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Elternzeit für Hannovers OBNennt das bloß nicht Elternzeit!

Nadine Conti
Kommentar von Nadine Conti

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nimmt im Sommer seine Vatermonate – aber nur ein bisschen. Das zeigt wie idiotisch das System ist.

Öfter mal auf den Spielplatz und ein Eis essen – mehr Väterzeit gibt es für den OB nicht Foto: Julian Stratenschulte/dpa

H annovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) geht im Sommer zwei Monate in „Elternzeit“. So stand es jedenfalls am Mittwoch in allen großen Medien. Die Pressestelle der Stadt hatte das noch korrekt formuliert: „Elternteilzeit“ stand in der Pressemitteilung und auch diese muss vom Verwaltungsvorstand und Rat erst noch genehmigt werden.

Wenn das gut geht, kann Onay in den beiden Ferienmonaten (also denen, in denen man guter Hoffnung sein kann, dass kommunalpolitisch eh nicht viel passiert) seine Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden beschränken und mit den lieben Kleinen öfter mal auf den Spielplatz oder ein Eis essen gehen. Ächz.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte das wirklich sehr gern gut finden. Er hat ja recht, die Vorbildfunktion ist wichtig, sonst wird sich in unserer Arbeitskultur nie etwas ändern.

Und natürlich ist das in seiner Position nicht so leicht: Der Mann wurde für eine begrenzte Zeit gewählt. Wenn der sich zwischendurch über einen längeren Zeitraum vertreten lässt, wen soll man denn dann als Wähler wieder- oder abwählen, ihn oder die Vertretung?

Natürlich gibt es schlimmere Beispiele

Wir haben ja außerdem noch alle die Beispiele vor Augen, wo Väter noch viel kläglicher gescheitert sind. Sigmar Gabriel zum Beispiel, der es nicht einmal schaffte, seine Tochter einmal in der Woche vom Kindergarten abzuholen, ohne dabei wichtigtuerische Telefonate zu führen, und sich von drei ­Kamerateams begleiten zu lassen.

Christian Lindner, der, schon bevor das Kind geboren ist, weiß, was er alles machen will, um sich nicht darum zu kümmern (Bücher schreiben, promovieren, jagen, fischen, imkern). Und jeder hat mindestens diesen einen Vogel im Bekanntenkreis, der die zwei „Vätermonate“ vor allem als schönen, langen Urlaub begriff.

Da ist es doch viel sympathischer, wenn Onay schlicht sagt: „Meine Kinder sind mir wichtig, ich möchte ein bisschen mehr Zeit mit denen verbringen.“ Und trotzdem führt auch er am Ende bloß vor Augen, wie beknackt ungleichgewichtig die Arbeitsverteilung immer noch ist.

Wenn ich die Kriterien für Onays „Elternzeit“ zugrunde lege, bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit. Nur dass das bei mir „vollzeitnahe Beschäftigung“ heißt, jedenfalls in der Statistik von Arbeitsmarktforschern.

So gesehen bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit

In der Realität heißt es vor allem: Zwölf Jahre gegen die Uhr anrennen und immer mehr auf dem Zettel zu haben, als zu schaffen ist. Nichts davon wird jemand erleben, der sich zwei Monate mehr oder weniger frei nimmt, während die Partnerin die eigentliche Arbeit macht, die Verantwortung trägt und am Ende den Preis bezahlt.

Ich finde, man sollte das nicht Elternzeit nennen oder Vätermonate. „Teilzeit-Spielgefährten“ wäre der passendere Begriff.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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4 Kommentare

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  • "Wann würdest du denn deine beiden Vätermonate nehmen?" - "Also am besten wäre während der Fussball-WM."

    Selbst gehört im Geburtsvorbereitungskurs....

  • Ich finde, man sollte froh sein, dass die Elternzeit- und -geldregelungen so vielfältig und flexibel sind, dass sie Eltern in unterschiedlichen Job- und Lebenssituationrn so viele unterschiedliche Möglichkeiten geben, das gemeinsam nach den individuellen Bedürfnissen und Interessen zu gestalten, statt Eltern, die es anders machen als man selbst tu kritisieren, tu bashen, zu be- oder verurteilen oder auf sie herabzuschauen, weil natürlich nur der eigene Weg "richtige" Elternzeit ist.

    • @Ruediger:

      Was ist denn an den Eeldregelungen flexibel? Von vorne bis hinten ist das eine Mogelpackung für Menschen, die nicht in das Raster "Hauptverdiener Arbeitet weiter und nimmt max 2 Monate EZ und Ehefrau hat ein kleines Einkommen und bleibt lange zu Hause, wird von der Allgemeinheit noch kostenlos krankenversichert" fällt. Als Alleinerziehende Berufstätige, die keine Sozialleistungen beziehen will, muss man idR mehr arbeiten, um nicht unterhalb der Armutsgrenze zu leben. Dann ist das EG gedeckekt bei einem. Maximalbetrag, der in vielen Gegenden bei weitem nicht die Fixkosten deckt, man zahlt 210 Euro/Monat in die KK, weil man nicht in die kostenlose Familienversicherung kommt und wenn man Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit hat sowie Verluste aus selbständiger Tätigkeit (in Summe in jedem. Monat ein Verlust), werden nur die Einnahmen angerechnet und die Verluste ignoriert. Es könnte mir egal sein, wenn ich nicht letztlich die bin, die aufgrund des mir nicht zustehenden Splitting Tarifs in der Einkommensteuer, eine deutlich höhere Steuerbelastung hätte und damit mein Geld für das "klassische Familienmodell" verbrannt wird, während der Staat es versäumt, verlässliche Kinderbetreuung sicherzustellen, die für Einelternfamilien noch viel wichtiger sind als wenn ein Partner sowieso zuhause ist oder nur geringfügig arbeitet. Und dann wundern sich alle, warum Alleinerziehende das höchste Armutsrisiko haben. Es liegt im Wesentlichen an den diskriminierenden Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber schafft. Und dank Kindergrundsicherung wird sich das Problem verschärfen. Wenn die Frau erst gezwungen ist, eine Weile zu Hause zu bleiben, holt sie die beruflichen Nachteile nicht mehr auf

      • @Aneoul:

        Ich lebe auch nicht mit der Mutter meines Kindes zusammen, insofern zählt sie als Alleinerziehend. Trotzdem gab es damals für uns eine Menge verschiedener Möglichkeiten, wir haben es so gemacht, dass wir über die ersten eineinhalb Jahre beide 50% gearbeitet haben und Elterngeld Plus bezogen haben, also es wirklich (abgesehen vom Mutterschutz) fast gleich aufgeteilt haben und beide nicht aus der Arbeit rausgehen mussten. Weiter weg von "Hauptverdiener Arbeitet weiter und nimmt max 2 Monate EZ und Ehefrau hat ein kleines Einkommen und bleibt lange zu Hause" geht eigentlich gar nicht.