Rücktritt britischer Premierministerin: Regierungsunfähige Konservative

Krachend gescheitert ist nicht nur die Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss. Hinter ihr steht auch eine dysfunktionale Regierungspartei.

Liz Truss vor der Downing Street 10

Liz Truss verkündet ihren Rücktritt Foto: Henry Nicholls/reuters

Nur 44 Tage war Liz Truss Premierministerin des Vereinigten Königreichs. In dieser Zeit starb die Queen, gab es einen Crash erst auf den Finanzmärkten und dann in den Meinungsumfragen. Eingerahmt wurde dies von einer abrupten wirtschaftspolitischen Kehrtwende und dann von noch einer – in wieder eine andere Richtung.

Das ist eine beeindruckende Bilanz, wenn auch nicht im positiven Sinne. Der ehemalige Brexit-Chefstratege Dominic Cummings hatte recht, als er Liz Truss als „menschliche Handgranate“ beschrieb, die alles in die Luft sprengt, was sie zu fassen bekommt. Die Tory-Parteibasis sah das im Sommer anders und wählte sie zur Nachfolgerin des diskreditierten Boris Johnson – nur um jetzt machtlos mitanzusehen, wie sie ein Chaos stiftet, gegen das die Ära Johnson goldene Stabilität ausstrahlt.

Truss wusste das alles. Sie machte zuletzt das komplette Gegenteil dessen, wofür sie angetreten war, und sie sah jeden Tag unglücklicher damit aus. Am Mittwochabend enthielt sie sich bei einer Parlamentsabstimmung, die ihre Fraktionsführung zur Vertrauensfrage gegen sie erklärt hatte. Am Donnerstag nun hat sie ihren Rücktritt erklärt mit den wahren Worten: „Ich kann das Mandat, für das ich gewählt wurde, nicht umsetzen.“

Gescheitert ist Liz Truss aber nicht nur an sich selbst. Die britischen Konservativen insgesamt haben sich als regierungsunfähig erwiesen. Die Geschichte der Intrigen, in denen Truss geschreddert wurde, muss erst noch geschrieben werden, samt der Rolle der Finanzmärkte, die in London keine abstrakte Größe sind, sondern reale Personen mit teils engen Verflechtungen in die konservative Politik.

Alle Akteure hassen sich

Wer auch immer nun die kommende Wahl für Truss’ Nachfolge gewinnt, steht vor genau den gleichen Problemen: eine dysfunktionale Partei, in der kein Konsens über die richtige Politik herrscht und alle Akteure sich gegenseitig hassen. Ginge es nach der Basis, würde Boris Johnson haushoch gewinnen – viele hielten ihn im Juli für das Opfer eines Putsches – und müsste dann gegen den eigenen Apparat regieren. Ginge es nach den Abgeordneten, würde es gar keinen klaren Sieger geben – den gab es schon im Sommer nicht, und heute ist die Fraktion noch zerstrittener – und das Gezerre ginge einfach weiter.

Stabilität ist nicht in Sicht. Der zur Beruhigung der Märkte auf den 31. Oktober vorgezogene Termin eines neuen Haushaltsplans ist Makulatur, denn schon vorher wird jemand Neues regieren. Es kann jetzt nur noch um eine Übergangsregierung gehen, die das Parlament auflösen lässt und Neuwahlen betreibt. Kompetenz im Wahlkampf – das wird jetzt der Maßstab sein.

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