Wasserstoff: Hoffnungsträger der Energiewende
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Aber wo sollen die gigantischen Mengen herkommen, die Deutschland nutzen will? Und in welcher Form?
![Anlage in einem Chemiewerk. Anlage in einem Chemiewerk.](https://taz.de/picture/7459556/14/37403414-1.jpeg)
Nach diesen Plänen sollen im Jahr 2030 in Deutschland zwischen 95 und 130 Terawattstunden (TWh) Energie aus Wasserstoff und Wasserstoffderivaten wie Ammoniak oder Methanol genutzt werden. 50 bis 70 Prozent dieser Menge würde Deutschland importieren müssen – die Bundesregierung hat deshalb eine „Importstrategie“ erarbeitet.
Die genannten Mengen sollen aber nur der Anfang sein. Bis 2045 soll der nationale Bedarf an Wasserstoff auf 360 bis 500 TWh, der zusätzliche Bedarf an Derivaten auf 200 TWh steigen. Die heimische Erzeugung wird dabei kaum mithalten können, wie ein einfacher Vergleich zeigt: In Deutschland wurden im Jahr 2024 rund 500 TWh Strom erzeugt. Würde man diese Menge komplett zur Erzeugung von Wasserstoff nutzen, hätte man – aufgrund der Energieverluste – etwa 300 TWh Wasserstoff verfügbar. Selbst damit wären die angepeilten Verbräuche nicht zu decken.
Somit stellen sich Fragen. Wo soll der Wasserstoff für Deutschland herkommen? Wie, und in welcher Form wird er nach Deutschland kommen? Und natürlich: Was wird er kosten?
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Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.
Sehnsuchtspartner Kanada und Namibia
In Europa gebe es „gute Bedingungen für die Produktion von Wasserstoff in Nord- und Ostsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer“ heißt es in der Importstrategie. Zugleich will die Bundesregierung „die Lieferquellen möglichst breit diversifizieren“, weshalb sie „mit einer Vielzahl an Partnerländern“ zusammenarbeitet, wozu zum Beispiel Kanada und Namibia gehörten. Deutschland kooperiere „im Rahmen von mehr als 30 Klima- und Energiepartnerschaften und Energiedialogen mit verschiedenen Ländern“.
Etwas konkreter wird der soeben fertiggestellte Abschlussbericht eines Forschungsprojekts mit dem Namen Hypat (H2-Potenzialatlas), an dem mehrere Fraunhofer-Institute beteiligt waren. Auftraggeber war das Bundesforschungsministerium. Potenzielle Exporteure, so schreiben die Wissenschaftler, seien „sonnige Regionen, möglicherweise in Kombination mit einem guten Windpotenzial“. Aus dieser Sicht böten sich „Regionen wie der Süden Chiles, die Mena-Region, der Mittlere Westen der USA und Australien“ an. Unter „techno-ökonomischen Aspekten“ seien besonders Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kanada, Brasilien und Chile interessant.
Aber auch geopolitische Interessen, die Menschenrechte und demokratische Aspekte seien „relevante Themen“. Daher seien einige Länder, etwa aus dem Nahen Osten, „als kritisch einzustufen“. Hier gebe es „einen Zielkonflikt zu einem möglichst kostengünstigen Bezug von Importen“, heißt es. So relativieren sich einige Optionen schnell.
Europa ist hintendran
Am einfachsten wäre der Bezug von Wasserstoff aus dem europäischen Ausland. Aber auch dort geht es eher zäh voran, wie das Wuppertal Institut im Sommer in einer Studie resümierte. Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass die „Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff in Deutschland und Europa ungewiss“ sei, denn trotz ehrgeiziger Ankündigungen verfüge „kein europäisches Land bereits heute über substanzielle Projekte zur Wasserstofferzeugung“.
Aktuell seien, was den Bau von Wasserstofferzeugern betrifft, „mit 2,5 Gigawatt nur rund sechs Prozent des EU-Zielwerts für das Jahr 2030 installiert, im Bau befindlich oder mit einer finalen Investitionsentscheidung hinterlegt“. Zwar gebe es in Spanien „europaweit die größte Dynamik bei Wasserstoffprojekten“, doch diese dienten zunächst der Deckung der lokalen Nachfrage und könnten daher „nicht für Importe nach Deutschland bis zum Jahr 2030 eingeplant werden“.
Hinzu kommt, dass auch die Importwege und -möglichkeiten erst einmal aufgebaut werden müssen – denn auch hier hapert es noch. Eine Option könnte der Transport als Flüssigwasserstoff sein, doch wie das Forschungsprojekt Hypat resümiert, gibt es „derzeit keine nennenswerten Produktions- und Transportinfrastrukturen“ für Flüssigwasserstoff. Damit werde diese Option wohl „erst nach 2030 relevant“. Entsprechend räumt auch die Bundesregierung in ihrer Importstrategie ein, dass es „in der Hochlaufphase auch anderswo noch nicht genügend grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen“ gebe.
Alternativ diskutieren Wissenschaftler den Import per Pipeline, der sich aber nur für einige Lieferregionen anbietet und zudem wieder Abhängigkeiten schafft. Auch kann Wasserstoff als Ammoniak gebunden transportiert werden, was „ein kosteneffizienter und technologisch weit entwickelter Energieträger“ sei, so die Autoren des Hypat-Berichts.
Eine weitere Möglichkeit sind ferner ölartige organische Substanzen, die Wasserstoff chemisch binden, sogenannte Liquid Organic Hydrogen Carrier. Mit diesen lassen sich bestehende Erdölpipelines ohne Umbau zum Wasserstofftransport nutzen. Der Nachteil: Jeder Prozessschritt, jede stoffliche Umwandlung bringt Aufwand und Energieverluste mit sich.
Billig kann der Wasserstoff damit kaum werden. Zumal selbst dann, wenn einige Länder in der Lage sein sollten, eine gewisse Menge an Wasserstoff kostengünstig zu erzeugen, dieser nicht zwangsläufig auch zu niedrigen Preisen zu kaufen sein wird – denn der Preis wird am Ende nicht durch punktuelle Erzeugungskosten, sondern durch Angebot und Nachfrage gemacht. Die politisch erwünschte große Nachfrage nach dem „grünen“ Gas dürfte dabei allzu günstige Preise kaum zulassen.
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