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Frodo
[Re]: Strafverteidiger hier. Dieses Bild vermeintlich"milder" Strafen deutscher Gerichte gibts nur in den Medien. Die taz ist da besser als andere, aber nicht frei von Fehlern.
zum BeitragDeutsche Gerichte verurteilen bei Zugrundelegung der Maßstäbe, die der Gesetzgeber geschaffen hat, regelmäßig sehr hart. In den letzten 15 Jahren hat sich sowohl in der Frage, was als strafbar ausgelegt wird, als auch in der Strafhöhe vieles in Richtung Law-and-Order-Staat bewegt. So auch hier - zwei Jahre Haft sind im Vergleich zu ähnlich gelagerten Sachverhalten mitnichten ein mildes Urteil.
Eine Anmerkung am Rande: Mal angenommen, es wäre anders und das Urteil tatsächlich mild. Wie beurteilt sich das, wenn man weder in der Verhandlung anwesend war (i.e. nicht alle für die Strafzumessung relevanten Fakten hat), noch weiß, wie Strafzumessung im Detail funktioniert? Auf welcher sachlichen Grundlage will man da Argumente finden?
Frodo
Da möchte ich auf zwei nette Gutachten*`** von Frau Prof. jur. Lembke, einer Richterin am Verfassungsgerichtshof Berlin, hinweisen. In Langform wohl eher für Jurist_innen interessant, hier ein tl-dr: Sie leitet aus dem Grundgesetz (genauer: Art. 2 I GG) einen Anspruch des Bürgers gegenüber Behörden ab, im Rechtsverkehr (heißt: quasi immer, wenn sie dem Bürger ggü. handeln) zu gendern. In einem zweiten, kürzeren Gutachten explizit für Universitäten, wo auch die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III GG einbezogen werden muss, kommt sie zu dem selben Schluss. Ich persönlich finde ihre Argumente in beiden Fällen überzeugend - das wäre gewissermaßen der von Konservativen so gefürchtete Gender-Zwang, wenn auch nur für den Staat selbst. Ich halte ihre Argumente für in weiten Teilen analog auf die rechtliche Situation in Schulen anwendbar, würde jedenfalls zum selben Schluss kommen wie sie. Ob man Frau Lembke dahingehend folgen möchte, dass ein Zwang zum Gendern bei staatlichem Handeln besteht, wird wohl eine Frage für die Rechtswissenschaften bleiben. Mindestens aber wird man nach unter Berücksichtigung ihrer Auslegung zu dem Schluss kommen, dass ein Gender-Verbot evident verfassungswidrig wäre. Soweit ich weiß, vertritt Frau Lembke auch diese Position. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG zum Thema Sprache, Ansprache und Pronomen wage ich die These, dass der erste Senat des BVerfG, bei dem das dann landet, der Auffassung seiner Berliner Kollegin folgen und das Gender-Verbot an Schulen kippen wird, sobald das irgendjemand bis zu ihnen durchklagt - aber das wird wohl noch einige Jahre dauern.
zum Beitrag*Das lange Gutachten: www.hannover.de/co...e_Dezember2021.pdf
**das kurze Gutachten: www.rewi.hu-berlin.../asj/Gutachten.pdf
Frodo
Kleine Anmerkung:
zum BeitragIn Absatz 3 des Artikels erfolgt ein wörtliches Zitat aus der Urteilsbegründung. Das ist strafbar als verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen gem. § 353d Nr. 3 StGB. Ohne das Schema jetzt vollständig durch zu exerzieren an dieser Stelle ein kurzer Problemaufriss:
Deutsches Strafrecht ist - auch wenn es kontraintuitiv erscheint - anwendbar gem. §§ 7 II Nr. 1, 9 I StGB.
Auf Tatbestandsseite kommt es dabei nicht darauf an, dass das Urteil im Ausland erging.
Das Verfahren ist auch noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, denn die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel eingelegt.
Der Kommentar ist eher als vorbeugender Hinweis und nicht als Kritik zu verstehen. Der Autor setzt sich hier dem Risiko der Strafverfolgung aus, so rechtspolitisch wie verfassungsrechtlich fragwürdig die Norm auch sein mag.