegenseitig als schlechte Menschen u.ä. darzustellen. Wieso sollte das bei anderen nicht genauso sein?

  • Vielleicht aus dem gleichen Grund, warum die Wessis noch immer am angeblichen Friedensgaranten und Heilsbringer USA festhalten? Sogar zusehen, wie sie Opfer eines Stellvertreterkrieges werden?

    • @Jan Knapp:

      die einfache Frage im Vergleich der Systeme ist: Möchte ich lieber im russischen Einflussgebiet leben oder lieber im amerikanischen?

    • @Jan Knapp:

      Frieden kann niemand von außen garantieren das kann nur die eigene Armee, aber Freiheit und Demokratie haben die USA in der BRD garantiert.



      Und Opfer einer Stellvertreterkrieges sind wir definitiv nicht. Es ist sowieso ziemlich umstritten ob ein Staat ein Proxy/Stellvertreter in einem Stellvertreterkrieg sein kann. War etwa UK 1940-41 Stellvertreter der USA in einem Stellvertreterkrieg gegen Nazi Deutschland, China Proxy in einem Stellvertreterkrieg gegen Japan? Staaten sind weitaus komplexer unf autarker als Gruppen wie die Donbas Republiken, Hezbollah oder die südlibanesische Armee wo man klassischerweise von Stellvertreterkriegen spricht.

      • @Machiavelli:

        Sie meinen, jedes Land agiert für sich in einem luftleeren Raum ohne Connections? Ich glaube, da müssen Sie noch mal nachlesen.

        • @Jan Knapp:

          Wessen Freiheit oder Sicherheit von jemand anderen garantiert werden muss, der hat keine. Natürlich existiert kein Land im Luftleeren Raum aber wessen Sicherheit von anderen abhängt der ist nicht frei.

    • @Jan Knapp:

      Immerhin garantiert das Bündnis mit den USA, dass die Russen nicht wagen die Nato anzugreifen. Es gibt immer unterschiedliche Stadien der Supermächte: Die Russen schlagen um sich, weil die keine mehr sind, die USA haben eine Phase der Bestätigung und die Chinesen sind noch nicht soweit.

    • @Jan Knapp:

      Genau!



      Der Stellvertreterkrieg findet nämlich in Deutschland statt, wenn DIE OSSIS mit ihrer Russlandkompetenz DIE WESSIS, die am Heilsbringer USA festhalten, belehren wollen und meinen, sich gegen die gefühlte Übermacht DER WESSIS wehren zu müssen.

    • @Jan Knapp:

      Glaube ich nicht. Mich als Zoni nerven die Westdeutschen einfach nur und das allumfassend. Aber die nerven ja nicht nur uns. Franzosen, Italiener, Ungarn, Griechen, Österreicher etc. nerven die ja auch mächtig. Wir befinden uns sozusagen in bester Gesellschaft. Ich frage mich so mal zwischendurch, wem die eigentlich nicht auf die Nerven gehen?

      • @Leningrad:

        "Mich als Zoni nerven die Westdeutschen einfach nur und das allumfassend. Aber die nerven ja nicht nur uns. Franzosen, Italiener, Ungarn, Griechen, Österreicher etc. nerven die ja auch mächtig."



        Ja, ja, das gegenseitige Bashing macht immer wieder Spass. Fragt sich wer, warum die mentale Trennung zwischen Ost und West weiterhin besteht?



        Zur Ihrer "Beweisführung" bezüglich der ausländischen Angenervtheit explizit durch Wessis: ich war sehr überrascht, dass beispielsweise in Indonesien die Leute sehr genau zwischen West- und Ostdeutschen zu unterscheiden wissen. Letztere sind recht unbeliebt, erstere nicht. Und was ist damit bewiesen? Genau. Nix.

      • @Leningrad:

        Glauben Sie wirklich das die Franzosen, Italiener, Ungarn, Griechen, Österreicher usw tatsächlich beim genervt sein einen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschen machen?

        • @Blechgesicht:

          Zonis können sich es weniger leisten, ins Ausland zu fahren. Deswegen ist die Zoni-Dichte im Ausland sehr gering. Quod erat demonstrandum.

      • @Leningrad:

        Wenn Sie mal genauer hinschauen, sind es DIE Deutschen (und nicht die Wessis oder Ossis), die unsere europäischen Nachbarn nerven … bzw. Sie müssten sich auch fragen, ob es denn wirklich so ist. Oder sind es vielleicht nur national(istisch)e Stereotypien, die den Deutschen zugeschrieben werden, genau so, wie leider auch nicht wenige Deutsche es im Verhältnis zu unseren polnischen Nachbarn halten.

    • @Jan Knapp:

      Dass Russland imperialistische Ziele völlig unabhängig von den USA haben könnten, ist einen wohl unbegreiflich oder?

      Stellvertreterkrieg? Für wen ist Russland eigentlich Stellvertreter?

    • @Jan Knapp:

      Einige Deutsche - Ossis wie Wessis - werden den USA nie verzeihen, dass sie Deutschland Freiheit und Demokratie gebracht und erhalten haben.

      • @Suryo:

        Grosse Worte und doch nichts als Narrative

        • @Jan Knapp:

          Wahrheit.

      • @Suryo:

        In erster Linie haben die Amis uns deren Wirtschaftssystem aufgedrängt. Mal in den 50ern im Geschichtsbuch blättern....

        • @Jan Knapp:

          Was meinen Sie damit? Deutschland war auch vorher schon kapitalistisch. Der Kapitalismus, den die USA "uns" aufgedrückt haben, unterschied sich vom vorherigen deutschen Wirtschaftssystem vor allem dadurch, dass Deutschland keine besetzten Länder mehr ausplündern konnte und sich nicht mehr Millionen Zwangsarbeiter für die deutschen Herrenmenschen zu Tode schuften mussten. Und das war auch gut so.

        • @Jan Knapp:

          Ja, die starken Gewerkschaften und die soziale Marktwirtschaft sind wirklich uramerikanisch.

          Vielleicht mal ein westdeutsches Geschichtsbuch aufschlagen und keines aus den 50ern der DDR.

        • @Jan Knapp:

          Deutschland hat eine andere Form des Kapitalismus als die USA, hatte den Kapitalismus schon davor, da wurde gar nichts aufgedrängt, aufgedrängt wurde dem Osten diese Form der Insolvenzverschleppung namens Sozialismus.

      • @Suryo:

        Das ist jetzt wirklich Quatsch. Aber eine USA, welche sich Demokratie und Freiheit auf die Fahne schreibt und sich auch sonst überlegen dünkt, wird natürlich mit anderen Maßstäben gemessen als andere. Und gerade weil die USA "uns" Nahe steht, ist die Enttäuschung umso größer, wenn die USA einmal wieder militärische Operationen zur Durchsetzung von Demokratie in einem souveränen Land durchführt.