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Grüner Radexperte über höhere Bußgelder„Das rufen wir wieder auf“

Die Verkehrsminister haben sich auf höhere Bußgelder für Ra­se­r geeinigt. Ein Kompromiss mit Makel, sagt Stefan Gelbhaar, Radexperte der grünen Bundestagsfraktion.

Gibt's jetzt öfter mal einen hohen Strafzettel? Blitzer in Düsseldorf Foto: Michael Gstettenbauer/imago
Anja Krüger
Interview von Anja Krüger

taz: Herr Gelbhaar, die Verkehrsministerkonferenz hat sich nach langem Hin und Her auf die Novelle der Straßenverkehrsordnung geeinigt. Wer in der Tempo-30-Zone 51 fährt oder außerorts 35 Stundenkilometer zu schnell ist, bekommt den Führerschein jetzt doch nicht abgenommen. War der Kompromiss das wert?

Stefan Gelbhaar: Das ist ein Makel, klar. Dieser Kompromiss enthält dennoch längst überfällige Verbesserungen. Wir haben gesehen, dass sich die Union in Sachen Fahrverboten nicht weiter bewegen wird. Das Thema rufen wir in der nächsten Legislaturperiode wieder auf.

Reiche können sich also weiterhin Rasen erlauben, ohne sanktioniert zu werden?

Bei ganz massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen gibt es schon jetzt Fahrverbote und Führerscheinentzug. Dass insbesondere das Scharfstellen innerorts nicht erfolgt, bleibt ein fataler Fehler der Reform. Verkehrsminister Andreas Scheuer hat sich ernsthaft fürs Rasen in Städten stark macht. Als Verkehrsminister! Er hat nicht sagt: `Das will ich unterbinden`. Das wird nicht vergessen. Denn das bedeutet: 55 km/h vor Kita oder Schule – das kostet nur Geld, aber nicht die Fahrerlaubnis. Mit allen Folgen, die daraus resultieren.

Im Interview: Stefan Gelbhaar

Jahrgang 1976, ist Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr der grünen Bundestagsfraktion.

Warum blockieren die Grünen die Reform nicht?

Wir haben Unterstützung und Rückenwind aus der Zivilgesellschaft mit der Botschaft bekommen: Wir brauchen höhere Bußgelder. Dafür gab es Petitionen mit Tausenden Unterschriften. Wir Grüne hatten noch mehr Punkte, wie etwa die schärferen Fahrverbote für Raserinnen und Raser. Da konnten wir uns nicht durchsetzen. Dafür an anderen Punkten. Zum Beispiel: Wer beim Abbiegen zu schnell fährt und andere damit gefährdet, dem droht künftig ein Fahrverbot. Die Neuerung folgt aus dem Druck unserer Forderung nach Verkehrssicherheitszonen, in die Lkw nur mit Abbiegeassistent fahren dürfen. Das sind Geräte, die Alarm schlagen, wenn sich eine Person im sogenannten toten Winkel befindet.

Wer innerorts 20 Stundenkilometer zu schnell fährt, zahlt künftig 70 statt 35 Euro, bei mehr als 20 Stundenkilometern außerorts sind 60 statt 30 Euro fällig. Hat das eine Steuerungswirkung?

Wir haben ganz viele Bußgelder, die die 50-Euro-Grenze überspringen. Das ist die Grenze, unter der Kommunen bei der Erhebung der Bußgelder bisher draufgezahlt und deshalb möglicherweise nicht so kontrolliert haben, wie es nötig wäre. Wir werden zu evaluieren haben, wie die Bußgelder wirken. Mit der Reform nähern wir uns dem europäischen Mittelfeld, und das ist erst mal nicht verkehrt. Ich gehe davon aus, dass sich mit der Novelle etwas ändert.

Wird Radfahren jetzt sicherer?

Die überhöhte Geschwindigkeit von Autos und das Falschparken gefährden Radfahrende sehr. Wenn wir dort mit den Bußgeldern eine Steuerungswirkung erzielen, wird das Radfahren sicherer. Und zwar nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv. Es wird mehr Menschen geben, die sich trauen, Rad zu fahren. Und auch das wird das Radfahren sicherer machen.

Parken auf Geh- und Radwegen kostet künftig 110 Euro. Schreckt das ab?

Ja, wenn engmaschig kontrolliert wird. Dann wird das zu Verhaltensänderungen führen. 110 Euro – das riskiert man nicht jeden Tag.

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18 Kommentare

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  • Ich halte absolut gar nichts von höheren Bußgeldern. Die oberen 5 % interessieren die überhaupt nicht, während Einkommensschwache, die vielleicht mal aus versehen ein Verkehrsschild übersehen haben, gewaltig zur Kasse gebeten werden. Das passiert halt wenn die "Öko-Partei" so verbonzt ist, dass sich von denen keiner mehr vorstellen kann, dass für manche Leute 100 € ne Menge Geld ist.



    Ich würde das Punktesystem deutlich ausweiten, indem man zwar insgesamt mehr Punkte haben kann, aber schon bei kleineren Verstößen Punkte bekommt. Auch sollte es schon früher zu vorübergehenden Fahrverboten kommen. Und wenn Bußgelder eingesetzt werden, dann immer als Tagessätze!

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Ja, wenn engmaschig kontrolliert wird."

    Das ist leider das Problem. Faktisch wird kaum jemand erwischt.

    Früher gab es in den Stasdtteilen eine Polizeidienststelle bei dem die Polizisten Streife gelaufen und nicht gefahren sind. Dort wurden dann gleich mal die Strafzettel verteilt.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Dem würde ich widersprechen. In manchen Bundesländern wie in M-V bekommen die Streifenpolizisten Prämien für das Erreichen einer bestimmten Anzahl von Bußgeldern. Letzteres führt dazu, dass im Alltag der Fokus auf die Verkehrsüberwachung und weniger auf die Verbechensbekämpfung gelegt wird. Da wundert man sich dann wie der einzige Einstzwagen der Polizei im Ort einen Handysünder jagt, während andere Bereiche völlig ungestört ihrem kriminellen Tagwerk nachgehen können. Bußgelder als Kassenfüller ist eben keine Lösung.

  • Verkehrsministerkonferenzen legen nur den Mindeststandard für die Bundesländer fest.

    Es gibt diverse Bundesländer in denen die Grünen schon seit Jahren l ja Jahrzehnten (Bremen) mitregieren und wo man immer noch an die im jeden Wahlkampf versprochene Umsetzung von Zielen wartet.

    Die Makel hätten die Grünen zumindest dort bereits längst beseitigen können. "Kopenhagen" hätte dort bereits vor Jahren realisiert werden können.



    Stattdessen nur Schuldzuweisungen und Stillstand auch in den grünen Bundesländern.

  • Wieder einmal freie Fahrt für unsere arme arme Autoindustrie, oder halt die Reichen für die selbst die 110€ Parkstrafe, oder die paar 60€ außerorts, einfach aus der Portokasse zu bezahlen sind.



    Wieso konnte man sich nicht darauf einigen wie in der Schweiz, sobald es über 20km/h geht, ist es ein Strafverfahren. Sprich die Kosten fürs zu schnelle Fahren ist das schon einmal einkommensabhängig.

    Ich kann mir richtig vorstellen wie manche auf den Tacho schauen und sagen werden, ahh hier bezahle ich nur 60€ 120€, so schnell kann ich noch fahren...

    Und die Fahrverbote müssten viel früher kommen, leider mit einer Union die geradezu für Daimler, BMW, VW, Porsche und Co. arbeiten, wird man sowas nie hinbekommen...

    Wird Zeit das der Mief aus der Regierung rauskommt.

  • Und was ist mit einer Strafe für die Leute, die aus einer untergeordneten Straße kommend, den Radweg der Hauptstraße zumachen, weil die erst hinter dem Vorfahrtsachtenschild auf eine Vorfahrt der Autos achten, die Vorfahrt des Radfahrers aber ignorieren? Durch so ein Verhalten werde ich täglich 1-3 mal gefährdet. Nur Vollbremsung oder waghalsige Ausweichmanöver auf die Hauptstraße bzw. Grünstreifen sind hier Mittel eine Kollision zu verhindern. Auch eine rote Färbung des Radweges hält diese Leute nicht davon ab, genau dort Ihre stinkende Blechkiste anzuhalten. Warum kann sich ein Teil der Verkehrsteilnehmer einfach nicht an die Regeln halten?

    • @Gostav:

      "Durch so ein Verhalten werde ich täglich 1-3 mal gefährdet. Nur Vollbremsung oder waghalsige Ausweichmanöver auf die Hauptstraße bzw. Grünstreifen sind hier Mittel eine Kollision zu verhindern."

      Sie scheinen das zu lieben und zu genießen.



      Ansonsten könnten Sie ja in solchen, täglich 1 bis 3 mal auftretenden, Situationen ja bißchen langsamer und vorsichtig fahren. Das Fahrrad ist keine Waffe mit der man sein Recht durchsetzt. Ich möchte Sie, ehrlich gesagt, nicht am Steuer eines Autos erleben.

  • Das Problem sind nicht die Grünen. Es ist die CDU/CSU mit ihren komischen Verkehrsministern und unser Verhalten und das Verhältnis zu Autos. Es gibt genügend Menschen die denken, dass ein gut gepflegtes Punktekonto in Flensburg zum guten Ton gehört.....

    • @pesetenpaule:

      Die Minister der CDU/DSU sind nicht nur komisch, die sind Lobbyisten, die die Interessen einer Branche vertreten. Das hat Julia Glöckner sogar offen gesagt. Wir können nur hoffen, dass die Wähler in September eine klare Entscheidung dagegen treffen.

  • Ich vermisse eine Führerscheinpflicht für Radfahrer. Radfahrer sind nicht per se die besseren Verkehrsteilnehmer.



    Zur Einordnung: Ich kenne beide Seiten. Zu meinen CVJM-Zeiten machten wir mit vollem Gepäck Tagesetappen von 200 km auf Torpedo Dreigang.

  • ich warte immer noch auf die bussgelder, definiert als fixer prozentsatz vom monatseinkommen, wie z.b. in finnland.



    das wollen aber cdu fdp spd sicher auch nicht.

  • Die erhöhten Bußgelder verlassen den Boden der Verhältnismäßigkeit. Da wird schon klar, wer sich in Zukunft noch das Autofahren leisten kann. Jetzt ist es an der Zeit, auch die Radfahrer für rücksichtsloses Fahren stärker zur Kasse zu bitten.

  • Der Entzug der Fahrerlaubnis ist eine brauchbare Maßnahme. Die Bußgeldhöhe nach Katalog ist lediglich eine Verstärkung der Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Ärmeren gegenüber den Reichen.

  • ganz erbärmlich, wie da oben dieser niederträchtige Kompromiss schön geredet wird. Das Fahrverbot als einzige Sanktion, die ein bisschen was bewirkt hätte, einfach so fallen zu lassen, nehme ich den Grünen wirklich übel. Hier wird buchstäblich über Leichen gegangen.

    • @guzman:

      Was heißt denn einfach so? Dann wäre es bis zur Bundestagswahl zu gar keiner Regelung gekommen. Danach werden die Karten neu gemischt.

  • Tschuldigung, wirklich Tschuldigung.

    Ich bin Münsteraner(=Westfale) und wir haben nur "Bordsteinwege" also Radwege auf dem Bürgersteig.



    Und die gesamte Stadt ist, abgesehen von ein paar engen Stichstraßen, 1A mit Radwegen versorgt.

    Trotzdem bekommt es ein signifikanter Teil Radfahrer nicht hin auch nur einen einzigen Meter verkehrsdeliktfrei Fahrrad zu fahren. Auf dem Gehweg, in falscher Richtung, ohne Licht, über rot, über den Zebrastreifen, in die Einbahnstraße(selbst verständlich falsch rum, welch abwegig frage....) usw usf.



    Gehweg sehr beliebt man legt sich schließlich in der falschen Richtung nicht mit seinen "Kumpels" an....

    Mir ist das Auto-Gebashe zu plump.



    Dafür das ich Radfahrer, als Fußgänger, für Verkehrsterroristen halte....

  • Es stimmt sicher, dass unter dem Gesichtspunkt Umweltverträglichkeit die Maßnahmen viel radikaler sein müssten. Aber die würden viele abschrecken - und die sind ebenso Wähler wie ein Herr Gelbhaar.