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SUV-Verkehrsunfall auf SardinienDie tödliche Front

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Die Frau eines Managers hat in Italien eine Fußgängerin überfahren. Wichtiger als wer hinterm Steuer saß, ist die Frage, warum SUV so hohe Hauben haben.

Mehr als hüfthohe Schnauze: Der BMW (links) nach dem Unfall auf Sardinien Foto: Vanna Sanna/La Nuova Sardegna/AP/dpa

E in tödlicher Verkehrsunfall auf der Mittelmeerinsel Sardinien sorgt seit Tagen für Aufsehen – auch in deutschen Medien. In einem Urlaubsort auf der zu Italien gehörenden Insel wurde eine junge Frau überfahren. Für die Boulevardpresse ist das ein gefundenes Fressen. Denn am Steuer des Unfallfahrzeuges saß die Frau des Chefs der Lufthansa. Das allein scheint als Grund für eine Berichterstattung zu reichen.

Dass das Opfer die Tochter eines lokalen Gewerkschafters war, die als Babysitterin in dem Nobelort arbeitete, gibt dem Ganzen noch eine Note von Klassenkampf – aber schon das bleibt meist ein Randaspekt. Und es verstellt den Blick auf die eigentliche Brisanz dieses Unfalls: Er zeigt in besonderer Weise die Folgen eines dramatischen Ungleichgewichts im Straßenverkehr.

Denn das Unfallfahrzeug war ein BMW X5 – eines dieser bulligen Fahrzeuge, die unter dem Stichwort SUV den Insassen Bequemlichkeit und Sicherheit verheißen – für alle anderen aber eine im Wortsinne wachsende Gefahr darstellen.

Gerade erst hat eine Studie ergeben, dass die Motorhaubenhöhe der in Europa verkauften Autos binnen zehn Jahren um 10 Prozent von 77 auf 84 Zentimeter gestiegen ist. Mit fatalen Folgen. Fah­re­r:in­nen verlieren den Überblick über das, was vor ihnen steht. Oder liegt nach einem Sturz. Unter Ex­per­t:in­nen gelten Autos mit sehr hohen Motorhauben als fahrende tote Winkel.

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BMW lobt die charaktergebende Frontpartie

BMW selbst preist die breite Frontpartie, die dem X5 dank einer markanten Doppelniere Charakter verleihe. Über die Höhe der Haube schweigt sich BMW wie viele Hersteller aus. Sie dürfte nach taz-Schätzung mit 90 Zentimetern weit über dem Schnitt liegen.

Da braucht es nicht einmal eine Ra­se­r:in am Steuer. Die Fahrerin in Sardinien war vermutlich an einem Zebrastreifen in einer Tempo-30-Zone gerade erst langsam angefahren, als sie ihr Opfer übersah.

Die Ermittler vor Ort, so melden italienische Medien, sind jedenfalls überzeugt, dass die 24-Jährige noch leben würde, wenn sie von einem niedrigeren Auto getroffen worden wäre. Ein Fronthöhenlimit für diese Straßenpanzer ist überfällig.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz. 2000 bis 2005 stellvertretender Leiter der Berlin-Redaktion. 2005 bis 2011 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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3 Kommentare

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  • Was also spricht gegen EU-weit verpflichtende Notbremsassistenten bei Neuwagen? Gepaart mit den Kameras, die in teuren SUVs ohnehin vorhanden sind, GPS und anderer Sensorik wüsste das Auto auch, ob es gerade in der Stadt, auf der Landstraße oder auf der Autobahn unterwegs ist und könnte seine Reaktion auf Unvorhergesehenes entsprechend anpassen.

  • Die Unfallursache kann einfach Unachtsamkeit gewesen sein.



    Das Argument gegen die hohen Fronten finde ich aber richtig.

    Im übrigen finde ich es bedrohlich, wenn die inzwischen sehr voluminösen PKWs auf unseren Straßen unterwegs sind. Einerseits aufgrund der Formensprache, da hier von vielen Designern scheinbar viel Wert auf ein möglichst martialisches Aussehen gelegt wird. Andererseits leidet die Kommunikation zwischen Fahrer und Außenwelt, da die Autoinsassen aufgrund der bulligen Silhouette der Autos wie abgeschirm wirken.

  • „Die Frau eines Managers“ Definieren wir Frauen jetzt wieder über den Beruf ihres Mannes?