Autogipfel im Bundeskanzleramt: Zäher Umstieg aufs E-Auto

Der Bundeskanzler diskutiert mit Industrie und Verbänden über die Förderung von E-Autos. Einer der Streitpunkte: Ladesäulen.

Mehrere Ladesäulen, über die gerade über einen Kabelanschluß Elektroautos aufgeladen werden.

Wer baut sie und wenn ja, wie viele? Beim Autogipfel geht es auch um Ladesäulen Foto: imago

BERLIN/FREIBURG taz | Zum Autogipfel im Kanzleramt haben Umwelt- und Mobilitätsbündnisse mehr Einsatz für die Transformation des Mobilitätssektors, sowohl von der Industrie als auch seitens der Politik gefordert. „Der Umstieg von Verbrennern auf E-Autos verläuft aktuell zäh“, sagt Friederike Piper, E-Mobilitätsexpertin bei der Organisation Transport and Environment. „Doch es sind noch lange nicht alle Hebel betätigt“. Die Autobauer könnten zum Beispiel deutlich mehr E-Autos in ihren eigenen Leasingfirmen anbieten. Der Vorteil, laut Piper: Der breiten Bevölkerung ständen E-Fahrzeuge billiger zur Verfügung – Neuwagen seien meist „teure Modelle für wenige Privilegierte“.

2030 sollen 15 Millionen vollelektrische Pkws auf deutschen Straßen unterwegs sein. Aktuell sind bundesweit nur rund 1,3 Millionen E-Autos zugelassen. Olaf Scholz (SPD) hat deshalb zum Autogipfel ins Bundeskanzleramt geladen: Am Montag wollte sich der Bundeskanzler mit Ver­tre­te­r:in­nen der Automobilindustrie treffen. Schwerpunkt des Treffens: die Frage, wie das 15-Millionen-Ziel erreicht und der deutsche E-Fahrzeugmarkt gestärkt werden kann.

Neben den hiesigen Autobauern VW, BMW und Mercedes-Benz waren unter anderem Ford, Opel und Tesla, Zulieferer, Branchenverbände, Gewerkschaften und Wis­sen­schafts­ver­tre­te­r:in­nen geladen. Außerdem wurden Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erwartet.

Dass die Autobauer bei ihren elektrischen Modellen allzu sehr auf Luxus setzen, bestätigt auch der ökologische Verkehrsclub (VCD). „Wo bleiben die kleinen bezahlbaren E-Pkws, die Kanzler Scholz bereits Anfang September auf der IAA forderte?“, fragt Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Selbst bei den E-Boliden im SUV- und Luxussegment schwächele der Absatz. „Wenn die deutschen Autohersteller im Wettbewerb mit Tesla und der chinesischen Konkurrenz bestehen wollen, müssen sie endlich liefern“, betont Müller-Görnert.

Verbände fordern Reform der Kfz-Steuer

Die Regierung könne den E-Autoabsatz fördern, indem sie Steuern und Abgaben im Verkehr am Klimaschutz ausrichte: Ähnlich wie in anderen EU-Staaten sollte sie die Kfz-Steuer um eine sogenannte Bonus-Malus-Komponente ergänzen, erklärt der VCD-Experte. Je höher der CO₂-Ausstoß eines neu gekauften Fahrzeugs, desto höher die Kfz-Steuer im Jahr der Neuanschaffung. Der „höhere Steuersatz für Spritschlucker“ könne Kaufprämien für klimafreundlichere E-Autos finanzieren.

Michael Müller-Görnert, VCD

„Wo bleiben die kleinen bezahlbaren E-Pkw?“

Das Umweltbundesamt machte sich vor dem Autogipfel ebenfalls für eine solche Reform der Kfz-Steuer stark. Außerdem schlagen mehrere Umweltverbände vor, klimaschädliche Subventionen für Diesel- und Dienstwagen zu streichen, um mehr Geld in die Transformation des Verkehrssektors stecken zu können. Der Verband für Straßengüterlogistik BGL kritisiert, dass der Gipfel ohne Beteiligung der Lkw-Branche stattfinde. So werde ein Drittel des CO₂-Ausstoßes im Straßenverkehr ausgeblendet. Radverbände monieren, dass der Kanzler beim Stichwort Mobilität vor allem die Autoindustrie einbezieht.

Bundesverkehrsminister Wissing sagte dem Handelsblatt vor dem Gipfel, dass er die Autoindustrie „neben der Auslieferung von E-Fahrzeugen“ auch beim „vorausschauenden Ausbau der Ladeinfrastruktur“ in der Pflicht sehe. Die Politik treibe den Ausbau ihrerseits voran. Die Zahlen jedoch deuten nicht darauf hin, dass es an Akteuren fehlt, die bereit sind, in öffentliche Ladeinfrastruktur zu investieren: Die Entwicklung des öffentlichen Ladeangebots sei im Jahr 2023 mit bisher 27.682 neuen Ladepunkten und 1,5 Gigawatt aufsummierter Ladeleistung auf einem „neuen Rekordkurs“, rechnet der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in seinem neuesten Elektromobilitätsmonitor vor.

Unter anderem wegen der stark wachsenden Infrastruktur bewegt sich die durchschnittliche Belegung der öffentlichen Ladepunkte „insgesamt auf niedrigem Niveau“, wie der BDEW berichtet. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass seit September die Neuzulassungen von Batteriefahrzeugen stagnieren – vor allem, weil die spezifische Förderung für E-Dienstwagen weggefallen ist.

Mehr Ladesäulen als die EU vorgibt

Der BDEW verweist ferner darauf, dass Deutschland schon mehr als doppelt so viel Ladeleistung installiert habe wie nach europäischen Vorgaben gefordert. Anfang Oktober standen bereits mehr als 113.000 öffentliche Ladepunkte mit insgesamt 5,2 Gigawatt installierter Ladeleistung zur Verfügung – die Zahl der Ladepunkte ist damit seit Jahresbeginn um gut 30 Prozent gewachsen, die Ladeleistung um rund 40 Prozent, wie der BDEW vorrechnet.

Deshalb brauche die Bundesregierung „zuvorderst eine Strategie, um das Ziel von 15 Millionen E-Pkw bis 2030 zu erreichen“, so der BDEW. Insbesondere nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November müsse man „nach neuen Wegen abseits von Subventionen“ suchen, um die richtigen Anreize zu setzen.

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