Übergriffige Fragen von Fremden: Google doch!

Einen in Deutschland außergewöhnlichen Namen zu haben, ermutigt Menschen dazu, intimste Fragen zu stellen. Unsere Autorin weiß, wovon sie spricht.

Ilustration von vielen weit geöffneten Mündern.

Die Frage zur Bedeutung des Namens nervt. Hört auf damit Foto: Carol Yepes/Moment RF/Getty

Keine drei Sätze brauche ich mit einer Person zu wechseln, um sie in die Kategorie „sympathisch“ oder „unsympathisch“ einzuordnen. Bei mir reicht dabei nur, meine Hand auszustrecken und mich vorzustellen: „Hi. Ich bin Shoko“. Wenn darauf eine Antwort kommt wie „Freut mich, ich bin Johannes“, ist mir die Person direkt sympathisch. Die Sympathie kann dann natürlich im Laufe des Gesprächs noch mal talabwärts stürzen, aber der gute erste Eindruck ist schon mal gesichert.

Nur leider ist das obige Beispiel eher ein Ausnahmefall. Denn in der Regel kommt ein „Schoko? Wie Schokolade?“, sowie darauf folgende Fragen, meistens auch in der exakten Reihenfolge: „Ist das ein Spitzname?“ „Wie wird das geschrieben?“ „Wo kommt der Name her?“ „Was bedeutet das?“

Mit acht Jahren, mangelhaften Deutschkenntnissen und eingeschüchtert von weißen Kartoffeln sowie der Annahme, ich soll immer „lieb und freundlich sein“, beantwortete ich diese Fragen brav. Zwanzig Jahre später, ohne dass sich je an den Fragen etwas geändert hat, bin ich nicht mehr so serviceorientiert. Auf die Frage nach der kakaohaltigen Süßspeise folgt ein simples „Nein“, egal, wie oft die Frage wiederholt wird. Denn mein Name hat nichts mit irgendwelchen Lebensmitteln zu tun, und diesbezügliche Witze waren schon damals null witzig.

Meine strikte Haltung, die Fragen nicht beantworten zu wollen, stößt bei vielen auf Irritation. Oft folgt ein beleidigtes „War ja nicht böse gemeint“. Das mag sein. Besonders taktvoll war die Frage trotzdem nicht. Denn mal im Ernst: Warum denken Menschen nicht einen Moment nach, bevor sie eine solche Frage stellen? Und selbst wenn ihnen die Frage rausrutscht und mein erstes „Nein“ folgt, warum bohren sie dann hartnäckig weiter nach? Warum fragen sie nicht auch Luisa oder Simon, was ihr Name bedeutet, woher er kommt, wer ihnen den Namen gegeben hat und ob sich die Eltern dabei einig waren?

Auskunftshotline für Normies

Mit diesem nervenaufreibenden Alltag bin ich nicht allein. Diverse Menschen beklagen, dass sie stets dieselben Fragen gestellt bekommen, als seien sie eine Auskunftshotline für Normies: Menschen, die Ramadan feiern. Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Queere Menschen. Menschen mit Migrationsvorder- und hintergrund. Menschen, die irgendwie anders sind als eine 0815-Luisa eben.

Die einzigen Personengruppen, denen ich die Fragen zu meinem Namen noch geduldig und freundlich erkläre, sind alte Menschen ohne Handy. Denn auch wenn mich die Fragen grundsätzlich stören und andere Fragen zu meiner Person zu sehr viel spannenderen Konversationen führen würden, kann ich nachvollziehen, wenn Leute schier neugierig sind. Doch mein Service hört bei Smart­pho­ne­be­sit­ze­r:in­nen auf.

Wer Zugang zum allwissenden Netz hat, soll bitte selbst recherchieren. In meinem konkreten Fall einfach mal „Schoko“ und „Vorname“ in Google eingeben und gucken, was die Suchmaschine so ausspuckt. Wer neugierig genug ist, wird schon irgendwann fündig werden. Wenn nicht, hielt sich die Neugier eben in Grenzen. Dann muss meine Laune aber auch nicht dafür herhalten.

Wenn die Stimmung kippt

Von Freun­d:in­nen erwarte ich dabei übrigens nur eines: Verständnis. Denn fast täglich, bei nahezu jeder fremden Person kommen diese Fragen in Dauerschleife. Ich weiß, wovon ich rede. Und es nervt einfach nur. Deshalb ist es nicht meine Schuld, wenn ich auf einer Party bin und die Stimmung kippt, weil ich mich weigere, eine Antwort darauf zu geben. Stattdessen trägt die Verantwortung allein die Person, die diese intimen Fragen stellt – und auf einer Antwort besteht.

Und wenn sie noch so freundlich gestellt wurde: Wieso sollte ich, angefangen mit der Herkunft meines Namens, auch meinen Geburtsort, die Wohnorte meiner Verwandtschaft, den Begegnungsort meiner Eltern, meine Sprach- und Schreibkenntnisse und sonstige Details über mein Privatleben auf dem Silbertablett servieren? Vor allem wenn ich von meinem Gegenüber höchstens den Namen, und manchmal selbst das nicht weiß?

Wenn völlig fremde Menschen meine Herkunft und meinen Familienstammbaum erfragen, ist das für mich keine Neugier mehr, sondern schlicht übergriffig. Und ich weiß, ich bin damit nicht allein. Wir sind euch keine Antworten schuldig.

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