Abschiebung in Bayern: In die Falle gelockt

Die Ausländerbehörde in Passau versprach einem Iraner, dass er seine Arbeitserlaubnis erhalte. Als der Mann aufs Amt kommt, wird er festgenommen.

Handschellen vor der unscharfen Aufnahme eines Polizeiautos

Bei Ankunft Festnahme: Ein bewusstes Vorgehen der Behörden? Foto: onw-images/imago

MÜNCHEN taz | Endlich, muss sich Reza R. gedacht haben, als er am Montag vergangener Woche die Mail aus dem Passauer Ausländeramt erhalten hat. „Eintragung Beschäftigung“ lautete die Betreffzeile und verhieß genau das, worauf der 41-jährige Flüchtling aus dem Iran seit Monaten gewartet hatte: eine Arbeitserlaubnis. „Ihr Reisepass ist nun von der Überprüfung zurück“, schrieb die Sachbearbeiterin in einer Mail, die der taz vorliegt. „Die Beschäftigung kann nun in Ihre Duldung eingetragen werden.“

Denn Reza R. hatte bereits ein Job-Angebot in der Tasche. Ein Pflegedienst im Münchner Vorort Grünwald, bei dem R. seit April bereits ein unentgeltliches Praktikum gemacht hatte, hätte ihn gern dauerhaft in seinem Team gesehen. Am 1. Oktober hätte er dort als bezahlte Pflegekraft anfangen sollen, im März hätte er eine Ausbildung beginnen können.

In ihrer Mail hatte die Sachbearbeiterin Reza R. vorgeschlagen, am 29. September um 9.30 Uhr in die Behörde zu kommen. „Die Beschäftigung wird dann direkt bei dem Termin eingetragen.“ Doch dies war offensichtlich nie die Absicht der Mitarbeiterin des Landratsamts.

Denn schon am 6. September hatte das Landratsamt Passau beim Bayerischen Landesamt für Asyl und Rückführungen beantragt, Reza R. in den Iran abzuschieben. Das geht aus Dokumenten hervor, die dem Bayerischen Flüchtlingsrat vorliegen. Am 27. September, also zwei Tage vor dem anberaumten Termin, beantragte das Landratsamt zudem beim Amtsgericht, den Mann in Ausreisegewahrsam zu nehmen. Zeitpunkt des geplanten Zugriffs: 29. September.

Als Pflegekraft dringend benötigt

Als Reza R. in der Ausländerbehörde aufschlägt, erwarten ihn bereits zwei Polizeibeamte. Die Zeitungen sind an diesem Morgen wieder voll mit Meldungen aus dem Iran. Neue Unruhen hat es gegeben, das Auswärtige Amt hat angesichts der Situation seine Reisehinweise verschärft. „Polizei- und Sicherheitskräfte gehen zunehmend gewaltsam gegen Demonstrierende vor, es gibt Tote und Verletzte“, heißt es. Es gebe willkürliche Verhaftungen. Von Reisen in den Iran werde dringend abgeraten.

Reza R. war 2018 nach Deutschland gekommen und hatte hier einen Asylantrag gestellt, weil er in seiner Heimat politisch verfolgt werde. So sei er dort bereits wegen seiner politischen Haltung von der Universität verwiesen worden.

Außerdem fürchte er eine weitere Verfolgung wegen seines christlichen Glaubens. Im Iran habe er diesen zunächst nur heimlich ausgeübt, sich dann aber auf seiner Flucht in Griechenland taufen lassen. Der Asylantrag wurde jedoch abgelehnt, nach Ansicht der Behörden hatte R. den Iran unverfolgt verlassen, seine Hinwendung zum Christentum sei nicht glaubwürdig. Seit knapp zwei Jahren ist Reza R. geduldet.

Angesprochen auf ihren Praktikanten ist die Leiterin des Grünwalder Pflegediensts, die ihren Namen lieber nicht nennen will, voll des Lobes: „Er hat sich sehr gut gemacht. Er ist unglaublich motiviert und tut den Patienten sehr gut, sie mögen ihn alle.“ Hilfsbereit sei er, habe eine liebevolle Art. Im Iran habe Reza R. wohl schon als Physiotherapeut gearbeitet. Jedenfalls habe sie sofort gemerkt, dass ihr Praktikant Erfahrung im Umgang mit Patienten hatte.

Das Landratsamt will sich zu dem Fall nicht äußern

Also genau einer, wie man ihn in der Pflege derzeit händeringend sucht. Die Pflegedienstleiterin stand während der vergangenen Monate auch selbst in Kontakt mit der Ausländerbehörde, hatte alle angefragten Formulare ausgefüllt. Für sie war klar, dass die Sache jetzt läuft. Wieso, fragt die Frau, hätte man sie sonst all diese Formalitäten erledigen lassen? Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass sie hier als unfreiwillige Handlangerin in einem abgekarteten Spiel mitwirkt.

Sie selbst hatte noch Reza R.s Bedenken zerstreut: Er solle seinen Pass den Behörden geben, einem deutschen Amt könne man trauen. Für Samstag war Reza R. schon im Dienstplan eingetragen. Es wäre der erste Arbeitstag gegen Entlohnung gewesen. Jetzt müssen die Kollegen in dem kleinen Team einspringen und entsprechend mehr arbeiten.

„Warum eine Person, die gern im Bereich der Pflege arbeiten möchte, dringend in den Iran abgeschoben werden soll, ist schwer erklärlich“, findet auch Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Und: „Einen Geflüchteten mit einem falschen Versprechen in die Ausländerbehörde zu locken, um ihn dort festnehmen zu lassen, ist betrügerisch. Das ist ein Verhalten, das eines Rechtsstaats unwürdig ist.“

Außerdem habe die Ausländerbehörde den Bescheid über die Arbeitsaufnahme fast zwei Monate hinausgezögert, um in der Zwischenzeit die Abschiebung von Reza R. voranzutreiben.

Ein bisschen Hoffnung

Warum befördert das Landratsamt die Abschiebung eines Mannes, der als Pflegekraft dringend benötigt wird? Ist es in Passau üblich, Personen mittels wahrheitswidriger Begründungen zu Terminen einzubestellen?

Das Landratsamt will auf diese Fragen nicht antworten. Man bitte um Verständnis, dass zu dem Einzelfall keine Auskünfte erteilt werden könnten, heißt es auf eine entsprechende Anfrage der taz. Die Aussicht auf ein Beschäftigungsverhältnis begründe jedenfalls noch kein Aufenthaltsrecht. „Wenn die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist die Ausländerbehörde verpflichtet, die entsprechenden rechtlichen Vorgaben des Aufenthaltsgesetzes um- und durchzusetzen.“

Anders klingt da schon die Antwort des bayerischen Innenministeriums, wenngleich man auch hier nicht auf Details zu dem Fall eingehen will: „Die ausländerrechtlichen Entscheidungen müssen nochmal sorgfältig überprüft werden. Der Betroffene wird jedenfalls bis zum Abschluss der Überprüfung nicht abgeschoben“, schreibt ein Sprecher des Ministeriums am Dienstagabend.

Kurz darauf wird Reza R. auf freien Fuß gesetzt. Es gibt also wieder Hoffnung für den Iraner. In Grünwald jedenfalls warten sie auf ihn. Seine Stelle, so die Chefin des Pflegedienstes, könne er jederzeit antreten.

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