Die neue SPD-Spitze ist links: Versöhnen statt spalten

Die Wahl von Esken und Walter-Borjans ist ein historischer Einschnitt. Der SPD drohen Turbulenzen, wenn sie irreale Forderungen durchprügeln.

Links wird gefeiert: Walter-Borjans und Esken jubeln, Geywitz und Scholz verlassen die Bühne. Foto: dpa

Das Votum für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ist ein historischer Einschnitt. Denn es gehört zur DNA der Sozialdemokratie, dass die Basis am Ende immer murrend der Führung folgt. Doch die SPD-Basis glaubt den Glaubenssätzen des Weiter-so und den rituellen Beschwörungen der Verantwortungsethik nicht mehr.

Diese Wahl ist aber weniger eine für Esken und Nowabo und deren besonders glanzvolle Performance. Sie ist ein deftiges Misstrauensvotum gegen das Parteiestablishment, das komplett Scholz & Geywitz stützte. Dass die Wahlbeteiligung bescheiden war, zeigt, wie erschöpft die Partei ist.

Aber das verblasst angesichts der zentralen Frage: Es ist klar, was die SPD-Basis nicht mehr will, aber schwer zu erkennen, was sie will. Was kommt jetzt?

Machtpolitisch zieht am Horizont ein Konflikt auf, der die SPD in schwere Turbulenzen stürzen kann. Wenn die neue Parteispitze mit dem Bruch der Groko schnell ernstmacht, droht ein Kampf zwischen Parteiführung und Bundestagsfraktion, bei dem es keine Gewinner, aber bestimmt eine Verliererin geben wird: die gesamte SPD. Nichts würde der desorientierten Union besser ins Konzept passen als eine Sozialdemokratie, die sich wochenlang über der Frage zerlegt, ob und wann sie die Regierung verlässt.

Raus aus der Groko ist jetzt die falsche Forderung. Esken und Nowabo müssen ihre ziemlich vollmundig formulierten Ansprüche – 12 Euro Mindestlohn sofort, ein neues Klimapaket, massive Investitionen, Schluss mit der schwarzen Null – schnell herunterdrosseln.

Beim Neuen ist Augenmaß wichtig

Die SPD-Basis hat mit dieser ziemlich überraschenden Wahl der neuen linken Spitze das nötige Signal schon gesetzt. Sie will etwas Neues. Esken und Nowabo verkörpern die überfällige Wende der SPD, die Sehnsucht nach einer anderen Politik. Aber gerade beim Neuen ist Augenmaß wichtig.

Dies ist nur dann eine Chance für eine renovierte Sozialdemokratie, wenn zweierlei geschieht: Scholz und das Parteiestablishment müssen ihre Niederlage wirklich und nicht nur rhetorisch akzeptieren, besser noch: verstehen. Die neue linke Führung darf nicht hektisch Machtkämpfe anzetteln.

Fakt ist: 45 Prozent haben sie nicht gewählt. Auf dem Parteitag einen irrealen Forderungskatalog für Verhandlungen mit der Union durchzuprügeln, ist keine gute Idee. Diese neue Führung sollte den Spruch von Walter-Borjans' Vorbild Johannes Rau beherzigen: Versöhnen statt spalten. Sonst kann aus dem Aufbruch schnell ein Abbruchunternehmen werden.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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