Tesla startet mit der Produktion: Das soll die Zukunft sein

Brandenburg erhofft sich von Tesla einen Wirtschafts- und Imageboom. Doch auch E-Autos sind Autos – und damit eine Technologie von gestern.

Tesla-Autos stehen dicht an dicht auf einem Parkplatz

Autos über Autos auf dem Teslagelände: Sieht aus wie im 20. Jahrhundert Foto: imago

Brandenburg ist schon seit Jahrzehnten Autoland. Seine Alleen sind gesäumt von Bildern junger Männer, die unter Strom oder unter Alkohol gesetzt die Kurve nicht gekriegt haben. Autos, aufgemotzt, tiefergelegt, feingetunt, als einzige Möglichkeit, der Tristesse des märkischen Sands und dem sprichwörtlichen „Warten auf den Bus“ zu entkommen. Manchmal für immer.

Ausgerechnet Autos sollen nun dieses Image Brandenburgs aufpolieren: Hightech statt Ödnis, globaler Megakapitalismus statt behutsamer Wirtschaftsentwicklung. Der Anfang dazu ist gemacht: Wenn an diesem Dienstag der Autobauer Tesla in seiner selbsternannten „Gigafactory“ in Grünheide nach nur gut zwei Jahren Bauzeit die Produktion aufnimmt, ist das ein kleines Wunder, das bei der Ankündigung im November 2019 einige bezweifelten. Damals war der immer noch nicht eröffnete Flughafen BER eine stete Mahnung vor allen Wirtschaftsutopien.

Doch Brandenburgs Landesregierung hat getan, was sie konnte, damit diese Utopie südöstlich von Berlin wahr wird. Sie hat die Bürokratie mit allen Mitteln angetrieben, Genehmigungen verteilt wie sonst nur Tourismusbroschüren, den Widerstand von Na­tur­schüt­ze­r*in­nen in klare Bahnen (ab-)gelenkt. Und sie hat sich mit Tesla-Chef Elon Musk einem Mann ergeben, von dem niemand weiß, ob er der Industriemessias ist, als der er von seinen Fans weltweit verehrt wird, oder schlicht der beste Bluffer aller Zeiten. Das sollte auch dem zur Eröffnung erwarteten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem bereits am Wochenende in Katar gedemütigten Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bewusst sein, wenn sie hoffen, dass etwas von Musks Aura auf sie abstrahlt.

Brandenburg muss sich fragen, ob die Konzentration auf die Automobiltechnologie und den mit erwarteten 12.000 Mitarbeitenden dann größten Arbeitgeber des Landes der richtige Weg ist. Denn auch wenn Tesla ausschließlich auf Elektromobilität setzt und damit von der aktuellen Treibstoffkrise an den Tankstellen weniger betroffen ist: Fahrzeuge, wie Tesla sie produziert, sind nicht die Lösung der Klimakrise und des Verkehrsproblems in europäischen Städten und auf den sie verbindenden Straßen. Im Gegenteil. Sie sind zu groß, zu schwer, zu teuer und damit Inbegriff einer inzwischen überholten Idee von Mobilität, die sich darin ausdrückt, dass meist nur ein*e Fah­re­r*in gesichert wie in einem Panzer darin allein unterwegs ist. Eine absurde Verschwendung von Ressourcen.

Dank Elektroantrieb sind die Teslamobile schön ökologisch angehaucht. Doch steigen zu viele Menschen auf solche E-Autos um, verschärfen sich die Probleme. Denn um die Klima-, Energie- und Verkehrskrise zu bewältigen, braucht es einen drastischen Rückgang beim motorisierten Individualverkehr. Um die Städte lebenswert zu gestalten, müssen Parkplätze verschwinden und Platz für Fuß­gän­ge­r*in­nen und Rad­le­r*in­nen geschaffen werden. Das alles kulminiert in der Forderung: Kauft keine Autos, erst recht keine großen! Sprich: keine Teslas.

Man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass am Dienstag die Zukunft der deutschen Industrie beginnt. Sondern bedenken, dass auch eine Gigafabrik gegen einen Baum gefahren werden kann: wenn Energie noch teurer wird; die nächste überraschende Krise kommt; Autos ihren Glanz verlieren; die Konkurrenz stärker wird. Oder wenn Elon Musk plötzlich ganz andere Ideen hat. Kann alles passieren.

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Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.

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