+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Steinmeier in Kiew nicht erwünscht
Der ukrainische Präsident Zelensky hat einen Besuch des deutschen Bundespräsidenten abgelehnt. Die Ukraine will wohl keine deutschen Kampfpanzer.
Steinmeier in Kiew nicht willkommen
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich enttäuscht gezeigt, dass die Ukraine einen Besuch von ihm in Kiew abgelehnt hat Sein polnischer Kollege Andrzej Duda habe in den vergangenen Tagen angeregt, gemeinsam mit ihm und den baltischen Präsidenten nach Kiew zu reisen, sagte Steinmeier am Dienstag in Warschau. „Ich war dazu bereit, aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen – war das in Kiew nicht gewünscht“, sagte der Bundespräsident. (afp/rtr)
Selenski wirft russischen Truppen hunderte Vergewaltigungen vor
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den russischen Streitkräften in der Ukraine schwere Kriegsverbrechen wie massenhafte Vergewaltigungen und Folter vorgeworfen. „Es wurden hunderte Vergewaltigungen registriert, auch von jungen Mädchen und sehr kleinen Kindern. Sogar an einem Baby“, sagte Selenski am Dienstag bei einer Ansprache per Video im litauischen Parlament.
„In den von den Besatzern befreiten Gebieten wird die Aufzeichnung und Untersuchung der von Russland begangenen Kriegsverbrechen fortgesetzt“, sagte Selenski. „Fast täglich werden neue Massengräber entdeckt.“
Aufgrund von Zeugenaussagen sei von „Tausenden und Abertausenden von Opfern“ auszugehen, sagte der ukrainische Präsident. „Hunderte Fälle von Folter. Es werden weiterhin Leichen in Gullys und Kellern gefunden.“
Die russischen Streitkräfte hatten sich ab Ende März im Norden der Ukraine zurückgezogen. In vielen Vororten der Hauptstadt Kiew und anderen Orten, die teils wochenlang unter russischer Kontrolle gestanden hatten, offenbarte sich danach ein Bild der Zerstörung und Gewalt. Die ukrainischen Behörden sprechen von hunderten getöteten Zivilisten.
Menschenrechtsorganisationen gehen nach der Auswertung erster Bericht von Opfern davon aus, dass Vergewaltigungen in der Ukraine als „Kriegswaffe“ eingesetzt werden. Eine ukrainische Frau berichtete AFP, dass sie von zwei russischen Soldaten sexuell missbraucht wurde, nachdem diese erfahren hatten, dass ihr Mann Soldat ist.
Russland weist alle Vorwürfe zurück und spricht stattdessen von Falschinformationen und ukrainischen „Provokationen“. (afp)
Insider – Ukraine will keine Leopard-Panzer von Deutschland
Die Ukraine erbittet von Deutschland keine Lieferung von „Leopard“-Panzern und „Gepard“-Flugabwehrkanonenpanzern. Das sagten mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Zuvor hatte der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall öffentlich angeboten, er könnte der Ukraine ältere Exemplare von Leopard 1-Panzern liefern. In den Gesprächen der ukrainischen Seite mit der Bundesregierung spielten diese Panzer aber gar keine Rolle, wurde in Berlin betont. Von der ukrainischen Botschaft war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Die Ukraine hat Deutschland und andere westliche Staaten wiederholt um die Lieferungen weiterer Waffen gebeten. Die Bundesregierung hatte dies auch zugesagt, damit sich die Ukraine gegen die russischen Truppen verteidigen kann. Die Kriterien seien dabei, was schnell lieferbar, effektiv und mit Nato-Partnern abgesprochen sei. Seit Tagen wird in der Öffentlichkeit spekuliert, welche Waffentypen dies betreffen sollte und ob dazu auch Panzer gehören. So hatte die Ukraine etwa tatsächlich Interesse am Schützenpanzer „Marder“ geäußert.
In Regierungskreisen war bereits mehrfach darauf verwiesen worden, dass es aber einen Unterschied zwischen den öffentlich diskutierten Waffen und den tatsächlichen Anfragen der Ukraine gebe. Details über Waffenlieferungen will die Bundesregierung mit dem Verweis auf die nötige Vertraulichkeit nicht bekanntgeben. Außenministerin Annalena Baerbock hatte am Montag gesagt, dass die EU auch schwere Waffen liefern müsse. Dabei blieb offen, um welche Waffentypen es sich handelt und ob diese von Deutschland oder EU- und Nato-Partnern an die Ukraine geliefert werden sollen. (rtr)
Kreise – Habeck will als letztes Mittel Energiefirmen enteignen
Das Bundeswirtschaftsministerium will sich als letztes Mittel im Krisenfall auch Enteignungen von Energiefirmen vorbehalten. Wie am Dienstag aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums verlautete, soll das noch aus dem Jahr 1975 stammende Energiesicherungsgesetz wegen der Verwerfungen auf den Energiemärkten im Zuge des Ukraine-Kriegs modernisiert und ergänzt werden. Ziel sei es, die Vorsorgungssicherheit zu gewährleisten. Es gehe darum, alle Handlungsoptionen für den Fall der Fälle zu haben. Das Wirtschaftsministerium habe dazu die sogenannte Ressortabstimmung mit den anderen Ministerien eingeleitet. Diese soll zügig abgeschlossen werden.
Schon vor einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung sollen besondere Maßnahmen möglich sein. Konzerne, die zur kritischen Energie-Infrastruktur gezählt werden, könnten dann bei Bedarf unter Treuhandverwaltung gestellt werden. Dies soll greifen, wenn die Unternehmen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen und die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Dieses Modell hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zuletzt bereits bei der Tochter eines ausländischen Unternehmens gewählt – bei Gazprom Germania, dem Deutschland-Geschäft des russischen Gaskonzerns. Die Tochter wurde unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt, die nun befristet bis zum 30. September alle Stimmrechte aus Geschäftsanteilen an der Gazprom Germania wahrnimmt.
Die Treuhandverwaltung solle im Energiesicherungsgesetz so ausgestaltet werden, das sie unabhängig von Vorgaben im Außenwirtschaftsrecht ist. „Als ultima ratio ist unter klar benannten und engen Bedingungen auch eine Enteignung von Unternehmensanteilen vorgesehen, wenn die Sicherung der Energieversorgung im Bereich der kritischen Infrastruktur nicht anders möglich ist“, hieß es in einem Referenten-Entwurf.
Außerdem sollen Vertragskündigungen wegen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage schwieriger werden für Energieanbieter. Das müsse künftig genehmigt werden. Zudem soll im Falle einer Pleite von Energieanbietern der Insolvenzverwalter verpflichtet werden, Energieverträge grundsätzlich weiter zu erfüllen. (rtr)
Genehmigung bei Stillegung von Gaspeichern geplant
Änderungen sind auch im Energiewirtschaftsgesetz geplant. So soll künftig eine angedachte Stilllegung von Gasspeichern bei der Bundesnetzagentur gemeldet und von dieser genehmigt werden müssen. „Damit kann verhindert werden, dass ohne das Wissen der Bundesregierung Gasspeicher stillgelegt werden und dadurch die Energieversorgung gefährdet wird“, heißt es in dem Entwurf.
Das Energiesicherungsgesetz wurde seit 1975 nur unwesentlich verändert. Es ermächtigt die Regierung und seine Behörden bei einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Versorgung notwendige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen Regelungen zur Produktion, dem Transport und der Verteilung von Energie. Auch Fahrbeschränkungen sind möglich. Das Gesetz war in den 1970er Jahren eine Reaktion auf die Ölkrise und Grundlage etwa für autofreie Sonntage.
Deutschland ist stark abhängig von Energielieferungen aus Russland, vor allem bei Gas. Teilweise wird wegen des Kriegs in der Ukraine ein kompletter Energie-Boykott Russlands gefordert, gegen den sich die Bundesregierung bislang aber wehrt. Russland könnte wegen der vom Westen verhängten Sanktionen aber auch von sich aus den Gashahn zudrehen. In diesem Fall erwarten Ökonomen einen Zusammenbruch vieler Industrieprozesse und eine schwere Rezession. (rtr)
Medien: Ukrainischen Soldaten gehen Lebensmittel aus
In der umkämpften und fast völlig zerstörten Hafenstadt Mariupol haben ukrainische Soldaten Medien zufolge über zur Neige gehende Lebensmittel- und Munitionsvorräte berichtet. Seit Beginn der Belagerung durch russische Truppen vor rund sechs Wochen seien keine Lieferungen mehr zu ihnen durchgekommen, sagt ein Soldat in einem am Dienstag zuerst auf Facebook veröffentlichten Video. Der Mann, der sich und seine Kameraden als Mitglieder der 36. Marineinfanteriebrigade aus Mariupol vorstellt, trägt einen Bart und hat tiefe Augenringe.
Wo der Clip aufgenommen wurde, war zunächst nicht klar. Viele der verbliebenen ukrainischen Kämpfer haben sich offensichtlich im Stahlwerk „Asowstal“ verschanzt. Am Montag bekräftigte der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj, die Verbindung zu den Verteidigern Mariupols sei nicht abgerissen. Er reagierte damit auf angebliche Vorwürfe der Marineinfanteristen, es gebe seit zwei Wochen keinen Kontakt mehr zur ukrainischen Militärführung.
Der Soldat in dem nun veröffentlichten Video betont, er und die anderen würden sich trotz der schwierigen Lage nicht ergeben. „Wir haben unsere Positionen nicht verlassen und bleiben (der Ukraine) immer treu.“ Dann filmt er durch den fensterlosen Raum, in dem mehrere seiner Kameraden ebenfalls in Militärkleidung sitzen. „Alle Ukrainer müssen sich an den Preis für diesen Widerstand erinnern. Und die Sache zu Ende bringen. Den Sieg bis zum Ende durchfechten!“ (dpa)
Putin – Wirtschaftlicher Blitzkrieg des Westens gescheitert
Der vom Westen ausgehende wirtschaftliche „Blitzkrieg“ gegen Russland ist nach den Worten von Präsident Wladimir Putin gescheitert. Das russische Finanzsystem funktioniere gut, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Putin.
Mit Bezug auf die Sanktionen sagt er der Agentur Tass zufolge, er gehe davon aus, dass im Westen gesunder Menschenverstand vorherrschen wird. Mittel- und langfristig dürften die Auswirkungen der Sanktionen steigen. Die russische Wirtschaft werde sich darauf einstellen. (rtr)
Putin: „Militäraktion“ dient Sicherheit Russlands
Die von Russland so bezeichnete Militäraktion in der Ukraine dient nach den Worten des russischen Präsidenten Wladimir Putin der Sicherheit seines Landes. Die Ziele würden erreicht, gelobte Putin am Dienstag bei einem Besuch des Weltraumbahnhofs Wostotschny im Fernen Osten des Landes.
Die Ukraine sei in einen „antirussischen Brückenkopf“ verwandelt worden, in dem „Sprossen von Nationalismus und Neonazismus kultiviert“ worden seien. Die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten haben solche Vorwürfe als Deckmantel für den Angriffskrieg zurückgewiesen.
Putin bekräftigte, die russische „Sondermilitäraktion“ diene dem Schutz von Menschen in Gebieten im Osten der Ukraine, die von prorussischen Rebellen kontrolliert werden. Der Feldzug habe auch das Ziel, „Russlands eigene Sicherheit zu sichern“. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagte der Präsident mit Blick auf den Krieg. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir unsere Ziele erreichen werden.“
Russland habe nicht die Absicht, sich selbst zu isolieren, und ausländischen Mächten werde eine Abschottung des Landes nicht gelingen. „Es ist in der heutigen Welt sicher unmöglich, jemanden zu isolieren, besonders ein so riesiges Land wie Russland“, fügte er hinzu.
Russland werde „mit jenen unserer Partner arbeiten, die kooperieren wollen“, sagte Putin. Seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine war es Putins erste bekannte Reise an einen Ort außerhalb von Moskau. Putin besichtigte den Weltraumbahnhof gemeinsam mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. (ap)
Japan bewilligt neue Sanktionen gegen Russland
Das japanische Regierungskabinett hat zusätzliche Sanktionen gegen Moskau wegen des Kriegs in der Ukraine bewilligt. Dies beinhaltet das Einfrieren von Vermögenswerten von fast 400 Einzelpersonen, darunter zwei Töchter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sowie ein Verbot von Neuinvestitionen und Wodka-Importen.
Unter den insgesamt betroffenen 398 Einzelpersonen aus Russland befinden sich auch die Frau und die Tochter des russischen Außenministers Sergej Lawrow. Japan hat damit inzwischen Vermögenswerte von mehr als 500 russischen Einzelpersonen und Organisationen eingefroren.
Zu den neuen Maßnahmen gehört auch das Einfrieren von Vermögenswerten der russischen Großbanken Sberbank und Alfa Bank sowie von 28 weiteren russischen Organisationen, etwa mit Verbindungen zu Militärunternehmen. Die Maßnahmen gegen die Banken sollen am 12. Mai in Kraft treten.
Das Verbot neuer Investitionen und von Importen aus Russland wie Wodka, Wein, Holz und Autoteilen soll in der kommenden Woche beginnen. Ministerpräsident Fumio Kishida hatte am Freitag zudem einen Ausstieg aus russischer Kohle und anderen fossilen Energieträgern vorgeschlagen. (ap)
Selenski: Europa bevorzugt business as usual
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat die EU zu drastischeren Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufgerufen. In einer Ansprache an das litauische Parlament argumentierte er, die militärische und politische Führung Russlands habe das Gefühl, aufgrund der Signale einiger europäischer Länder die Invasion in die Ukraine fortsetzen zu können. Selenski sagte den Abgeordneten der früheren Sowjetrepublik, die heute der EU und der Nato angehört, dass „sie wissen, dass sie ungestraft davonkommen werden, da Europa immer noch fortgesetzte Zusammenarbeit, Handel, business as usual bevorzugt“.
Er forderte Sanktionen gegen alle russischen Banken und appellierte an Europa, „ihr Öl loszuwerden“. In der jüngsten einer Reihe von Ansprachen an Parlamente in Europa und andernorts sagte er: „Europa muss diesen Krieg gewinnen. Und wir werden ihn zusammen gewinnen.“ Der Sitzungssaal des Parlaments war mit ukrainischen und litauischen Flaggen dekoriert. (ap)
Steinmeier in Warschau eingetroffen – Gespräch mit Duda
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist zu einem eintägigen Besuch in Polen eingetroffen. In der Hauptstadt Warschau wurde er am Dienstagmittag von Staatspräsident Andrzej Duda empfangen. Im Mittelpunkt ihrer Gespräche wird der russische Angriffskrieg in der Ukraine stehen. Steinmeier wird von seiner Frau Elke Büdenbender begleitet. Sie holen damit ihre Reise nach, die sie Ende März wegen ihrer Corona-Infektion kurzfristig absagen mussten.
Von dem Besuch soll nach Darstellung des Bundespräsidialamts das Signal ausgehen, dass Deutsche und Polen gemeinsam an der Seite der Ukraine stehen. Steinmeier will Polen seinen Dank und Respekt für die Aufnahme vieler Flüchtlinge aus der Ukraine ausdrücken. Nach polnischen Angaben suchten in dem EU-Land bislang fast 2,7 Millionen Menschen Zuflucht vor dem Krieg in ihrer Heimat. Auf dem Programm steht auch der Besuch eines Freiwilligenzentrums der Caritas, das die Arbeit der Helfer koordiniert und vernetzt.
Der Besuch in Warschau solle zudem das gemeinsame Einstehen für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit demonstrieren, wie es aus dem Präsidialamt weiter hieß. (dpa)
SPD-Außenpolitiker unterstützt Lieferung schwerer Waffen
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), unterstützt die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Eine entsprechende Forderung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sei „sicherlich richtig“, sagte Roth am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Ukraine müsse in die Lage versetzt werden, von der russischen Armee besetze Gebiete „zu befreien“.
„Das ist aus meiner Sicht die einzige Chance, um überhaupt zu einer Verhandlungslösung zu kommen“, argumentierte Roth. „Die Ukraine muss aus einer Position der Stärke und der Wehrhaftigkeit mit Russland verhandeln“. Nur so könne dieser Krieg beendet werden.
Roth forderte eine rasche Abstimmung über Waffenlieferungen in der Nato. „Es bringt ja nichts, wenn alle irgendwas liefern“, sagte der SPD-Politiker. „Sondern es muss natürlich das geliefert werden, was gebraucht wird, was schnell und auch sicher geliefert werden kann und was dann auch rasch einsetzbar ist.“ Darüber dürfe nun nicht wochen- oder monatelang diskutiert werden.
Der Vorsitzende des Außenausschusses sah nicht die Gefahr, dass die Nato über verstärkte Waffenlieferungen in den Krieg hineingezogen werden könnte. Es sei aber „ein schwieriger Balanceakt“, sagte er. „Rote Linie“ bleibe, dass die Nato keine Truppen in die Ukraine schicken oder aus der Luft in den Konflikt eingreifen werde. (afp)
Parlamentarier reisen in die Ukraine
Drei führende Bundestagspolitiker wollen mit einer Reise in die Ukraine ein Zeichen der Solidarität setzen. Der noch am Dienstag in der Westukraine geplante Besuch wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf Einladung von ukrainischen Parlamentariern organisiert.
An der Reise nehmen die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Anton Hofreiter (Grüne) und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), teil. Alle drei Politiker hatten zuletzt mehr Tempo bei Waffenlieferungen gefordert. (dpa)
Großbritannien prüft Berichte über Chemiewaffeneinsatz
Großbritannien versucht Berichte zu verifizieren, wonach Russland bei einem Angriff auf die belagerte ukrainische Stadt Mariupol chemische Waffen eingesetzt haben soll. „Es gibt Berichte, dass die russischen Streitkräfte bei einem Angriff auf die Bevölkerung von Mariupol chemische Kampfstoffe eingesetzt haben könnten“, schrieb Außenministerin Liz Truss am Montagabend auf Twitter. Unterdessen wird die Situation der verbliebenen ukrainischen Soldaten in Mariupol offenbar immer schwieriger.
„Wir arbeiten dringend mit Partnern zusammen, um die Details zu überprüfen“, erklärte Truss zu dem mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz. „Jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine gefühllose Eskalation in diesem Konflikt, und wir werden Putin und sein Regime zur Rechenschaft ziehen“, schrieb Truss weiter.
Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte am Montagabend, auch Washington habe unbestätigte Informationen über einen Chemiewaffenangriff in der strategisch wichtigen Stadt. „Wenn diese Informationen wahr sind, sind sie sehr besorgniserregend“, sagte er. Er verwies auf „Bedenken“ des US-Militärs, dass Russland „verschiedene Mittel, insbesondere Tränengas gemischt mit chemischen Kampfstoffen, in der Ukraine einsetzen könnte“.
Das ukrainische Asow-Bataillon, das in Mariupol kämpft, hatte am Montag im Messengerdienst Telegram erklärt, eine russische Drohne habe eine „giftige Substanz“ auf ukrainische Soldaten und Zivilisten abgeworfen. Betroffene hätten danach unter Atemproblemen und neurologischen Problemen gelitten. Batallionsgründer Andrej Biletsky sagte in einer Videobotschaft: „Drei Menschen haben deutliche Anzeichen einer Vergiftung durch Kriegschemikalien, aber ohne katastrophale Folgen.“ AFP konnte die Angaben nicht verifizieren.
Der Vertreter der in Mariupol kämpfenden prorussischen Separatisten, Eduard Basurin, hatte am Montag die Möglichkeit eines Chemiewaffeneinsatzes in der Stadt angesprochen. Demnach könnten die Separatisten sich „an chemische Truppen wenden, die einen Weg finden werden, die Maulwürfe in ihren Löchern auszuräuchern“, zitierte ihn die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. (afp)
🐾 Österreichs Kanzler bei Putin
taz-Korrespondent Ralf Leonhard erörtert, was sich Österreichs Kanzler Karl Nehammer davon versprochen hat, das persönliche Gespräch mit Wladimir Putin zu suchen.
Lage in Mariupol weiter prekär
Knapp sieben Wochen nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist die militärische Lage in Mariupol prekär. Die verbliebenen ukrainischen Soldaten in der Stadt erklärten am Montag, sie bereiteten sich auf die „letzte Schlacht“ vor. Die Vorräte gingen aus und die Hälfte der Soldaten sei verwundet. Prorussische Separatisten aus der Region Donezk meldeten zudem die Einnahme des Hafens von Mariupol.
Die ukrainischen Behörden gaben sich indessen kämpferisch. „Die Russen haben vorübergehend einen Teil der Stadt besetzt. Ukrainische Soldaten verteidigen weiterhin das Zentrum und den Süden der Stadt sowie die Industriegebiete“, sagte der stellvertretende Bürgermeister der Stadt, Sergej Orlow, der BBC. Die ukrainische Armeeführung erklärte unterdessen auf Telegram: „Die Verteidigung von Mariupol geht weiter.“ Die Verbindung zu den Truppen dort sei „stabil“. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski forderte am Montagabend in einer Videoansprache mehr Waffen von seinen Verbündeten, um die „Blockade“ von Mariupol zu beenden.
Nach dem Rückzug seiner Truppen aus der Region Kiew hatte Russland angekündigt, den militärischen Fokus verstärkt auf den Donbass zu richten. Ziel Moskaus ist laut Experten die Errichtung einer direkten Landverbindung zwischen der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten in den Regionen Luhansk und Donezk. Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol gilt dabei als strategisch entscheidend.
Inzwischen ist die einst mehr als 400.000 Einwohner zählende Stadt weitgehend zerstört, die humanitäre Lage katastrophal. Selenski sprach in einer Videoansprache vor dem südkoreanischen Parlament von „mindestens zehntausenden“ Toten durch die russische Belagerung Mariupols.
Auch in anderen Städten im Osten des Landes gingen die Kämpfe weiter. Bei einem Angriff in Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, wurden nach Angaben des Regionalgouverneurs Oleg Synegubow acht Menschen getötet. (afp)
Selenski erwartet erneuten Angriff auf Mariupol
Die Ukraine bittet um mehr Waffen, um die Belagerung der Hafenstadt Mariupol zu beenden. In einer Fernsehansprache sagt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, die russischen Streitkräfte sammelten sich zu einem erneuten Angriff auf Mariupol und könnten dabei auch auf chemische Waffen zurückgreifen. „Wir sind bei den notwendigen Waffen immer noch auf Nachschub angewiesen. Leider bekommen wir nicht so viele, wie wir brauchen, um die Blockade von Mariupol aufzuheben und den Krieg schneller zu beenden.“ In Mariupol seien bereits Tausende Menschen gestorben. (rtr)
🐾 Russischer Aktivist über seinen Protest
Der Menschenrechtler Oleg Orlow protestierte mitten in Moskau gegen den Krieg und kam glimpflich davon. Mit ihm hat unser Korrespondent Bernhard Clasen gesprochen.
Unmut über Wirtschaftssanktionen stärkt Putin
Die harten Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Kreml-Chef Wladimir Putin haben bei der russischen Elite einen neuen Trend ausgelöst – bisher pro-westlich eingestellte Russen sammeln sich nun hinter ihrem Präsidenten. „Putin hatte keine andere Wahl, als eine Invasion in die Ukraine anzuordnen, um uns vor den Angelsachsen zu bewahren“, sagt etwa Rita German. Die 42-jährige Werbeproduzentin war nach eigenen Worten bis vor Kurzem noch „liberal und anti-Putin“. Doch die nach der russischen Invasion in der Ukraine verhängten Sanktionen des Westens hätten ihr „die Augen geöffnet“, sagt sie.
Der Westen hat Russland wegen der Invasion der Ukraine mit beispiellosen Strafmaßnahmen überzogen. Die westlichen Staaten hofften, dass die Sanktionen die Unterstützung für Putin im eigenen Land schwächen würden. Doch nun sieht es danach aus, als wenn das Gegenteil der Fall wäre. Nach dem ersten Schock haben viele Mitglieder der bisher prowestlichen russischen Mittelklasse das Gefühl, dass sie vom Westen unfair behandelt werden – und scharen sich hinter Putin.
Durch die jüngsten Sanktionen wurden die Russen ohne Unterschied getroffen. Verträge mit westlichen Unternehmen fielen ebenso weg wie geplante Urlaubsreisen nach Europa, Kreditkarten oder Medikamente aus dem Westen.
Viele Mitglieder der Mittelklasse verstünden nicht, warum sie kollektiv die Folgen von Putins Vorgehen in der Ukraine tragen müssen, obwohl sie den Präsidenten nie gewählt haben, sagt die Soziologin Natalja Tichonowa von der Russischen Akademie der Wissenschaften: „Die Dämonisierung der Russen als Nation durch Europa treibt sie nur dazu, sich hinter der Flagge zu versammeln.“
Als Putin seine Truppen in die Ukraine schickte, war Rita German gerade dabei, eine Werbekampagne für ein ukrainisches Unternehmen fertigzustellen. Im ersten Schock habe sie überlegt, Geld für die ukrainische Armee zu spenden, sagt sie. Dann habe sie zwei Wochen lang nachgedacht und sich angehört, was „Historiker und Geopolitik-Experten“ in Russland zur Ukraine sagten – und wurde zur Putin-Anhängerin. Normalerweise könne „niemand Krieg akzeptieren“, sagt die Werbefachfrau. In der gegenwärtigen Lage gehe es aber um die „Souveränität Russlands“: „Wir stehen unter Belagerung“, sagt sie mit Blick auf die Sanktionen. Auf „Coca Cola und iPhones“ könne sie verzichten – es gebe wichtigere „grundlegende Werte“. (afp)
83 Prozent der Russ:innen zufrieden mit Putin
In einer im März veröffentlichten Studie des unabhängigen Instituts Lewada äußerten sich 83 Prozent der Befragten mit Putins Arbeit zufrieden, im Dezember waren es noch 65 Prozent gewesen. Viele Soziologen weisen allerdings darauf hin, dass Umfragen in einer Kriegssituation kein objektives Bild vermitteln, da Kritik an der Regierung quasi verboten ist. Die letzten oppositionellen Medien wurden in den vergangenen Wochen verboten oder mussten den Betrieb einstellen. Die verbliebenen staatsnahen TV-Kanäle produzieren derweil fleißig Sendungen mit antiukrainischer und antiwestlicher Propaganda.
Zu Beginn des Ukrainekonflikts wurden in Russland mehr als 15.000 Menschen bei Protesten festgenommen, inzwischen gibt es kaum noch Proteste. Zehntausende Russen, die meisten davon mit hoher Bildung, verließen das Land. Wer geblieben ist, muss sich mit den Folgen der Wirtschaftssanktionen arrangieren – und viele stimmen der vom Kreml verbreiteten Darstellung zu, der Westen führe einen „umfassenden Krieg“ gegen Russland.
Der 37-jährige Moskauer Alexander Nikonow glaubt, derzeit herrsche im Rest der Welt eine „antirussische Hysterie“. Die Russen müssten daher zusammenstehen: „Dies ist nicht die Zeit für Zankereien.“ Selbst seine Kollegen, die noch vor kurzer Zeit offen regierungskritisch gewesen seien, seien nun verstummt.
Auch eigentlich Politik-ferne Prominente haben sich in die öffentliche Debatte eingeschaltet. Die Schauspielerin Marina Ermoschkina forderte russische Influencer beispielsweise auf, ihre Chanel-Handtaschen zu zerschneiden, um gegen den Russlandboykott des Luxusmodehauses zu protestieren – und veröffentlichte ein Foto, das sie selbst dabei zeigt, wie sie ein Chanel-Täschchen mit einer Gartenschere zerfetzt, um ein Zeichen gegen „Russophobie“ zu setzen.
„Der Wirtschaftskrieg, den der Westen gegen alle Russen unabhängig von ihren politischen Überzeugungen begonnen hat, vereint sie mehr als alle Kreml-Propaganda der vergangenen Jahre“, sagt der Politologe Georgi Bowt. „Indem er die Nation nicht von ihrem Anführer unterscheidet, befördert der Westen die Entstehung eines neuen Staates vor seinen Grenzen: des Anti-Westens.“ (afp)
UN: Fast zwei Drittel aller ukrainischen Kinder auf der Flucht
Fast zwei Drittel aller ukrainischen Kinder sind seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (Unicef) aus ihrem Zuhause geflohen. Die UN bestätigten bislang den Tod von 142 Kindern, wenngleich diese Zahl sicher viel höher sei, erklärte Unicef.
Der jüngst aus der Ukraine zurückgekehrte Nothilfekoordinator von Unicef, Manuel Fontaine, erklärte, die Entwurzelung von 4,8 Millionen der 7,5 Millionen ukrainischen Kinder in so kurzer Zeit sei etwas, das er in so großer Geschwindigkeit in 31 Jahren humanitärer Arbeit nicht erlebt habe. Fontaine sagte, 2,8 Millionen Kinder seien innerhalb der Ukraine vertrieben, zwei Millionen seien in anderen Ländern.
Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja gab an, Russland habe mehr als 121.000 Kinder aus der Ukraine gebracht und Berichten zufolge einen Gesetzentwurf erarbeitet, der Adoptionsverfahren bei Waisen und selbst solchen Kindern, die Eltern und andere Angehörige haben, vereinfachen und beschleunigen soll.
Die meisten Kinder wurden nach seinen Angaben aus der Hafenstadt Mariupol fortgebracht, in den Osten der Region Donezk und dann in die russische Stadt Taganrog. (ap)
Großhandelspreise nach Kriegsausbruch mit Rekordanstieg
Die deutschen Großhändler haben ihre Preise im März nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine in Rekordtempo angehoben. Sie stiegen um durchschnittlich 22,6 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Ein größeres Plus hat es seit Beginn der Berechnungen 1962 nicht gegeben. Im Februar hatte es noch 16,6 Prozent betragen. Auch gestörte Lieferketten, etwa durch Corona-Ausbrüche in China, machen viele Waren teurer. Allein von Februar auf März zogen deshalb die Großhandelspreise um 6,9 Prozent an – auch das ist ein Rekordanstieg. Die Entwicklung gilt als Indikator für zukünftige Inflationstendenzen, da der Großhandel das Scharnier zwischen Herstellern und Endkunden darstellt und höhere Kosten am Ende meist bei den Verbrauchern landen.
Der hohe Anstieg geht auf stark gestiegene Preise für viele Rohstoffe und Vorprodukte zurück. „Da die Erhebung zum Stichtag 5. März 2022 erfolgte, dürften in den Ergebnissen auch bereits erste Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sichtbar sein“, so die Statistiker. Mineralölerzeugnisse kosteten im Großhandel 70,2 Prozent mehr als im März 2021. Feste Brennstoffe (plus 61,9 Prozent) sowie Erze, Metalle und Metallhalbzeug (plus 55,8 Prozent) verteuerten sich ebenfalls sehr stark. Erheblich höher waren auch die Preise im Großhandel mit Getreide, Rohtabak, Saatgut und Futtermitteln (plus 43 Prozent), mit Roh- und Schnittholz (plus 42,5 Prozent) sowie mit chemischen Erzeugnissen (plus 40,1 Prozent). Für Milch, Milcherzeugnisse, Eier, Speiseöle und Nahrungsfette mussten 22,6 Prozent mehr bezahlt werden.
Der Großhandelsverband BGA befürchtet weiter steigende Preise, weil die Lager sich leeren könnten und der Nachschub nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in manchen Fällen nicht mehr funktioniere. Neben der starken Abhängigkeit im Energiebereich könnten davon Aluminium-Produzenten und der Lebensmittelhandel betroffen sein. Auch Zellstoffe könnten knapp werden, also etwa Toilettenpapier und Küchenrollen. Knappheiten führten zwar nicht automatisch zu leeren Regalen, so der BGA. Oft könnten Produkte aber nur zu höheren Preisen und mit längeren Lieferzeiten anderweitig als aus der Ukraine oder Russland bezogen werden. (rtr)
Hier lesen Sie die Nachrichten vom Montag, 11. April 2022.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl