Bildungsbohème in der Linkspartei: Linke Folklore
Die Mitglieder der Linkspartei sind urban und akademisch. Für diejenigen, die sich für mehr als Gaza und Rassimus-Themen interessieren, wird es eng.
 
E s ist löblich, dass die Linkspartei in einer Umfrage mit vielen Detailpunkten herausfinden wollte, wer eigentlich ihre Mitglieder sind, woher sie kommen, was ihnen wichtig ist – seit dem Wiederaufstieg der Partei hat sich ihre Mitgliederzahl mehr als verdoppelt. Immerhin 11.500 Mitglieder nahmen an der Umfrage teil und damit gut ein Zehntel, das ist viel für Umfragen.
Erste Erkenntnis, wenngleich nicht besonders überraschend: Jedes fünfte Neumitglied studiert. Die Linke ist mit einem Durchschnittsalter von knapp 39 Jahren eine junge Partei, davon kann die SPD nur träumen.
Die zweite und dritte Erkenntnis, und da wird es schon interessanter: Großstädter gibt es bei der Linken mehr als Kleinstädter und Dörfler. Überrepräsentiert sind ebenfalls Berufe, die man als links-postmateriell einstufen kann: Solche, die im Bildungs-, Kultur- und Medienbereich arbeiten, finden sich bei der Linken deutlich häufiger als im Bevölkerungsdurchschnitt. Hingegen sind Handwerker, Industriearbeiterinnen und Paketausträger rar in der Partei.
 
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Die neue Linke ist mehr als zu alten Zeiten eine Partei der urbanen Bildungs- und Kulturbohème. Das ist aus der Binnensicht der Partei völlig okay – sie ist damit ja erfolgreich –, für das Parteiensystem insgesamt ist es aber eine bedenkliche Entwicklung: Solche, die mit Hingabe darüber diskutieren, wie genozidal nun der Krieg in Gaza und ob Friedrich Merz ein Rassist ist, haben mit der Linken, den Grünen und Teilen der SPD (Jusos) gleich drei Plattformen. Solche aber, die lieber über den Mindestlohn oder die Zukunft der Rente und Lösungen aus linker Sicht debattieren wollen, sind eindeutig in der Defensive.
Was auch bedenklich ist: Mit dem Trio SPD (längst zur Beamtenpartei geworden), Grüne und (neuer) Linke agieren gleich drei Parteien, bei denen der berüchtigte Linkspaternalismus grassiert: Wir Akademiker wissen am besten, was für die Unterprivilegierten gut ist.
Dem Parteiprogramm der Linken ist übrigens Bertolt Brechts Gedicht „Fragen eines lesendes Arbeiters“ vorangestellt. Das ist nur noch Folklore, eine leere Pathosformel.
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