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Waffenlieferungen an IsraelEs geht nicht ohne und nicht mit

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Keine Waffen mehr an Israel? Denkt man das Szenario zu Ende, bedeutete dies, dass Israelis bald schutzlos ausgeliefert wären.

Keine Waffen mehr an Israel? Was schützt das Land dann vor dem Regime in Iran, das es auslöschen will? Foto: Majid Asgaripour/WANA (West Asia News Agency) via REUTERS

D ie Stimmen nach einem Stopp von Waffenlieferungen an Israel werden immer lauter. Auch im Bundestag entbrennt diese Diskussion erneut. Angesichts der grauenvollen Bilder, die nach wie vor aus dem Gazastreifen und aus dem Libanon kommen, liegt diese Forderung nahe. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu ist weiter auf Kriegskurs, statt einen Waffenstillstand zu befördern und die letzten Geiseln zu befreien. Einige israelische Minister sprechen sich offen für Besiedelung des Gazastreifens aus.

Es ist völlig klar: Diesen rechtsextremen Radikalen möchte man ihre Waffen entreißen, statt sie ihnen auch noch zu liefern. Die Kriegsführung Israels, die von vielen als genozidal bezeichnet wird, ist nicht nur tödlich für viele Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen und Libanes*innen, sondern bedeutet auch den Untergang eines Israels, das irgendeine Chance auf Frieden im Nahen Osten haben sollte.

Doch denkt man das Szenario zu Ende, bedeutet ein Stopp der Waffenlieferungen auch, dass Israel – und damit auch all diejenigen, die Woche für Woche gegen Netanjahu und seine Regierung auf die Straße gehen – irgendwann in der nicht so fernen Zukunft ihren Gegnern schutzlos ausgeliefert wären. Das israelische Militär sagt, dass das Waffenarsenal, das sie im Süden des Libanon vorgefunden haben, zeige, dass die Hisbollah für einen Angriff auf Israel ähnlich dem der Hamas am 7. Oktober vorbereitet gewesen sei. Bedeutet ein Stopp von Waffenlieferungen nicht auch, die Augen zu verschließen vor den Drohungen des Iran, Israel von der Landkarte löschen zu wollen? Vor der Bedrohung durch die Hisbollah?

Baerbock ist nicht zu beneiden

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist schwer zu finden. Sogenannte Defensivwaffen wie Panzerabwehrraketen lassen sich auch zum Angriff nutzen. Eine schriftliche Garantie von Israel, dass die gelieferten Militärgüter im Kampf gegen Hamas und Hisbollah nicht völkerrechtswidrig eingesetzt werden? Israel kann sich immer auf eine andere Interpretation von Völkerrecht zurückziehen. Außenministerin Annalena Baerbock ist um ihren Job gerade nicht zu beneiden.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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7 Kommentare

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  • "Bedeutet ein Stopp von Waffenlieferungen nicht auch, die Augen zu verschließen vor den Drohungen des Iran, Israel von der Landkarte löschen zu wollen?"

    Das wird der Iran nicht tun, aber nicht wegen ein paar deutschen Waffen mehr oder weniger, sondern weil die USA den Iran dann plattwalzen würden und das iranische Klepto-Regime (denn das sind diese Leute in erster Linie) sich dann nicht mehr am Öl und Gas seines Landes bereichern und seine Frauen und Kinder zum Shoppen in die Metropolen der Welt schicken könnte.

    Wenn eines klar geworden ist dann doch dass der Iran auf keinen Fall einen großen Krieg will. Das ist doch offensichtlich. Die Gegenreaktionen des Irans auf jede israelische Atttacke waren doch offensichtlich nur pro forma.

    Wollte der Iran (5x so groß wie Deutschland und größtes wenn auch veraltetes stehendes Heer in der Region) Israel (so groß wie Hessen) tatsächlich auslöschen dann würden ihn deutsche Waffen sicher nicht davon abhalten. US-Flugzeugträger und Atomwaffen hingegen schon und vor allem die Aussicht, sich dann bis ans Lebensende in irgendeinem Erdloch verkriechen zu müssen.

  • "Keine Waffen mehr an Israel? Denkt man das Szenario zu Ende, bedeutete dies, dass Israelis bald schutzlos ausgeliefert wären."

    Danke, dass dies von einer Fachfrau geäußert wird. Ich habe ähnliches hier im Kommentarbereich schon oft geschrieben und die Waffenlieferungen an Israel stets verteidigt bzw. auch meine diesbezüglichen Sorgen geäußert. Wir haben am 07.10.23 gesehen, was die gegnerischen Parteien (nicht nur die Kämpfer, sondern angelich auch Privatleute) mit den jüdischen/israelischen Menschen machen, wenn sie sich nicht mehr wehren können.

    "Das israelische Militär sagt, dass das Waffenarsenal, das sie im Süden des Libanon vorgefunden haben, zeige, dass die Hisbollah für einen Angriff auf Israel ähnlich dem der Hamas am 7. Oktober vorbereitet gewesen sei."

    Das wird von den Israel-Kritikern vermutlich ausgeschlossen und manche leugen ja auch, dass die Verbrechen des 07.10. überhaupt stattfanden. Ich selbst halte einen Angriff aus dem Libanon im Umfang des 07.10.23 zwar für wahrscheinlich, weiß aber selbstverständlich auch nicht, ob es stimmt oder nicht.

  • Man kann und muss Waffenlieferungen an Bedingungen knüpfen. Dafür ist die Ukraine ein Beispiel. Wer Verbündeten erlaubt täglich Kriegsverbrechen zu begehen und weiter Waffen liefert, macht sich moralisch und unter Umständen auch juristisch mitschuldig, aber verliert auch jede internationale Glaubwürdigkeit.

    • @Nina Janovich:

      Es wäre hilfreich, wenn all diejenigen, die ständig nach einem Waffenlieferstop gegen die sich gegen Terror verteidigende Demokratie Israel rufen, stattdessen die Diktatoren und Kriegstreiber im Iran auffordern würden, ihre Unterstützung für die Terrororganisationen Hamas, Hisbollah und Huthi einzustellen sowie unverzüglich und bedingungslos das Existenzrecht Israels anzuerkennen.



      Dann gäbe es eine Perspektive für Frieden.

      • @Vigoleis:

        In der Tat verurteile ich den ständigen Bruch des Völkerrecht des Irans im In- und Ausland, (systematische Folter, tödliche Gewalt gegen jede Form des friedlichen Protests, Terrorfinanzierung und Angriffe gegen Israel und Juden auch weltweit, etliche Kriegsverbrechen zuvor in Syrien) z.B. über entsprechende Petitionen von Amnesty International. Das Thema in diesem Beitrag sind aber deutsche Waffenlieferungen an Israel, weshalb ich auch diese kommentiert habe und nicht meine Forderungen an den Iran. Noch mal zur Ukraine. Stellen Sie sich vor, die Ukraine hätte auf das Massaker unter russischer Besatzung in Butcha mit Bombardements ziviler Wohngebiete, Krankenhäuser und Aushungern evtl. eingenommener russischer Ortschaften reagiert. Deutschland hätte die Waffenlieferungen zu Recht sofort eingestellt, weil Kriegsverbrechen der Gegenseite nicht eigene Kriegsverbrechen legitimieren sondern absolut verboten sind. Ich bin sehr froh, dass das humanitäre Völkerrecht (Schutz von Zivilisten im Krieg) seit 1945 im internationalen Recht stark verankert ist. Es funktioniert aber nicht, wenn man die Einhaltung nur von den Gegnern der Verbündeten einfordert, statt auch von den eigenen Verbündeten.

  • Hm. Der Ukraine wird genau vorgeschrieben, unter welchen Bedingungen die Waffen geliefert werden und was ein No Go ist. Warum kann man das mit Israel nicht genauso halten?

  • Kann man die derzeitige eindeutig rechtsgerichtete, auf Beschädigung der Demokratie aus seiende und völlig entgrenzt Krieg führende Regierung so verwechseln mit Israel?

    Zum Schluß gilt: Augen auf bei der Berufswahl; auch vorm Spiegel bevor frau sich als Kanzlerin sieht und dann kläglich im Außenamt scheitert.