Urteil zu Zurückweisungen an den Grenzen: Dobrindt hätte die Wahl
Ein Gericht erklärt die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze für rechtswidrig. Der Innenminister könnte nun den Spuk gesichtswahrend beenden.

W as für eine Chance für Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Schon drei Wochen nach Beginn der Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze hat das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt, was eh jeder wissen konnte: Diese Zurückweisungen sind rechtswidrig. Die Gerichtsentscheidung gäbe ihm nun die Möglichkeit, das zu beenden, was wohl selbst nach der Vorstellung der Erfinder nicht funktioniert hat.
Die Zahl der Zurückweisungen pro Tag kann man deutschlandweit an ein, zwei Händen abzählen. Dies als „Asylwende“ zu verkaufen, finden immer mehr Leute lächerlich. Zumal die Zurückgewiesenen jederzeit über die grüne Grenze nach Deutschland kommen können. Für diesen minimalen Effekt wird die Bundespolizei bis zur Überlast beansprucht. Die Polizisten werden für Parteipolitik verheizt und fehlen an anderer Stelle.
Auch außenpolitisch waren die Zurückweisungen ein Reinfall. Die Nachbarstaaten lehnen das deutsche Manöver ab, statt sich ruchlos anzuschließen. In Polen wurde so die anti-deutsche Stimmung befeuert, die vielleicht sogar die knappe Präsidentenwahl entschieden hat. Und nun steht Deutschland als Staat da, der nach Trump-Manier sehenden Auges das Recht ignoriert hat. So kann man weder die EU führen noch Investoren nach Deutschland locken, denen die USA zu gaga geworden sind.
Weiter mit dem Kopf durch die Wand
Dobrindt hätte also sogar aus Unions-Sicht allen Grund, den Berliner Eilbeschluss zum Anlass zu nehmen, um die Zurückweisungen schleunigst einzustellen. Aber was macht der neue Innenminister? Er redet von einer Einzelfall-Entscheidung und hofft auf das Hauptsacheverfahren. Er will die Chance nicht nutzen, sondern weiter mit dem Kopf durch die Wand.

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Ab sofort sind die Zurückweisungen also nicht mehr nur die skrupellose Wahlkampf-Idee von Friedrich Merz, die Dobrindt bei Amtsantritt quasi vorgefunden hat. Ab jetzt sind die Überstunden der Bundespolizei Überstunden für Dobrindt. Wer nicht auf die Gerichte hört, wird am Ende verantwortlich gemacht.
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