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Diskriminierung im öffentlichen DienstWie der Staat Mutterschaft bestraft

Wer im öffentlichen Dienst arbeitet und Elternzeit nimmt, muss die Zeit nacharbeiten, um eine höhere Lohngruppe zu erreichen. Britta J. klagt dagegen.

Selbst vom Staat wird Care-Arbeit sanktioniert Foto: Annette Riedl/dpa

Hamburg taz | Als Britta J. nach ihrer Elternzeit im Oktober 2021 zurück in ihren Job kehrt, erhält sie einen Brief, der sie sehr, sehr wütend macht. Normalerweise wäre sie in wenigen Monaten in eine höhere Entgeltstufe ihres Lohntarifs eingestuft worden. J. arbeitet bei der Hamburger Sozialbehörde, sie wird nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) bezahlt. Nach sechs Jahren als Angestellte müsste sie von Stufe drei auf Stufe vier befördert werden und 363 Euro mehr im Monat verdienen.

Die Höherstufung verzögere sich um ein Jahr, teilt ihre Arbeitgeberin ihr mit. Der Grund dafür sei ihre Elternzeit. Schließlich habe J. in dieser Zeit ihren Erfahrungsschatz nicht vergrößern können und ihre Fähigkeiten nicht weiterentwickelt, wie dies in der Arbeitszeit der Fall gewesen wäre.

J. fühlt sich als Frau und Mutter diskriminiert. „Es kann nicht sein, dass wir Frauen dafür sanktioniert werden, dass wir einen Karriereknick in Kauf nehmen und die unsichtbare Care-Arbeit machen, während wir in der Elternzeit schon auf einen Teil unseres Gehalts verzichten!“

Noch immer nehmen in Deutschland weitaus mehr Frauen Elternzeit als Männer: Im Jahr 2022 beantragten Mütter durchschnittlich 14,6 Monate Elternzeit, Väter dagegen nur 3,6 Monate. Wer Elterngeld bezieht, bekommt statt der vollen Summe des vorherigen Einkommens nur 65% Prozent davon. Ein Kind zu bekommen, wirkt sich vor allem auf Mütter armutsgefährdend aus.

Mütter nehmen mehr Elternzeit

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2020 bemisst das Lohn-Gap: Mütter erwirtschaften in ihrem Leben durchschnittlich 40 Prozent weniger Einkommen als kinderlose Frauen. Bei drei oder mehr Kindern sind es fast 70 Prozent weniger. Diese Lohnlücke nennt man Motherhood Lifetime Penalty.

J. fragt bei ihrer Arbeitgeberin nach, ob verzögerte Höherstufung aufgrund der Elternzeit wirklich so vorgesehen sei. Ja, so stehe es im Tarifvertrag, antwortet man ihr. Auch der Personalrat muss feststellen: Da ist nichts zu machen. J. möchte das nicht hinnehmen und reicht Klage gegen die Stadt ein.

„Es geht mir nicht primär um mein Geld“, sagt sie. Die 41-Jährige, die selbst Juristin ist, sehe sich in der moralischen Pflicht, gegen die Diskriminierung vorzugehen. Zwar ist J. alleinerziehend mit zwei Kindern. Aber sie habe einen sicheren Job, eine Rechtsschutzversicherung und ihre Eltern, die hinter ihr stünden und sie finanziell mit der Klage unterstützten. „Es gibt viele Frauen, die nicht die Ressourcen haben, sich auf so einen Rechtsstreit einzulassen“, sagt sie. „Da ich es kann, muss ich es tun, auch für andere Frauen.“

Im Januar dieses Jahres kommt es zu einem ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, der ergebnislos endet. Das sei erwartbar gewesen, sagt J.s Anwältin Friederike Boll. Hamburg könne nicht im Alleingang den Tarifvertrag der Länder ändern. Würde J. Recht bekommen, hätte das nicht nur Auswirkungen auf alle nach Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes in Hamburg Angestellten, sondern auch auf die in anderen Bundesländern. Der Tarifvertrag TV-L gilt für alle Bundesländer außer Hessen.

Am Donnerstag steht der Kammertermin vor dem Arbeitsgericht an. Obwohl ein Urteil am gleichen Tag zu erwarten ist, wird das Thema damit nicht erledigt sein. Für J. und ihre Anwältin ist klar, dass sie durch alle Instanzen gehen wollen.

Elternzeit erhöht Qualifikationen

Und auch die Gegenseite wird eine Niederlage nicht hinnehmen. Der Leiter des Personalamts der Stadt, Volker Wiedemann, bestätigte gegenüber der taz, dass Hamburg nicht eigenständig den Tarifvertrag anpassen könne. Die Idee der Regelungen im Tarifvertrag sei zudem ausdrücklich ein diskriminierungsfreies Eingruppierungsrecht. „Es soll nicht die reine Dauer der Zugehörigkeit zu einer Dienststelle oder das Alter entscheidend sein, sondern die Erfahrungen und Entwicklungen, die im aktiven Arbeitsverhältnis erworben werden“, erklärt Wiedemann.

J.s Anwältin Friederike Boll hält diese Argumentation nicht nur unter Aspekten der Gleichberechtigung für falsch, sondern auch inhaltlich. „Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Personen in der Elternzeit Qualifikationen erwerben, die ihnen im Job nützen“, sagt sie. So seien Eltern oft besonders gut im Multitasking, im Zeitmanagement und im Aufbringen von Geduld und Empathie.

Mittlerweile ist J. in die nächste Gruppe des Tarifs aufgestiegen – nur eben mit einem Jahr Verspätung. Trotzdem – die Verzögerung wirkt sich auf die Rente aus und würde auch im Falle einer Arbeitslosigkeit ein geringeres Entgelt ergeben. J. sieht die Politik in der Pflicht, den Missstand zu beheben. Sie könne verstehen, dass es für den Staat schwierig ist, in puncto Gender-Pay-Gap auf die freie Wirtschaft einzuwirken. „Aber ich bin im öffentlichen Dienst! Wenn der Staat da nicht tätig wird, ist das Gerede von Gleichberechtigung heuchlerisch.“

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47 Kommentare

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  • Als JuristIn im öffentlichen Dienst als Angestellte/r im (vergleichsweise) "Billigtarif" TV-L gelandet zu sein und nicht als RichterIn oder StaatsanwältIn in der R-Besoldung oder zumindest als "normale" BeamtIn in der Verwaltung kann man fast nicht mehr als "Karriere" bezeichnen. Damm haben in den meisten Fällen die Examensnoten nicht gereicht und eine Freiberuflichkeit als AnwältIn möchte man sich nicht antun.

  • Der eigentliche Skandal ist das Senioritätssystem des Öffentlichen Dienstes. Einfach die Zeit absitzen, das Geld kommt von alleine.

  • Es sollte eine Höherstufung erfolgen, weil eine Mutter automatisch viel mehr Kompetenzen hat, von denen auch der AG profitiert. Darüber hinaus darf eine soziale Gesellschaft nicht allein nach profitorientierten Aspekten organisiert werden. Zumindest der ÖD sollte die autom. Beförderung nach der Elternzeit festschreiben zum Vorteil der ganzen Gesellschaft.

    • @Elias-Nathan Stern-Herrmann:

      "Es sollte eine Höherstufung erfolgen, weil eine Mutter automatisch viel mehr Kompetenzen hat, von denen auch der AG profitiert."

      Das kommt doch auf den Beruf an. Dazu kommt, dass es natürlich auch inkompetente Eltern gibt...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Es geht im ÖD um Durchschnittsverhalten und Werte. Sie argumentieren nur kapitalistisch, und ich halte da genau soziale, menschliche Werte entgegen.

        • @Elias-Nathan Stern-Herrmann:

          " Sie argumentieren nur kapitalistisch, und ich halte da genau soziale, menschliche Werte entgegen."

          Ich wollte beim Thema bleiben. Wenn es nach allgemein menschlichen Werten ginge, müssten Eltern viel massiver unterstützt werden. Nicht nur mit Geld, sondern auch mit



          Betreuungsmöglichkeiten, funktionierenden Schulen und vielem mehr.

          Hier geht es aber um die Einstufung für die Bezahlung. Und da spielen eben tatsächlich gearbeitete Jahre im Beruf eine die Hauptrolle.

          PS: Für die Rente Erziehungszeiten werden angerechnet.

    • @Elias-Nathan Stern-Herrmann:

      Naja, es gibt bestimmt Erfahrungen, die ich als Papa gemacht habe, die im Umgang mit Menschen bei der Arbeit hilfreich sind. Aber die Erfahrungen macht man mehr mit größeren Kindern. Die Erfahrung, die man in der Elternzeit mit Babys und Toddlern sammelt, dürften in den meisten Berufen nicht so nützlich sein, und nicht aufwiegen, was man verpasst.

      Das ist natürlich individuell sehr unterschiedlich, hängt vom Beruf und der Person ab, und es sind Erfahrungen, die auch berufstätige Eltern machen, die kinderlose Kollegen vielleicht in der Familie oder im.Ehrenamt machen. Sowas mit einer pauschalen Höherstufung abzugelten, macht jedenfalls wenig Sinn.

      Ich habe die Elternzeit als eine ganz tolle Bereicherung empfunden, eine schöne Zeit für mich und mein Kind, die wir genossen haben, die ich nie als Arbeit empfunden habe und die jeden Cent wert ist, der jetzt dadurch vielleicht auf meinem Konto fehlt. Die Erfahrungen, die ich in diesen 1,5 Jahren gesammelt habe, sind doch mein Gewinn, nicht der meines Arbeitgebers, den er monetärcaufwiegen muss.

  • Bei mir war bei den Höhergruppierungen auch immer eine Zustimmung von Vorgesetzten nötig, die bestätigt haben, das sich der Erfahrungsschatz erweitert hat. Da habe ich auch mal ein Jahr dranhängen dürfen, weil ich mit einem Vorgesetzten über Kreuz gelegen habe.



    Man sollte hier die Regelungen mal anpassen und auch zubilligen, dass eine Erweiterung des Erfahrungsschatzes z.b. über Onlineschulungen während der Elternzeit ermöglicht wird. Einfach irgendwelche Aktivitäten dafür anzuerkennen ist natürlich widersinnig.

  • Hut ab vor Britta J.!! In dieser Welt scheint es immer noch unmoeglich zu sein, als Frau und Mutter nicht diskriminiert zu werden. Eine Frau bringt Leben in die Welt, verd@&%4 noch mal!! Der Dank dafuer ist Altersarmut und Abstufung der gesellschaftlichen Anerkennung. Ich lebe in Kanada und hier ist es genauso. Ich wuensche Britta J. viel Erfolg - you go, girl!!

  • Ich bin über das Alter hinaus, von solch einer Regelung zu profitieren, finde sie aber absolut folgerichtig.



    Mit welchem Recht werden Eltern zu einer Zurücksetzung bei der Gehaltsstufe und geringeren Rente verurteilt als Kinderlose? Wozu soll es gut sein, Säuglinge und Kleinkinder in überfüllten Krippen und Kindergärten und bei gestressten ErzieherInnen (weil personell chronisch unterbesetzt) abzugeben, wenn Eltern gerne bereit sind, ihre Kinder selber zu betreuen und in dieser Zeit finanzielle Einbußen auf sich zu nehmen? Bindungsforschung schlägt schon lange Alarm.



    Im Interesse der Kinder bis zum Alter von 3 Jahren sollten Eltern nur dann gezwungen sein, voll arbeiten zu gehen, wenn es für ihren eigenen emotionalen Haushalt besser ist. Und das wiederum ist im Interesse der Gesamtgesellschaft. Die spart nämlich die Behandlungskosten von frühen Bindungsstörungen.

    Übrigens geht es bei den Besoldungsstufen nur um Jahre, nicht um Erfahrungs- oder Leistungszeit. Auch mit einer Drittelstelle, falls es die gäbe, steige ich auf.

    Ich wünsche der Klägerin Ausdauer, durch die Instanzen zu gehen, denn es geht die ganze Republik an und wird schlussendlich wohl beim Verfassungsgericht landen. Denn den Beklagten geht es nicht um Gerechtigkeit sondern um Geld.

  • Als ebenfalls (mal) Betroffener möchte ich anmerken, dass eine erst später erlangte Erfahrungsstufe eben kein "Karriereknick" ist.

    Karriere macht man im öffentlichen Dienst durch Beförderung in höhere Entgelt- oder Besoldungsgruppen. Die Erfahrungsstufen werden innerhalb dieser Gruppen automatisch (durch Zeitablauf) erlangt.

    Das heißt nicht, dass Elternzeiten einem nicht die Karriere verhageln können. Aber Erfahrungsstufen sollte man da rauslassen.

  • Die tariflich festgelegte Anzahl Jahre von Stufe zu Stufe ist doch das eigentliche Problem. Ein Angestellter bekommt durch bloßes Absitzen von Zeit im öffentlichen Dienst mehr Geld, völlig unabhängig von Leistung, persönlicher Motivation und dem tatsächlichen Willen, für mehr Geld auch mehr leisten zu wollen. Diese Regel gehört ganz und gar abgeschafft.

  • Ich arbeite im Jobcenter, in dem sich gerade mit der Bürgergeld Reform erheblich die Rechtslage geändert hat. Kollegen gingen vor Gesetzesänderung in Elternzeit und kommen jetzt wieder. Wenn da schon eine Höherstufung verlangt wird, erwarte ich auch, dass ab Tag 1 nach Wiedereinstieg die Qualifikation da ist, nach den heute gültigen Gesetzen zu arbeiten. In Wirklichkeit können wir diese Leute erstmal eine Weile gar nicht entsprechend der Arbeitszeit voll einplanen, weil hier nach so einer Pause die Einarbeitung komplett neu beginnt.

    • @JRi:

      das heisst dann also auf deutsch, dass ihr anderen nach der Gesetzesänderung vom ersten Tag an alles intus hattet und nahtlos ohne Einarbeitungszeit weitermachen konntet.



      Oder habt ihr für die notwendige Einarbeitungszeit auch ein Jahr zur Höherstufung abgezogen bekommen?

      • @Friderike Graebert:

        Einen Abzug der Einarbeitungszeit für Elternzeitrückkehrer hat JRI doch gar nicht gefordert, und ein solcher Abzug findet auch nicht statt. Die Zeit der Einarbeitung in eine neue Gesetzeslage erhöht die Qualifikation und gehört selbstverständlich zu der Zeit, die beim Aufstieg in den Erfahrungsstufen zu berücksichtigen ist, und zwar sowohl bei zurückkehrenden Beschäftigten (da wird die Einarbeitungszeit nach der Rückkehr mitgezählt) als auch bei Beschäftigten, die nicht in Elternzeit waren (da wurde sie schon vorher mitgezählt). Aber diese Einarbeitung findet eben während der Arbeit statt und nicht während der Elternzeit.

  • Wenn sechs Jahre Berufserfahrung für eine Höherstufung notwendig sind, kann der Klage eigentlich nicht stattgegeben werden. Sonst müsste eine neue Grenze definiert werden. Die Grenze muss dann alles beinhalten.



    ZB könnte Frau nach 3 Monaten im Dienst mit Kindgeburten die nächsten sechs Jahre locker in Erziehungszeit sein. Wäre dann bei Wiedereinstieg die Grenze für eine berufliche Höhergruppierung 3 Monate? Die müsste dann für alle im Dienst gelten...

    Nicht zu vergessen, dass der ÖD mit Garantien zum Wiedereinstieg, den flexiblen Teilzeitregelungen, sicherem Arbeitsplatz etc für Arbeiten mit Kindern schon sehr gut positioniert ist.

    • @fly:

      die Garantie zum Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist im Gesetz begründet. Für alle.

  • Faszinierend, wie in den Kommentaren immer wieder auf die schöne heile Welt von Paaren mit Kindern verwiesen wird, die ja nur die Elternzeit gerecht aufteilen müssten. Alleinerziehende (die in der Mehrheit eben Mütter sind*) werden wie immer völlig ignoriert.

    *Zwar wird immer wieder gerne darauf gezeigt, dass der Anteil der Väter bei Alleinerziehenden steigt, aber 15% Väter heißt immer noch, dass die anderen 85% eben Mütter sind.



    www.destatis.de/DE.../PD23_20_p002.html

    • @Tetra Mint:

      "Alleinerziehende (die in der Mehrheit eben Mütter sind*)"



      Im Gegensatz zu dem im Artikel beschriebenen Fall, in dem anders als die Bild-Niveau-Schlagzeile insinuiert überhaupt keine geschlechtsspezifische Diskriminierung vorliegt, ist dies allerdings die Folge einer systematischen Diskriminierung der Männer, denen im Fall einer Trennung fast immer die Kinder entzogen werden. Danke dass sie darauf hinweisen.

    • @Tetra Mint:

      Ein Vater hat aber ohne Zustimmung der Mutter auch kaum eine Chance alleinerziehend zu werden. Wen.n das Paar nicht verheiratet ist, hat der Mann gar keine Chance. Ich glaube zwar nicht, dass wir bei 50/50 landen, wenn Väter eine Chance hätten. Aber 30/70 wäre vermutlich drin.

    • @Tetra Mint:

      Trotzdem betrifft es doch die 15% Männer genauso wie die 85% Frauen.

      Übrigens können sich auch getrennte Paare die Elternzeit gerecht aufteilen, ich war mit der Mutter meines Kindes nie zusammen, trotzdem haben wir die Elternzeit 50/50 aufgeteilt. Abgesehen davon ist allein oder gemeinsam erziehend für die automatische Höhergruppierumg im öffentlichen Dienst gar nicht relevant.

  • Wenn die Klägerin gewinnen sollte und es nur auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommt, dann steht die nächste Klage wegen Altersdiskriminierung an. Im Übrigen wäre es nicht (nur) der Staat der hier diskriminiert, sondern die Tarifparteien, die den Vertrag ausgehandelt haben. Spannend.

  • Gut so und viel Erfolg!!

  • Nirgends in der freien Wirtschaft gibt es eine automatische Beförderung oder Höhergruppierung auf Basis der Betriebszugehörigkeit. Die einzige sinnvolle Rechtfertigung hierfür ist, dass man in dieser Zeit Erfahrung sammelt, sonst werden nämlich diejenigen bestraft und benachteiligt, die flexibel sind, befristete Stellen annehmen, bei Bedarf bereit sind den Job zu wechseln.



    Während der Elternzeit sammelt man aber nicht wirklich für die Arbeit relevante Erfahrung. Von daher ist auch nicht zu rechtfertigen, dafür höherzugruppieren. Auch und gerade von Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, kann man erwarten, dass sie mehr tun, als nur zu existieren.



    Und hört bitte mal auf, Elternthemen als Mütterthemen zu deklarieren. Wenn wir wollen, dass Väter mehr Elternzeit nehmen, dann dürfen wir auch nicht so tun, als wären sie gar nicht betroffen. Ich schreibe das als Vater, der genau so lang Elternzeit gemacht hat, wie die Mutter unseres Kindes.

    • @Ruediger:

      Danke für deinen Kommentar.



      Soziale und Bildungsträger haben i.d.R. an den TvÖD angelehnte Tarifverträge, Regelungen dieser Art betreffen also auch andere Arbeitnehmer:innen.



      Ich habe meinen Stufensprung ebenfalls um die Zeit meiner Vollzeit-Elternzeit verschoben bekommen. Was wäre nun mit meinen jungen Kolleg:innen, die nach



      x Kindern und x Jahren zurückkommen? Wäre es gerechtfertigt, dass sie quasi zu Hause diverse Höhergruppierungen in ihren spezifischen Arbeitsbereichen durch Haushaltstätigkeit, Kinderpflege und -betreuung "absitzen"?



      Hm, fände ich angesichts der schnellen Änderungen selbst im sozialarbeiterischen und beraterischen Sektor nicht gerechtfertigt - warum denn?



      Und, jawohl: Es betrifft nicht bloß uns arme Frauen. (Ach, wat könnt ich mich in der Rolle der Prekariats-Alleinerziehenden trotz Akademischem Grad gemütlich einrichten). Es geht nicht um Gender-Pay-Gap, es ist ein Tarifvertrag, der ausgehandelt wurde für alle AN, egal, ob sie zwischendurch Erwerbsarbeitspausen wegen Kindern oder alten Angehörigen oder Lust und Laune machen.



      Und, jetzt nacht euch doch mal bitte ehrlich: Beim Windelwechseln, nachts stillen, Sandburgenbauen und zum Kinderturnenfahren bilden wir uns alle nicht weiter für unsere Arbeit, auch nicht in personalen und sozialen und Methoden-Kompetenzen, die haben hoffentlich schon vorher, um ne gute Arbeit zu leisten.

    • @Ruediger:

      In der Wirtschaft kann man seine Gehälter jedoch aushandeln und Gehaltserhöhungen mit Begründung Qualifikation einfordern. Im ÖD kannst du theoretisch massiv überqualifiziert sein, du kriegst nur das Geld) die Eingruppierung, was für die Stelle vorgesehen ist. Die Stufen sind die einzige Möglichkeit einer Gehaltssteigerung (abgesehen natürlich von Tariferhöhungen, aber die gibt's auf dem freien Markt auch)

      Was Elternthemen als Mütterthemen deklarieren angeht, da bin ich ganz bei Ihnen

      • @Cathrin Wieczorek:

        Auch in den Tarifverträgen der Wirtschaft weden Stellen nach Stellenbeschreibungen eingruppiert, die Qualifikation des Mitarbeiters geht in die Einstufung nicht ein.

        Jenseits dieser Einstufung können Sie gar nichts einfordern. Wenn Sie mehr Geld wollen, müssen Sie eine höher eingestufte Stelle erlangen oder länger arbeiten.

      • @Cathrin Wieczorek:

        Aber "ich war die letzten 3 Jahre in Elternzeit und bin jetzt eigentlich völlig draußen aus dem Job" ist auch nicht wirklich das beste Argument, wenn man mit seinem Chef das Gehalt aushandelt.

  • Es geht doch um die gesammelte Erfahrung im Beruf. Wer den Beruf nicht ausuebt, ob in Elternzeit, im Krankengeld oder arbeitslos, kann in dem Beruf, bzw in der Firma, keine Erfahrungen sammeln. Ansonsten wird das zu reiner Willkuer: Der eine hat mehr Kinder als der andere, folglich besseres Multitasking. Der naechste hat einen Angehoerigen gepflegt, folglich mehr Empathie als andere. Ein Gleichberichtungsproblem waere es sowieso nur dann, wenn Vaeter anders behandelt werden wuerden als Muetter. Die Regeln sind aber unabhaengig vom Geschlecht. Es steht jedem Elternpaar frei, die Elternzeit gleich zu verteilen.

  • "Schließlich habe J. in dieser Zeit ihren Erfahrungsschatz nicht vergrößern können und ihre Fähigkeiten nicht weiterentwickelt, wie dies in der Arbeitszeit der Fall gewesen wäre."

    Absolut plausible und verständliche Begründung....

    • @PartyChampignons:

      Aha. Wenn Kinder gebären und erziehen nicht den Erfahrungsschatz erweitert und nicht die Fähigkeiten vergrößert, was denn dann ?

      • @Bolzkopf:

        100 % ig. Ich wette, dass jede Mutter, jeder Vater mind. doppelt soviel Lebenserfahrung hat, wie Personen ohne Kinder.

        • @Elias-Nathan Stern-Herrmann:

          Als Mutter, die im sozialen und Bildungssektor arbeitet kann ich dir sagen: Hui, überschätze mal die Kompetenzen von Eltern nicht. Lebenserfahrung ist mir zu platt nah an "Schule des Lebens", solche Erfahrung bringt dir aber nüscht, wenn du sie nicht reflektieren und einordnen kannst und wenn du sonst nix drauf hast. Ich habe sehr fähige (fachlich, menschlich, sozial, intellektuell, emotional kompetente) Menschen kennengelernt in meinem bisherigen privaten und beruflichen Leben - und ihre Kompetenzen hatten nix damit zu tun, ob sie mit oder ohne Kinder lebten.



          Die Überhöhung der Elternschaft hilft niemandem.

      • @Bolzkopf:

        Ich bin Elektroingenieurin. Mir ist nicht ganz klar, wie mich Kinder gebären und erziehen beruflich weiter bilden würde. Genau genommen müsste ich zu Hause noch Zeit investieren, um nicht den Anschluss zu verlieren.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Das stimmt. Jedoch a) werden für die Führung keine fachlichen, sondern soziale Fähigkeiten gefragt. b) Eine rein 100% ig nur leistungsbasierte ohne soziale Elemente ist kalt und wird nicht auf Dauer bestehen können.

          • @Elias-Nathan Stern-Herrmann:

            Man sollte Probleme da lösen, wo sie hingehören. Auch eine Frage der sozialen Kompetenz.

      • @Bolzkopf:

        Elternjahre sollten grundsätzlich doppelt zählen, schließlich erweitere ich meinen Erfahrungsschatz auch als berufstätigen Elternteil massiv.

        Wenn man es so sieht ist das eigentlich als Weiterbildung zu werten, ich denke es wäre nur fair die Zeit mit den Kindern als Überstunden zu werten

      • @Bolzkopf:

        Dann müssten generell Eltern besser bezahlt werden als alle anderen, da sie sich ja zumindest in dessen "Freizeit" weiterbilden. Kommt vielleicht auch darauf an, ob es einschlägig weiterbildet, nehme ich an...

        • @Zille:

          Da bin ich für!



          Und vllt bekommen sie ja auch für die aufgewendete Zeit einen Zuschlag

    • @PartyChampignons:

      Sehé ich genauso. Ich möchte aber um zwei Punkte ergänzen (die leider nicht Teil dieser Verhandlung sein werden):



      - das Land muss ausreichend Kita-Plätze bereitstellen, damit Eltern die Chance haben, schnell in den Beruf zurückzukehren



      - Väter/Mütter sollten zusätzliche Rentenpunkte erwerben während der Elternezit, damit die Gehaltsausfälle sich nicht in der Rente niederschlagen.

      • @Bommel:

        Man kriegt bereits Rentenpunkte für Kindererziehung.

  • Das ist schon ein interessanter Fall, wie man Gleichberechtigung definiert.

    Ich kann die Argumente für beide Sichtweisen nachvollziehen.

    • @gyakusou:

      Sehe ich genauso.

  • Wieso so eine eindimensionale Überschrift? Da sind ja nicht nur Mütter betroffen, sondern alle Eltern. War bei mir als Vater auch so im öffentlichen Dienst.

    • @AndreasM:

      Die Eindimensionalität der Überschrift ergibt sich aus der Klagebegründung.

      Diese muss auf aus der Diskriminierung wegen des Geschlechts (andere anerkannte Gründe sind nicht ersichtlich) ergeben. Eine angebliche Diskriminierung aus irgendwelchen anderen Gründen wäre ohne rechtlicheBegründungh und hätte deshalb keinerlei Aussicht auf Erfolg.

  • War bei mir dasselbe. Aber es ist nicht geschlechterdiskriminierend, und betrifft nur Mütter. Väter die Elternzeit nehmen, wird ebenfalls nichts der Zeit auf die Stufen angerechnet angerechnet. Der Mutterschutz wird auf die Stufen angerechnet.



    Theoretisch steht es jedem Paar frei die Elternzeit frei zu verteilen, wie es praktischaussieht, steht auf einem anderen Blatt, aber ist auch nicht Teil des TVL. Somit auf Diskriminierung der Frau zu verweisen, ist im Fall des TVL nicht korrekt.

  • Da wird offensichtlich, wie dämlich diese Elterngeldregelungen sind. Ich habe zwei Kinder und lerne mit ihnen jeden Tag etwas neues. Allerdings nicht berufsbezogen, in der Elternzeit der ersten habe ich richtig gemerkt, wie ich verblöde. Trotzdem wird es einem finanziell unattraktiv gemacht, zumindest teilzeit zu arbeiten (diese 65% sind ja bereits bei 1.800 Euro gedeckelt, bei ElterngeldPlus kann man nur wenige Stunden anrechnungsfrei dazu verdienen).

    Wie verrückt wäre es, wenn man trotz nullleistung ggü. Dem Arbeitgeber gleich behandelt wird wie jemand der sich reinhängt?

    Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn es durch gute Betreuung und ohne finanzielle Fehlanreize möglich ist, früh wieder arbeiten zu gehen, dann hat man auch keine Nachteile in der Höhergruppierung.

    Echt, dieses Land geht den Bach runter. Hab mir gerade eben mit online Rechnern grob ausgerechnet, dass ich als Alleinerziehende in der nächsten Elternzeit min 84.000 Euro verdienen muss, um das gleiche verfügbar zu haben wie mit Wohngeld und kiz oder Bürgergeld (unter Berücksichtigung, dass die hohen gehaltsunabhängigen Kita gebühren dann vom Amt übernommen werden).