Angriff auf die Krim-Brücke: Die Bombe als stumpfes Schwert
Dass Vergeltung aus Russland für den Brücken-Angriff ausbleibt, hat einen Grund: Putin hat sein schwerstes Geschütz bereits aufgefahren.
D er Angriff auf die Krim-Brücke ist für die russische Kriegsmaschine ein schwerer Schlag. Dass das Putin-Regime nun den Eindruck zu vermitteln versucht, als sei der Verkehr nur kurz unterbrochen worden, passt ins Bild einer Regierung, die ihre Untertanen über den wahren Stand des Kriegs belügt. Dass auf den Angriff bisher kein Gegenschlag auf ukrainische Infrastruktur erfolgt ist, ist da schon überraschender.
Tatsächlich hat Wladimir Putin sein schwerstes Geschütz längst aufgefahren. Es ist die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen, mit der er sich den Westen in diesem Krieg gefügig machen wollte. Schon diese Drohung überschreitet eine Grenze, die selbst im Kalten Krieg Beachtung gefunden hat. Doch sie zeitigt nun ein Problem: Wenn die Ukraine und der Westen sich davon weitgehend unbeeindruckt geben, wird sie zum stumpfen Schwert. Denn eine gewaltigere Kampfansage geben die russischen Militärarsenale nicht her.
Die Ukraine hat schon mehrfach Gebiete angegriffen, die Russland nach seiner fantasievollen Interpretation zum eigenen Territorium zählt. Russlands Logik geböte es, darauf mit größtmöglicher Gewalt zu reagieren. Das ist bisher nicht geschehen.
Nun wäre es fatal, einfach anzunehmen, Russland würde es deshalb auch in Zukunft bei seiner atomaren Rhetorik belassen. Wir wissen schlicht nicht, ob man dort mit der Bombe mehr als nur spielt. Was wir wissen, ist, dass Putin zunehmend in die Enge getrieben wird. Der Krieg verläuft für ihn anders als gedacht. An der Heimatfront mehren sich kritische Stimmen von Ultranationalisten. Das birgt die Gefahr irrationaler Entscheidungen.
Andererseits: Wenn sich die Helfer der Ukraine von der Atomdrohung beeindrucken ließen, wäre die internationale Ordnung des Planeten künftig nicht vom Gleichgewicht des Schreckens bestimmt, sondern vom Gewicht des atomaren Imperialismus. Gingen Demokratien auf solche Atomerpressungen ein – es wäre über kurz oder lang ihr eigener Untergang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit