Westliche Bodentruppen in der Ukraine?: Eiskalter Schauder
Macrons Bodentruppen-Vorstoß bedroht den zurückhaltenden Kurs der Nato. Und er ist kein Mittel, um den Krieg zu beenden.
F rankreich und die Franzosen lieben die große Geste, und Emmanuel Macron ist auch in dieser Hinsicht der erste Franzose. Mit ebenjener französischen grandesse schließt er nun zur Unterstützung der Ukraine die Entsendung von Bodentruppen einzelner Länder nicht mehr aus. Es gebe keinen offiziellen Beschluss dafür, räumt er zwar ein. Bodentruppen seien aber Teil einer sehr offenen Diskussion bei dem von ihm einberufenen Ukraine-Unterstützungstreffen in Paris gewesen. Man muss kein Freund oder keine Freundin des Russland freundlich gesinnten slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico sein, um ihn dazu zu zitieren: „Es läuft einem kalt den Rücken hinunter.“
Deutschland und die Deutschen werden in der Regel als nüchtern und strukturiert beschrieben. Grandiosität kommt in dieser Betrachtung nicht vor, und Bundeskanzler Olaf Scholz ist auch in dieser Hinsicht der erste Deutsche. Mit ebenjener deutschen Nüchternheit hat Scholz jetzt die Entsendung des deutschen Marschflugkörpers Taurus gänzlich ausgeschlossen.
Seine Begründung am Montag war ein direkter Vorgriff auf die folgende Diskussion in Paris, wo die Bodentruppenfrage wohl schon im Vorbereitungspapier auftauchte: Der Taurus komme deshalb nicht infrage, weil selbst die Zielerfassung durch deutsche Soldaten in Deutschland eine Kriegsbeteiligung wäre. Man muss kein Freund oder keine Freundin des spröden deutschen Kanzlers sein, um in diesem Licht die Entscheidung richtig zu finden.
Seit zwei Jahren ringen die Staaten der Nato darum, nicht direkt in diesen Krieg involviert zu werden. Die russische Invasion in der Ukraine jenseits des Donbass wurde und wird zwar als Bedrohung der westlichen Sicherheit betrachtet. Angrenzende Nato-Staaten fürchten zudem, Russland könne sich ermächtigt fühlen, auf ihre Territorien vorzustoßen. Doch eine nicht durch den Nato-Beistandsartikel provozierte Beteiligung in der Ukraine wäre eine Aufkündigung dieses Konsenses innerhalb der Nato und damit der Geschlossenheit des westlichen Bündnisses.
Sind westliche Soldaten schon in der Ukraine?
Man kann dem entgegnen, dass die Entsendung von Bodentruppen eines Landes ohne Nato-Mandat keine Nato-Beteiligung wäre. Viel Spaß dabei, dies dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darzulegen, kann man nur wünschen.
Man kann entgegnen, dass französische wie auch britische Soldaten möglicherweise bereits auf ukrainischem Boden aktiv sind. Frankreich und Großbritannien haben der Ukraine das etwas weniger reichweitenstarke Äquivalent zu Taurus, den Marschflugkörper vom Typ Scalp/Storm Shadow, zur Verfügung gestellt. Wer dessen Zielerfassung von wo aus durchführt, ist vielleicht für Putin kein Geheimnis. Offiziell öffentliche Informationen dazu gibt es aber nicht.
Man kann nun sogar annehmen, die Aussage von Macron sei ein Eingeständnis, dass sie schon vor Ort sind. Aber das erklärt noch nicht, weshalb das Thema überhaupt auf der Agenda des Pariser Treffens stand, Macron die große Formulierung wählt und gleich mehrere Länder Bodentruppen nicht mehr ausschließen wollen.
Seit der Münchner Sicherheitskonferenz ist die sicherheitspolitische Tonlage eine veränderte. Das Signal, das Putin mit dem Mord an Alexei Nawalny nach München geschickt hat, wirkte wie eine Erschütterung – zusammen mit den flehentlichen Auftritten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seines Außenministers Dmytro Kuleba. Diesem Druck indes mit Bodentruppen nachzugeben, würde den Krieg vermutlich nicht beenden. Im Gegenteil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“