Stefan Gelbhaar über Verkehrssicherheit: „Dramatische Unfälle vermeiden“

Ein tödlicher Autounfall in Berlin wirft Fragen über Verkehrssicherheit auf. Nicht nur Gesundheitstests seien wichtig, betont Grünen-Politiker Gelbhaar.

Weiße Piktogramme einer Frau und eines Kindes aus Pappe sind an einem Straßengeländer befestigt. Davor stehen brennende Windlichter auf dem Boden. Auf der Rückseite des Geländers sind Fahrräder angeschlossen.

Gedenken an die getötete Frau und ihr ebenfalls verstorbenes Kind am Unfallort in Berlin Foto: Christoph Soeder/dpa

taz: Herr Gelbhaar, nach dem tödlichen Unfall auf der Leipziger Straße in Berlin hat Ihre Fraktion verpflichtende Gesundheitstests für ältere Au­to­fah­re­r:in­nen gefordert. Warum?

47, sitzt seit 2021 im Bundestag und ist dort verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Er kommt aus Berlin-Pankow.

Stefan Gelbhaar: Gesundheitstests in bestimmten Intervallen sind seit langem ein Thema, unabhängig von diesem Unfall. Fahranfänger und Menschen in höherem Alter verursachen pro gefahrenem Kilometer die meisten Unfälle im Straßenverkehr – die Älteren trotz langjähriger Fahrerfahrung. Das kann an verminderter Sehkraft liegen, die Reaktionsfähigkeit nimmt im Alter ab … Da ist kein Vorwurf dabei, aber es ist eben so. Ab dem Erhalt des Führerscheins ist es daher sinnvoll, in bestimmten Abständen die Gesundheit zu testen, insbesondere die Sehkraft. Da geht es aber nicht nur um ältere Menschen. Einen Grauen Star kann man auch schon in jungen Jahren kriegen.

Es wird davon ausgegangen, dass der 83-jährige Autofahrer auf der Leipziger Straße auf den Radweg ausgewichen ist, um einen Stau zu umfahren, und dabei eine Frau und ihr Kind erfasst hat. Beide starben. Der Fahrer hat also mutmaßlich bewusst Verkehrsregeln gebrochen. Eignet sich der Fall, um die Debatte über verpflichtende Gesundheitstests anzustoßen?

Der Tod zweier Menschen gebietet zum einen: innehalten. Da sind zwei Menschen gestorben. Die Angehörigen sind massiv traumatisiert, viele Menschen sind betroffen. Vorschnelle Forderungen helfen nicht, im Gegenteil. Zum anderen muss man präzise untersuchen, was passiert ist. Lässt sich daraus vielleicht allgemein ableiten, wie solche Unfälle reduziert werden können? Im deutschen Straßenverkehr sterben täglich sieben bis acht Menschen, im Durchschnitt. Diese Zahl ist viel zu hoch. Also muss alles auf den Tisch, was hilft, diese dramatischen Unfälle zu vermeiden.

Würde bei verpflichtenden Gesundheitstests auch die psychische Gesundheit der Au­to­fah­re­r:in­nen untersucht?

Eine große Straße ist rund um zwei kaputte Autos abgesperrt. Polizist:innen stehen hinter der Absperrung. Ein zerstörter Buggy liegt auf dem Asphalt.

Eine Mutter und ihr Kind wurden getötet – verletzt wurden noch viel mehr Menschen, unter anderem der Fahrer eines anderen Autos Foto: Christophe Gateau/dpa

Das Verkehrsministerium ist einen Vorschlag schuldig, wissenschaftlich fundiert und alltagstauglich. In welchen Zyklen sind zum Beispiel Sehtests beim Optiker sinnvoll und machbar? Das ist wirklich relevant für die Verkehrssicherheit in Deutschland. Wenn ein Fahrer viele Punkte in Flensburg gesammelt hat, wird ihm unter Umständen die Fahrerlaubnis entzogen. Um sie wieder zurück zu erhalten, muss er medizinisch-psychologische Untersuchungen erfolgreich absolvieren. Regelmäßige Gesundheitstests hingegen überprüfen die Reaktionsfähigkeit, die Hörkraft oder, wie gesagt, die Sehkraft.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, Menschen im Straßenverkehr besser zu schützen – auch vor mutwilligen Regelbrüchen?

Das große Thema ist die Infrastruktur: Fuß- und Radwege können von der Fahrbahn der Autos abgegrenzt werden. Auf der Schönhauser Allee in Berlin gibt es zum Beispiel Bodenschwellen zwischen der Spur für Autos und dem Fahrradweg. Auf der Holzmarktstraße stehen Poller. Beide haben eine sehr klare Abgrenzungsfunktion. Fehlverhalten, fahrlässig oder bewusst, wird damit verhindert und schwere Unfälle werden reduziert.

Was ist mit Tempolimits?

Nicht nur die erlaubte Geschwindigkeit ist wichtig, sondern auch die Kontrolle dieser Geschwindigkeit. Es hilft nicht, Tempo-30-Schilder aufzuhängen, wenn alle wissen, dass das eh nicht kontrolliert wird. In Berlin zum Beispiel sollte dort, wo viele Unfälle passieren oder viele Menschen unterwegs sind, konsequenter die Geschwindigkeit kontrolliert werden. Der aktuelle Senat lässt die Verkehrssicherheit schleifen.

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