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AfD-Brandmauer der WirtschaftDie Ersten fallen um

Simon Poelchau

Kommentar von

Simon Poelchau

Der Verband der Familienunternehmer will mit der AfD reden. Das untergräbt die klaren Haltungen, die es mit Blick auf die Partei bei Unternehmen durchaus gibt.

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Wirtschafts-verbands „Die Familien-unternehmer“ Foto: Kay Nietfeld/dpa

D er Verband „Die Familienunternehmer“ spielt mit dem Feuer. Just in dem Moment, in dem die AfD sich mit der Union ein Battle liefert, wer in Umfragen führt, meint die Lobbyorganisation, es sei eine gute Idee, ihre bisherige Brandmauer-Strategie infrage zu stellen. Statt die Partei zu isolieren, soll sie nun angeblich inhaltlich gestellt werden.

Das hat ein Geschmäckle, nämlich dass der Verband die Partei eigentlich nicht entzaubern, sondern sich vielmehr mit ihr arrangieren will. Das weckt böse Erinnerungen. Vor knapp einem Jahrhundert kippte die Wirtschaft schon einmal um und verhalf der NSDAP teilweise sehr tatkräftig zur Machtergreifung. Der Rest ist Geschichte; und es ist zu hoffen, dass sie sich nicht wiederholt. Doch beim Verband die Familienunternehmer scheint man die falschen Schlüsse zu ziehen.

Dass er nun umfällt, überrascht aber nicht groß. Schon länger kämpft die Organisation wie kaum ein anderer Verband gegen progressive Politik. Der Verband griff Merkels Eurorettungspolitik von rechts an. Damals vorne mit dabei als Chefin des Jugendverbandes der Jungen Unternehmer war die jetzige Vorsitzende Marie-Christine Ostermann.

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Natürlich ist der Verband nicht der größte Wirtschaftslobbyist in Deutschland. Und er ist auch nicht der erste, der der AfD eine Bühne gibt. Bereits 2017 lud die DIHK die damals frisch gebackene AfD-Frontfrau Alice Weidel als Diskussionspartnerin ein. Trotzdem sollte das Ausmaß des Tabubruchs, den der Verband nun betreibt, nicht unterschätzt werden. Denn anders als sein Name suggerieren mag, sind in ihm auch große Unternehmen wie BMW oder Merck organisiert. Und vor allem kommt es zu einer Zeit, in der AfD-kritische Stimmen aus der Wirtschaft rar geworden sind.

Solche Anti-AfD-Stimmen gab es noch im Sommer 2024. Damals trommelte ein Bündnis großer Konzerne zusammen gegen die AfD. So etwas ist jetzt dringender nötig als zuvor. Auch wenn solche Initiativen die Gesellschaft nicht sozialer machen, so können sie zumindest helfen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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12 Kommentare

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  • " AfD-Brandmauer der Wirtschaft: Die Ersten fallen um. Der Verband der Familienunternehmer will mit der AfD reden."



    Die Geschichte wiederholt sich. Es ist zum Schreien.

  • nun ja: beispielsweise haben die Mehrheitseigner von BMW - die ehrenwerte Familie Quandt - recht gute Erfahrungen gemacht mit der Anbiederung an rechtsaußen, gründet doch ihr Reichtum nicht zuletzt auf Geschäften mit den Nazis. Inklusive Zwangsarbeit etc. Dass nach umfangreicher "Aufarbeitung" dieses Teils der Familiengeschichte nun nicht ein stabiler Pflock gegen die Anbiederung an die AfD eingehauen wird, ist mehr als traurig.



    Auch, dass von den anderen "Familienunternehmen" (ein hübscher Euphemismus) nicht energisch geblockt wird, ist bezeichnend. Man will offensichtlich nicht auf der falschen Seite stehen, wenn die Pfründen durch neue Herrschaft vergeben werden.



    Und das nennt sich dann eben "die AfD inhaltlich stellen"...

  • Das ist ein weiteres Merkmal, dass man aus der Geschichte nichts lernen will. Gerade diese Vereinigung von Reichen/Superreichen ist vor allem darauf bedacht, den eigenen Vorteil zu sichern. Ob das mit demokratischen Kräften geschieht oder mit faschistischen Richtungen - gleichgültig.

  • "Familien"unternehmer, ich lach mich tot. Das sind Großkonzerne, die durch Namensgebung so klingen wollen, als würden die erschöpften Eltern-Konzernbesitzer nach schwerer Arbeit nach Hause kommen, um die lieben Kleinen zu streicheln.

    Wir reden von Großunternehmen wie Aldi. Einfach mal schauen, wer das so ist und welche Ansichten sie so haben:



    de.wikipedia.org/w...amilienunternehmer

    "Die Organisation setzt sich gegen Flächentarifverträge, die Besteuerung von Erbschaften und Vermögen und für die Abschwächung klimapolitischer Maßnahmen, mit Ausnahme des Emissionshandels, in Deutschland und auf europäischer Ebene ein. "

    Abgesehen davon, dass es denen - wie auch der Wirtschaft zur Zeit des Nationalsozialismus - nur um Gewinne und Ausbeutung geht, sehen sie einfach, welche Regierung sie als nächstes steuern werden. Heute die cdU, morgen die AfD. Kann ihnen doch egal sein, wer unter ihnen regiert.

  • Wahrscheinlich wird sich die Begründung derartiger Vorstöße als Rohrkrepierer mittels sachlich fundierter und vor allem ökonomischer Argumente eher durchsetzen können als mit emotionalen Projektionen.



    Ein Beispiel:



    "Auch die Chefin des CDU-Wirtschaftsflügels, Gitta Connemann, kritisierte den Schritt und verwies auf den Außenhandel. "Eine nationalistische Wirtschaftspolitik à la AfD würde diese Exporte torpedieren, Lieferketten und Arbeitsplätze zerstören", sagte die Politikerin dem Handelsblatt. Das AfD-Programm und ihre Haltung schadeten dem Standort Deutschland."



    Quelle zeit.de



    Nicht alle fallen um:



    "Ostermann löste mit ihrer Positionierung eine Debatte aus. Die Stiftung Familienunternehmen und Politik etwa wolle weiterhin keine Vertreter der AfD oder der Linken zu Veranstaltungen einladen, „weil deren Wertebasis in weiten Teilen nicht zu der von Familienunternehmen passt“, sagte Stiftungsvorstand Rainer Kirchdörfer"



    Quelle wiwo.de

  • Was genau war denn eigentlich die "bisherige Brandmauer-Strategie"? Distanz halten und indiskutable Dinge konsequent nicht zu diskutieren war es wohl kaum. Es ist ja nun wirklich nicht so, dass der Versuch die Rechtsextremen "inhaltlich zu stellen" irgendwie neu wäre. Nicht erst seit Sarrazin der ja letztlich nichts anderes tat als die irre These vom "großen Austausch" im Mainstreamdiskurs zu verankern, wird doch der rechte Quark in gefühlt jeder zweiten Talkshow gestellt, demaskiert und konfrontiert. Denn all das diene ja selbstverständlich nicht dazu denen eine Bühne zu bieten, sondern einzig und allein der Warnung und Aufklärung. Und je mehr da täglich gestellt, demaskiert und aufgeklärt wird, für umso selbstverständlicher halten die Leute selbst noch faschistisches Gedankengut und NS-Terminologie. Was im ÖRR zur Prime-Time sagbar ist kann so extrem ja schließlich nicht sein.



    Was also spräche für die Erwartung, dass ausgerechnet rein profitorientierte Wirtschaftslobbyisten die politisch-moralische Integrität und den antifaschistischen Grundkonsens aufbringen sollten, die der Gesellschaft insgesamt in immer größerem Maße abhanden kommt?

  • In mir würgt es angesichts solcher Unverfrorenheit. Was kommt als nächtes, die Alice-Weidel-Spende ?



    Man sollte sich mal überlegen ob man die Vereinsmitglieder nicht boykottieren kann.

  • Ist ja nicht neu, dass das Unternehmerlager den Rechtsruck vorantreibt.



    INSM und Konsorten machen das seit Jahrzehnten!



    Im Kern lassen sich zur Zeit zwei Strategien unterscheiden:



    1. Rechtsruck in den als 'Mitte' geframten Parteien vorantreiben incl. Abgrenzung zur AfD.



    2. Normalisierung nicht nur der Inhalte der AfD, sondern auch der Partei AfD.



    Im Doppelpack bereitet das dann - wie in vielen EU-Ländern zu beobachten - den Weg zu stabilem Schwarz/Blau Schwarz/Braun, etc.



    #KonservativeRevolution

    Ich denke auch, es ist Zeit zu realisieren, dass das 'Projekt geeintes Europa' längst nicht mehr ins Wortfeld rund um 'Frieden' und 'Werte' gehört, sondern bereits auf dem Weg ist in einen EU-Nationalismus überzugehen, so dass sich neben dem nationalistischen MAGA auch ein nationalistischer MEuGA (oder MEGA) Block organisiert, quasi als Antwort auf die abermalige Häutung des Kapitalismus weg von neoliberaler Globalisierung, hin zu neoliberal-nationaler Konkurrenz (siehe Zölle, etc.).

  • Sie weisen ja im Artikel ja schon darauf hin, aber: Laut Wikipedia hat Angaben hat diese Lobby-Organisation der sog. „Familienunternehmen“ rund 6500 Mitglieder und vertritt damit 0,2 Prozent der rund drei Millionen Familienunternehmen in Deutschland.



    Zum Verband gehören u.a. BMW, Oetker, Kärcher, Bahlsen, Bauerfeind, Brose, Claas, Conrad, die Deutsche Vermögensberatung, Dräger, Festo, Fischerwerke, Kienbaum Consultants, Melitta, MERICS, Miele, Schaeffler, Schöffel, Team Neusta, Tengelmann, Thalia, Trumpf, Viessmann, Villeroy & Boch, Vitakraft, Vorwerk, Bertelsmann und die Westfalen AG.



    Es gibt wohl kaum einen Lobbyverband dessen Selbstbezeichnung verlogener ist.

  • Die Familienunternehmer sind ja bekannt für ihre Lobbyarbeit in Richtung wirtschaftliche Vorfahrt für ihre Familienbetriebe. Das sind die ersten, die sich der AfD anbiedern, um bei einem Wahlerfolg Erfüllungsgehilfen dieser rechtspopulistischen Partei zu werden. Natürlich gegen Gewährung von eigenen Vorteilen und Bevorzugung in wirtschaftlichen Aufgaben. Also, die haben nur egoistische Motive im Kopf.

  • Vielleicht Negativwerbung, aber immer noch Werbung für einen Verband, der unter „falscher Flagge“ Lobbyarbeit betreibt. „Die Familienunternehmer“ das sind auch Großkonzerne, wie Miele, Dr. Oetker usw., dann vor allem Mittelständler, die internationale Geschäfte machen. Den kleinen Handwerksbetrieb, die Manufaktur um die Ecke sucht man da vergebens. Was die Mitglieder und deren genauere Anzahl betrifft, bleiben die Angabe des Verbands vage oder sind nicht belegt. Sucht man online danach, dann findet man eine Kaskade von branchenspezifischen und regionalen Mitgliedsverbänden, mit teils identischen Webseiten, aber keine langen Listen mit Namen von Unternehmen. An den exklusiven Jahrestreffen von „Die Familienunternehmer“ im luxuriösen Ambiente nehmen von den angeblich 6.500 Mitgliedern nur ein paar Hundert teil.

    Über wen schreibt der Autor da eigentlich?

  • Mir ist es leider nicht gelungen, alle Mitgliederfirmen dieses Lobbyvereins herauszufinden. U.a. gehören lt. Wikipedia dazu:

    "BMW, die Oetker-Gruppe,[18] Kärcher, Bahlsen, Bauerfeind, Brose, Claas, Conrad, die Deutsche Vermögensberatung, Dräger, Festo, Fischerwerke, Kienbaum Consultants, Melitta, MERICS, Miele, Schaeffler, Schöffel, Team Neusta, Tengelmann, Thalia, Trumpf, Viessmann, Villeroy & Boch, Vitakraft, Vorwerk, W. Bertelsmann und die Westfalen AG."



    Sind diese Firmen sich der Konsequenzen ihrer inkompetenten Verbandsspitze bewusst? Dann sollten sie umgehend handeln.



    Oder andersrum: Niemand wird gezwungen, bei diesen Firmen einzukaufen.