Vorwurf des „Sozialtourismus“: Starke Kritik an Merz-Aussage

Der CDU-Chef hat mit seinem Vorwurf an ukrainische Geflüchtete in Deutschland Empörung ausgelöst. Innenministerin Faeser nennt die Aussage „schäbig“.

Friedrich Merz (CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, nimmt an der Sitzung des Bundestags teil.

Macht gerne von sich reden – zum Beispiel mit populistischen Aussagen: CDU-Chef Friedrich Merz Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN dpa/afp | Die populistische Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz über einen „Sozialtourismus“ ukrainischer Flüchtlinge nach Deutschland hat bei den Grünen Empörung ausgelöst. „Wie passt es eigentlich mit der viel beschworenen Solidarität der Union mit der Ukraine zusammen, dass Friedrich Merz im Kontext von Menschen, die vor diesem furchtbaren Angriffskrieg fliehen, von „Sozialtourismus“ spricht?“, fragte die Vorsitzende Ricarda Lang am Dienstagmorgen auf Twitter. Fraktionschefin Britta Haßelmann schrieb dort: „Sich durch die Abwertung anderer Menschen profilieren zu wollen, ist ein Instrument, zu dem Rechtspopulisten regelmäßig greifen. Das weiß auch Friedrich Merz. Ihm scheint jedes Mittel recht zur Eigenprofilierung.“

Merz hatte Bild TV am Montagabend gesagt: „Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.“ Der Hintergrund laut Merz: Anfangs hatten Ukraine-Flüchtlinge Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – seit Juni erhalten sie Grundsicherung, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger, und sind damit besser gestellt.

Noch größere Probleme erwartet Merz nach eigenen Worten mit Flüchtlingen aus Russland, „wenn die Bundesregierung das täte, was die Bundesinnenministerin vorgeschlagen hat, nämlich hier jetzt praktisch allen Verweigerern des Kriegsdienstes, der Mobilisierung in Russland Zugang zur Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen“. Die Union sei „strikt dagegen“.

Kritik von Faeser und Melnyk

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte Friedrich Merz stark. Bei Twitter schrieb sie: „Stimmungsmache auf dem Rücken ukrainischer Frauen und Kinder, die vor Putins Bomben und Panzern geflohen sind, ist schäbig“. „Sozialtourismus“ sei 2013 „Unwort des Jahres“ gewesen. Es sei „auch 2022 jedes Demokraten unwürdig“.

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Empört auf die Äußerungen reagierte auch der scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk: „Woher kommt dieser Unsinn über angeblichen ‚Sozialtourismus‘ von ukrainischen Kriegsflüchtlingen?“, schrieb Melnyk auf Twitter an Merz gerichtet. „Sie haben das Recht, ihre Heimat jederzeit zu besuchen. Woher dieser billige Populismus?“

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hat die Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz über „Sozialtourismus“ von Ukraine-Flüchtlingen als „absolut deplatziert“ bezeichnet. Dürr sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: „Die Menschen aus der Ukraine kommen zu uns, weil sie vor Putins brutalem Krieg fliehen. Viele von ihnen haben alles verloren und bangen um ihre Angehörigen.“

Nach der starken Kritik von vielen Menschen ruderte CDU-Chef Friedrich Merz zurück. Auf Twitter schrieb er am Dienstag: „Ich bedaure die Verwendung des Wortes ‚Sozialtourismus‘. Und weiter: „Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems.“

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