Elternzeit für Hannovers OB: Nennt das bloß nicht Elternzeit!

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nimmt im Sommer seine Vatermonate – aber nur ein bisschen. Das zeigt wie idiotisch das System ist.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay hockt vor dem Eingang eines Spielplatzes und durchschneidet das Flatterband, mit dem diese in der Hochphase der Corona-Pandemie abgesperrt wurden.

Öfter mal auf den Spielplatz und ein Eis essen – mehr Väterzeit gibt es für den OB nicht Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) geht im Sommer zwei Monate in „Elternzeit“. So stand es jedenfalls am Mittwoch in allen großen Medien. Die Pressestelle der Stadt hatte das noch korrekt formuliert: „Elternteilzeit“ stand in der Pressemitteilung und auch diese muss vom Verwaltungsvorstand und Rat erst noch genehmigt werden.

Wenn das gut geht, kann Onay in den beiden Ferienmonaten (also denen, in denen man guter Hoffnung sein kann, dass kommunalpolitisch eh nicht viel passiert) seine Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden beschränken und mit den lieben Kleinen öfter mal auf den Spielplatz oder ein Eis essen gehen. Ächz.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte das wirklich sehr gern gut finden. Er hat ja recht, die Vorbildfunktion ist wichtig, sonst wird sich in unserer Arbeitskultur nie etwas ändern.

Und natürlich ist das in seiner Position nicht so leicht: Der Mann wurde für eine begrenzte Zeit gewählt. Wenn der sich zwischendurch über einen längeren Zeitraum vertreten lässt, wen soll man denn dann als Wähler wieder- oder abwählen, ihn oder die Vertretung?

Natürlich gibt es schlimmere Beispiele

Wir haben ja außerdem noch alle die Beispiele vor Augen, wo Väter noch viel kläglicher gescheitert sind. Sigmar Gabriel zum Beispiel, der es nicht einmal schaffte, seine Tochter einmal in der Woche vom Kindergarten abzuholen, ohne dabei wichtigtuerische Telefonate zu führen, und sich von drei ­Kamerateams begleiten zu lassen.

Christian Lindner, der, schon bevor das Kind geboren ist, weiß, was er alles machen will, um sich nicht darum zu kümmern (Bücher schreiben, promovieren, jagen, fischen, imkern). Und jeder hat mindestens diesen einen Vogel im Bekanntenkreis, der die zwei „Vätermonate“ vor allem als schönen, langen Urlaub begriff.

Da ist es doch viel sympathischer, wenn Onay schlicht sagt: „Meine Kinder sind mir wichtig, ich möchte ein bisschen mehr Zeit mit denen verbringen.“ Und trotzdem führt auch er am Ende bloß vor Augen, wie beknackt ungleichgewichtig die Arbeitsverteilung immer noch ist.

Wenn ich die Kriterien für Onays „Elternzeit“ zugrunde lege, bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit. Nur dass das bei mir „vollzeitnahe Beschäftigung“ heißt, jedenfalls in der Statistik von Arbeitsmarktforschern.

So gesehen bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit

In der Realität heißt es vor allem: Zwölf Jahre gegen die Uhr anrennen und immer mehr auf dem Zettel zu haben, als zu schaffen ist. Nichts davon wird jemand erleben, der sich zwei Monate mehr oder weniger frei nimmt, während die Partnerin die eigentliche Arbeit macht, die Verantwortung trägt und am Ende den Preis bezahlt.

Ich finde, man sollte das nicht Elternzeit nennen oder Vätermonate. „Teilzeit-Spielgefährten“ wäre der passendere Begriff.

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