Jella Haase und die RAF: Fack ju Kapitalismus
Schauspielerin Jella Haase sprach in einem Interview über die RAF. Nun wird ihr eine Nähe zu dieser unterstellt. Doch das ist verkürzt.
Folgende Schlagzeile mag Sie überraschen, aber ich verspreche Ihnen, am Ende werden Sie verstehen. Jella Haase soll Grundgedanken der RAF teilen. Aber handeln wir zuerst ab, was geschah: Die Schauspielerin Haase, vielen bekannt durch den Kino-Erfolg „Fack ju Göhte“ oder das Drama „Kriegerin“ und inzwischen in Filmen wie der Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ zu bewundern, gab dem Magazin Zeit Verbrechen ein Interview.
Darin geht es um ihre eigenen Erfahrungen mit Kriminalität, um Jugendsünden und die neue Rolle als Linksautonome in ihrem aktuellen Streifen „Bis wir tot sind oder frei“. Haase erzählt von ihrer Kindheit in einem Bezirk mit hoher Verbrechensrate, von ihrer Überzeugung „Regeln und Gesetze zu übertreten, um Denkanstöße zu liefern und Veränderungen anzustoßen“ und über das Böse im Menschen an sich. Das Interview ist kurzweilig, die Antworten meist interessant, ein Promotermin der besseren Sorte.
Gegen Ende des Gesprächs wird die Schauspielerin gefragt, ob es Kriminelle gibt, die sie bewundert. Haase nennt die Graffiti-Crew 1UP, eine längst zum Synonym für Sprayer mit ideologischem Background mutierte Gruppe, die sich durch besonders waghalsige Aktionen und dazugehörige Videos weltweit einen Namen machte. So weit so gut, nichts was außerhalb eines Schrebergartens für Aufruhr sorgt.
Doch kurz darauf kommt der Teil, den die Springer-Presse aktuell zum Anlass nimmt, um Jella Haase eine skandalöse Nähe zur Rote Armee Fraktion zu attestieren: „Mich beschäftigt auch die RAF“, erklärt Haase. „Ich erarbeite einen Monolog, der auf ihren Texten basiert. Die RAF hat Menschen umgebracht, das darf und will ich nicht verharmlosen. Aber den Grundgedanken, die Kapitalismuskritik, den teile ich.“
Schlagzeile, die sitzt
Nun gut, könnte man denken: Die RAF hat ihren bewaffneten Kampf als die höchste Form des Marxismus-Leninismus begriffen. Wenn jemand also die Gewalt der RAF verdammt, als politisches Mittel ausschließt, aber die grundlegenden Gedanken nachvollziehen kann, müsste man annehmen, dass dort jemand Sympathien für Marx & Co hegt.
Oder zumindest für alternative Gesellschaftsformen. In einer Welt, die sich immer neueren, absurderen Formen des Turbokapitalismus unterwirft, vielleicht nicht die schlechteste aller Ideen. „Der ausufernde Kapitalismus und die Märkte müssten gesetzlich besser reguliert, Konzerne wie Amazon oder Google ganz anders besteuert werden“, fährt Haase fort. Klingt eher nach „Schauspielerin Jella Haase für neue gesetzliche Regulierungen im Steuerrecht“.
Aber natürlich wäre das eine etwas schwerfällige Schlagzeile. Also entschied man sich bei Springer spontan lieber für: „Schauspielerin Jella Haase teilt Grundgedanken der RAF“. Rumms, das sitzt! In den sozialen Medien geht jetzt die übliche Maschinerie los: Die einen empören sich, die anderen feiern die junge Frau als neue kommunistische Ikone, ein paar Memes werden gepostet und mittendrin stellen semiwitzige Comedians fest, dass der eigentliche Skandal darin liegt, dass man überhaupt weiß, wer Jella Haase ist, weil „Fack ju Göthe“ ja ungebildeter Nonsens sei. Es sind die Mechanismen des Internets, wir lieben und hassen sie alle gleichermaßen.
Was dabei leider auf der Strecke bleibt, ist das Interview einer extrem talentierten Schauspielerin. Aber gut, wir alle müssen gucken, wo wir bleiben, und bei genauerem Hinsehen entdeckt man dann tatsächlich weitere frappierende Sensationsmeldungen, die sich gut für die eine oder andere Headline eignen. So ist Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt laut eigener Aussage ein glühender Porsche-Fan – ganz genau wie Andreas Baader. Der schießwütige Lederjackenträger mit Hang zu stillosen Sonnenbrillen (Baader, nicht Poschardt) kommt ebenfalls aus Bayern, fuhr laut Augenzeugenberichten gerne seinen weiblichen Mitstreiterinnen über den Mund und geriet oft in Verdacht, den Lärm über den Inhalt zu stellen.
Die Verbindungen sind glasklar, man muss sie nur sehen wollen.
Danke, Jella Haase.
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