Alle Konten gekündigt: Rote Hilfe droht das finanzielle Aus
Innerhalb weniger Tage wurden die beiden Konten des linken Hilfsvereins Rote Hilfe gekündigt. Steckt der Feldzug der Trump-Regierung gegen die Antifa dahinter?
Sie ist die älteste und größte Organisation innerhalb der linken Szene, mit rund 19.000 Mitgliedern: Seit mehr als 100 Jahren unterstützt die Rote Hilfe linke Gefangene, übernimmt Prozesskosten oder verschafft ihren Verfahren Öffentlichkeit. Nun aber steht der finanzielle Fortbestand des Hilfsvereins auf der Kippe: Zwei Banken, die Sparkasse Göttingen und die GLS Bank, haben ihre Konten gekündigt. „Beides ist innerhalb weniger Tage geschehen“, sagte Bundesvorstand Hartmut Brückner der taz. „Das stellt uns jetzt tatsächlich vor die Existenzfrage.“
Konkrete Gründe für die Kündigungen seien nicht genannt worden, so Brückner. Die Rede sei nur von „regulatorischen Anpassungen“ gewesen – also Änderungen, um sich neuen Vorschriften oder Gesetzen anzupassen. Die Auflösung der Konten soll innerhalb der nächsten zwei Monate erfolgen.
Die Sparkasse in Göttingen, wo die Rote Hilfe ihren Vereinssitz hat, und die GLS Bank wollten sich dazu nicht äußern. Aufgrund des Bankgeheimnisses und Datenschutzes könne man keine Auskünfte zu Konten oder Kund*innen erteilen, hieß es von beiden Instituten. Gerade im Fall der GLS ist die Kündigung aber pikant, da diese sich selbst nachhaltigem, sozialem Handeln und „gegenseitiger Hilfe“ verschreibt.
Für die Rote Hilfe hat die Entscheidung gravierende Folgen: Ohne Konten kann sie keine Mitgliedsbeiträge oder Spenden mehr annehmen oder verwalten, keine Prozesskosten erstatten und müsste Mitarbeitende entlassen.
Ein möglicher Grund für die Kündigungen könnte Druck von Sicherheitsbehörden sein. Der Verfassungsschutz stuft die Rote Hilfe schon länger als linksextremistisch ein und beobachtet sie. Die Behörde wirft ihr vor, den Rechtsstaat zu „delegitimieren“, indem sie von Klassenjustiz spricht und Sicherheitsbehörden diskreditiert. Solche Einstufungen haben auch Konsequenzen für Banken: Sind beobachtete Vereinigungen bei ihnen Kund*innen, müssen die Institute die Konten deutlich strenger auf extremistische, terroristische oder Geldwäscheaktivitäten prüfen – was einige Kapazitäten kostet. Aber: Diese Einstufung gibt es eben bereits seit Jahren.
USA stuften zuvor die Antifa Ost als terroristisch ein
Die Rote Hilfe vermutet daher einen anderen Auslöser: die US-Regierung von Donald Trump. Denn die hatte Mitte November die deutsche Antifa Ost beziehungsweise „Hammerbande“ als ausländische terroristische Vereinigung eingestuft. Mit dem Namen wird eine Gruppe Antifaschist*innen bezeichnet, denen schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Ostdeutschland und Budapest vorgeworfen wird. Mit der Einstufung setzte Trump seine Kampagne gegen die Antifa fort, auch international – obwohl es US-Verbindungen der Antifa Ost gar nicht gibt.
Welche Personen die USA zur „Antifa Ost“ zählen und sanktionieren, ist bis heute unklar. Aber die US-Regierung erklärte bei der Terroreinstufung explizit, dass damit ein Ausschluss vom US-Finanzsystem verbunden ist. Und sie setzte die Gruppe auf eine Sanktionsliste, die auch Banken zu beachten haben. Das könnte nun der Roten Hilfe die Probleme beschert haben – denn der Verein unterstützt derzeit auch Inhaftierte der „Antifa Ost“ und startete die Solidaritätskampagne „Wir sind alle Antifa“.
Das US-Außenministerium ließ eine taz-Anfrage offen, ob die Sanktionierung der Antifa Ost mit der Kontokündigung zusammenhängt und ob es Druck auf deutsche Banken gab, die Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe zu beenden.
Rote-Hilfe-Vorstand Brückner ist überzeugt: „Es liegt sehr nahe, dass die Kontokündigungen mit der US-Einstufung der Antifa Ost zu tun hat.“ Brückner kritisiert den Schritt scharf. „Hier wird ein völlig entfesselter Feldzug gegen die antifaschistische Bewegung geführt.“ Ob und was der vermeintlichen Antifa Ost vorzuwerfen ist, werde doch gerade erst in einem kürzlich angelaufenen Prozess in Dresden geklärt, mit „äußerst fragwürdiger Beweislage“. Und Brückner macht noch einen anderen Punkt: „Wenn sich das Vorgehen bewahrheitet, wäre es ein erheblicher Eingriff der USA in das politische Handeln und die Zivilgesellschaft in Deutschland. Den dürfte sich die Bundesrepublik nicht bieten lassen.“
Tatsächlich hatte die Bundesregierung überrascht auf die Terroreinstufung der Antifa Ost durch die USA reagiert und erklärt, sie sei ein eigenständiger Schritt der USA. Das Bundesinnenministerium betonte zudem, dass sich das Gefährdungspotenzial der Antifa Ost zuletzt „erheblich verringert“ habe, weil die Beschuldigten entweder derzeit vor Gericht stünden oder bereits Haftstrafen verbüßten.
Die Rote Hilfe hat inzwischen eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Göttingen gegen die Sparkasse eingereicht. Sie verweist auf den öffentlichen Versorgungsauftrag der Bank. Auch die Kündigung bei der GLS Bank lässt Brückner verständnislos zurück. Die Bank gebe sich doch ein sozialökologisches Profil und die Rote Hilfe habe dort seit vielen Jahren ein Konto, sei auch Genossenschaftsmitglied. „Dass wir gerade dort und nach so langer Zusammenarbeit jetzt abrupt gekündigt werden, ist sehr fragwürdig und enttäuschend.“ Die Lage sei umso prekärer, da andere angefragte Banken bisher die Eröffnung eines neuen Kontos ablehnten.
Kündigungen auch bei anderen linken Organisationen
Und die Rote Hilfe ist nicht allein: Auch die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) machte gerade erst publik, dass ihr Parteikonto bei der GLS zum Jahresende gekündigt wurde – auch hier mit Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ohne weitere Angaben von Gründen. Die Partei vermutet als Grund ihre Spendenaktion für Kuba.
Auch die Gruppe Anarchist Black Cross Dresden erklärte kürzlich, dass ihr Konto bei der GLS fristlos gekündigt worden sei, ebenfalls ohne Angabe von Gründen. Die Gruppe unterstützt ebenso linke Inhaftierte, auch im Ausland. Auch dort wird „ein politischer Angriff verschiedener Banken auf die linke Infrastruktur in Deutschland“ hinter der Kündigung vermutet. Als mögliche Gründe vermutet die Gruppe ebenso ihre Unterstützung für Antifaschist*innen und die US-Einstufung der Antifa Ost. Möglich sei aber auch, dass ihr Einsatz für verfolgte Linke in Belarus und Russland verantwortlich sei oder humanitäre Hilfe in der Ukraine. Von der GLS zeigte sich die Gruppe enttäuscht: Ihr Vorgehen zeige, „wie liberale Kräfte dem Rechtsruck immer wieder Vorschub leisten können“.
Auch Rote-Hilfe-Vorstand Hartmut Brückner kritisiert, wie sich in ihrem Fall „zwei Banken ohne erkennbare rechtliche Notwendigkeit gebeugt“ hätten. Dies sei ein „besorgniserregendes Zeichen dafür, dass autoritäre Politik zunehmend über technische und wirtschaftliche Infrastrukturen durchgesetzt wird“. Heute treffe es die Rote Hilfe, demnächst könnten dann andere progressive Initiativen im Visier sein. Schon allein deshalb fordert Brückner Solidarität mit der Roten Hilfe ein. Die angelaufene Entwicklung müsse man „gemeinsam stoppen“.
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