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Vormarsch der Taliban in AfghanistanDemokratie hatte nie eine Chance

Thomas Ruttig
Kommentar von Thomas Ruttig

Die Taliban nehmen Stadt um Stadt ein. Die Politik des Westens ist gescheitert – erst ihr „Krieg gegen den Terror“, dann der vorschnelle Abzug.

Af­gha­n:in­nen fliehen vor den Kämpfen zwischen den Taliban und dem afghanischen Militär aus Herat Foto: Hamed Sarfarazi/ap

E s sieht nicht gut aus für Afghanistan. Provinzhauptstädte fallen schneller an die Taliban, als auch der Autor es für möglich gehalten hätte. Selbst Kabul ist in Gefahr. Ob die Regierung zu einer Verteidigung fähig ist, steht in den Sternen. Welchen Preis eine Gegenoffensive hätte, sieht man in Laschkargah in Südafghanistan. Um einen Angriff auf die Taliban starten zu können, forderte die Armee die Bevölkerung auf, die Stadt sofort zu verlassen. Bombardements im Stadtzentrum folgten; Basare, Schulen, Krankenhäuser brennen. Zi­vi­lis­t:in­nen werden getötet.

Nach dem 11. September 2001 klammerten sich viele Af­gha­n:in­nen an die Hoffnung, dass die Anschläge von al-Qaida ihr verarmtes, von rückwärtsgewandten Islamisten regiertes Land wieder auf die weltpolitische Agenda gesetzt hatten. Dass der demokratische Westen ihnen helfen würde. Und er kam, versprach freie Wahlen und Frauenrechte. Allerdings wollte der Westen zugleich einen „Krieg gegen den Terror“ führen und brauchte dazu die Warlords mit ihren Milizen als Verbündete.

Im Ergebnis entstand eine Fassadendemokratie mit einer korrupten Oligarchie als eigentlichen Machthabern. Der Westen akzeptierte, dass Wahlen gefälscht wurden und fälschte sogar mit. Das brachte den Taliban neuen Zulauf als Antiokku­pations- und Antikorruptionstruppe.

Afghanistans politische Eliten, aber auch Teile der Zivilgesellschaft verließen sich jahrelang darauf, dass die US-Amerikaner ihr Land nicht fallen lassen würden. Schließlich haben die USA etwa 1,5 Billionen Dollar in den Kampf gegen die Taliban investiert. Doch dann kam Trump. Nach dem Motto „America First“ wurde einseitig ein Truppenabzug beschlossen.

Bündnis mit den Warlords

Das jetzt bestmögliche Szenario wäre für die Af­gha­n:in­nen immer noch schlimm: Der Westen müsste mit der Drohung Ernst machen, sämtliche Entwicklungsgelder zu sperren, falls eine Taliban-Regierung militärisch an die Macht kommt, und so Verhandlungen über ein Kriegsende erzwingen. Der Preis wäre, die von den USA installierte Regierung von Präsident Ghani fallen zu lassen – und viele Menschen- und Freiheitsrechte aufzugeben.

Die Warlords, oft Islamisten wie die Taliban, wären sicher zur Verständigung bereit. Die Alternative wären Flächenbombardements der Städte, die jetzt von den Taliban kontrolliert werden, was eine Verlängerung des Krieges bedeuten könnte.

Eigentlich müssten die Af­gha­n:in­nen demokratisch über ihre Zukunft entscheiden. Aber eine echte Demokratie hatte nie eine Chance – auch weil der Westen den „Krieg gegen den Terror“ wichtiger fand und sich mit den Warlords verbündete.

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Thomas Ruttig
Autor:in
Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.
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72 Kommentare

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  • "Demokratie hatte nie eine Chance"

    Die Überschrift kommt mir westlich überheblich vor. Sie unterstellt den Afghanen grundsätzlich, nicht fähig zu eine Demokratie zu sein.

  • „ Der Westen müsste mit der Drohung Ernst machen, sämtliche Entwicklungsgelder zu sperren, falls eine Taliban-Regierung militärisch an die Macht kommt, und so Verhandlungen über ein Kriegsende erzwingen.“

    Die Taliban war bisher nicht von Entwicklungsgeldern abhängig und wird es auch zukünftig nicht sein.

  • Bei Ländern wie Belarus leistet man sich täglich mindestens drei Artikel, in denen die entsetzliche Lage in Minsk heraufbeschworen wird und bei Afghanistan zucken unsere olivgrünen NATO-Fans einfach nur die Schultern.

    Vielleicht wollte man den Taliban ja sowieso gar nicht militärisch zu nahe treten, denn immerhin waren es ja die selben Leute, die man vorher gegen die Sowjetarmee in Stellung gebracht hat. Auf jeden Fall schüttelt man den Kopf, wen man bedenkt, dass die Armeen der mächtigsten Länder der Welt es in 20 Jahren nicht hinbekommen, ein paar zerlumpte islamistische Terroristen zu besiegen. Zerklüftete Bergwelt gibt es auch anderswo, aber wer schon daran kläglich scheitert, dem sollte man lieber auch keine Atomwaffen anvertrauen.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Khaled Chaabouté:

      Das Problem sind die Politiker, die wollten wenig Verluste und Kosten und keinen Krieg in Pakistan, von kontraproduktiven Drohnenschlägen abgesehen. Die Taliban sind auch nicht gleichzusetzen mit den Mudschaheddin, gibt da Überschneidungen aber die Taliban sind vorallem ein Produkt Pakistans in den 1990er Jahren. Man kann die Taliban nicht besiegen wenn man ihre Basen nicht zerstört.

  • Afghanistan wird von den Taliban überrollt und in der taz ergießt sich eine Welle von kulturpessimistischem Fatalismus in den Kommentarspalten.



    Es ist genau die gleiche Situation wie die Belagerung von Sarajevo.



    Niemand möchte die Talibanverbrecher militärisch besiegen. Aber dazu gibt es keine Alternative.



    Der "IS" bombt die Hochzeiten, der Iran wird dort expandieren.



    Pakistan hatte schon immer Einfluss.



    Selbstverständlich sind die Mehrheit der Afghaninnen und Afghanen modern und brauchen für ihr ziviles Leben Unterstützung.



    Man darf nicht so schnell aufgeben. Da geht meine Sicht in dieselbe Richtung wie von "Machiavelli"

    • @nzuli sana:

      "Man darf nicht so schnell aufgeben."

      20 Jahre???

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Solche Aufstandsbekämpfung an der Peripherie gehört dazu, das zieht sich manchmal die Fanzosen haben mehr als 100 Jahre gebraucht die Engländer loszuwerden. Man braucht für sowas einen langen Atem.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Ihnen ist schon klar, dass der Afghanistankrieg der NATO schon länger dauert, als beide Weltkriege zusammen?

          Die Lage hat sich seit Jahren nicht verbessert. Im Gegenteil. Jeder Dohneneinsatz hat den Zulauf zu den Taliban vergrößert.

          Ist Ihnen wirklich nicht aufgefallen, wie fruchtlos die Bemühungen der NATO in den letzten 20 Jahren waren? Sehen Sie nicht, dass die "Armee", die der Westen mit viel Geld und Mühe zusammengeschustert hat, wie eine Glasscheibe zerbricht? Was soll denn in 5 oder 100 Jahren anders sein?

          Warum also noch mehr Menschen für immer neue Experimente opfern? Nur weil man zu feige ist, eine Neiderlage zuzugeben? Ich kann diese Kaltschnäuzigkeit (sollen sie doch noch ein paar Jahrzehnte im Krieg leben) nicht verstehen.

          PS: Der 100jährige Krieg als Beispiel ist Quatsch. Dort gab es Jahrzehnte ohne Kampfhandlungen.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Krieg wird es in Afghanistan weiterhin geben nur ohne uns, der 100 jährige Krieg war geprägt von konstanten kleinen Gefechten oder wenn sie andere Beispiele wollen die Osmanen im Yemen, Roms Grenze mit Germanien etc. Wenn die afghanische Armee nicht gut ist muss man halt neu anfangen und nebenher was besseres aufbauen.

            Ich halte nichts von diesen Luftschlägen man muss die Taliban mit Bodentruppen stellen, bekämpfen und die Leute müssen spürbare Verbesserungen bekommen wenn die westlichen Truppen einrücken stattdessen hat man eine korrupte Zentralregierung die jetzt an der banalen Aufgabe scheitert ihre Kräfte zu konzentrieren und in 100 kleinen Gefechten untergeht anstatt die wichtigsten Gebiete zu halten.

            • @83379 (Profil gelöscht):

              "Wenn die afghanische Armee nicht gut ist muss man halt neu anfangen und nebenher was besseres aufbauen."

              Wie denn? Die NATO hat mit beträchtlichem Aufwand 20 Jahre lang versucht, eine vernünftige Armee aufzubauen. Das Ergebnis sehen wir. Was soll also in den nächsten Jahren anders werden? Warten wir, bis Gott die afghanische Armee erleuchtet?

              In Afghanistan leben Menschen. Keine Lemminge aus dem Computer, mit denen man beliebig oft herumexperimentieren kann. Das Experiment ist gescheitert. Selbst in Washington hat man das eingesehen.

              PS: "...der 100 jährige Krieg war geprägt von konstanten kleinen Gefechten..."

              Stimmt so nicht. Es gab große Schlachten und auch Jahrzehnte lange Waffenstillstände.

              Überhaupt sollten wir in den letzten Jahrhunderten vielleicht wenigstens etwas klüger geworden sein. Wenigstens bereifen, was man Menschen antut, die man zwingt, über Generationen im Krieg zu leben. Krieg ist nämlich das Schlimmste, was man Menschen antun kann. Er ist kein Jungbrunnen.

  • "Die Alternative wären Flächenbombardements der Städte, die jetzt von den Taliban kontrolliert werden"

    Wie hiess es im Vietnam Krieg: "It became necessary to destroy the town to save it"

    Viele westliche Medienberichte lesen sich so als ob die Taliban wie Aliens ueber die Bevoelkerung hereinbrechen waehrend der Westen versuchte diese vor den Aliens zu verteidigen. Koennte es sein dass viele Afghanen (auch ausserhalb direkter Talibanzugehoerigkeit) dies genau umgekehrt sehen? Wie anders haetten sich die Taliban als Rebellenbewegung in der Bevoelkerung halten koennen?

    Ein Aspekt der in der westlichen Berichterstattung viel zu kurz kommt ist das vollkommen unterschiedliche Regierungskonzept zwischen Taliban und westlich unterstuetzter Regierung. Die Taliban verhandlen politische Entscheidungen immer auf der lokalen Ebene mit lokalen Respektpersonen aus. Der Westen der sich dieser kulturellen Komplexitaet nicht stellen wollte, setzte auf einen starken Zentralismus mit einer kleinen westlich orientierten Elite + ein paar Warlords. Korruption nahm man der Einfachheit halber dabei in Kauf.

    Es ist nicht ueberraschend das das Konzept der Taliban in vielen Gebieten eine staerkere politische Bindung hervorbrachte als es die Zentralregierung jemals geschafft hat.

    • @Tim Broich:

      "Wie anders haetten sich die Taliban als Rebellenbewegung in der Bevoelkerung halten koennen?"



      Das ist auch meine Vermutung. Außerdem kann ich mir durchaus vorstellen, dass eben doch viele Afghanen von der Religiösität der Taliban beeindruckt sind. Ihre Frömmigkeit ist, aus meiner Sicht, über jeden Zweifel erhaben. Mir persönlich nötigt das doch einen gewissen Respekt ab und ich gehe davon aus, dass Menschen, die ebenso religionstreu leben, keine oder nur in geringem Maße Probleme mit ihnen bekommen werden.

  • Man muss jetzt eingestehen, dass die Mission schon vor Jahren gescheitert war.



    Raus und laßt den Taliban mal 10 Jahre Zeit, das Land entweder ganz herunter zu wirtschaften oder zarte Fortschritte zu machen.



    Ohne Geld aus dem Westen, ohne Überweisungen von Afghanen im Ausland; das gilt für Gaza und ähnliche Orte ebenso.

    • @meerwind7:

      10 Jahre lang werden dann eben Menschen gefoltert und ermordet, oder wie? Und das nur für für Hoffnung, dass die Taliban in 10 Jahren bessere Menschen geworden sind. Da sie mit Opiumhandel eine ganz gute Einnahmequelle haben, ist ihnen das Hilfsgeld egal.

      • @Devil's Advocate:

        Korrektur: Die Taliban werden den Opiumhandel eher minimieren; sie haben darauf zwar derzeit Steuern gesetzt - wie die Regierung auch - haben die Produktion während ihrer Herrschafft jedoch verboten und dies auch erfolgreich durchgesetzt. Die Einnahmen werden durch die natürlichen Ressourcen des Landes dennoch gesichert sein; China wartet bereits auf Verträge mit den Taliban.

  • Vielen Dank an Herrn Ruttig für die klare Analyse der politischen Fehler der Vergangenheit.

    Ich hatte den ‘Warlord’ und damaligen Gouverneur der Provinz Herat, Herrn Ismael Khan, während einer Dienstreise getroffen und mit ihm gesprochen. Ich fragte mich schon damals, wie die deutsche und US-amerikanische Regierung mit Verbündeten wie Herrn Khan behaupten konnten, in Afghanistan die Menschen- und Frauenrechte und die Demokratie zu verteidigen. Ich war in Begleitung einer afghanischen Gynäkologin und Herr Khan weigerte sich, mit ihr zu sprechen oder auch nur ihre Hand beim Abschied zu berühren.







    Allerdings stellt sich nun die Frage, was ist der bessere Weg in die Zukunft. Nach meiner Ansicht und Beobachtung ist es nicht möglich mit Organisationen wie den Taliban zu einer friedlichen Verhandlungslösung zu kommen, die Menschenrechte einschlieβlich Frauenrechte achtet. Deshalb brauchen wir dringend eine Internationale Legion, die bereit ist, für Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen, solange es in einem Land oder einer Region nötig ist. Warum sollen wir es Organisationen wie den Taliban überlassen, einkommenslose und frustrierte junge Männer für die Interessen ihrer Führungen zu rekrutieren und einzusetzen?

    Es ist wichtig einen Gegenpol zu setzen und zu sagen, eine Internationale Legion wird so lange bleiben und kämpfen, wie es nötig ist, um Menschen- und Frauenrechte und Demokratie zu garantieren und zu entwickeln. Wir können es nicht den USA als Weltpolizei überlassen, die weder die Glaubwürdigkeit noch die Ausdauer besitzt, um Menschenrechte unabhängig von den Interessen ihrer Eliten international zu schützen und durchzusetzen.

    Gleichzeitig sollte eine Legalisierung aller illegalen Drogen einschlieβlich Heroin stattfinden, um die Finanzierung von kriminellen Organisationen wie den Taliban zu erschweren. Es macht keinen Sinn mit der Gefahr dieser Drogen zu argumentieren. Die gefährlichste Droge der Menschen ist konzentrierte ‘Macht’ und war immer legal.

    • @Reinhard Huss:

      Was für ein zynischer Kommentar.

  • Dieser Abzug hätte so nicht stattfinden dürfen.

    Gerade für die afghanischen Frauen ist das eine Katastrophe. Tausende von ihnen hatten sich als Unternehmerinnen selbstständig gemacht oder studiert.

    Viele engagieren sich politisch.

    Wenn die Steinzeit-Islamisten der Taliban wieder das Ruder in der Hand haben, ist es damit vorbei.

    Da nimmt es nicht wunder, dass es auch jetzt auch Frauen gibt, die sich bewaffnen und entschlossen sind, sich diesen Menschen-Feinden in den Weg zu stellen.

    Was wäre das für ein Fest, könnten die Frauen sie besiegen.

    • @Jim Hawkins:

      "Dieser Abzug hätte so nicht stattfinden dürfen."

      Hätte auch nicht müssen. Selbst das dunkelste Licht, dass je in Weißen Haus gebrannt hat, war intelligent genug, ein Abkommen auszuhandeln, dass einen geordneten Abzug ermöglicht hätte.

      Und was macht sein Nachfolger? Er bricht das Abkommen und befiehlt dann eine regellose Flucht! Wie dumm kann man sein?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nur, mit wem sollte so ein Abkommen ausgehandelt werden?

        Mit den Taliban?

        • @Jim Hawkins:

          Eine rhetorische Frage?

          Das Abkommen gab es doch. Und ja. Mit den Taliban.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Sie haben recht, woher sollte der Mann denn auch irgendeine Ahnung haben:

            de.wikipedia.org/w...n_der_Osten-Sacken

            Da hat man vom deutschen IKEA-Sofa aus sicher den besseren analytischen Blick.

            • @Jim Hawkins:

              Stimmt es etwa nicht, dass die Taliban jedes Jahr Fortschritte gemacht haben?

              PS: Auch jemand, der in Nahen Osten tätig ist, kann Tatsachen ignorieren. Allerdings liegt Afghanistan auch nicht im Nahen Osten. Also?

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Lassen wir es gut sein, es kommt ja nichts dabei heraus.

                Sie glauben, was Sie glauben wollen. Das ist mir zu mühsam.

            • @Jim Hawkins:

              Richtiger Adressat, falscher Ort, sollte weiter unten stehen, als Antwort auf:

              "Meldungen mit zweifelhaften Aussagen gibt es im Netz natürlich keine :-)

              Fakt ist, dass die Taliban jedes Jahr ein kleines Stück mehr des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Auch die taz berichtete..."

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die Taliban werden sich in der Weise an Abkommen halten, wie Hitler es tat.

            Was sollte ihnen denn passieren, wenn sie sich nicht daran halten?

            • @Jim Hawkins:

              An gar kein Abkommen brauchen sie sich erst recht nicht zu halten.

              Also bleiben wir bei den Fakten. Und Fakt ist, dass es ein Abkommen gab und Biden dieses ohne jede Not gebrochen hat. Die Taliban können sich angesichts von so viel Dummheit bequem zurücklehnen...

  • Fragen Sie doch einfach ein paar Afghanen hier in Deutschland. Oder schauen Sie ein wenig Tolo TV. Sie werden feststellen, "die Afghanen" sind gar nicht so anders. Es läuft "Afghanistan sucht den Superstar", Talk-Shows, Kochshows und man sieht an jeder Ecke Menschen mit Smartphones. Genau wie wir im Westen wollen die Menschen einfach nur in Ruhe ihr Leben leben, ihre Kinder zur Schule schicken und einen anständigen Job haben, der einen fairen Lohn zahlt. Komisch diese Vorstellung, dass die Menschen dort so anders sein sollen als wir. Erinnert mich an den alten Sting-Song "The Russians love their children, too". Übrigens meint die übergroße Mehrheit der Afghanen nicht, dass die Taliban Muslime sind, sondern einfach nur Terroristen. Wenn es anders wäre, würden die Menschen ja nicht fliehen, sondern die Taliban mit offenen Armen empfangen. Ist aber nicht so.

    • @Stille Post:

      Zitat:



      Wenn es anders wäre, würden die Menschen ja nicht fliehen, sondern die Taliban mit offenen Armen empfangen.

      Da sich die Afghanen sich nicht wehren, würde ich schon sagen, die haben sie mit offenen Armen empfangen.

    • @Stille Post:

      "die Afghanen"

      ...gibt es nicht. Es gibt offensichtlich (wie in jedem Land) sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Leben.

  • "Demokratie hatte nie eine Chance" - Das weiss man aber erst, wenn in a l l e n Gebieten halbwegs freie und geheime Wahlen abgehalten worden wären. So knickt das Land und der Westen einfach vor islamistischer Gewalt ein. Ein verheerendes Signal!

  • "Die Alternative wären Flächenbombardements der Städte..."

    Geht's noch? Wie kann man so etwas ernsthaft erwägen?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Flächenbombardements hätte man 2001 machen können, um den Taliban die weitere Zusammenarbeit mit Al Quaida abzugewöhnen, wenn man keine Besetzung des Landes beabsichtigt hätte.

      Jetzt: Militärisch Unsinn und menschlich undenkbar.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Historisch gesehen kann man das.

      Denken Sie an die Bombardierung deutscher Städte durch alliierte Bomber am Ende des Zweiten Weltkrieges.

      „Sie wollten den totalen Krieg haben. Wir haben ihnen gegeben worum sie gebettelt haben.“

      Arthur Harris

      • @Jim Hawkins:

        Das Kalkül der Alliierten bei den Bombardierungen war ja, dass die persönliche Betroffenheit der Bevölkerung dazu führen sollte, dass diese zum Regime auf Distanz gehen würde. Tatsächlich trat aber (eigentlich erwartbar) das Gegenteil ein. So gesehen waren die späteren Care-Pakete das wirkungsvolle Instrument um den Deutschen die Demokratie schmackhaft zu machen.

        • @Ingo Bernable:

          Das mag man aus heutiger Sicht so sehen.

          Kämpft man allerdings gegen die Armee des Monsters nationalsozialistisches Deutschland, sieht die Sache vielleicht anders aus.

          Berücksichtigt man dann noch, das es in Deutschland praktisch keinen Widerstand gegen die Nazis gab, ist die Vorstellung, es so zu versuchen, vielleicht gar nicht so abwegig.

      • @Jim Hawkins:

        Wir leben aber nicht mehr in den 40ern.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Ich bin auch nicht für Flächenbombardements.

          Ich finde nur, dass es in diesem Fall besser gewesen wäre, die NATO wäre im Land geblieben.

          Man sieht ja, was jetzt passiert.

          • @Jim Hawkins:

            Auch als die NATO noch im Land war, haben die Taliban Gebiet um Gebiet erobert. Nur langsamer. Es bringt nichts, einen verlorenen Krieg künstlich zu verlängern. Das fordert nur noch mehr Opfer. Die NATO hätte vor 10 Jahren gehen sollen. Da war der Krieg auch schon verloren...

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Other Voices:

              "Ein paar tausend internationale Truppen, die meisten ohne Mandat – außer zur Selbstverteidigung – zu kämpfen, sicherten bis ins Frühjahr 2021 offenbar, dass viele Provinzen NICHT von den Taliban kontrolliert waren. Wie sonst lassen sich solche Meldungen erklären?"

              www.mena-watch.com...gantischer-fehler/

              • @Jim Hawkins:

                "Wie sonst lassen sich solche Meldungen erklären?"

                Meldungen mit zweifelhaften Aussagen gibt es im Netz natürlich keine :-)

                Fakt ist, dass die Taliban jedes Jahr ein kleines Stück mehr des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben. Auch die taz berichtete...

  • Dass Demokratie in Afghanistan keine Chance hat, weiß man seit 1979. Trotzdem muss man sich immer wieder einmischen. Lasst Afghanistan doch endlich mal in Ruhe.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Kappert Joachim:

      Es gibt in der Geschichte Afghanistans immer wieder gute Ansätze zu demokratischen Reformen unter Amanullah Khan, unter Zahir Shah, Shah Massoud etc. das Problem ist das die umliegenden Mächte (UK und Soviets) kein wirkliches Interesse daran hatte. Gibt jetzt auch viele Afghanen die an die Demokratie glauben, das Problem ist die Taliban kämpfen gut und werden von aßen unterstützt. Und Afghanistan liegt so zentral wenn der Westen weg ist kommen China, Russland, Iran, Saudis und Pakistan und machen gleich weiter.

  • Politik, ein schmutziges Geschäft. Wäre ich Soldat in Afghanistan gewesen... Sterben von Kameraden erlebt hätte. Alles ohne Sinn!

    • @Tom Farmer:

      "Alles ohne Sinn!"

      Völlig richtig. Deshalb geht man da garnicht erst hin.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Genau alles hoffnungslos morgens am besten gar nicht aufstehen könnte ja regnen.

        • @83379 (Profil gelöscht):

          "...morgens am besten gar nicht aufstehen..."

          Es gibt ein gutes Motiv morgens aufzustehen. Menschen entgegentreten, die trotz aller gegenteiligen Erfahrungen immer noch glauben, dass man mit noch mehr Krieg, noch mehr Zerstörung und noch mehr Toten die Welt verbessern kann.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Ja das hat die Bundeswehr gemacht den Taliban entgegenzutreten. Man stoppt Lwite wie die Taliban und den IS nicht mit netten Worten oder Sozialarbeitern.

            • @83379 (Profil gelöscht):

              Der Krieg ist aber seit Jahren verloren. Eigentlich schon seit die Amerikaner anfingen, Hochzeiten zu bombardieren.

              Und einen verlorenen Krieg künstlich in die Länge zu ziehen, ist ein Verbrechen. Das Ergebnis ändert sich nämlich dadurch nicht. Nur die Zahl der Opfer steigt.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Afghanistan war frei, war demokratisch, irgendwann in den 70er Jahren - allerdings hat die - durchaus gutartige - Unterstützung des Westens die Gegensätze zwischen Stadt und Land derart verschärft, dass Afghanistan einer praktisch unheilbaren inneren Spaltung erlag.

    Die Russen wollten heilen (und die Amis los werden...), die Amerikaner wollten heilen (und den Russen vor den Koffer k@cken), die Deutschen wollten heilen (weil die gerne dabei sind, wenn verteilt wird). Letztendlich haben aber alle stets den Widerspruch zwischen einer geradezu kosmopolitischen Ober- und Mittelschicht und einer bettelarmen Landbevölkerung nicht lösen können. Und eigentlich hat es sie nie interessiert.

    Die einzige Chance, die Afghanistan hat, ist, dass die Taliban das Land übernehmen und die Afghanen dann entscheiden, ob es das ist, was sie sich für ihre Kinder vorgestellt haben.

    Das wird ein fürchterlicher Kraftakt, die Taliban - oder eher die radikalislamischen Strukturen - dann wieder loszuwerden. Aber ohne diese historische Erfahrung, werden die Afghanen keinen tragfähigen Konsens über ihre Zukunft finden.

  • Seit Beginn des Krieges hört man eigentlich nur Analysen und Ratschläge von "Experten" des Westens. Die erwähnen zwar gelegentlich "Warlords", die eigentlichen Machthaber im Land.



    Aber eine Analyse von Machtgefügen und Interessenlagen findet man kaum, auch keine Darstellung der Vorstellungen verschiedener Gruppen in Afghanistan zur Zukunft des Landes.



    Bevor wir überlegen, wie das Land nach unserer Vorstellung aussehen sollte, sollten wir vielleicht die Menschen fragen, die dort leben.

  • Eine echte Analyse der aktuellen Zustände in Afghanistan wäre ja mal interessant für die Leserschaft. Stattdessen gibt es aber nur dieses selbstbezogene Rumgejammere über unbestrittene Versäumnisse des Westens ohne dem Leser einen Überblick über die aktuelle Situation zu geben. Es läuft dort ja aktuell bereits der nächste Proxykrieg zwischen Pakistan und Indien. Indien hat stark in Afghanistan investiert um Einfluss in dieser für indische Sicherheitsinteressen wichtigen Region (Stichwort Kashmirkonflikt) zu gewinnen. Die von Pakistan aus mit chinesischem Geld finanzierten Taliban zertören nun gezielt alle indischen Infrastrukturprojekte in Afghanistan. Vom Westen her versucht auch der Iran seinen Einfluss noch geltend zu machen. Um Afghanistan zu befrieden, hätten alle geopolitischen Streitpunkte in der Region gelöst werden müssen, insbesondere der Pakistan-Indien Konflikt. Die aktuelle Entwicklung ist jetzt wirklich keine Überraschung.

    • @Šarru-kīnu:

      Woher haben Sie die putzige Idee, dass China die Taliban sponsort?

      • @Kaboom:

        China sponsort natürlich nicht direkt die Taliban sondern Pakistan. Dabei geht es China im Projekt Seidenstraße um den eigenen Einfluss in Zentralasien. Indien hat in den Jahren der US-Intervention massiv in Afghanistan investiert und ist größter Investor und finanzielle Hauptstütze der afghanischen Regierung. Die jetzt von der Taliban zerstörten indischen Projekte werden deshalb sicher bald mit chinesischer Förderung neu errichtet werden. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

    • @Šarru-kīnu:

      Interessanter Aspekt, die indischen Infrastrukturinvestitionen, die nun durch pakistanisch-chinesisch gesponserten Taliban gezielt zerstört werden.

      Vielleicht nicht der allerwichtigste Sachverhalt überhaupt, aber doch von erfrischendem Neuheitswert, verglichen mit den sonstigen dauer-platitüden des systemmediensystems.

      • @Bernhard Wanner:

        Stimmt, von indischen Projekten in Afghanistan habe ich noch nie was gehört.

    • @Šarru-kīnu:

      Ihr Hinweis auf die regionalen Machtinteressen Pakistans und Indiens (und ich würde auch China hinzuzählen, als dessen verlängerter Arm Pakistan im afghanischen Konflikt gelten kann) ist zutreffend, findet in den westlichen geopolitischen Analysen nur so gut wie keinen Widerhall.



      Wie in Zeiten des Kalten Krieges sich sämtliche globale Konfliktlagen auf die ideologische Ost-West-Dichotomie fokussierten, wurden sie später auf den kulturellen Gegensatz islamische Welt versus liberale westliche Demokratien reduziert.



      Eine falsch verstandene „Reduktion von Komplexität“ (Luhmann), die auch die europäische und deutsche Außenpolitik auf den Holzweg geführt hat … wie man in Afghanistan gut beobachten kann.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Demokratie hatte nie eine Chance"



    Und wieso wusste ich als normaler Bürger dass schon seit 20 Jahren?



    Da wurde viel, viel Geld verbrannt und viele Leben geopfert.



    NIETEN

  • Da ist wohl für "den Westen" in A'stan nichts mehr zu holen.

    Also sagt man leise Tschüs...

    • @Bolzkopf:

      Dort war noch nie was zu holen.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die Amerikaner wollten so wenig Bodentruppen wie möglich einsetzen, die Deutschen keinen Kampfeinsatz, so kann man natürlich keinen Krieg gewinnen. Dazu sollte dann die Armee und Polizei vorallem als Einnahmequelle für Sicherheitsfirmen herhalten die die trainieren.

    Wenn man einen Krieg gewinnen will muss man Krieg führen d.h. in jedem größeren Dorf, auf jedem Berg Truppen stationieren, dem Feind bis nach Pakistan nachsetzen und dort seine Logistik zerstören. Die Deutschen Soldaten sollte jahrelang der Konfrontation aus dem Weg gehen weil das wäre schlechte Presse für deutsche Politiker daheim. Nur wenn die Amerikaner kaum boots on the ground haben, die Deutschen die Taliban Dörfer umfahren, woher soll dann die Motivation der afghanischen Armee kommen?

    Ich glaube aber die deutschen Politiker haben ihre Lektion gelernt, die Deutschen wollen keine Kriege, die Deutschen wollen ihren Wohlstand genießen. Deswegen war das höchste zudem man sich gegen den IS durchringen konnte ein paar Aufklärungsflieger und ein bischen Training im Iraq, aus Mali wird man sich auch bald verabschieden.

    Das ist das Problem an den Deutschen denen wurde die Freiheit geschenkt, die haben keinen Wert dafür und das macht sie feige und selbstsüchtig wenn sie gefordert sind für die Freiheit anderer einzustehen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Harte Worte, wären Sie bereit für die Freiheit anderer Ihr Leben zu riskieren? Eine solche Kriegsführung hätte zu sehr vielen deutschen Gefallenen geführt. Das ist politisch nicht durchsetzbar und das ist gut so!

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Es wurde doch alles versucht. Viele Truppen, weniger Truppen, massive Kampfhandlungen, Verhandlungen usw.

      Nichts hat funktioniert. Man kann eben nicht einfach in ein Land einmarschieren und glauben, dass man es nach eigenem Gutdünken umgestalten kann. Das funktioniert nur in absoluten Ausnahmefällen.

      Die Idee, unsere Lebensweise gewaltsam zu exportieren, ist im 21. Jh. krachend gescheitert. Es wird Zeit, dies einzusehen. Alles andere produziert nur Leichenberge.

  • Die Demokratie Bringer,

    in Afghanistan, im Irak, in Somalia, in Mittelamerika, Schwarzafrika wo auch immer das Eingreifen = nacktes Grauen.



    Blutbad statt Demokratie...

    Dabei gibt in Europa genug Dreck im eigenen Haus, von dem Dreck vor unserer eigenen Haustür ganz zu schweigen.

    In Amerika genug Dreck im eigenen Land, von dem Dreck vor der Haustür ganz zu schweigen..

    Mission Impossible die taz weiß das...

    warum tun wir uns das an.....

    Ps. Wir können einen Görlitzer Park nicht befrieden und schicken Truppen nach Afghanistan.... bescheuert !

  • Ist es wirklich so einfach? Der Westen hat es falsch abgepackt? War der Ansatz einer "Befreiung von Aussen" nicht von vorne herein zum Scheitern verurteilt? Die Frage müsste doch lauten: Was bräuchte es, damit ein unterentwickeltes Land sich selbst befreien kann? Diese Voraussetzungen zu schaffen ist Aufgabe der internationalen Gemeinschaft. Den Freiheitskampf selbst als interne Voraussetzung muss jedes Volk selbst führen... Wer sind eigentlich die "Taliban" die ja ohne lokale Unterstützung gar nicht diese Erfolge haben könnten?

    • @mwinkl02:

      "die "Taliban" die ja ohne lokale Unterstützung gar nicht diese Erfolge haben könnten"



      Ich dacht so langsam hätte sich mal herumgesprochen, dass man mangelnde Gegenwehr nicht in Unterstützung und Zustimmung umdeuten sollte, weder in diesem, noch in anderen Kontexten. Wenn schon die afghanische Armee und Sicherheitsbehörden nicht in der Lage sind den Taliban etwas entgegensetzen zu können, wird man wohl kaum von der Zivilbevölkerung erwarten können sich ihnen in den Weg zu stellen und abschlachten zu lassen.

      • @Ingo Bernable:

        Sind sie nicht in der Lage? Oder sind sie nicht motiviert und Willens? Da wird weniger gekämpft und gegen starke Taliban verloren als vielmehr desertiert, kapituliert und kampflos zurückgezogen.

        Das Problem ist, dass in 20 Jahren keine Zivilgesellschaft aufgebaut wurde - es war alles nur mit viel Geld gekittete Fassade. Einen Tag nach dem Abzug des Westens fällt alles zusammen und auf das gesellschaftliche Niveau von vor dem Einmarsch zurück: Es gibt kein Staatsverständnis, keine Bürgerlichkeit, kein Selbstverständnis als Bürger, der die (demokratische?) Ordnung verteidigen will, sondern es gibt Clanzugehörigkeit und Opportunismus.



        Der alte starke Clan waren die Besatzer, also hat man deren Hand gehalten, solange sie bezahlt haben und die Macht hatten. Jetzt sind sie weg, also verdingt man sich sofort beim nächsten Clanchef - und das ist der lokale, der sich wiederum an die Taliban verkauft. Loyalität ist fließend in Afghanistan.



        Wir haben es nur nie verstanden und wollten unbedingt unser System kopieren - in eine Region und (politische) Kultur, in der das keinen Sinn macht.

        Wir haben schon vor 20 Jahren verloren, als wir mit den USA einmarschiert sind, wir haben es nur verdrängt und hinausgezögert, weil wir uns unser Versagen nicht eingestehen wollten. Der Westen sollte endlich aufhören Dinge „richten“ zu wollen, und sich mehr darauf konzentrieren, schon im Vorfeld weniger kaputt zu machen - durch Politik, Wirtschaft und Durchsetzung eigener Interessen. Dann braucht es erst gar keine Interventionen, gar militärische.

        Wenn die Afghanen „frei“ sein wollten, dann könnten wir sie unterstützen - wirtschaftlich und militärisch - aber es gibt keine Gruppe dort, die das repräsentiert. Dann ist es besser sich einfach rauszuhalten, und nicht noch mehr Schaden anzurichten - und sich die Niederlage und das eigene Scheitern einzugestehen.

        Zumindest wäre das ehrlich - das erste mal in 20 Jahren.

        • @hup:

          "Da wird weniger gekämpft und gegen starke Taliban verloren als vielmehr desertiert, kapituliert und kampflos zurückgezogen"



          Würden sie denn mit dem Ausbildungs- und Ausrüstungsstand der afghanischen Armee in den Schützengraben steigen um sich den Taliban entgegenzustellen, in dem Wissen dort kaum etwas auszurichten aber nahezu sicher zu sterben? Ich würde jedenfalls auch das Weite suchen.

        • @hup:

          "sich einfach raushalten" hört sich gut an - das ist aber schwer umzusetzen, wenn es gleichzeitig aber Hunderttausende Flüchtlinge aus diesem Land (und anderen) gibt, die nach Europa wollen.

          Aus eigenem Interesse muss Europa sich in irgendeiner Form in Krisenregionen einmischen - natürlich vorzugsweise ohne die Situation dort noch zu verschlimmern, wie es auch schon passiert ist.

  • Der vorschnelle Abzug. Nach wieviel Jahren und wieviel Ankündigungen!?

    • @Wonneproppen:

      Auf den Punkt gebracht.

  • Da Herr Ruttig als Fachmann für afghanische Verhältnisse gelten kann, wünsche ich mir, gerade jetzt, mehr Berichte, Kommentare, Analysen von ihm. Afghanistan und die Menschen dort sind mir, und vielleicht auch vielen anderen, sehr fremd. Ich weiß nichts über die Wünsche, Träume und Hoffnungen der afghanischen Männer und Frauen und würde gerne mehr darüber wissen.

    Und eine Frage treibt mich eben besonders um: Wollen die Afghanen wirklich nach westlichen Maßstäben leben oder doch lieber ein islamisches Leben? "Wir", damit meine ich westliche Medien, mich und auch viele Menschen im Westen, können uns nicht vorstellen, dass Menschen nach islamischen Gesetzen leben wollen, aber ist das wirklich so?