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Krieg im Nahen OstenDefinitionsmacht eines Genozids

Nicholas Potter
Kommentar von Nicholas Potter

Die Völkermord-Anklage gegen Israel erlebt eine Renaissance. Dieser Vorwurf ist haltlos – eine Replik auf einen Text in der taz.

Der Begriff Genozid wird immer wieder bei pro-palästinensischen Protestveranstaltung benutzt, wie in Berlin Februar 25 Foto: Emmanuele Contini/imago

I sraels vermeintlicher Genozid ist für manche Kritiker so alt wie das Land selbst: Der jüdische Staat soll schon seit der Staatsgründung 1948 einen Völkermord gegen die Palästinenser verüben. Und in den Tagen direkt nach dem 7. Oktober 2023, dem Hamas-Massaker, das sich überwiegend gegen israelische Zivilisten richtete, erlebte der Vorwurf eine Renaissance – noch bevor alle 1.200 Leichen und 250 Geiseln überhaupt gezählt werden konnten.

Inzwischen reicht selbst der Begriff Genozid nicht, um 16-monatigen Krieg zwischen Israel und der Hamas in Gaza zu beschreiben, der mit einem Waffenstillstand und Geiseldeal am 19. Januar zunächst unterbrochen wurde, während über eine längerfristige Friedenslösung noch verhandelt wird. Nein, Israel begehe einen Ecozid, Scholastizid, Medizid, Urbizid und viele weitere Zide. Auch ein neuer Begriff kursiert, um dieses vermeintlich singuläre Ereignis der Menschheitsgeschichte zu beschreiben: der „Gazazid“.

Eine heftige Debatte entbrennt, ob Israel im Gaza-Krieg einen Genozid verübt habe. Die israelische Soziologin Eva Illouz kritisiert den Vorwurf im Dezember in einem Essay für die Süddeutsche Zeitung als historisch falsch, unehrlich und antisemitisch. In der taz erschien im Januar eine Replik mit der Überschrift „Völkermord, im Ernst“, die Illouzs Argumentation moniert.

Es geht in diesem Konflikt zu selten um Fakten, dafür um jede Menge Superlative. Aber der Genozidvorwurf gegen Israel wird nicht wahrer, je öfter man ihn wiederholt. Und bei vielen scheint das Narrativ von vornherein gesetzt zu sein. Denn es würde das antiisraelische Bauchgefühl rückwirkend legitimieren, den Hass rechtfertigen. Erst nach dem Vorwurf wird nach vermeintlichen Belegen gesucht. Und wenn die Belege nicht reichen, wird die Definition eines Genozids so weit ausgedehnt, bis die passen könnte.

Genozid-Konvention von 1948

Ausgerechnet der jüdische Staat soll sich eben des Menschheitsverbrechens schlechthin schuldig gemacht haben, des Genozids – ein Begriff, der 1944 von einem jüdischen Juristen erfunden worden war, um die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten rechtlich zu erfassen und künftig zu verhindern. Die internationale Genozid-Konvention von 1948 spricht von Handlungen, die „in der Absicht begangen“ werden, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

Ein Genozid ist also nicht von der Todeszahl abhängig, die in Gaza erschreckend hoch ist, sondern von der Intention. So weit, so richtig. Doch die Zahlen sind trotzdem hilfreich: Mehr als 48.000 Palästinenser in Gaza bis zum Waffenstillstand sind laut der von der Hamas geführten Gesundheitsbehörde getötet worden, die zwischen Kämpfern und Zivilisten nicht unterscheidet. Belastbare, unabhängige Zahlen gibt es nicht. Viele berufen sich auf eine Korrespondenz im renommierten Medizinjournal The Lancet, die 186.000 Tote oder mehr für plausibel hält. Diese Korrespondenz ist allerdings keine Peer-Reviewed-Studie, sondern eine Art Leserbrief, und wurde in anderen Lancet-Korrespondenzen heftig kritisiert.

Dennoch: Für die Terrororganisation Hamas ist eine hohe Todeszahl Teil des Plans, um Israel unter Druck zu setzen. Und für Yahya Sinwar, bis zu seiner Tötung im Oktober Hamas-Chef in Gaza, sind die getöteten Palästinenser laut geleakten Nachrichten „notwendige Opfer“. Die Hamas verschanzt sich in Tunneln und ziviler Infrastruktur, sie gefährdet bewusst das Leben von Zivilisten. Dass Gaza in Schutt und Asche liegt, ist eine absolute Tragödie. Eine, für die die Hamas eine große Mitverantwortung trägt.

Verteidigung als legitimes Kriegsziel

Vor diesem Hintergrund ist es doch bemerkenswert, dass die israelische Armee nach eigenen Angaben 20.000 der schätzungsweise insgesamt 30.000 bis 35.000 Hamas-Kämpfer getötet hat. Diese Zahl ist wichtig, denn sie ist ein gutes Indiz dafür, ob die israelische Armee die Palästinenser in Gaza absichtlich vernichten will – also einen Völkermord begeht – oder sich gegen die Hamas verteidigt, was ein legitimes Kriegsziel wäre.

Und einiges spricht dafür, dass die Zahl der getöteten Hamas-Kämpfer stimmen dürfte. So ging das Institute for the Study of War in Washington im September davon aus, dass Israel nur drei der insgesamt 24 Brigaden der Hamas noch nicht besiegt hätte, auch wenn die Hamas weiterhin rekrutiert und ihre Strukturen wieder aufbaut. Auch die britische Henry Jackson Society kommt in einem im Dezember veröffentlichten Bericht zum Schluss, dass mindestens 40 Prozent ihrer Kämpfer von Israel getötet worden sind, was diese Zahl als glaubwürdig erscheinen lässt.

Entscheidend ist das Verhältnis zwischen getöteten Kämpfern und Zivilisten. Und hier ist es, wenn man die Gesamttodeszahl der Hamas-Gesundheitsbehörde größtenteils akzeptiert, aber statistische Ungereimtheiten herausrechnet, fast eins zu eins.

Laut dem Friedensforscher William Eckhardt waren zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert die Hälfte alle Kriegstoten Zivilisten. Der Londoner Thinktank Action on Armed Violence kommt zu dem Ergebnis, dass sogar 90 Prozent aller Verletzten oder Getöteten von Sprengstoffwaffen in bevölkerten Gebieten Zivilisten sind, deutlich mehr als in Gaza. Und so ähnelt der Krieg in Gaza nicht anderen Genoziden, sondern anderen Kriegen, vor allem im urbanen Raum. Das macht ihn nicht weniger furchtbar.

Internationaler Strafgerichtshof angerufen

Die israelische Kriegsführung in Gaza kann man dennoch kritisieren. Eine Recherche der New York Times im Dezember deckte auf: Israel schwächte nach dem 7. Oktober 2023 die Regeln für Luftangriffe auf Hamas-Ziele ab. So dürfen inzwischen bis zu 20 Zivilisten pro Angriff gefährdet werden. Das kann man als brutal und unverhältnismäßig kritisieren, die Absicht dabei bleibt jedoch, die Hamas zu bekämpfen – trotz teils menschenverachtender Aussagen diverser Politiker in Israel, die zu Recht scharf kritisiert werden müssen.Südafrika hat Israel dennoch vor dem Internationalen Strafgerichtshof des Genozids beschuldigt, ein Urteil wird es vermutlich erst in Jahren geben. Die regierende Partei des Landes, der African National Congress, pflegt übrigens seit Jahren Verbindungen zur Hamas, die er als legitime Befreiungsorganisation sieht. Inzwischen hat Irland die Klage unterstützt, doch das Land will eine neue Genozid-Definition, weil die jetzige laut Außenminister Michael Martin eine „sehr enge Interpretation“ sei.

Auf ein Urteil wollen manche Aktivisten und Nichtregierungsorganisationen nicht warten. Amnesty International etwa. Im Dezember veröffentlichte die Kampagnenorganisation einen Bericht, auf den sich viele nun beziehen, der auch Genozid neu definiert: Eine genozidale Absicht müsse „holistisch“ betrachtet werden, Genozid müsse nicht die einzige Intention sein, „sie kann mit militärischen Zielen koexistieren“, heißt es. Amnesty Israel distanzierte sich davon und wurde daraufhin für zwei Jahre von der Mutterorganisation suspendiert.

Im aktuellen Konflikt zwischen der Hamas und Israel gibt es aber sehr wohl eine genozidale Absicht, die keine neue Definition erfordert: Daraus macht die Hamas keinen Hehl, es steht offen in ihrer Gründungscharta. Und am 7. Oktober 2023 versuchte sie schwer bewaffnet so viele Menschen in Israel wie möglich zu ermorden. Sie filmte sich sogar dabei, um es der Welt stolz und in aller Deutlichkeit zu zeigen.

Auch einige der rund 250 Geiseln, die sie nach Gaza verschleppten, ermordeten die Terroristen kaltblütig: Die Bibas-Kinder – erst neun Monate und 4 Jahre, als sie entführt wurden – sind laut forensischen Untersuchungen in Israel nach ihrer Leichenübergabe Ende Februar, die mit ausländischen Geheimdiensten zur Verifizierung geteilt worden sind, „mit bloßen Händen“ ermordet worden. Und dahinter steckt eine glasklare Intention.

Nach dem Waffenstillstand im Januar trauert die Hamas nicht um einen „Genozid“, sie sieht sich auch nicht als Verlierer. Sie feiert immer noch schwer bewaffnet und in frisch gebügelten Uniformen den Sieg gegen den „Nazi-Zionismus“ in zynischen Propagandazeremonien, während sie bis heute 59 Geiseln gefangen hält. Den 7. Oktober, den sie als „Al-Aqsa Flut“ verherrlicht, zelebriert sie als Erfolg. Und immer wieder betont sie: Sie würde es nochmal tun.

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Nicholas Potter
Redakteur
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei (Gesellschaft/Medien). 2024 war er Fellow des Internationalen Journalistenprogramms bei der Jerusalem Post. Im selben Jahr wurde er für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Seine Texte sind auch im Guardian, Tagesspiegel, der Jüdischen Allgemeinen und der Haaretz erschienen. Er ist Mitherausgeber des Buches "Judenhass Underground" (2023).
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25 Kommentare

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  • Die Behauptung, dass von den Getöteten 50% Hamas-Kämpfer und 50% Zivilisten seien, passt aber nicht zusammen mit den Angaben der UN, dass 70% der Todesopfer Frauen und Kinder sind:

    unric.org/de/gaza-...inder-unter-toten/

    Wie teilen sich dann die 30% männlichen Opfer auf? Das sind ja wohl kaum alles Hamas-Kämpfer. Angenommen, von den männlichen Todesopfern sind jeweils die Hälfte Hamas-Kämpfer und die andere Hälfte Zivilisten, dann wären nur etwa 15% der von der IDF-Armee Getöteten von der Hamas.

    Davon abgesehen, wäre auch ein 1:1-Verhältnis von Zivilisten/Nichtzivilisten mit einer Völkermord-Intention vereinbar, das hängt nicht an Zahlen.

    Ein Großteil der Todesopfer, Verletzten und Kranken in Gaza sind nämlich Opfer der zerstörten Nahrungsmittelversorgung, medizinischen Versorgung und Infrastruktur insgesamt.

    Und warum zerstört die Israelische Armee diese lebenswichtige Infrastruktur? Um gezielt Hamas-Kämpfer zu erwischen?

  • Yossi Bartal , Autor*in ,

    Lässt man die Strohmann-Argumente und andere semantische Tricks beiseite, bleibt ein einziges Argument: Das Verhältnis zwischen getöteten Zivilisten und Kämpfern sei für kriegerische Auseinandersetzungen im urbanen Raum normal – und daher könne es kein Genozid sein. Doch worauf stützt sich der Autor bei der Einschätzung der Todeszahlen? Auf eine Publikation des konservativen Institute for the Study of War, das den Sieg über mehrere Hamas-Bataillone behauptet, ohne Angaben zu Todesopfern zu machen.

    Die zweite Quelle ist noch weniger seriös und stammt von der rechten Henry Jackson Society. Ihre Recherchen zu den Todeszahlen in Gaza wurden von israelischen Forscher scharf kritisiert ( rb.gy/3uiuv6 ). Ihre Einschätzung zum Anteil der Kämpfer ergibt gar keinen Sinn –es sei denn, die Gesamtzahl der Todesopfer wäre weitaus höher als berichtet und alle erwachsenen Männer seien Kämpfer.

    Anstatt sich seriös mit Organisationen wie Human Rights Watch, Amnesty, Ärzte ohne Grenzen, ECCHR, medico und vielen weiteren Gruppen auseinanderzusetzen – die nach langer Zeit zu dem Schluss kamen, den Begriff Genozid für die Situation doch zu verwenden – wird hier leider vor allem nur geranted.

  • Vielen Dank für diesen notwendigen Beitrag. Meinem Vorposter Sam Spade rate ich nur, die Emotionen etwas weniger stark zu kochen und mit sachlichem Blick den nuancierten Text noch einmal und diesmal richtig zu lesen. Vielleicht schafft Sam dann auch selbst ein schlüssiges Argument zu bringen statt wirre Anwürfe umherzuschleudern.

  • Naja, wenn ich mir die Bilder aus Gaza so anschaue: Wenn es kein Genozid ist - was ist es dann?

  • "Die regierende Partei des Landes, der African National Congress, pflegt übrigens seit Jahren Verbindungen zur Hamas, die er als legitime Befreiungsorganisation sieht" Alle Regierungen Israels haben hervorragende Verbindungen zu dem südafrikanischen Apartheidregime gepflegt, inklusive Umgehung des UN-Waffenembargos und Ausbildung des damaligen südafrikanischen Militärs und Geheimdienstes.

  • Auf alles zu antworten wäre zu umfangreich, aber trotzdem ein paar Antworten:



    "Belastbare, unabhängige Zahlen gibt es nicht." Die gibt es nicht weil alle die diese Zahlen besorgen wollen von der IDF ermordet werden.



    "für Yahya Sinwar, bis zu seiner Tötung im Oktober Hamas-Chef in Gaza" Der wurde "versehentlich" getötet, nicht weil er als Hamas-Chef erkannt wurde sondern "nur" weil er als Palästinenser erkannt wurde.



    "Die Hamas verschanzt sich in Tunneln und ziviler Infrastruktur, sie gefährdet bewusst das Leben von Zivilisten." Das ist vollkommen richtig, ebenso richtig ist es, daß es ein Kriegsverbrechen ist Zivilisten deswegen zu töten.



    "dass die israelische Armee nach eigenen Angaben 20.000 der schätzungsweise insgesamt 30.000 bis 35.000 Hamas-Kämpfer getötet hat." Den Angaben der IDF ist genausowenig zu glauben wie denen der Hamas. Außerdem widerspricht es der Angabe, daß es belastbare palästinensiche Todeszahlen nicht gibt.



    "trotz teils menschenverachtender Aussagen diverser Politiker in Israel" Das sind nicht einfach Politiker sondern Poltiker in Regierungsverantwortung. Man kann also davon ausgehen, daß sie nur beschreiben was Regierungspolitik ist.

  • Dass sich beide Seiten bei jeder Gelegenheit gegenseitig mit Maximalvorfürfen überschütten und dabei jede angebrachte Grenze schon längst überschritten haben, ist nun wirklich überhaupt keine Neuigkeit mehr. Dass sie das Leid der "Gegenseite" in ihren Ausführungen wie selbstverständlich unter den Teppich kehren. Dass sie jegliche Zwischentöne, jede moderate, differenzierte oder selbstkritische Stimme übertönen. Dass sie mit aller Macht die Deutungshoheit über diesen Konflikt haben wollen, den sie selbst unablässig schwarz/weiß anstreichen. Dass sie die Unversöhnlichkeit, das Niederschreiben (oder -brüllen), das notorische Fingerzeigen zum Kommunikationstandard erhoben haben.



    Ich frag mich allerdings fast schon ebenso lange, warum man genau diesen Stimmen immer wieder die Bühne gibt. Warum einem im Großteil der Artikel und Kommentare zu diesem Konflikt immer wieder eins dieser Murmeltierzwillinge über den Weg läuft. Ohne den kleinsten Erkenntnisgewinn. Ohne jede Bereitschaft zu Ansätzen zu finden, die zu einer Lösung beitragen könnten.

  • Ich kann viele Argumente des Textes nachvollziehen, es bleiben aber ein paar Unvollständigkeiten. Bspw. stimmt es, dass der ANC (der übrigens nicht mehr "Die regierende Partei des Landes", sondern die grösste Partei in einer Koalition ist) Kontakte zur Hamas und anderen militanten, terroristischen Gruppen pflegt, man sollte aber nicht aussparen, woher das schlechte Verhältnis zwischen einem Teil der (schwarzen) Bevölkerung Südafrikas zu Israel kommt. Nach anfänglicher Kritik arbeitete die israelische Regierung ab 1967 eng mit dem Apartheidregime zusammen. So gab es ein Militärabkommen zwischen den beiden Staaten, welches auch Nuklearwaffen einschloss und umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen, obwohl mehrere führende Politiker des Apartheidregimes offen antisemitische Ansichten hegten. Erst 1987, nach massivem Druck durch die USA, erhob Israel Sanktionen gegen Südafrika.

    Diesen Teil der Geschichte der israelisch-südafrikanischen Beziehungen einfach auszulassen wenn man die Aktion Südafrikas vor dem IGH kritisiert erscheint etwas... seltsam.

  • Danke, einfach nur danke für diese klare Einordnung.

  • Thanks for your balanced and unbiased clarification, Mr Potter!

  • Leider reiht der Autor in seinem Text einen Relativierungsversuch an den nächsten, was leider auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht.

    Die Argumente mit Zahlen zu untermauern rettet den Text auch nicht mehr. Er hätte auch einfach nüchtern analysieren können und wäre dann vermutlich zu dem Schluß gekommen, dass die Verhältnismäßigkeit bezgl. des Selbstverteidigungsrechts Israel nicht ansatzweise bestand hatte.

    Das Ausmaß der Zerstörung und die hohe Anzahl der getöteten Zivilisten ist nicht von der Hand zu weisen. Und was ist das für eine zynische Argumentation hinsichtlich der israelischen Luftangriffe, "So dürfen inzwischen bis zu 20 Zivilisten pro Angriff gefährdet werden". Bitte einmal einen Blick auf das Völkerrecht werfen, da steht in dieser Hinsicht nichts von "dürfen".

    Das die Hamas genozidale Absichten verfolgt ist bekannt, dass eine Terrororganisation immer wieder für einen Vergleich mit einem demokratischen Staat herhalten muss ist absurd.

    Der IStGH hat die Klage Südafrikas angenommen, er wird prüfen und urteilen ob die Vorwürfe berechtigt sind und inwieweit Israel gegen das Völkerrecht verstoßen hat. Nicht AI, die Pro-Palis oder Nicholas Potter haben darüber zu richten.

    • @Sam Spade:

      Ich teile deine Kritik an dem Artikel. Insbesondere kann weder der Umstand, dass der Begriff Genozid wegen des Holocaustes überhaupt erst geschaffen wurde noch der Umstand, dass die Hamas selbst einen Genozid gegen israelische Juden verüben als Argumente dafür dienen, dass Israel keinen Genozid verübt/verüben kann.

      Allerdings dürfen nach Völkerstrafrecht Zivilisten in einem Krieg vorsätzlich (wissentlich nicht absichtlich) getötet werden, solange diese Tötungen nicht außer Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil des Angriffs stehen.



      Dies ist zum Beispiel in Art. 51 des Ersten Zusatzprotokoll der genfer Konventionen geregelt und in § 11 Absatz I Nr. 3 VStgb ( deutsche Umsetzung des Völkerstrafrechts, insbesondere des IStgh Statut).

      • @Myra13:

        "Ius contra bellum"

        Das IV Genfer Abkommen ist relativ konkret und klar verständlich.

        Zivilpersonen dürfen niemals angegriffen werden und sind zu schonen (Art. 51 II ZP I; Art. 13 ZP II).

        Dies schließt auch unterschiedslose Angriffe aus, z. B. Flächenbombardements von Großstädten (Art. 51 IV, V ZP I).

    • @Sam Spade:

      …anschließe mich

      unterm——



      …mit Jura gar Völkerrecht besser nicht probieren & (nochens - wo bleibt @CRS ?



      wennste sie mal brauchst?)

      • @Lowandorder:

        sehr geschätzter lowandorder, was spricht in diesem Zusammenhang gegen einen Verweis auf das Völkerrecht?

        Werde nicht recht schlau aus ihrem Kommentar. Und wer ist bitte @crs?

    • @Sam Spade:

      "Das Ausmaß der Zerstörung und die hohe Anzahl der getöteten Zivilisten ist nicht von der Hand zu weisen."



      Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Hamas Zivilisten missbraucht - sie baut ihre Bunker unter Krankenhäuser, Ein- und Ausgänge liegen nicht selten unter normalen Wohnhäusern und Kämpfer der Hamas bewegen sich wie Guerillas inkognito zwischen Zivilisten um dann urplötzlich aus Hinterhalten zuzuschlagen.



      Die Hamas führt einen durch und durch dreckigen Krieg und nutzt die eigene Bevölkerung als Knautschzone.



      Die Hamas stellt das schlau an, dass muss man ihr lassen, Israel kann die Hamas nur unter Inkaufnahme ziviler Opfer bekämpfen.



      Spannend ist, wie diese Tatsache von pro-Palästina-Verfechtern komplett ignoriert wird. Die Hamas verheizt ihre Bevölkerung nicht weniger grausam als es die Nazis in ihren letzten Zügen getan haben - warum man das quasi in Alleinverantwortung Israel anhängt und nicht die Hamas rügt...🤷‍♂️



      Ich komme nicht umhin festzustellen, dass der Hass auf Israel vom linken Lager durch ihre Nähe zu den USA befeuert wird. Amerika ist die Schutzmacht Israels, dass macht Israel für viele Linke zur persona non grata - und so versteigt man sich dann blind

    • @Sam Spade:

      Potter unternimmt keinen Relativierungsversuch, sondern er prüft die Frage der Verhältnismäßigkeit. Da spielen dann Zahlen sehr wohl eine Rolle.



      Sie dagegen machen sich argumentativ einen schlanken Fuß und stellen apodiktisch fest, die Verhältnismäßigkeit sei nicht gegeben. Punkt. Belege? Fehlanzeige!



      Auf ein zentrales Argument gehen sie aber interessanterweise gar nicht ein. Die völkerrechtliche Definition des Völkermordes ist nämlich ziemlich eindeutig und daran, und nur daran, hat sich auch die juristische Beurteilung zu orientieren. Daher auch die vielfältigen Bemühungen, zuletzt von AI, die Definition so aufzuweichen, dass darunter alles subsumiert werden kann. Ab einer bestimmten Anzahl toter Zivilsten ist es dann eben einfach ein Genozid. Und noch ehe Sie sich umgucken können, landen Sie im Lager derjenigen, die vom "Bombenholocaust" schwadronieren.

      • @Schalamow:

        "Da spielen dann Zahlen sehr wohl eine Rolle"

        Einige Kommentare haben dazu schon treffende Anmerkungen gemacht, wie @yossi bartei in Hinblick auf die Quellen oder @uns uwe mit dem berechtigten Hinweis auf die Diskrepanz hinsichtlich der UN Angaben zu den Opferzahlen.

        Es bestätigt daher meinen im Kommentar bereits geäußerten Eindruck, dass der Autor weit davon entfernt ist eine objektive Analyse darzulegen, sondern wie es in einem Kommentar treffend bezeichnet wurde lediglich auf "Strohmann-Argumente und semantische Tricks" zurückgreift. Die Absicht ist leicht durchschaubar und wie viele Beiträge zu diesem Thema geprägt von reiner Propaganda ohne nachhaltigen Informationswert.

    • @Sam Spade:

      Der Autor verweist zutreffend auf die für den Genozid-Tatbestand notwendige Vernichtungsabsicht und die hohen rechtlichen Hürden. Bedauerlicherweise geht er nicht auf den Sachverhalt an sich ein - man vergleiche etwa die mehr als siebenhundert Aussagen hochrangiger israelischer Politiker und Militärangehöriger, die Südafrika in seiner Anklageschrift gesammelt hat, oder den vielfach und unabhängig belegten Mangel an Differenzierung zwischen Kämpfern und Zivilisten in der israelischen Kriegsführung, sondern verweist stattdessen auf die unzweifelhaft vorliegende Vernichtungsabsicht der Hamas ggü. Israel, so als könne nicht beides gleichzeitig vorliegen. Er geht auf die Einschätzung Dritter ein, aber setzt sich nicht ernsthaft mit der materiellen Richtigkeit ihrer Thesen auseinander. Dass selbst deutsche Völkerrechtler den Vorwurf zunehmend bejahen, bleibt außen vor. Und mit so großer Wahrscheinlichkeit zutreffende Vorwürfe von Verstößen gegen das Völkerkriegsrecht, dass sie dem IStGH für die Ausstellung eines Haftbefehls genügen, spricht er gar nicht erst an, so als käme es in der Debatte aus ausschließlich auf den Genozidvorwurf an. So kann der Text leider nicht überzeugen.

    • @Sam Spade:

      Das sehe ich komplett anders. Endlich ist mit diesem Text eine Erwiderung auf propagandistischen Märchen aus Paliwood erschienen, der auch den einen oder die andere Mitarbeiterin der TAZ zum überdenken seiner/ihrer Position anregt.

    • @Sam Spade:

      Doch, die Argumente mit OBJEKTIVEN Zahlen zu untermauern, hilft viel und soll vor allem die Meinung ändern. Niemand, außer Flat Earther vielleicht, sollte Mathematik in Frage stellen.

      Das geht so: "Woah ey, die israelische Armee hat 20,000 von 30,000 Hamaskämpfer getötet, die ähnliche Ziele verfolgen wie die Nazis! Zahlen kann ich nicht widerlegen, also muss ich meine Meinung ändern!!!"

      Bomber Harris lässt grüßen, als Nazis sich in Dresden feige hinter der Zivilbevölkerung versteckt haben.

      Und wenn der Internationale Strafgerichtshof so eine moralische Instanz ist, dass nur dieses eine Urteil zählt, und nicht Nicholas Potter, dann darf ich auf eines gespannt sein: Wenn dieser dann urteilt, es ist kein Genozid, wobei die Wahrscheinlichkeit doch eher gering ist, müssen alle Propalästinenser ihre Meinung zum Genozid ändern.

      Wer das nicht tut, der wird weiterhin seine antiisraelischen Fantasien ausleben, wie Potter geschrieben hat.

    • @Sam Spade:

      Es geht nicht um Relativierung, sondern um einen Abgleich mit der Definition eines Genozids, und die ist klar nicht erfüllt.

    • @Sam Spade:

      Er richtet nicht, er belegt seine Meinung. Die muss Ohnen ja nicht passen. Mir schon.

  • Ich verstehe, dass einige merkwürdige Antisemiten in der Berliner Bubble ihre judenfeindlichen Absichten mit Genozidbehauptungen und ähnlichem verschleiern.

    Allerdings sollte dem Autor auch auffallen, wie die Verantwortung für grob fahrlässiges soldatisches Töten nicht auf offensichtliche Genozidwillige - die Hamas - abgeschoben werden kann, auch nicht als Mitverantwortliche.



    Die Intention des Genozids wurde offen von Teilen der israelischen Regierung ausgesprochen, man kann doch davon ausgehen, dass sie entsprechende Befehle an das Militär weitergeleitet haben, die militärischen Aktionen spiegeln das jedenfalls wider.



    Das die Hamas offen genozidale Absichten hat, ist lang bekannt, aber angesichts der Relation der Streitkräfte lächerlich.

    Was beim Streit um das eine Wort aber sicher untergeht, ist das sich beide Seiten mit vereinter Kraft gegen den menschenverachtenden Krieg stellen sollten, neuerdings auch im Westjordanland. Es geht nicht nur um die vermutliche Zahl der Toten, sondern eher noch vielmehr um die Hungernden, Kranken und der Verwahrlosung Überlassenen, die systematisch weniger im Fokus stehen (ob absichtlich oder nicht ist dabei egal), als einzelne getöte Geiseln.

  • Die - auch in diesem Artikel - wiederholte Behauptung, AI würde Genozid neu definieren, stimmt schlichtweg nicht: AI verweist auf verschiedene Interpretationen des Intentionalitaetskriteriums, die aber nicht neu und erst Recht nicht von AI erfunden sind (was man dem Bericht auch entnehmen kann). Man muss die Einschätzung von AI ja nicht teilen, aber eine sachlichere Auseinandersetzung würde ich mir doch wünschen.