Karl-Lagerfeld-Promenade: Hamburg ehrt Body-Shamer

Hamburg ehrt verstorbenen Modeschöpfer, der Frauen mit seinen Körpernormen das Leben schwer machte. Damit wird ein falsches Signal gesetzt.

Ein Straßenschild vor Bürogebäuden

Das Straßenschild „Karl-Lagerfeld-Promenade“ ist am Alsterfleet in der Innenstadt zu sehen Foto: Marcus Brandt/dpa

Der Hamburger Senat veröffentliche vor wenigen Tagen ein Foto. Darauf hielt die Marketing-Chefin des Hamburger Abendblatts zusammen mit dem Kultursenator ein leuchtend blaues Straßenschild in die Kamera. Ein Stück Weg am Alsterfleet in zentraler City-Lage heißt fortan „Karl-Lagerfeld-Promenade“.

Mit im Bild stehen ein Bezirksamtsleiter und ein Buchhändler. Der Senat teilt mit, dass die Marketing-Chefin und der Buchhändler die Idee zur Umbenennung hatten. Mit der neuen Promenade würdige die Stadt das Lebenswerk des 2019 Gestorbenen. Sein Stil und Habitus hätten ihn zum „Taktgeber der internationalen Modewelt“ gemacht. Sein künstlerischer Geist hätte in Hamburg Spuren hinterlassen.

Aber nicht nur der. Als in New York vor einem Jahr eine große Modegala den Modezar würdigte, kritisierte laut Spiegel die britische Schauspielerin Jameela Jamil, man feiere einen Mann, der „öffentlich grausam zu Frauen, zu dicken Menschen, zu Immigranten und zu Überlebenden sexueller Übergriffe war“.

Lagerfeld hatte sich nicht nur über die Metoo-Bewegung und Merkels Flüchtlingspolitik mokiert. Er äußerte sich wiederholt abwertend über Frauenkörper. „Keiner im Publikum will Frauen mit Rundungen sehen“, hatte er zum Beispiel im französischen Fernsehen gesagt und geklagt, dass Übergewichtige der Gesellschaft auf der Tasche lägen. Über eine Sängerin fiel ihm ein, sie sei „ein bisschen zu fett“. 2004 hatte Lagerfeld eine Kollektion für eine Textilkette entworfen und sich beschwert, die hätte gewisse Konfektionsgrößen einfach größer gemacht.

Keine Zeit, um Biografien zu lesen

Was er entworfen habe, sei „eine Mode für schmale, schlanke Leute“. Als die Zeitschrift Brigitte normale Frauen statt Models aufs Titelblatt brachte, fand er das nicht gut. „Da sitzen dicke Muttis mit einer Chipstüte vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind hässlich.“ Übergewicht, so erklärte er schließlich im britischen TV, wäre gefährlicher als Magersucht.

So einer bekommt nun ein Straßenschild in einer Innenstadt, die langsam verödet. Vielleicht auch, weil viele Frauen keine Kleidung in ihrer Größe finden. Denn die Durchschnittskonfektionsgröße der Frauen, die 44, zählt heute in manchem Modekaufhaus schon als Extra Large. Da würdigt man Lagerfelds Geist.

Was er sagte, war seine Meinung. Aber braucht er ein Denkmal? Und wenn ja, wieso wurde nicht öffentlich darüber gestritten? Ist Bodyshaming okay? Lagerfelds Sprüche finden sich im Netz noch zuhauf. Werden die jetzt geadelt, wird ein falsches Signal gesetzt.

Die Kulturbehörde äußert sich inhaltlich nicht. Eine Senatskommission habe den Straßennamen im April mit 26 weiteren beschlossen. Der Bezirk Mitte verweist auf eine Bezirksversammlung vom 23. November. Laut Protokoll fiel die als letzter Tagesordnungspunkt geführte Debatte kurz aus. Die FDP erläutert den Antrag. Grüne und Linke halten dagegen, dass unklar sei, was Lagerfeld für den Bezirk geleistet habe, und dass zu wenig Straßen nach Frauen hießen. Doch die regierende „Deutschland-Koalition“ aus SPD, CDU und FDP stimmt dafür.

Man habe auch Lagerfelds kritische Äußerungen diskutiert, sagt FDP-Fraktionschef Timo Fischer der taz. Man würde das alles nicht selbst unterschreiben, aber da sei „nichts dabei, was einer Benennung entgegen steht“. Die Koalition habe den Antrag sehr kurzfristig eingebracht, berichtet hingegen die Grüne Fraktionsvorsitzende Henrike Wehrkamp. Da wäre keine Zeit gewesen, am Tag davor eine Biografie zu lesen. „Als der Antrag eingebracht wurde, war das sehr lapidar“, sagt sie.

Die Hamburger Wissenschaftsbehörde, nebenbei für Gleichstellung und Bezirke zuständig, erklärt auf Nachfrage, die Diskussion um das Lebenswerk einer öffentlichen Person gehöre „differenziert geführt“. Neben persönlichen Äußerungen müsse man die künstlerischen Verdienste einbeziehen. Das sei hier geschehen. Sie schickt vorweg, sie lehne jede Herabwürdigung von Menschen aufgrund ihres Aussehens ab. Dann ist ja gut.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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