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Urteil zu Gaza-ProtestEine Frage als Holocaust-Verharmlosung

Eine Berlinerin fragte mit Bezug auf Gaza „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten verurteilte sie dafür zu einer Geldstrafe.

Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat ein „offenkundiges Ungleichgewicht“ in der Frage der Angeklagten festgestellt Foto: Jens Kalaene/dpa

FREIBURG taz | Die Frage „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ ist im Kontext des Gaza-Kriegs eine Straftat, sie verharmlose den Holocaust. Zu diesem Schluss kam das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Ende April. Jetzt liegt der taz die Begründung des Urteils vor.

Es geht um eine Protestaktion am 3. November 2023, also rund einen Monat nach dem Hamas-Überfall auf Israel. Eine damals 30-jährige Frau, deutsche Staatsbürgerin, stellte sich ganz allein mit zwei Plakaten vor das Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Auf dem oberen Plakat, das sie in die Höhe hielt, stand „Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?“ Um ihren Hals hing ein zweites Plakat: „NEIN Zu der Ermordung von derzeit 8500 Zivilisten in Gaza“.

Polizisten schritten ein und stellten die Plakate sicher. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs. Nach diesem Paragrafen ist seit 1994 auch die Leugnung, Billigung und Verharmlosung der NS-Verbrechen strafbar. Es droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

Die Frau, die anonym bleiben möchte, erschien bei Gericht mit drei­ Ver­tei­di­ge­r:in­nen und wies den Vorwurf der Verharmlosung des Holocaust zurück. Vielmehr habe sie mit Bezug auf die deutsche Geschichte „auf aktuelle Menschenrechtsverbrechen“ und die deutsche Untätigkeit hierbei aufmerksam machen wollten.

Der Amtsrichter verurteilte sie dennoch zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen á 30 Euro, also 1500 Euro. In der jetzt vorliegenden knappen Begründung heißt es, sie habe damit „ausdrücklich und unmissverständlich“ das Schicksal von etwa sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens und anderer Opfer, die unter der NS-Herrschaft „jahrelang industriell deportiert und gezielt minutiös organisiert vernichtet wurden“, mit der Reaktion Israels auf den kriegerischen Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 „zum Nachteil der etwa 8.500 Zivilisten in Gaza“ gleichgesetzt.

Durch „das offenkundige Ungleichgewicht“ habe die Angeklagte, „die Art, das Ausmaß und die Folgen der Unterdrückung, der Gewalt und der massenhaft industriellen Ermordung“ der NS-Opfer „verharmlost“. Diese Verharmlosung habe die Frau trotz eines „inneren Vorbehalts“ „billigend in Kauf genommen“. Weil sie die Aktion vor dem Bundestag durchführte, habe sie auch eine „abstrakte Gefahr der Störung des öffentlichen Friedens“ verursacht. (Az.: 227 Cs 1077/24)

In einem (pseudonymisierten) Interview mit der linken Tageszeitung „junge weit“ erklärte die Aktivistin, dass sie das Urteil nicht akzeptiere. Sie wird wohl Rechtsmittel einlegen.

Die deutschen Strafgerichte halten Gleichsetzungen mit dem Holocaust jedoch schnell für strafbar. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) erst im Februar entschieden, dass ein Impfgegner zurecht wegen Verharmlosung von NS-Verbrechen zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil er einen „Impfen macht frei“-Cartoon verbreitet hat; eine offensichtliche Anspielung auf das KZ Auschwitz, an dessen Tor „Arbeit macht frei“ stand. Der Holocaust, so der BGH damals, dürfe nicht zu einem „austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene Maßnahmen“ werden. (Az.: 3 StR 468/24)

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52 Kommentare

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  • Die Israelis haben ganz gewiss aus dem Holocaust gelernt, dass Juden sich gegen ihre Vernichtung zur Wehr setzen müssen. Das sollte jeder nachvollziehen können.

  • Es gibt Fragen und es gibt als Fragen getarnte Unterstellungen.

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  • Absolut nachvollziehbares Urteil.



    Die Nazis haben gezielt gegen Zivilisten agiert. Sie zusammengetrieben, beraubt, enteignet, in Ghettos gesteckt, zu Zwangsarbeit gezwungen, in Lager deportiert und industriell ermordet.



    Israel geht nicht gezielt gegen Zivilisten vor, im Gegenteil, sie geben stets bekannt wo zeitnah Angriffe stattfinden werden, um der Zivilbevölkerung die Flucht zu ermöglichen. Israel deportiert auch keine Zivilisten oder ermordet sie industriell.



    Man kann die Wehemenz, das Kriegsziel und überhaupt das Vorgehen Israels kritisieren - freies Land, freie Rede - aber ein Vergleich mit dem Holocaust verbietet sich auf jeglicher Ebene.

  • Das Gericht sagt:

    Das Schicksal von etwa sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens ... mit der Reaktion Israels auf den Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 „zum Nachteil der etwa 8.500 Zivilisten in Gaza“ gleichgesetzt.

    Selbst wenn sie das gemacht hat und das falsch ist. - wieso sind falsche historische Vergleiche strafbar?

    • @Klaus Bloemker:

      Das wissen Sie doch selbst: Weil das eine Verharmlosung de Holocaust ist und die ist nun einmal strafbar, und das ist auch gut so.

  • In die Fragestellung ob aus einem geschichtlichen Ereignis nichts gelernt hätte eine Gleichsetzung mit diesem zu implizieren ist schon absurd. Soll also das aus geschlichen Ereignissen sein Lehre ziehen unterdrück werden indem das Anmahnen dieser nicht mehr erlaubt ist ?

    Erreicht man damit nicht das Gegenteil aus dem was wichtig ist: aus dem Holocaust seine Lehren zu ziehen ? Und da bei kleinsten Anzeichen die in diese Richtung gehen Fragen zu stellen ?

    Und das ist nunmal der Fall wenn Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder Rasse Menschenrechte aberkannt werden und hier kann - muss es doch nur unerheblich sein ob dieses in Afrika, Lateinamerika oder wo auch immer stattfindet.

    Menschenrecht sind nun mal einfach Kontextfrei.

  • Man kann nicht einen historischen Vergleich, den man für falsch hält - oder der objektiv falsch ist - unter Strafe stellen.

    Allgemein wird von 6 Millionen Opfern des Holocaust gesprochen. Raul Hilberg, DIE Aurorität der Holocaustforschung, schätztz die Zahl der jüdischen Opfer auf 4,9 - 5,1 Millionen. - Ist das eine Verharmlosung?

  • Man kann nicht einen historischen Vergleich, den man für falsch hält - oder der objektiv falsch ist - unter Strafe stellen.

    Was ist Verharmlosung des Holocaust? Allgemein wird von 6 Millionen jüdischen Opfern gesprochen. Raul Hilberg, DIE Autorität der Holocaustforschung, schätzt die Zahl auf 4,9 - 5,1 Millionen Opfer. Ist das eine Verharlosung?

  • Vielmehr habe sie mit Bezug auf die deutsche Geschichte „auf aktuelle Menschenrechtsverbrechen“ und die deutsche Untätigkeit hierbei aufmerksam machen wollten.



    .



    Würde ich auch so sehen.



    .



    Kein Vergleich zu dem Beispiel der Schwurblerin,

  • Natürlich läuft der Satz auf eine Gleichsetzung des Holocaust mit dem Kriegseinsatz des israelischen Militärs hinaus, sonst ergäbe die Aussage ja keinen Sinn. Egal, ob man das nun gut oder schlecht findet, aber zu verhindern dass der Holocaust zur billigen rhetorischen Münze in der politischen Auseinandersetzung wird, als Allzweckwaffe, die sich jede Analyse erspart und nur noch Agit-Prop sein will, ist ja die Intention des Gesetztes gewesen. "Holocaust" und "Genozid" ist mittlerweile das übliche Vokabular der Pali-Szene, der es eben nicht allein um rhetorische Zuspitzung, sondern primär um Diffamierung und Delegitimierung des israelischen Staates geht. Auch da sollte man sich nichts vormachen.

  • As soll das bedeuten? Das man aus dem Holocaust für die aktuelle Politik nichts lernen kann, weil jegliche Bezugnahme auf den Holocaust wegen dessen Singularität strafbar ist? Dass ist eine Erinnerungskultur ohne den geringsten Anwendngsfall.

  • Protestaktion, oberes Plakat und unteres Plakat wurden in einen Zusammenhang gestellt - Gerichtsentscheidung nachvollziehbar. Ich hingegen hätte diese so nicht ausgeurteilt. Zumindest hätte man die gestellte Frage nach dem Holocaust nicht so dicht an das andere Plakat und die Protestaktion heranrücken müssen. In der Beweisaufnahme wurde womöglich der für die Verurteilung erforderliche Zusammenhang eingeräumt. Weiß man eben nicht. Gerne noch zum s.g. Impfgegner: aus meiner Sicht völlig richtige Entscheidung.

  • Schon das -wahrscheinlich nun herangezogene- Urteil des Bundesgerichtshofes gegen die Impfgegnerin war falsch.

    Sie hat nicht den "Holocaust" verharmlost, wie sich der Senat offensichtlich in seiner Urteilsbegründung um die Ecke um Plausibilität seines Urteils bemüht,



    die Angeklagte hat mit der Parole "Impfen macht frei" die staatlichen Massnahmen als faschistische Vernichtungspolitik /praxis dargestellt und für diese Auffassung geworben /mobilisiert.



    Also eine Propagandastraftat gegen den Staat, die Regierungsmassnahmen begangen.



    Damit beschädigt sie aber nicht das Abstraktum "Ansehen, Erinnerung des Holocaust"

    Der BGH hätte sich damit beschäftigen müssen, ob es angesichts der restriktiven Coronamassnahmen, eine berechtigte Sorge, ein Recht auf Öffentlichkeit gäbe, die die Corona-Massnahmen für die eines faschistischen Staates, einer Diktatur hielten.

    Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an Ruhe, Ordnung und deeskalierender Informations- Diskurs-Kultur in einem medizinischen Katastrophenfall.



    Das ist nämlich das eigentliche Thema. Da müsste man halt Farbe bekennen.



    Und Leuten widersprechen, die das für Faschismus ausgeben.

    • @Elise Hampel:

      “ Der BGH hätte sich damit beschäftigen müssen, ob es angesichts der restriktiven Coronamassnahmen, eine berechtigte Sorge, ein Recht auf Öffentlichkeit gäbe, die die Corona-Massnahmen für die eines faschistischen Staates, einer Diktatur hielten...”

      ….in anderen Worten: ob die Maßnahmen das Gleiche wie die Shoah und Querdenker das gleiche wie deren Opfer seien.

      Das aber auch nur ernsthaft diskutieren zu wollen, ist natürlich bereits eine Verharmlosung, weil der Vergleich ganz offenkundig absurd ist.

    • @Elise Hampel:

      Ich finde, dass Ihr Posting genau belegt, warum der BGH es so sieht, wie er es sieht: Die Erinnerung an den Holocaust darf nicht zu einem bloßen rhetorischen Hebel verkommen, den einsetzt, wer auch immer gegen irgendwas ist und dem gerade die Hutschnur platzt.

      Menschen vergreifen sich nunmal gern in der Wortwahl, um mit kräftigeren Ausdrücken ihrer Meinung Gewicht zu verleihen - so auch in ihrem Posting wieder: Gemeint ist "autoritär", gesagt wird aber "faschistisch". Dabei sollte völlig klar sein, dass eine überbordende Fürsorglichkeit gegenüber der Bevölkerung und Kontrollbedürfnis über diese angesichts eines Gesundheitsrisikos nicht das geringste mit dem völkisch-nationalistisch beseelten Fortschrittswahn zu tun hat, auf dem faschistischer Autoritarismus beruht. Aber "faschistisch" klingt halt fieser.

      Diese verbale Instrumentalisierung historischer Ereignisse als "Diskursverstärker" ist weitgehend von der Meinungsfreiheit gedeckt - aber eben nicht im Fall des Holocaust. Wer das nicht kapieren will, und weiter meint, er dürfe 6 Millionen Opfer als rhetorisches Trittbrett für seinen gerade geführten Kampf um die "richtige" Meinung missbrauchen, landet halt vor dem Kadi.

    • @Elise Hampel:

      Wenn ich behaupte, faschistische Vernichtungspolitik mit mehreren Millionen Opfern gleichsetze mit extremen Einschränkungen in einer Pandemie, ist das doch genau das:



      Eine Relativierung des Holocaust.

      Dann ist Auschwitz nur noch wie eine Arztpraxis.

      Die Frage ist nur, ob der Protest der Frau vielleicht von der Meinungsfreiheit gedeckt war.

      Dass wegen der Corona-Maßnahmen aus einer gewählten Regierung auf einmal eine Diktatur oder Faschismus wird, ist schlicht Quatsch.

      Wieso soll sich der BGH mit Quatsch beschäftigen?

  • Glückwunsch AG Tiergarten!



    Ein weiterer Meilenstein der Lächerlichkeit deutscher politischer Justiz.

  • Ich würde als Vergleich selbst eher das Warschauer Ghetto als den Holocaust wählen. Aber ihr Anliegen dürfte aufrichtig gemeint sein, und die Sorge in zugespitzter Form vorgetragen und mit dem ernsthaften politischen Anliegen der Verhinderung eines womöglich beginnenden Völkermords verknüpft, zu dem sogar der IStGH ermittelt, zählt wohl noch ins Feld der Meinungsfreiheit.

    • @hedele:

      Der Vergleich mit dem Warschauer Ghetto ist nicht weniger unangebracht.

    • @hedele:

      Bei einem Vergleich der Situation in Gaza mit dem Warschauer Ghetto bekomme ich massive Probleme. Im Warschauer Ghetto haben sich etwa 40.000 meist polnische Juden gegen die Auslöschung des Ghettos durch die Nazis gewehrt und verteidigt. Ist die Situation in Gaza damit vergleichbar? Die Bürger Gazas mit den jüdischen Bürgern im Ghetto? Und welche Rolle spielen die israelischen Geiseln in diesem Vergleich? Und was ist die Rolle der Hamas? Welche vergleichbare Rolle gab es im jüdischen Ghetto? Und das israelische Militär ist mit den SS-Totenkopfbrigaden vergleichbar? Darf ich Ihnen in allem gebotenen Respekt empfehlen, noch einmal intensiv darüber nachzudenken?

    • @hedele:

      Es war far kein Vergleich. Es ging darum, was wir daraus gelernt haben.

      • @Francesco:

        Es wird im wahrsten Sinne des Wortes in Frage gestellt, dass wir nichts daraus gelernt hätten und somit jetzt den Holocaust wiederholen.

        Die “Frage” war im Übrigen nur rhetorisch, die implizierte Antwort lautet natürlich “Nein”.

        Also ist es eine Gleichsetzung der Coronamaßnahmen mit der Judenvernichtung.

      • @Francesco:

        Aus dem Warschauer Ghetto haben wir gelernt, dass es Menschen wie die Hamas gibt, welche Jüd*innen auslöschen möchten & dafür sogar bereit sind eigene politische Ziele aufzugeben & zu opfern (heute: einen arabischen Staat - dutzend Mal angeboten -, dieser hat das Nachsehen gegenüber der Ermordung von Jüd*innen oder Vernichtung Israels).

        Damals die Nazis & Antisemit*innen in Polen. Aber anders als Hamas heute, haben die Nazis & Kollaborateure damals das Ghetto in den Prozess des Holocausts eingegliedert. Dieser wurde mit Waffengewalt von den Alliierten & Jüd*innen gestoppt.



        Überlebende des Holocausts wurden von Hamas am 7. Oktober umgebracht. Kontinuität zu Nazi & Muslim Bruderschaft Ideologie?

        Was Hamas heute macht ist anders. Auch wenn es nach wie vor eliminatorischer Antisemitismus ist. Hamas ist heute impotent eliminatorische Ziele umzusetzen - danke IDF!



        Genozidal & bezugnehmend auf den Holocaust war der 7. Oktober.

        Jüdische Menschen müssen sich selbst verteidigen können!

        Der Aufstand selbst war innerhalb der Jüd*innen im Ghetto viel diskutiert. Das wird in Deutschland meist ignoriert & entehrt die Opfer die es dort vor, im, und nach dem Aufstand gab. Er wird entleert.

  • Vielleicht ist nicht jedem/jeder bekannt, wie sensibel Sprachverständnis u. Kontext in neuralgischen Zusammenhängen sind und dann zum Tabu-Bruch führen können.



    /



    "Anders als die am Eingang von Auschwitz und anderen KZs angebrachte Sentenz "Arbeit macht frei" wurde die Buchenwalder Inschrift dergestalt in das Tor eingesetzt, dass sie von innen lesbar war. Auf diese Weise hatten die Häftlinge beim Lagerappell tagtäglich jenes Tor vor Augen, "auf dem wir tausendmal die zynischen Worte Jedem das Seine lesen mussten."



    Ein lesenswerter Text:



    www.bpb.de/themen/...kalischen-ns-erbes



    Dort steht:



    "Den entscheidenden Impuls zugunsten eines historisch kritischen Gebrauchs gaben jedoch die öffentlichen Proteste gegen die Verwendung als Reklamespruch. Im Juni 1998 sah sich Nokia aufgefordert, eine Kampagne für Handy-Gehäuse einzustellen, nachdem Wendy Kloke vom Berliner Büro des American Jewish Committee und Die Grünen dagegen interveniert hatten. Henryk M. Broder nahm die Nokia-Werbung in seinem Sachbuch "Jedem das Seine" (1999) zum Anlass, in 37 ironisch-provokativen Skizzen die Absurditäten..."



    Sehr erschreckend!

    • @Martin Rees:

      Vorweg - weiß schon - warum ich nicht



      (Jugend)Strafrichter werden wollte! Woll

      “weil er einen „Impfen macht frei“-Cartoon verbreitet hat; eine offensichtliche Anspielung auf das KZ Auschwitz, an dessen Tor „Arbeit macht frei“ stand. Der Holocaust, so der BGH damals, dürfe nicht zu einem „austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene Maßnahmen“ werden.“



      &



      Ich sag mal (weil der corpus delicti noch präsent!) in welchem deutschen Mittegebirge ich beim Tag der offenen Ateliers ich doch beim Betreten wollte in 3/4 Höhe leicht irritiert



      “Kunst mach frei“ das Original auch in der Silhouette plagierend wahrnahm.



      Dachte - Kann man drüber streiten - aber Leugnung oder Bagatellisieren des Holocaust? Kein Stück.

  • Sie hat ja nicht den Holocaust geleugnet oder verharmlost. Deshalb wünsche ich ihr viel Erfolg in der Berufung.

    • @Pico :

      Doch, das hat sie.

      Denn die Frage ist natürlich nur rhetorisch und impliziert die Antwort “Nein”. Nein, wir haben nichts aus dem Holocaust gelernt und wiederholen ihn jetzt in Form von Impfungen. Und das soll keine Verharmlosung sein?

  • Richtig, der Holocaust darf nicht zu einem „austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und belastende Maßnahmen werden.“



    Eine Verharmlosung/Relativierung der NS-Verbrechen muss in diese Plakat-Aussage allerdings erst hineingelesen werden - und genau DAS hat das Berliner Amtsgericht zu Ungunsten der Angeklagten getan.



    Mittlerweile - nach mehr als anderthalb Jahren Krieg - gibt es in Gaza 54.000 Todesopfer zu beklagen. Und die offizielle Kritik unserer Regierung an Israels Vorgehen beschränkt sich auf wohlabgewogene diplomatische Noten.



    Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?

    • @Abdurchdiemitte:

      Die Frage ist rein rhetorisch und impliziert die Antwort “Nein”.

      Das wiederum impliziert, die Impfungen seien so schlimm wie der Holocaust. Da sie das ganz offenkundig nicht sind, wird der Holocaust verharmlost und eben zu einer beliebigen rhetorischen Figur degradiert.

    • @Abdurchdiemitte:

      "Haben wir aus dem Holocaust nichts gelernt?"

      Die meisten haben gelernt, sich zuallererst nicht noch einmal vor den Karren derer spannen zu lassen, die Juden vernichten wollen. Ich schätze Ihren Willen zur Differenzierung, aber hier ist einfach mal klare Kante in die Richtung derer gefragt, die Israel schaden wollen und dieses ganze Blutbad gezielt hervorgerufen haben, um genau das zu erreichen: Dass sich die Freunde Israels gegen es wenden und bei seiner Schwächung helfen.

      Dass die Welt NICHT am deutschen Wesen genesen wird und wir deshalb auch nicht immer und überall Vorbild und Voranmarschierer gegen das Böse in der Welt sein müssen, ist dagegen noch eine vergleichsweise unpopuläre Erkenntnis. Aber im Fall Israel tut unser Land gut daran, sie zu beherzigen.

      Nichtsdestotrotz haben Sie Recht, dass es natürlich in solchen Konfliktsituationenn einen auch öffentlichen Diskurs darüber zu führen, welche Lektionen denn nun aus dem Holocaust zu ziehen sind. Und da darf allein die Staatsräson keine Tabus aufstellen. Aber "Haben wir denn nichts gelernt?“ ist kein Beitrag zu diesem Diskurs, sondern eine rhetorische Attacke, die ein bestimmtes Ergebnis schlicht vorwegnimmt.

      • @Normalo:

        Meine Wiederholung der Plakataussage war natürlich eine polemische Provokation, ich gebe es zu.



        Aber es scheint mir angeraten, die Debatte auf diese Weise zuzuspitzen angesichts von Zehntausenden Toten in Gaza und der öffentlichen Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen hierzulande. Ein Skandal muss auch als solcher benannt werden.



        Ja, vielleicht habe ich meine Position in dieser Frage in den letzten Wochen radikalisiert, aber wenn es um das Anprangern von Kriegsverbrechen geht, kann ich nichts Kritikwürdiges dabei finden.



        Und wer in einer solchen Aussage - in DIESEM Kontext (dem Compact-Magazin von Kubitschek etwa würde ich schon eine andere Intention unterstellen) - eine Holocaust-Relativierung erkennt, muss auch INHALTLICH begründen können, warum er es so sieht.



        Das bloße Verschanzen hinter Beschlüssen eines Berliner Amtsgerichts - oder polemisch-diffamierende Verdächtigungen in diesem Forum, wenn es um Israel-Kritik geht (das gilt selbstverständlich nicht Ihnen persönlich) -, ist dabei einfach zu wenig.

      • @Normalo:

        Wenn Deutschland Waffen liefert, die für einen Völkermord genutzt werden, dann hat man aus der Geschichte "nichts gelernt".

        Ein sofortiger Stopp der Lieferungen ist das Mindeste und das derzeitige Handeln rechtgertigt auch rhetorische Attacken.

        • @sociajizzm:

          Schließe mich an. Das ist es, was man zumindest tun kann, ohne sich des Verrats am jüdischen Staat schuldig zu machen … vielleicht ist ein Waffenstopp jetzt sogar die einzige Möglichkeit, Israel vor weiteren fatalen Fehlern zu schützen.



          Obwohl es aus deutscher Perspektive wohl eher ein symbolischer Akt wäre. Die Menschheitsgeissel der globalen Rüstungsindustrie aber wird weiter auch von diesem Konflikt profitieren.



          Solange Mordwerkzeuge - gemäß der Logik des „freien Marktes“ - in großer Zahl und ungehindert ihre Bestimmungsorte erreichen, werden auch diese Menschheitsverbrechen nicht gestoppt werden können.

  • So funktioniert Gleichheit vor dem Gesetz.

    Mit anderen Worten: Warum hat die Angeklagte unbedingt den Holocaust hineinbringen müssen?

    Was in Gaza geschieht, ist schlimm genug. Sie hätte auch einfach schreiben können: "Beendet das Sterben in Gaza" o.ä.

    Manche Denkanstöße / Provokationen gehen eben zu weit.

    • @Stavros:

      "Manche Denkanstöße / Provokationen gehen eben zu weit."

      Das ist sicher richtig, ich lehne derartige Bezüge auf den Holocaust grundsätzlich ab, schon allein aus Respekt vor den Opfern, aber da es sich hier nicht um Moral sondern um ein Gerichtsurteil handelt, ist festzuhalten, das Äußerungen in einem derartigen Kontext rechtlich ein Werturteil darstellen und dieses fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Die im Artikel genannte Begründung des Gerichts halte ich diesbezüglich für wenig plausibel und sie dürfte einer Revision kaum standhalten.

      Allerdings ist gerade die Rechtssprechung von Berliner Gerichten immer für eine Überraschung gut. Vorsichtig formuliert.

      • @Sam Spade:

        Danke für die kompetente Einordnung.

    • @Stavros:

      Wenn sich das Schild auf den Angriff der Hamas bezogen hätte: Wäre es dann auch eine Verharmlosung des Holocausts?



      Wie war das, als Joschka Fischer mit "Nie wieder Auschwitz" den Kosovokrieg gerechtfertigt hat?

    • @Stavros:

      "Warum hat die Angeklagte unbedingt den Holocaust hineinbringen müssen?"

      Vielleicht deshalb, weil der Holocaust auch immer als Begründung vorgebracht wird, um das besondere Verhältnis mit Israel zu erklären?



      Also ja. Auch wenn ich selber einen solchen Vergleich eher nicht vorbringen würde, kann man die Beweggründe dazu schon verstehen.



      Und die Begründung des Gerichtes überzeugt nicht wirklich. Zumal, wenn diese zutreffen würde, auch die häufig zu lesende und zu hörende Gleichsetzung der Verbrechen der Hamas mit dem Holocaust problematisch wäre, da auch diese letztlich den Holocaust verharmlosen, und dann verfolgt werden müssten.

      • @simie:

        Bedenkenswerter Hinweis im letzten Absatz!

    • @Stavros:

      "Warum hat die Angeklagte unbedingt den Holocaust hineinbringen müssen?"

      Weil die Nahost-Debatte (und nicht nur diese) längst ganz selbstverständlich mit den äußersten Extremen geführt wird. Beide Seiten benutzen diese Vergleiche wie Standardfloskeln. Entweder um die Massaker vom 7.Oktober einzordnen oder eben das leid der Zivilbevölkerung in Gaza. Beides ist unheimlich geschichtsvergessen. Es reicht nicht mehr von Kriegsverbrechen oder Vertreibung zu reden, unter Genozid gehts nicht mehr. Genauso, wie auf der anderen Seite oft pauschal Kritik an der israelischen Kriegsführung unter Antisemitismus und Terrorunterstützung abgeheftet wird. So gesehen gut, dass das jetzt mal ein Gericht eingeordnet hat.

      • @Deep South:

        Allerdings ist die Singularität des Holocaust als ein industrieller Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Europas auch nicht mit anderen historischen oder gegenwärtigen Genoziden zu vergleichen … Ich denke auch nicht, dass das die Intention der Plakat-Schreiberin war. Vielleicht vielmehr die Verzweiflung darüber, dass Kriegsverbrechen und Völkermord von politisch Verantwortlichen hingenommen und zugelassen werden, die tatsächlich die politischen Mittel hätten, es zu verhindern. Auch wenn es Israel betrifft. Und vielleicht noch, dass die Mehrheit der Bevölkerungen in den nicht betroffenen Ländern das unbeeindruckt und gleichgültig zur Kenntnis nehmen - eine Verzweiflung, die ich gut nachvollziehen kann.



        Insofern hätte das Berliner Gericht durchaus auch zu einer anderen Entscheidung kommen können. Und es wäre verstanden worden, OHNE die Befürchtung hegen zu müssen, damit Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus zu befördern.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Vielleicht vielmehr die Verzweiflung darüber, dass Kriegsverbrechen und Völkermord ...."

          Vielleicht auch nicht, sondern als gezielte Aktion geplant

          • @weather2018:

            … was ja nicht im Widerspruch stehen muss, siehe auch amerikanische Bürgerrechtsbewegung vs. Vietnamkrieg.



            Das waren z.T. auch sehr drastische Protestformen, ich denke da beispielsweise an die Aktionen der Brüder Berrigan.



            de.m.wikipedia.org/wiki/Philip_Berrigan

    • @Stavros:

      Ab wann darf man denn einen anderen Genozid mit dem Holocaust vergleichen?

      • @pumble:

        Ist das denn so wichtig? Tierlisten sollte man für Trivialitäten erstellen.

  • "In einem (pseudonymisierten) Interview mit der linken Tageszeitung „junge weit“ [sic] erklärte die Aktivistin"



    Nehme an es ist die "junge welt" gemeint?

    Wieso kann man das Urteil hier nicht hochladen wenn es vorliegt Herr Dr. Rath, ist das Herrschaftswissen?

  • Der Frau gebührt höchster Respekt. Der Holocaust war ein gigantisches Verbrechen und verharmlosen kann und darf man das ohnehin nicht. Schon gar nicht damit, dass man auf ähnliche Geschehnisse hinweist, die anderswo ablaufen. Das Vorgehen in Gaza wird allenthalben als Völkermord gesehen. Darf man den erst dann mit dem Holocaust vergleichen, wenn 6 Millionen Menschen vernichtet wurden? Was soll das?

    • @Perkele:

      Es gibt KEIN der Shoa vergleichbares historisches oder gegenwärtiges Beispiel eines Völkermordes … beispielsweise halte ich es für perfide, die Nakba - die Flucht und Vertreibung der Palästinenser aus Israel 1948 - mit dem Holocaust gleichzusetzen. Das läuft auf Relativierung der NS-Verbrechen hinaus.



      Allerdings halte ich es für möglich, sich mit der Nakba als ein für die Palästinenser kollektiv-traumatisches Ereignis auseinanderzusetzen und sich mit ihrem Schmerz über den Verlust zu verbinden, OHNE antisemitischen Hass und Gewalttaten gegen Juden und den Staat Israel zu tolerieren oder zu rechtfertigen.

      • @Abdurchdiemitte:

        Das Ausrotten der indigenen Bevölkerung gar von höchster Stelle (u.a. Andrew Jackson) in Nordamerkia, die Vernichtung der indigenen Kulturen in Mittel- und Südamerika waren/sind ja auch nur Sonntagsspaziergänge. Ich wende mich in keiner !!! Weise gegen die Einschätzung der Shoa als das übelste Verbrechen der Menscheitsgeschichte schlechthin. Doch es darf, nein MUSS möglich sein, auf immense Verbrechen ähnlicher Art hinzuweisen.

        • @Perkele:

          In den 70er Jahren war in der National-Zeitung - dem damaligen Pressorgan der NPD - inflationär vom „Holocaust an den Indianern“ in den USA die Rede. Die Stossrichtung war natürlich klar und durchsichtig.



          DEM Gedankengang wollen Sie sich ja wohl nicht anschließen.



          Ein in diesem Zusammenhang erhellendes Interview (mal ganz ohne Israel/Gaza-Bezug):



          aktuell.uni-bielef...vieren-geschichte/