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Völkerrechtler über Russlands Krieg„Das ist unsere Doppelmoral“

Warum unterstützen viele Länder des Globalen Südens die Sanktionen nicht? Völkerrechtler Kai Ambos meint, auch wegen Fehler des Westens.

Nicht durch internationales Recht gedeckt: Die Invasion des Irak im Jahr 2003 Foto: Ilkka Uimonen/Polaris/laif
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz am wochenende: Herr Ambos, in Ihrem neuen Buch vertreten Sie die These: Weil der Westen, angeführt von den USA, in Völkerrechtsfragen nicht glaubwürdig ist, erhält er global wenig Unterstützung für seine Ukrainepolitik. Woran machen Sie das fest?

Kai Ambos: Die UN-Generalversammlung hat zwar in dieser Woche eine neue Resolution gegen Russland verabschiedet, aber es haben immer noch 40 Staaten mit Nein gestimmt oder sich enthalten, darunter China, Indien und Südafrika. 143 Länder haben zwar mit Ja gestimmt, aber wenn es konkret wird, tragen davon nur etwa 40 unsere Ukrainepolitik aktiv mit – indem sie sich an Sanktionen, Waffenlieferungen oder Maßnahmen wie der internationalen Strafverfolgung beteiligen. Das ist die Nato plus ein paar andere Länder. Wie kommt das angesichts einer so flagranten Völkerrechtsverletzung, die permanent verschärft wird durch Landraub und jetzt durch massive Luftangriffe? Eine Ursache ist unsere Doppelmoral, die uns unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn wir eine regelbasierte Völkerrechtsordnung proklamieren.

Warum?

Es ist richtig, was der Westen sagt: Die russische Invasion in die Ukraine ist eine gravierende Völkerrechtsverletzung. Aber wenn man den Bruch von Normen beklagt, sogar skandalisiert, sollte man sich selbst an diese Normen halten. Der Westen tut das nicht immer.

An welchen Völkerrechtsbruch denken Sie konkret?

Zum einen an Verstöße gegen das Gewaltverbot wie die Invasion im Irak, die völkerrechtswidrig war, weil sie weder auf einer Resolution des UN-Sicherheitsrats beruhte, noch auf das Selbstverteidigungsrecht gestützt werden konnte. Dagegen hat sich Deutschland unter Ex-Kanzler Schröder bekanntlich ausgesprochen, insofern war das nicht der gesamte Westen. Daneben denke ich insbesondere an die extraterritorialen Hinrichtungen im Rahmen des sogenannten Kriegs gegen den Terror, zuletzt die Hinrichtung des Al-Qaida-Führers al-Zawahiri in Kabul durch eine US-Drohne. Gerade diese Hinrichtung, die Parallelen hat zur Exekution eines georgischen Dissidenten im Berliner Tiergarten, die zu einer Verurteilung wegen Mordes durch das Kammergericht Berlin geführt hat, zeigt doch die Doppelmoral. Sowohl Russland als auch die USA nehmen sich das Recht heraus, Menschen zu töten, die sie als Terroristen deklarieren.

Diese Völkerrechtsbrüche haben jeweils unterschiedliche Qualitäten. Der Sturz eines Diktators ist ein anderes Motiv als die Annexion ganzer Landesteile. Ein Top-Terrorist der al-Qaida ist etwas anderes als ein ausgedienter Milizenkommandeur wie das Mordopfer im Tiergarten.

Sie haben recht, es gibt graduelle Unterschiede und das räume ich auch im Buch ein. Prinzipiell macht es aber keinen Unterschied, sondern es kommt nur auf den Völkerrechtsbruch an sich an. Aus dieser Sicht sind unsere Völkerrechtsbrüche ebenso wenig akzeptabel wie die russischen.

taz am wochenende

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Sie haben selbst angesprochen, dass man zwischen den USA und dem Rest des Westens differenzieren muss. Kann in dem Sinne nicht Deutschland für sich in Anspruch nehmen, durchaus glaubwürdig für das Völkerrecht einzutreten?

Vor dem 24. Februar 2022 gab es noch Situationen, in denen es zu Diskussionen innerhalb des Bündnisses kam. Neben dem Irakkrieg gab es den Fall Libyen, in dem Guido Westerwelle als Außenminister einen Militäreinsatz abgelehnt hat. Da wurden diese Streitigkeiten, wie man so schön sagt, unter Freunden offen ausgetragen. Jetzt aber sehen wir – und das ist besonders erstaunlich bei einer grünen Außenministerin – totales Schweigen bei flagranten Völkerrechtsverletzungen. Im Gegenteil, in einer Rede vor einer US-amerikanischen Universität lobte Frau Baerbock die USA gerade erst als Vorbild in der Einhaltung des Völkerrechts. Und zur Tötung von Herrn al-Zawahiri haben Sie keinen einzigen Politiker dieser Bundesregierung gehört. Es muss doch möglich sein, dass man zumindest diplomatisch Bedenken äußert!

Schweigen bedeutet nicht unbedingt Zustimmung.

Dann nehmen wir die gerade genehmigten Rüstungsexporte an die saudische Koalition im Jemenkrieg. Das ist absolut heuchlerisch: Wir liefern diesen Staaten Waffen für einen jahrelangen Krieg, in dem flächendeckend Kriegsverbrechen begangen werden.

Was macht Sie sicher, dass der westliche Ukrainekurs gerade wegen solcher Punkte keine uneingeschränkte Unterstützung findet? Denkbar sind auch andere Motive.

Natürlich, ein anderes ist die koloniale Vergangenheit. Die Russen spielen extrem elegant mit der Karte, dass die Sowjetunion den antikolonialen Befreiungskampf dieser Länder unterstützt hat, während wir zum Teil als Kolonialmächte die Unabhängigkeitsbestrebungen gebremst haben.

Kolonialismus und Völkerrechtsbrüche gab es auch in Russland.

Russland ist natürlich eine imperiale Macht wie die USA und war es historisch auch immer. Insofern ist die Betrachtung eines Landes wie Südafrika, das sagt, die Russen haben uns im Kampf gegen die Apartheid unterstützt und deshalb können wir nicht gegen sie stimmen, auch eine nostalgische Verklärung. Umso erstaunlicher ist es, dass sich solche Staaten dem Westen noch nicht mal auf Ebene eines Votums im UN-Sicherheitsrat oder der UN-Generalversammlung anschließen.

Könnte das nicht auch an schnöden Gründen wie wirtschaftlichen Abhängigkeiten liegen?

Ja, es gibt natürlich noch weitere Faktoren. Es gibt autoritäre Regime, die von Russland unterstützt werden. Nehmen Sie zum Beispiel Venezuela, nehmen Sie gewisse Regime in Afrika wie Eritrea. Trotzdem müssen wir uns überlegen, wieso es nicht gelingt, mehr als 40 Staaten hinter die Sanktionspolitik zu bekommen. Mich stört in diesem Zusammenhang übrigens immer sehr das Narrativ von der internationalen Gemeinschaft, die Russland geschlossen isoliert habe. Das ist eine permanente Beleidigung des Globalen Südens, der eben nicht geschlossen dabei ist. Wir sind weder die Welt noch die internationale Gemeinschaft.

Was könnte der Westen tun, um seine Glaubwürdigkeit wieder aufzubauen? Der Irakkrieg lässt sich ja nicht ungeschehen machen.

Das ist die Millionenfrage: Können Staaten wie Deutschland doch stärker auf Konsistenz im Völkerrecht drängen? Ein Anfang könnte wie gesagt sein, dass man sich zu den extralegalen Hinrichtungen positioniert. Es könnte für die Bundesregierung zugegebenermaßen realpolitisch schwierig sein, sie zu verurteilen; trotzdem erhöht es unsere Glaubwürdigkeit. Mittel- und langfristig müssen wir als Europäer natürlich eine größere Autonomie gegenüber den USA, auch auf militärischer Ebene, gewinnen. Auch insoweit ist der Ukrainekrieg sicherlich ein Rückschritt.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie für die Unterstützung der Ukraine? Halten Sie die für richtig, auch wenn sich der Westen nicht konsistent verhält?

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin skeptisch, wenn immer wieder nach mehr Waffen gerufen wird und diese bedingungslos geliefert werden. Erstens wissen wir nicht, in welche Hände diese Waffen einmal geraten werden. Zweitens müssen wir überlegen, ob es an irgendeinem Punkt nicht doch eine moralische Pflicht gibt und es auch politisch sinnvoll sein kann, in Verhandlungen zu treten. Dieser Krieg kann nicht ewig weitergehen. Irgendwann werden die Kosten auch und gerade für die Ukraine in Form von menschlichen Opfern und sonstigen Schäden vielleicht zu groß, und die Eskalationsgefahr ist nicht mehr beherrschbar. Verhandeln heißt ja auch nicht kapitulieren, sondern kann das Ergebnis einer rationalen Abwägung sein.

Im Moment sieht es weder nach einem solchen Meinungsumschwung in der Ukraine, noch nach einer solchen militärischen Überlegenheit Russlands aus.

Ich bin kein Militärexperte, aber letztendlich ist alles sehr hypothetisch und wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln. Es ist mir natürlich bewusst, dass eine nukleare Drohung Erpressungspotenzial hat, aber ich denke, man muss eine Gesamtabwägung vornehmen und auch strategisch denken.

Wäre das Völkerrecht nicht erst recht beschädigt, wenn Russland in einem Verhandlungsfrieden beispielsweise seinen Zugriff auf die Krim behielte, für seine Völkerrechtsbrüche also noch belohnt wird?

Das würde ich auch so sehen. Natürlich darf man einen so massiven Normbruch nicht ex post facto in einem Friedensvertrag legalisieren und legitimieren. Man müsste eventuelle territoriale Konzessionen – die man machen muss, weil sie sich faktisch einfach nicht rückgängig machen lassen – so verklausuliert formulieren, dass sich daraus keine Rechtswirkungen ergeben. In solchen Situationen kommt dann die Kunst des diplomatischen Formulierens zu seiner vollen Geltung.

Halten Sie es für möglich, dass sich Wladimir Putin für seine Verbrechen in der Ukraine irgendwann vor einem Gericht verantworten muss?

Das Gericht mit der größten Legitimität wäre der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Wenn dieser eines Tages einen Haftbefehl gegen Herrn Putin ausstellen sollte, stellt sich die Frage, wer ihn effektiv festnehmen kann. Solange er in Russland regiert, wird das kaum möglich sein. Man müsste ihn ja in einer Art Kommandooperation – wie damals Adolf Eichmann durch den Mossad in Argentinien – aus dem Kreml entführen. Das ist nicht realistisch und auch völkerrechtlich nicht unproblematisch. Also bleibt uns nur die Hoffnung auf einen Regime Change.

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64 Kommentare

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  • Das ist doch eben mein Kritikpunkt an die das Interview welches ins Leere führt weil die beiden zu sehr von moralisch identitären Erklärungsmodelle ausgehen und wirtschaftliche Aspekte ausblenden.



    Das ist doch gerade zu unprofessionell, wenn wir uns doch alle im "Kapitalismus" oder der "sozialen Marktwirtschaft" befinden.

  • Leider läuft das Interview ins leere und Kai Ambos und Tobias Schulze bleiben scheinbar als interessierte Beobachter auf der Strecke ohne eine Vorstellung davon was wirklich zu tun wäre.

    „Russland ist natürlich eine imperiale Macht wie die USA“

    Nichts neues aber langsam überzeugt der gängige identitäre Erklärungsansatz mit „Osten“ gegen „Westen“ auch eben deswegen nicht mehr.



    Wenn konservative und neoliberale Kräfte sowohl in Russland wie auch bei den Republikanern in den USA oder in Brasilien, Frankreich, Schweden, Italien, Ungarn, Polen Pakten schließen mit Superreiche, Oligarchen und Autokraten dann agieren sie eben zusammen in Ost UND West und das Bild von „Osten“ gegen „Westen“ kann dann nicht zu den Tatsachen passen und deswegen bleibt Kai Ambos ratlos wenn es zu Antworten und Lösungsansätze kommt.



    Scheinbar reproduziert er sogar weiter hin die identitäre Vorstellung von „Osten“ gegen „Westen“.



    Wenn wir verfolgen können, wie Neoliberale, Superreiche, Oligarchen und Autokraten (in Ost und West) gemeinsame Macht- und Geldinteressen verfolgen aber gleichzeitig die vielen Menschen (außerhalb der Eliten) in „Osten“ und Westen“ glauben lassen wollen, dass es um einen identitären Konflikt geht welcher auf Lügen und Betrug in der Vergangenheit basiert, dann müssen wir doch langsam hellhörig und kritisch werden.



    Die Konfliktline läuft eben nicht nur über die Identifikation der Menschen mit Osten oder Westen sondern mindestens genau so sehr über wirtschaftlichen Interessen um die soziale Ungleichheit aufrechtzuhalten, sowie an Waffen- und Kriegswirtschaft.

    Die Lösung heisst Umverteilung von Macht und Resourrcen.



    Das stabilisiert die Gesellschaften nachhaltig und minimiert Konfliktpotenziale.



    Definitiv auch nichts neues aber scheint hier etwas in Vergessenheiten geraten zu sein.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Leider etwas am Text dran vorbei. Es geht hier nicht um freie Außenwirtschaft oder wer mit wem Geschäfte macht, um sein Vermögen oder seine Macht zu vermehren, denn da erzählen auch Sie nichts Neues. Sondern es geht um moralische Positionen und das Bewerten, das Be/Verurteilen gemessen mit doppelten Standards und für daraus resultierende, politische Glaubwürdigkeit in der eigenen Inszenierung des "Guten und Rechtschaffenen"!

      • @Edda:

        An Edda. Das ist doch eben mein Kritikpunkt an das Interview welches ins Leere führt weil die beiden zu sehr von moralisch identitären Erklärungsmodelle ausgehen und wirtschaftliche Aspekte ausblenden.

        Das ist doch gerade zu unprofessionell, wenn wir uns doch alle im "Kapitalismus" oder der "sozialen Marktwirtschaft" befinden.

  • Die Angelsachsen waren schon immer gegen eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Westeuropa und Russland."

    Wenn man sich die bisherige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland anschaut:

    www.bpb.de/kurz-kn...itler-stalin-pakt/

  • Der Kommentar wurde entfernt.

    Unsere Netiquette können Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette

    Die Moderation

  • Na da hoffe ich mal, dass die Interviewpartner die nächsten Tage beruflich und medial überleben. Denn dass, was da benannt wird, lässt sich zwar ganz einfach beobachten, entspricht aber ganz und gar nicht dem, was wir jeden Tag stundenlang um Ohren und Augen bekommen. Es hätte nur noch gefehlt, man hätte darauf hingewiesen, dass dieser Kampf Westen gegen die Sowjetunion und Russland bereits über 70 Jahre alt ist und unterschiedliche Entwicklungsphasen kannte. Oder dass die akute Phase wenigstens eine 20-j. Geschichte hat. Die Angelsachsen waren schon immer gegen eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Westeuropa und Russland. Russlands Bodenschätze + europäische Technologie und die USA hätten einpacken können. Der Hegemon unterlässt alles, was diesen Krieg beenden könnte. Die USA lehnen Verhandlungen ab, das fordert jetzt auch Selenskyj, wie es die USA wollen, die großen Sieger dieses Gemetzels. Und Putin, der narzistische Oligarch, ist in die ausgelegte Falle getrampelt. Den Chinesen zittern schon die Knie. Sie müssen sich selbst und der Welt Stärke beweisen, wie unlängst. Sie sind die nächsten, die fallen werden - aber das kann sich ziehen...

    • @Zelter:

      Demokratie ist eben nichts für Feiglinge?

      • @Pepi:

        Leider bietet die "real existierende Demokratie" und ihre Auswüchse wenig Anlass zur Überheblichkeit gegenüber anderen gesellschaftlichen Konzepten, bei den Nackenschlägen, die sie regelmäßig hinnehmen muss. Bei allem was sich an politischen, wirtschaftlichen und medialen Vorgängen beobachten lässt, sollte man immer die Frage stellen: Wem nützt und dient was? Das Ergebnis ist keine Auszeichnung für die Demokratie, schon gar nicht die Parteiendemokratie sondern sehr viel Ernüchterung. Beachtlich, wer unter dessen Mantel noch "Volksherrschaft" zu erkennen vermag.

        • @Zelter:

          Ja, ja bei zu viel Genuss v RT-Pravda kann man schon mal vergessen wer hier gerade metzelt, nicht wahr?

  • Das machen Sie wo fest? Die Geschichte spricht nicht dafür. Und auch wenn es so wäre, sind wir nicht die Guten.

  • Es sagt doch schon alles über unsere moralische Position, dass der Interviewer gleich mehrfach quasi Whataboutisms ins Gespräch werfen musste, um unser Verhalten der letzten 20 Jahre wenigstens ein wenig "geradlinig" zu drechseln.

    Und es ist ziemlich frustrierend, wie wenig H. Ambos davon übrig gelassen hat. Wer gehört schon gerne zu einem moralischen Wendehals als Staat. Ich nicht.

    Hat aber alles nichts genutzt. Wir sind nicht einfach "die Guten".

    • @Sonntagssegler:

      Wir sind vielleicht nicht die Guten, aber im Vergleich mit Russland sind wir nun mal die Besseren.

      • @Suryo:

        In Baghdad, Kabul oder Gaza dürfte man anderer Meinung sein; das Problem an dieser moralischen Selbstverklärung ist nicht nur, dass sie ausblendet, dass die Anderen ebenso von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt sind, sondern auch, dass man "den Westen" eben nicht nur mit Blick auf die Zentren beurteilen kann, ohne die soziale und geographische Peripherie zu betrachten. Es gibt in jedem System und jeder Weltordnung Gewinner und Verlierer, Profiteure und Ausgebeutete. Und die Gewinner und Profiteure neigen dazu, die Verlierer und Ausgebeuteten nicht zu sehen (wie bei Brecht: die im Dunkeln sieht man nicht...). Im Moment klopft sich hier der saturierte Mittelstand auf die Schultern und freut sich darüber, wie gut alles funktioniert - und blendet aus, dass sein Wohlstand auf dem Rücken anderer erwirtschaftet und mit Armut und Krieg bezahlt wird. Diese partielle Blindheit ist nicht nur ein moralisches Problem; sie schadet auch ganz konkret unseren Interessen, weil wir nicht verstehen, warum ein nicht unerheblicher Teil der Weltbevölkerung lieber mit Russland oder China sympathisiert. Wir stolpern über unsere eigene Arroganz.

        • @O.F.:

          134 Staaten haben in der Generalversamlung gg den russischen Angriffskrieg gestimmt. Eine weitaus größere Legitimität als sie vom Sicherheitsrat zu haben ist. Hat übrigens Russland da schon nach einer Zustimmung für seinen Krieg gefragt? Wir halten also fest Russland kann keine rechtliche und keine moralische Legitimität für sich beanspruchen. Alles weitere Räsonieren über irgendeine alternative Auffassung und Moral die im Widerspruch zur Mehrheitsmeinung des Westens stünde erübrigt sich doch damit.

        • @O.F.:

          Doch, wir sind besser als Russland. Auch und gerade moralisch.

          • @Suryo:

            Warum das so nicht stimmt, habe ich oben bereits erklärt (Sie müssen immer fragen, für wen ein bestimmer Staat und seine Politik besser ist, statt sich hinter einem kollektiven "wir" zu verstecken); aber davon einmal abgesehen: finden Sie nicht, dass dieses Postulieren deutscher Überlegenheit einen ganz üblen Beigeschmack hat?

            • @O.F.:

              Sie haben mich bisher nicht durch Ihren Totalrelativismus überzeugen können, und Sie werden es auch in Zukunft nie tun.

              Wenn alles relativ ist, gibt es auch kein Problem damit, anderen unsere Werte aufzuzwingen. Sie argumentieren sich selbst ins Aus.

              • @Suryo:

                Ich vertrete weder einen "Totalrelativismus" (sondern bestenfalls einen moderaten Historismus), noch habe ich mich ins Aus argumentiert; aus der banalen Einsicht, dass es verschiedene, irreduzible Ethiken gibt, folgt schlichtweg nicht, dass die Vertreter einer möglichen Position diejenigen aller anderen unterwerfen dürfen - schon allein deshalb nicht, weil das an machtpolitischen Realitäten scheitert (Sie erinnern sich - ich verweise gerne darauf, dass wir uns mit unserer Arroganz selbst schaden); die Frage ist vielmehr, wie man mit einer nun einmal bestehenden Pluralität umgeht, möglichst ohne einen Weltkrieg auszulösen.



                Aber um Fragen von Moralbegründung und Weltethos geht es ohnehin nicht; Aussage wie "wir sind besser als Russland" sind einfach plumper Nationalismus mit einer unappetitlichen Vorgeschichte.

                • @O.F.:

                  wenn es also doch nicht um Ethik und Moral geht oder Pluralität im Sinne v Respekt für unterschiedliche kulturelle Auffassungen, also Geschmacksfragen, sondern um die blanke Machtfrage dann können Sie diese Girlanden ja zukünftig aus ihren Argumentationen streichen. Und das Russland oder China jetzt die Retter der vom Westen für unseren Wohlstand ausgebeuteten sein sollen...so wie in Syrien u d Ukraine, wie?... Sagen Sie einfach Russland hat auch einen Anspruch auf einen Teil des Kuchens, auf noch mehr Territorium, auch gegen den Willen der Bevölkerung, notfalls mit Hauen und Stechen. Wer das kritisiert ist also arrogant und folgt einem unappetitlichen Nationalismus? Man muss zwar bereit sein einen irreduzibel riesigen Haufen crottes zu goutieren und behaupten es wär' Schokopudding mit Sahne, um das zu glauben, aber gut, jeder nach seinem Geschmack.

          • @Suryo:

            Das Moral-Argument ist äußerst schwach, wenn es um geopolitische Interessen geht … und das wissen Sie auch.

    • @Sonntagssegler:

      Und daraus folgt nun was? Dass man dem russischen Feldzug applaudiert weil man selbst ja auch keine zu 100% blütenreine Weste vorzuweisen hat? Oder vielleicht doch eher, dass man trotzdem an dem was grundsätzlich richtig ist festhält und versucht aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Wobei auch die Frage erlaubt sein muss ob die Welt eine bessere wäre, wenn man einem Genozid auf dem Balkan tatenlos zugesehen hätte, im Irak noch immer Saddam und Chemi-Ali an der Macht wären und in Afghanisten die Taliban ihre Herrschaft seit ´96 hätten konsolidieren können?

      • @Ingo Bernable:

        》...ob die Welt eine bessere wäre, wenn man einem Genozid auf dem Balkan tatenlos zugesehen hätte《, und weiter unten:

        》Bei Kriegsverbrechen oder einem Genozid untätig zu bleiben weil einem Eingreifen völkerrechtliche Regelungen oder ein Veto im Sicherheitsrat entgegenstehen《

        Lesen Sie doch mal den Artikel von Zumach hier is.gd/r47AhL !

        》Bis heute versuchen die Nato-Staaten, ihren Völkerrechtsbruch mit der Behauptung zu rechtfertigen, der Krieg sei "unvermeidbar" gewesen als "humanitäre Intervention" zur Unterbindung der - ohne Frage schwerwiegenden - serbischen Menschenrechtsverletzungen gegen die Albaner im Kosovo.

        "Unvermeidbar", nachdem ein "gemeinsames Vorgehen der UNO" an der Veto-Drohung Russlands im Sicherheitsrat gescheitert sei. Selbst wenn es diese Veto-Drohung tatsächlich gegeben hätte, wäre daraus kein Recht der Nato zur Kriegsführung ohne Mandat des Sicherheitsrates erwachsen. Doch es gab diese Veto-Drohung nicht. Stattdessen wurde Russland von der Nato vor vollendete Tatsachen gestellt.

        Am 23. September 1998 verlangte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1199 einen umgehenden Waffenstillstand im Kosovo, den sofortigen Rückzug von jugoslawischen und serbischen Einheiten, die zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung eingesetzt wurden, freien Zugang für humanitäre Organisationen sowie die uneingeschränkte Zusammenarbeit der Regierung Slobodan Milosevic mit dem UN-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag. Russland stimmte dieser Resolution zu und war durchaus bereit, im Sicherheitsrat weitere Zwangsmaßnahmen gegen Belgrad zu beschließen, sollte die Regierung Milosevic die Forderungen der Resolution 1199 nicht erfüllen - notfalls bis hin zu militärischen Maßnahmen mit UN-Streitkräften. Allerdings lehnte Russland die Forderung der drei ständigen Westmächte im Sicherheitsrat [...] ab, bereits in dieser Resolution eine Klausel aufzunehmen, die ohne eine weitere Beratung und Beschlussfassung des Rates zum militärischen Vorgehen ermächtigt hätte《

        • @ke1ner:

          Gibt ihnen nicht irgendwie zu denken, dass sie ein ein Vierteljahrhundert altes Beispiel bemühen müssen um zu 'beweisen' dass es mit Sicherheitsrat und Völkerrecht kein Proble gibt? Wo waren die entsprechenden Entschließungen zu Eichmann, zu Saddam, den Taliban, ...? Wo sind sie aktuell zu Tigray, zum Jemen, zu Xinjiang, ... ?

  • Wie kann man den Krieg gegen Al Qaida mit der Ermordung eines Dissidenten vergleichen wollen?



    Ist es nicht so, das Putin gewaltige Preisrabatte bei Öl und Gas für „wohlmeinende“ Kunden gibt (Doppelmoral!!!)?

    • @alterego:

      Antwort erste Frage: Weil beides illegale Handlungen gegen nicht nur das Völkerrecht sind.

      Zweite Frage: Das ist ganz normale Geschäftspraxis. Gute Kunden bekommen Vorzugsbehandlung. Ansonsten ist das eine Angelegenheit zwischen Anbieter und Kunde. Stichwort "Freie Marktwirtschaft", der Wertekern der marktgerechten Demokratie!Sie sind doch hoffentlich kein Antidemokrat? ;-)



      Ansonsten weiß ich auch nicht was das Völkerrecht damit zu tun hat.

    • @alterego:

      Wie kann man die massenhafte Ermordnung von Menschen ohne Gerichtsverfahren (darunter auch Vertreter anderer Staaten auf offiziellen diplomatischen Missionen) als "Krieg gegen Al Quaida" verharmlosen?

    • @alterego:

      Zur Doppelmoral ist immer nur der Westen fähig. Und wenn er sie aufgibt, dann wird alles gut, denn andere Länder („der globale Süden“) würden natürlich sofort aufhören, ihrerseits Böses zu tun, wenn der Westen nur mit gutem, moralisch widerspruchsfreien Vorbild voranginge.

      • @Suryo:

        Haben Sie denn einen besseren Vorschlag, um Schurken zum Besseren zu bekehren? Bomben werfen und Drohnen schicken?

        • @Abdurchdiemitte:

          Ich glaube, man wird keinen Dikzatoren von irgendetwas überzeugen. Im gegenteil: gäbe es auch nicht mehr den kleinsten Rest westlicher Doppelmoral, würde nur die Doppelmoral und Heuchelei des "globalen Südens" offenbar. Denn natürlich ist der Verweis auf westliche "Doppelmoral" sehr, sehr bequem für jeden Kriegsverbrecher und Diktatoren.

          Abgesehen davon, dass er speziell in Deutschland mit seinem ideologischen Reinheitswahn sehr gut als Mittel der Desinformation und Propaganda funktioniert.

        • @Abdurchdiemitte:

          In Hinblick auf Deutschland hat das mit der Waffengewalt gegen das Böse sehr gut geklappt.

  • ich teile die Ansichten des Autors Kai Ambos zu 100%.

    Zur bestmöglichen Lösung des Konflikts habe ich auch eine Vorstellung :

    angefangen mit beiderseitigem Kampf-Stop, Verhandlungen zum Frieden und gegenseitigen gutem Miteinander für eine gute gemeinsame Zukunft - dadurch könnte man das Leid und den Krieg schnellstens beenden.

    ich glaube auch fest an das Gute in jedem Menschen, wenn wir gemeinsam etwas mehr davon heraus lassen, können wir Alles verbessern.

    • @felix :

      Kann ich mir nicht vorstellen, dass so viele Länder Unstimmigkeiten im moralischen Handeln mit Nichtunterstützung eines Votums im UN-Sicherheitsrat bestrafen.



      Wenn Moral im Westen nur eine untergeodnete Rolle spielt, warum dann anderswo?



      Für warhrscheinlicher halte ich es, das die dem Westen attestierte Doppelmoral einfach als Druckmittel benutzt wird, um daraus irgendwelche Vorteile zu ziehen.



      Vielleicht denke ich aber zu schlecht von den Menschen.

      • @Onkel Heinz:

        Sie haben völlig recht.

        Der Rest der Welt würde sich keinen Deut besser verhalten, wenn "der" Westen moralisch widerspruchsfrei und ideal handelte.

        Man könnte ja fragen, warum z.B. sich Pakistan nicht an Island orientiert. Das ist bislang nicht besonders durch Ausbeutung, Auslandseinsätze und Co aufgefallen.

        Oder ist Island mittlerweile auch eines dieser von Grund auf heuchlerischen Westländer?

        Natürlich ist der Vorwurf der Doppelmoral selbst pure Heuchelei.

      • @Onkel Heinz:

        das schlechte Image hat der Westen unter anderem durch das Verhalten des Landes, das sich selbst an erster Stelle in der Welt sieht.

  • Die weitere Doppelmoral sehen wir auch bei den Menschenrechten:

    Die Grünen liefern Waffen an Saudi-Arabien, dass Frauen entrechten und zu jahrzehntelanger Hsft verurteilen lässt, Oppositionelle, aber auch Homosexuelle hinrichtet, im Jemen hunderttausende Tote verschuldet, u.a. mit Clustermunition, sich das Recht nimmt, seine Gegner weltweit zu verfolgen.

    "Feministische Außenpolitik", was für ein Euphemis, ja was für eine brutale Instrumentalisierung, wenn dieser Begriff weiterhin von denen verwandt wird, die das Gegenteil tun, wenn es ihnen opportun erscheint.



    Was bedeutet dies denn in letzter Konsequenz?

    Es bedeutet, dass die Frauen im Jemen keine vollwertigen Menschen sind. Wie sonst könnte man beides tun: Waffen liefern und sich auf Menschenrechte und Frauenrecht berufen?

    Ähnlich sieht es mit der Verschleppung von Menschen in Folterlager in Libyen aus, die von der EU mitfinanziert wird.

    Das ist enormes Leid, was dort den Menschen angetan wird, und eine Reihe werden auch getötet.

    Wie kann jemand, der solch eine Politik betreibt, weltweit für eine "wertebasierte Außenpolitik" werben?

    Was macht die Ukrainer:innen so anders, dass sie unsere Solidarität und die Geflüchteten nur das Meer oder das Folterlager bekommen, oder die Frauen des Jemen unsere Waffen, die sie töten?

    Es sind wohl vor allem eigene Machtinteressen, aber ich denke, es ist auch Rassismus.

    Es ist schlimm, wie weit die Grünen gegangen sind. Laut Spiegel sagt Frau Baerbock, sie liefere die Waffen, damit genug Geld für Sozialstaat in Deutschland da sei.

    Hier kann es nachgelesen werden:

    www.spiegel.de/pol...-8903-755a3e4fc49d

    Ich finde das abgründig. Andere sollen sterben, damit wir genug Geld für Sozialleistungen haben?

    Wer hätte gedacht, dass dies eine grüne Außenministerin äußern würde?

    Aber sie hat es getan und es wurde geklatscht.

  • "Der Sturz eines Diktators ist ein anderes Motiv als die Annexion ganzer Landesteile."



    Es ist nicht frei von Ironie, dass in einem Interview über westliche Doppelmoral ein allein geopolitischen Interessen geschuldeter, mit Lügen begründeter völkerrechtswidriger Angriffskrieg derart verniedlicht wird.

    • @O.F.:

      Den Opfern nützt diese Unterscheidung nämlich nichts. Und "der Sturz eines Diktators" führt häufig zu noch schlimmeren Zuständen, siehe Irak.

      • @resto:

        Also soll man Diktatoren Diktatoren sein lassen, statt sie zu stürzen? Ich sowohl über `45 wie auch über ´89 eigentlich ganz froh.

      • @resto:

        Zumal ich nicht weiß, ob ich in einer Welt leben möchte, in der man ohne UN-Mandat einfach per moralischer Selbstermächtigung in ein anderes Land einmarschieren kann - ein nicht unerheblicher Teil der kriegswilligen Kommentatoren versteht nicht recht, was ein Präzedenzfall ist und welche Folgen er haben kann.

  • Die Feststellung von Herr Schulze, "... Völkerrechtsbrüche haben jeweils unterschiedliche Qualitäten." ist aus der Sicht einer mit Doppelmoral geprägten Weltanschauung vielleicht verständlich, bestätigt jedoch die Sichtweise des globalen Südens, dass es tatsächlich im sogen. Wertewesten diese Doppelmoral gibt. Und die wiederum ist die Grundlage für eine Unterteilung der Welt in gute und böse auf der Basis moralischer Überhöhung, die Völkerrechtsverbrechen seitens der Natostaaten zu legitimieren versuchen. Iran oder Libyen wären gute Beispiele. Drohnenmorde, angeordnet durch US Präsidenten, also die nackte Selbstjustiz, sind ebenso zu beurteilen.



    Der Krieg in der Ukraine legt nicht nur die Heuchelei des Wertewestens frei, er bestätigt auch eine rassistisch geprägte Präferenz, wonach das Leben eines weißen Europäers wichtiger ist als das eines POC im Jemen oder anderswo auf der Welt. Insofern ist die moralische Überhöhung die Krücke, mit der die Doppelmoral lauffähig gemacht wird. Und so ist es auch möglich, den Bruch des Völkerrechts in unterschiedliche Qualitäten wie "halb so schlimm" oder "sehr schlimm" einzuteilen. Es ist beruhigend, dass immer mehr Länder sich dieser Doppelmoral nicht anschließen wollen. Für den Wertewesten zeichnet sich am Horizont eine ganz andere Zeitenwende ab. Und es ist zu befürchten, dass der Wertewesten wieder in militärischen Kategorien denkt und handelt. Die USA bereiten ja die Welt auch mit deutscher Hilfe auf den nächsten großen Konflikt vor. Und der heißt China. Womöglich wird damit das Ende der Welt eingeleitet.

    • @Rolf B.:

      Wer das Wort Wertewesten nutzt, hat sich schon für jede weitere Debatte disqualifiziert.

    • @Rolf B.:

      Ist das nun ein Argument für oder gegen die Einhaltung von Völkerrecht?

      • @Ingo Bernable:

        Es ist ein Argument dagegen das Völkerrecht für die Kaschierung eigener egoistischer machtpolitischer Zwecke zu benutzen.



        Das ist dann eben am Ende auch nichts anderes was bspw.Putin macht,nur mit anderen Begründungen. Und durch dadurch schwächt man nicht nur die eigene Glaubwürdigkeit ,sondern auch die aller Rechte und Werte, die man vorgibt zu vertreten.



        Und das auch meist tatsächlich glaubt,da man einen blinden Fleck für die eigenen Widersprüche hat. Was in meinen Augen das größte Problem ist.

  • Wie wäre denn - nach heutigem Völkerrecht - die Befreiung vom Nationalsozialismus einzuordnen? Hätten demnach die alliierten Truppen nicht an den ursprünglichen Grenzen des deutschen Reichs Halt machen und NSDAP und Holocaust als interne Angelegenheiten behandeln müssen?



    Wenn zwischen dem was ethisch geboten und dem was völkerrechtlich legal ist ein derart gewaltiger Abgrund klafft der ermöglicht, dass Völkermörder wie Hussein und selbst noch der Organisator des Holocaust Eichman sich vor Verfolgung sicher sein können, dann braucht es entweder eine Aktualisierung vom dem was Recht ist oder eben dessen Bruch.

    • @Ingo Bernable:

      "Hätten demnach die alliierten Truppen nicht an den ursprünglichen Grenzen des deutschen Reichs Halt machen und NSDAP und Holocaust als interne Angelegenheiten behandeln müssen?"

      Nein. Natürlich darf der Angegriffene auf das Territorium des Angreifers vorrücken, um den Angreifer zum Aufgeben zu zwingen.

      Immer wieder diese schrägen Vergleiche.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Interessant. Wo genau ist das geregelt? Zumindest in die UN-Charta ist da ja eigentlich sehr klar und sieht keine Ausnahmen für Angegriffene vor.

        • @Ingo Bernable:

          Wo steht denn in der UN Charta, dass man nicht auf das Territorium eines Angreifers vorrücken darf? Oder anders gefragt. Wo haben die Gründer der UNO (die Alliierten) festgelegt, dass sie falsch gehandelt haben?

    • @Ingo Bernable:

      Es ging in erster Linie darum den Angreifer Deutschland zu besiegen Die Befreiung vom Nationalsozialismus war, soweit es sich auf die Deutschen bezieht, bestenfalls zweitrangig.



      Hingegen wäre eine bessere Frage wie den der Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung zu werten ist.Das "Terrorbombing" war ja kein Kollateralschaden,sondern eine bewußte Strategie. War die "ethisch geboten"? Ich habe da große Zweifel. Zudem hat das auch nichts gebracht,der Widerstandswille der Bevölkerung wurde nicht gebrochen ,sondern angestachelt.



      Sie plädieren doch am Ende für den die Mittel heiligen Zweck.Sich "böser" Mittel zu bedienen um "Gutes" zu erreichen.



      Abgesehen von dem Problem das sich alle für "die Guten" halten : Das ist bisher immer schief gegangen. Wenn man versucht die Todesstrafe dadurch abzuschaffen das man alle Befürworter hinrichtet,wird man selber zum Henker!

      • @Mustardmaster:

        "Sie plädieren doch am Ende für den die Mittel heiligen Zweck.Sich "böser" Mittel zu bedienen um "Gutes" zu erreichen."



        Ich bin jedenfalls der Meinung, dass es Dinge gibt bei denen Richtig und Falsch sehr klar und eindeutig unterscheidbar sind. Bei Kriegsverbrechen oder einem Genozid untätig zu bleiben weil einem Eingreifen völkerrechtliche Regelungen oder ein Veto im Sicherheitsrat entgegenstehen deutet wohl weniger auf Prinzipientreue hin als darauf jeglichen moralischen Kompass verloren zu haben.



        Die Antithese "das sich alle für "die Guten" halten" ist so simpel wie falsch. Selbstverständlich gibt es qualitative Unterschiede zwischen sagen wir einer von der UN nicht mandatierten Friedensmission und dem was etwa der NS, die Roten Khmer oder der IS taten.

    • @Ingo Bernable:

      Völkerrecht und UN wären ja eine ganz gute Basis wenn sich alle danach richten, und nicht so viel lügen würden.

      Wir brauchen mehr gutes Miteinander in der Welt, dann können wir Alles besser lösen - Hunger, Klima-Krisen, Kriege abschaffen usw.

  • Andererseits handeln diese Länder des globalen Südens dann ja auch nicht weniger bigott.

    • @Suryo:

      Nein, sie handeln nicht bigott.



      Andere Länder haben nun mal andere Sitten und Werte.



      Wenn es z.B. zu islamischen Gastfreundschaft gehört einen Menschen wie Osama Bin Laden Zuflucht zu gewähren & zu verstecken obwohl er nach eigenen Aussagen sich im Krieg mit den USA befindet ist für diese Länder ethisch geboten.

      Wenn die USA dagegen Afghanistan oder Pakistan bombardieren um Osama Bin Laden zu töten ist dies ein Verstoß gegen die moralischen Werte des Westens der zu Recht kritisiert wird.

  • Der „globale Süden“ ist bei uns vor allem eins: Ein Schlagwort, mit dem man eine Weltregion bezeichnet, die man als das Opfer des bösen Kapitalismus darstellen möchte damit man seinem eigenen „zivilen Ungehorsam“ das Feigenblatt altruistischer Motive umhängen kann. Dass in anderen Ländern eigene Kulturen gepflegt werden, die eigentlich nicht mit den eigenen politischen Zielen kompatibel sind, will man kaum wahrhaben. Klar hat der Westen auch Fehler gemacht. Aber man kann doch nicht alles auf den Westen zurückführen, weil man damit ja praktisch sämtliche nicht-westlichen Sichtweisen entwertet.

  • Herr Ambos stellt die ablehnende Haltung von Staaten des "globalen Südens" gegenüber "dem Westen" beinahe als Ausdruck eines emanzipatorischen Prozesses dieser Staaten da, Ansicht, die ich nicht teile. Gerade autoritäre Regierungen und Diktaturen in Lateinamerika, wie Nicaragua, Venezuela, und in afrikanischen Staaten, sowie die Extreme Rechte Europas (Orban, AFD, Malvini) bedienen die Darstelung Putins schon seit Langem, zum einen aus opportunistischen Gründen, zum andern aus ihrer prinzipiellen antiliberalen Haltung heraus. Dass sich die Bevölkerung dieser Staaten oft ebenfalls mit dem Autoritären, ja einer Diktatur identifiziert, hat oft, wie im Falle con El Salvador , mit der indtitutionellen Schwäche dieser Länder zu tun. Von daher sehe ich die distanzierte Haltung dieser Länder gegenüber den Sanktionen als Ausdruck eines politischen und kulturellen Kampfes zwischen Liberalismus und Autoritarismus.

    • @Rinaldo:

      Dass diese ablehnende Haltung von Teilen des Globalen Südens gegenüber den geopolitischen Interessen des Westens Ausdruck eines emanzipatorischen Prozesses sein soll, habe ich persönlich aus dem Interview mit Ambos eben nicht herausgelesen … es mag unterschiedliche Motive geben, dem Westen in der Unterstützung der Ukraine die Gefolgschaft zu versagen, aber der Aspekt der Doppelmoral ist definitiv einer davon. Und das hat übrigens nichts damit zu tun, ob es sich bei den die westliche Strategie kritisierenden Ländern um demokratisch astrein legitimierte Demokratien handelt oder nicht.



      Zu denken geben sollte einem schon der Umstand, dass der Westen so wenig konkrete Unterstützung für seine Politik in diesen Ländern generieren kann … auch bei jenen, die nun nicht unbedingt als Schurkenstaaten oder Putin-Verbündete gelten.

  • Das Völkerrecht wird ja seitens der Grünen, hier z.B. von Marieluise Beck taz.de/Die-Ukraine-und-wir/!5839857/ , noch krasser verdreht: 》... Vier Jahre später war das Kosovo dran. Wieder trat zunächst die OSZE auf den Plan. Unbewaffnet und als Beobachter. Sie zählten die auffahrenden Militärkolonnen aus Belgrad. Die ersten Trecks kosovarischer Flüchtlinge machte sich auf gen Süden nach Mazedonien. Das erste Massengrab wurde entdeckt. Die UNO hatte keinen Mechanismus zur Verhinderung eines erneuten Völkermords. Dieser offensichtliche Widerspruch wurde durch einseitiges Handeln der Nato aufgelöst. Völkerrechtlich nicht eindeutig legitimiert, gerechtfertigt durch die Überzeugung, dass es geboten ist, einen möglichen Völkermord zu verhindern《

    in einem Beitrag vom März diesen Jahres, der ihrer Forderung nach mehr Solidarität für die Ukraine begründen sollte.

    》Völkerrechtlich nicht eindeutig legitimiert《 ist unhaltbar.

    》Mit ihrem Krieg gegen Jugoslawien ohne UN-Mandat haben die Nato-Staaten das Völkerrecht gebrochen und dabei die Öffentlichkeit manipuliert《 (Andreas Zumach, schlüssig hier in der Taz taz.de/Zehn-Jahre-Kosovokrieg/!5165840/ (2009))

    • @ke1ner:

      Aus welcher Ecke Marieluise Beck und Ralf Fücks kommen, ist ja hinlänglich bekannt … ein sehr gutes Beispiel für transatlantischen Lobbyismus.



      Aber eines muss man den beiden lassen: innerhalb der grünen Partei waren sie damit außerordentlich erfolgreich. Immer diskret im Hintergrund und die Baerbocks und Hofreiters vorschicken … das kann man von den Putin-Trollen nun nicht gerade behaupten.



      Aber einer reitet uns halt immer, entweder Gott oder der Teufel, wie mein seliger Großvater zu sagen pflegte.

    • @ke1ner:

      Russland Imperialismus vorwerfen und selbst mit EU und NATO bis Russland und um Russland ausbreiten, entgegen der getroffenen Abmachungen zum Ende der Sowjetunion - ist auch nicht gleiches Recht für Alle.

      • @felix :

        NATO und EU handeln eben nicht imperial. In der EU ist all zu oft Einstimmigkeit erforderlich und auch in der NATO gibt's neben Beistand keine Kampfverpflichtung. Die Türkei dürfte das einzige Land in EU/NATO sein mit imperialen/hegemonialen Ansprüchen. EU/NATO dehnt sich auch nicht nach Russland aus, sondern Nachbarn Russlands und eben auch ehemalige Wahrschauer Pakt- und Sowjet-Länder treten aus freien Stücken bei. Polen und Ungarn sind aktuelle Beispiele, daß selbst innerhalb der Vereinigungen weit reichender Dissenz möglich ist. Aber vielleicht gelingt es Russland ja mit Ungarn, ein bislang anderweitig gebundenes Land aus freien Stücken an sich zu binden, sodaß es sich das aus seinen bisherigen Vereinigungen löst.

      • @felix :

        Es gab keine Abmachungen mit Russland. Auch wenn Jelzin das als Ergebnis behauptet hat...

        • @R R:

          ich habe die Abmachungen als politisch gereifter Mensch miterlebt, damals auch darüber gelesen, später wurde vom Westen nur noch bestätigt, "es gibt dazu nichts schriftliches".

  • Da hat der gute Mann nicht unrecht. Seien wir doch ehrlich: Völkerrecht interessiert den "Westen" vor allem, wenn andere es brechen und Menschenrechtsverbrechen besonders, wenn sie auf Rohstoffen stattfinden.