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Urteil gegen Marine Le PenNicht mehr wählbar

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Das Urteil gegen Marine Le Pen setzt ein wichtiges Zeichen. Es ist im internationalen Kontext auch ein Urteil gegen die schleichende Trumpisierung.

Marine Le Pen verurteilt: Das Gericht disqualifiziert damit eine Kandidatin mit echten Siegeschancen vor einer Wahl Foto: Stephanie Lecocq/reuters

D ie französische Justiz hat eine sensationelle und politisch ebenso folgenreiche wie moralisch wichtige Entscheidung getroffen: Das Pariser Strafgericht hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen nicht nur wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt, sondern sie auch für fünf Jahre für unwählbar erklärt – ab sofort.

Marine Le Pen spricht selbst von einer „politischen Guillotine“. Sie werde mit einem solchen Urteil als Politikerin für „tot“ erklärt. Tatsächlich dürfte damit ihre Karriere bis auf Weiteres zu Ende sein, zumindest was ihre Chancen angeht, eines Tages Staatspräsidentin zu werden. Auch wenn nun ihr Thronfolger Jordan Bardella an ihrer Stelle kandidieren dürfte, ändert sich die Ausgangslage für die Wahl von 2027. Denn nun hat ein Gericht offiziell befunden, dass diese Rechtsextremistin, die die anderen bei jeder Gelegenheit der Korruption beschuldigt, einer Wahl in höchste Ämter der Republik nicht würdig ist: weil sie das Gesetz verletzt hat.

Das Gericht disqualifiziert damit eine Kandidatin mit echten Siegeschancen vor einer Wahl, was ihre Sym­pa­thi­san­t*in­nen schockiert. Es steht zu vermuten, dass sie dieses Urteil nicht akzeptieren und die Richter insgesamt der einseitigen Einmischung in die Politik beschuldigen wird, wie dies die Populisten gern sagen. Prompt haben sich diverse Sprecher der extremen Rechten in Europa mit ihr solidarisiert.

Natürlich ist die Frage legitim, ob die Justiz durch das Urteil nicht zu viel Einfluss auf die Politik nimmt. Die Gewaltenteilung ist in Frankreich ein sakrosanktes Prinzip, auch wenn das Gleichgewicht zwischen der politischen Staatsmacht und der Justiz immer wieder ins Wanken gerät. Im aktuellen Fall hat sich das Gericht aber ganz einfach an das Strafgesetz gehalten.

Nicht über dem Gesetz

Dass Le Pen nun nicht kandidieren kann, ist kein Anlass für Mitleid. Im Gegenteil wäre es der Justiz als sträfliche Schonung ausgelegt worden, wenn ihr die vom Gesetz vorgesehene Zusatzstrafe erspart geblieben wäre. Wie schon in den Prozessen gegen Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat die französische Justiz klargemacht, dass die Politiker nicht über dem Gesetz stehen. Sie werden im Gegenteil besonders streng bestraft, wenn sie selbst nicht beispielhaft sind.

Es ist im internationalen Kontext auch ein Urteil gegen die schleichende „Trumpisierung“: Die Richter entscheiden nach dem Gesetz und den Fakten, und die verurteilten Delinquenten sind keine Opfer, weil ihre politische Ambitionen durchkreuzt werden.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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55 Kommentare

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  • Hallooo, Herr Balmer!



    ich fände es super wenn einfach nochmal der Betrag genannt wird um den Frau le Pen die Steuerzahler - jetzt nachgewiesen



    - betrogen hat. Dann wird bestimmt für mehr Menschen klar warum sie verurteilt wurde.



    Ansonsten, Danke für den kurzen und klaren Artikel, der nicht nur das Opfergeheule eines Kriminellen Weltanschauung wieder gibt.

  • Nur als harmloses, aktuelles Beispiel: Hier wird eher vom Normalbürger gegenüber Politikern beispielhaftes Verhalten von der Justiz gefordert. So kann man Kultusminister eines Bundeslandes werden, wenn man mit t 80 km/h durch eine Zone 30 gebrettert ist.

    • @Rubió:

      Was ist denn ein Normalbürger?

      • @Kunoberti:

        In diesem Fall eine Nicht-PolitikerIn

  • Monsieur Guillot war ein Menschenfreund.

  • "Im aktuellen Fall hat sich das Gericht aber ganz einfach an das Strafgesetz gehalten."

    Marine Le Pen hat jahrelang die EU bzw. die EU-Bürger um Geld betrogen, dass aber auch direkt in die Politik Frankreichs, genaugenommen in die Front National (etzt RN) geflossen ist. Sprich Marine Le Pen hat mit Vorsatz EU-Gelder in ihre Partei umgeleitet. Das widerspricht zutiefst den Prinzipien der Demokratie und es ist kriminell. Und zwar politisch kriminell. Wer Marine gestern im TV erlebt hat, der konnte sehen, dass sie von sich selbst als fehlerfreien Menschen ausgeht. Sie drückt das ganz offen aus, es gibt keinerlei Einsicht in eigenes Fehlverhalten. Sie würde am liebsten mit ihren kriminellen Methoden in den Präsidentenpalast umziehen.

    Resozialisierungschance? = Eher gering bei Marine Le Pen



    P.S.



    Und ist Jordan Bardella wirklich sauber? Da habe ich auch Zweifel.

  • Das Bayrou auch von diesem Gesetz betroffen sein könnte, ob das auch eine kleine Chance öffnet, dass die eigentlich mehrheitlichen linken Kräfte doch auch wieder mit eine Rolle spielen könnte, um den Wähler Willen gegen Rechts und Rutschbahn mitteRechts abzubilden? Das jedenfalls wäre eine echte Konsequenz und es wäre umso schöner, da ja Marine LePen selber die Verschärfung genau dieser Gesetze selber eingefordert hatte: Sie bekommt also nur, dass was sie an mehr autoritärer Justiz populistisch voran getrieben hatte. Bei uns dagegen werden TV Filme zu Cum ex gezeigt und niemand frag schärfer nach, warum die Grenzen zwischen Kapital und politischer Macht so diffus gelassen werden: schliesslich fehlt ja genauch die Demokratie in der Ökonomie auf allen politischen Ebenen, was der Systemchange wäre, denn es braucht, um die 17 UN SDGs gegen die fossile warconomy + fascisms durch zu setzen!



    Vielleicht ist das Urteil ein Anfang für die re Rationalisierung der Demokratie Macht und ein AfD Verbot, oder Ansätze dazu wären auch dazu dienlich, um Merz zu erziehen, der ja eifrig AfD Politik und Trump nachmach pflegt.

    • @R.L.:

      Marine le Pen versprich allen etwas. Den Migranten aus Martinique garantiert sie, dass diese gute Franzosen seien, den Bio-Franzosen in der Normandie verspricht sie, dass Migranten nicht mehr kommen oder gehen müssen. Kurz: Sie verspricht immer überall mehr oder weniger das, was ihr nützklich erscheint. Marine Le Pen fordert härtere Strafen, solange sie davon nicht selber betroffen ist. Ein klassisches Muster von Rechtsextremisten und Faschisten, das saubere Deutschland, Frankreich und Italien ... Um selber sich nicht an Gesetze zu halten.

  • Aber die Verurteilung ist doch der Ritterschlag für Le Pen!



    Eine Verurteilung verbessert doch ihre Wahlchancen ungemein.



    Hat bei Trump auch funktioniert, da wird doch eine kleine Verurteilung auf dem alten Kontinent nicht gegenteilige Effekte zeitigen.



    Und Trump und Le Pen bestätigen sozusagen unisono, dass sie die Urteile nicht verstehen, da sie keinerlei begangenes Unrecht erkennen können. Und wie ich an den beiden gelernt habe: Urteile zählen nur, wenn ich subjektiv ein Unrechtsbewußtsein entwickle.



    Muss ich aber nicht! Und also ist das Urteil falsch!!



    Ich finde, das passt super zusammen und beschreibt die Basis für einen zu erwartenden großen Erfolg bei kommenden Wahlen.

    • @Favier:

      Das ist kein Ritterschlag, sie kann als Präsidentin nicht kandidieren, außer sie entkräftet das, wofür sie verurteilt wurde. Und das wird sie einfach nicht schaffen. Außerdem merken selbst dämmliche Wähler in Frankreich, wie die Anwälting Le Pen mit Gerichtsverfahren umgeht, sie geht einfach raus, erklärt sich im TV mehr oder weniger für unschuldig, ohne ein einziges Mal was zu den Vorwürfen überhaupt zu sagen.

    • @Favier:

      ...nur dass Le Pen so vertureilt vom französischen Wahlrecht wirklich nicht mehr auf einen Wahlzettel gelassen wird. Trump hat sich letztlich den rechtlichen Flickenteppich zunutze gemacht, den der US-Föderalismus auch im Wahlrecht produziert, und die Tatsache, dass es für einen (offensichtlich schuldigen, aber noch nicht verurteilten) Möchtegern-Umstürzler, der Präsident werden will, keine Präzedenzfälle gab. Mit einem vollstreckbaren Urteil vor der Nase und in einem Zentralstaat, der solche Entzüge des passiven Wahlrechts auch schon mehrfach durchexerziert hat, müsste man sich da schon deutlich mehr einfallen lassen.

      • @Normalo:

        Schade, ich fand die Analogie eigentlich viel hübscher, aber inhaltlich haben Sie natürlich recht.



        Aber vielleicht könnte die Gute ja kurzfristig nach Moskau übersiedeln, um ihrer Strafe zu entgehen. Auch hierfür gibt es das eine oder andere Vorbild.



        In den 30ern sammelten sich in der SU verfolgte Kommunist*innen und im heutigen Putinland sich verfolgt fühlende Faschos aller Länder.



        Also, ich finde, da geht noch was.

  • Von wegen "nicht mehr wählbar", war sie es davor? Auch inhaltlich falsch. Sie ist fünf Jahre nicht wählbar, danach könnte sie wieder kandidieren.

    • @Philippe Ressing:

      1. Ca. 13,3 Mio. Stimmen im zweiten Wahlgang der vegangnenen Präsidentenwahl lassen leider keine andere Möglichkeit, als Ihre spitze Frage rückhaltlos zu bejahen. Democracy's a bitch...

      2. Rechtlich haben Sie natürlich völlig Recht. Aber Le Pen wird - anders als z. B. Donald Trump - in ihrer erzwungenen Auszeit bei mindestens einer Präsidentschaftswahl einem anderen Kandidaten des RN das Rampenlicht überlassen müssen. Ob sie danach den Chefsessel wieder reklamieren und 2032 eine weitere Kandidatur (dann mit 74) durchsetzen kann, ist durchaus fraglich. Sicher ist so ein Comeback nicht ausgeschlossen, insbesondere falls besagter RN-Kandidat 2027 (im Zweifel Bardella) komplett eingehen sollte. DANN wäre aber auch nicht gesagt, dass sie mit ähnlich guten Startvoraussetzungen antreten könnte wie ohne die Verurteilung.

  • Pikante Parallelen

    Das Urteil gegen MLP kann Premierminister F. Bayrou in Verlegenheit bringen, der ebenfalls wegen Veruntreuung von EU-Geldern durch illegale Beschäftigungen von Assistenten von Europa-Abgeordneten seiner zentristischen Partei MoDem für die Pariser Parteizentrale im Visier der Justiz steht. Im ersten Prozeß hatte die Staatsanwaltschaft für Bayrou 30 Monate Gefängnis mit Bewährung, 70 T € Geldstrafe und den Verlust des passiven Wahlrechts für 30 Monate gefordert und gegen den Freispruch Revision eingelegt. Insofern läuft gegen den Premierminister ein schwebendes Strafverfahren, ein Novum in der an Polit-Skandalen nicht gerade armen Geschichte Frankreichs.

    In dieser Affäre waren neben Bayrou selbst als damaliger Justizminister unter Macron mehrere Mitangeklagte von ihren Ministerposten zurückgetreten wie M. Sarges (Europaangelegenheiten) und S. Goulard (Armee), die dann später aus gleichem Grund als EU-Kommissarin im EU-Parlament durchfiel.

    Beide Affären juristisch unterschiedlich zu beurteilen hieße sie politisieren. Daher hat Bayrou „Le Parisien“ und BFMTV zufolge sehr nachvollziehbar auch sehr „verwirrt“ („troublé“) auf den Urteilsspruch gegen MLP reagiert.

  • Gestern in einem Radiointerview wurde der Vergleich zu Silvio Berlusconi gezogen: dieser wurde nach einem Gerichtsurteil auch für politisch "tot" erklärt....was sich als großer Fehler herausstellte....es bleibt also spannend....nichtsdestotrotz ein richtiges und wichtiges Urteil

  • Veruntreuung?

    Ich habe 551 Fragen.

  • Danke für den Artikel.



    Es ist ein gutes Zeichen für die Unabhängigkeit der Justiz, dass ein solches Urteil, wie schon bei Sarkozy, möglich ist.



    Es ist irrelevant, wie das Rassemblement



    darauf reagieren wird.



    Diejenigen, die gegen das Urteil aus taktischen, politischen Gründen argumentieren, reden gleichzeitig gegen die Unabhängigkeit der Justiz.



    Ich empfinde das Ergebnis als erfreulich.



    Die Rechten betreiben ihren Populismus so oder so, es ist gut für eine Demokratie, wenn sie die Spielräume für ihre Gegner einschränkt.

    • @Philippo1000:

      Es muss klargestellt bleiben, dass Gesetze auch für Rechtspopulisten gelten.

  • Aus meiner Sicht ein viel zu mildes Urteil. Bei derart schweren Fällen gibt es für Normalsterbliche schonmal richtige Haft.



    Offensichtlich hat Madame Le Pen aufgrund Ihrer juristischen Bildung genau verstanden, das es hier strafrechtlich um schweren Betrug und Amtsmissbrauch geht. Bandenmässig über Jahre betrieben nicht zu vergessen.

    Da wird doch am besten gleich die ganze Nation aufgewiegelt damit der nächste Richter in der Berufung genau weiß, was Sache ist und sich so eine Majestätsbeleidigung nicht nochmal traut.

    Für mich stellt sich da auch die Frage, wie mit derart krimineller Energie innerhalb der Partei verfahren wird. Der RN verliert dadurch absolut jede Glaubwürdigkeit.

    Bei der Veruntreuung von 4 Millionen € Steuergelder mit 24 Parteikumpanen, da stellt sich doch sowieso die Frage, ob es sich da nicht schon um eine kriminelle Vereinigung unterm Deckmantel des RN handelt. Also alle aus der Partei auschliessen und das Geld sollte aus dem Privatvermögen der Angeklagten zurückgezahlt werden.



    Es gab ja schonmal einen Parteiauschluss eines Le Pen 2015 auf betreiben der Tochter. Die können sowas durchaus wenn sie wollen.

  • Also was in der Türkei schlecht ist, wird in Frankreich wieder gut...



    Muss wohl am Wetter liegen!

    • @Peter Wenzel:

      Sie sagen türkische Justiz = französische Justiz? Ernsthaft jetzt?

    • @Peter Wenzel:

      Warum vergleichen Sie nicht einfach die beiden politischen Systeme, ihren jeweiligen Zustand, den Grad der Unabhängigkeit der Rechtsprechung und die Fakten in der Beweisführung miteinander, statt in Wetterkarten zu spekulieren?

  • Natürlich wird die faschistische Meute weltweit aufheulen! Putin, Trump und ihre fünften Kolonnen quer durch Europa blasen zum letzten Gefecht! Sie wollen jede demokratische Ordnung auslöschen. Wann endlich nehmen wir uns unserer Feinde an? Die AFD suhlt sich in ihrer Fake Welt und möchte die demokratischen, humanitären Errungenschaften unserer Gesellschaft, wahlweise Putin oder Trump zum Fraße vorwerfen!



    Den schlimmsten Feind hat man bekanntlich immer im eigenen Bett.

  • Sehr gutes Zeichen.



    Wie beim Urteil gegen Lagarde, als sie 400 Millionen veruntreute.



    Wie? Was? Ach so, höre gerade, dass das wegen ihrer Persönlichkeit keine weitere Konsequenzen hatte und sie dann EZB-Präsidentin wurde.



    Quod licet Iovi, non licet bovi...

    • @Carnivore:

      In der realen Welt war Lagarde schon Chefin des IWF, als das Urteil erging.



      Aber sind wir ehrlich: Fakten interessierten gewisse Kreise noch nie, gell?

    • @Carnivore:

      Der Fall Lagarde ist nicht vergleichbar, unter anderem hat sie in keiner Weise profitiert.

      Die damalige französische Finanz- und Wirtschaftsministerin hatte 2007 den Gang vor ein privates Schiedsgericht gebilligt, um einen jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Staat und dem Geschäftsmann Bernard Tapie zu beenden. Als das Schiedsgericht Tapie im folgenden Jahr mehr als 400 Millionen Euro Schadenersatz zusprach, legte sie keinen Widerspruch ein.

      Ermittler warfen ihr vor, voreilig und fahrlässig gehandelt und damit ihre Amtspflichten verletzt zu haben. Der Gerichtshof der Republik sprach Lagarde nun aber nur in einem Punkt der Fahrlässigkeit für schuldig: Er hielt ihr vor, nicht gegen den Schiedsspruch vorgegangen zu sein. Es wurde aber auf eine Strafe verzichtet.

    • @Carnivore:

      Watheboutism???



      Oder doch nur kognitive Dissonanz.

  • Uns steht es wohl nicht zu, die Judikative eines benachbarten Landes zu kritisieren. Doch die politischen Effekte scheinen klar zu sein: Es ist ein schwarzer Tag für Marine Le Pen, aber es ist ein goldener Tag für die antirepublikanische Rechte in ganz Europa. Das Prinzip der Gewaltenteilung scheint damit schwer in Frage gestellt. Was bleibt ist der Eindruck: Politische Konkurrenz lässt sich mithilfe der Justiz ausschalten, und wir sind nicht so viel anders als Russland und die Türkei. Juristische Spitzfindigkeiten werden am Ende niemanden mehr interessieren. Das Prinzip ist wie eine Kanone, die in jede Richtung hin losgehen kann.

    • @Kohlrabi:

      Irgendwie versteh ich die Welt nicht mehr, Hieß es bis dato "die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen", ist auf einmal groß Heulen und Zähneklappern, weil doch mal die Richtigen erwischt und verurteilt wurden. Neben Sarkozy.

  • Pikante Parallelen

    Das Urteil gegen MLP kann Premierminister F. Bayrou in Verlegenheit bringen, der ebenfalls wegen Veruntreuung von EU-Geldern durch illegale Beschäftigungen von Assistenten von Europa-Abgeordneten seiner zentristischen Partei MoDem für die Pariser Parteizentrale im Visier der Justiz steht. Im ersten Prozeß hatte die Staatsanwaltschaft für Bayrou 30 Monate Gefängnis mit Bewährung, 70 T € Geldstrafe und den Verlust des passiven Wahlrechts für 30 Monate gefordert und gegen den Freispruch Revision eingelegt. Insofern läuft gegen den Premierminister ein schwebendes Strafverfahren, ein Novum in der an Polit-Skandalen nicht gerade armen Geschichte Frankreichs.

    In dieser Affäre waren neben Bayrou selbst als damaliger Justizminister unter Macron mehrere Mitangeklagte von ihren Ministerposten zurückgetreten wie M. Sarges (Europaangelegenheiten) und S. Goulard (Armee), die dann später aus gleichem Grund als EU-Kommissarin im EU-Parlament durchfiel.

    Beide Affären juristisch unterschiedlich zu beurteilen hieße sie politisieren. Daher hat Bayrou „Le Parisien“ und BFMTV zufolge sehr nachvollziehbar auch sehr „verwirrt“ („troublé“) auf den Urteilsspruch gegen MLP reagiert.

  • Da hat „nutzer“ (s.u.) wohl recht. Kommentatoren die dann über Politik schreiben, wie das Boulevard über Promis, das Feuilleton über Kultur oder als ginge es um Sport, geht jegliche (selbstkritische) Einsicht in die grundlegenden Strukturen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft abhanden. Sie sehen nicht, wie diese in der alltäglichen Praxis wirken und wohin die Reise geht. Dabei wird es immer offensichtlicher: Die repräsentative Demokratie ebnet als ideale Herrschaftsform des liberalen Sozialdarwinismus den Weg zu autokratischer Herrschaft. Es ist kein Zufall, dass dabei vor allem Wirtschaftseliten an Einfluss gewinnen, die den Staat zum Machtinstrument ihrer Interessen umbauen: So wenig Staat wie möglich, es sei denn, es geht um private Profitinteressen. Ob dieser Trend nationalistische, europäische oder andere Töne anschlägt, macht dabei keinen Unterschied.

    Der RN ist jedenfalls nicht weg vom Fenster und „En Marche“ und andere liberale Parteien (bei uns AfD, CDU, CSU, FDP, Grüne und SPD) arbeiten beharrlich an der Umsetzung der sozialdarwinistischen Agenda.

  • „Im aktuellen Fall hat sich das Gericht aber ganz einfach an das Strafgesetz gehalten.“

    Das Gericht hatte eine Abwägungsentscheidung zu treffen, diese hätte auch anders ausfallen können. Dass die Entscheidung rechtmäßig ist, bedeutet nicht, dass sie zwingend war.

    • @In aller Ruhe:

      Das 2016 verabschiedete Antikorruptionsgesetz sieht bei einer rechtskräftigen Verurteilung automatisch eine Zusatzstrafe vor.

      Der Ausschluß betrifft sämtliche Ausübung von Mandaten und wird für 5 Jahre verhängt. Die Höhe des Strafmaß ist dabei nicht ausschlaggebend.

      Eine Einschränkung hat das Verfassungsgericht in einem früheren Urteil angeführt und zwar hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wählerwillens.

      In dieser Hinsicht ist das bei einer potentiellen Kandidatur als Präsidentschaftskandidatin und vor dem Hintergrund von gut 13 Millionen Wählern im Rücken schon ein gravierender Punkt, der die französische Justiz wohl noch eine Weile beschäftigen wird.

    • @In aller Ruhe:

      "Zwingend" war das Strafmaß in seiner Bemessung vielleicht nicht, aber der Rahmen einer gerichtlichen Abwägung ist definiert und nicht beliebig. Insofern gehe ich davon aus, dass das Urteil nicht grundsätzlich anfechtbar ist, höchstens geringfügig im Detail.

  • Man darf sich schon auf die Tiraden von JD Vance und seinem Chef "freuen".

    • @LeKikerikrit:

      Trump müsste längst für Jahre im Bau sitzen, aber in USA mahlen die Gerichtsmühlen offenbar anders.

      • @dator:

        Die laufen überall gleich im Kapitalismus, zur Not zahlt man am Ende Geld. Aber wirklich in den Knast muss von denen doch niemand.

        • @Moritz Pierwoss:

          Siehe UH. So richtig gesessen hat der auch nie.

  • Es ist vor allem ein Urteil wegen Veruntreuung, das auch politische Folgen hat.



    Warum sollten rechte Parteien vor den Konsequenzen ihres Handelns geschützt werden? Nur weil der rechte Mob jetzt aufheult und von einem politischen Urteil fabuliert? Die heulen immer, wenn ihnen etwas nicht passt...



    Und, ob der RN jetzt davon profitiert oder nicht, wie in einem anderen Artikel gemutmaßt, ist ebenso unerheblich, es geht um die Ahndung einer Tat und nicht um die Konsequenzen. Denn ginge es bei der Urteilsfindung um die Konsequenzen des Urteils, dann wäre es ein politisches Urteil.

  • Ich möchte Herrn Balmer für diesen Artikel danken und ihm voll beipflichten.

    Wie aus einer Aufstellung des Guardian von heute hervorgeht:



    'dahinter steckte ein über ein Jahrzehnt andauernder systematischer Betrug an der Öffentlichkeit um Millionen von Euro'.

    Aus demselben Artikel/Kommentar wird deutlich, welche Bedeutung dieses mutige Urteil der französischen Justiz hat. Es setzt ein Zeichen gegen die weltweite Trump- und Putin- isierung.

  • Ja, sensationelle, politisch folgenreich und fatal. Die Entscheidung ist ein schwerer politischer Fehler. Marine Le Pen muss inhaltlich an der Urne geschlagen werden, nicht mit einer Justiz, die von Vielen als instrumentalisiert wahrgenommen wird. Die Vorgänge sind nicht so weit entfernt von den Ereignissen Türkei/Imamoglu, auch wenn das niemand sehen will.

    Die Vorwürfe sind schwerwiegend und müssen geahndet werden, aber nicht durch Entzug des passiven Wahlrechtes.

    Vor dem Hintergrund des Umgangs mit Geldern in der EU handelt es sich eher um eine Kleinigkeit. Die "etablierten" Parteien haben in Deutschland kurzerhand die Parteienfinanzierung angepasst, als ihnen aufgrund des Wahlergebnisses weniger Geld zustand. Wie viele Demokraten der etablierten Parteien haben schon Familienmitglieder, Genossen und Verschwägerte mit Posten versorgt?

    Das wird nach hinten losgehen.

    • @Newjoerg:

      "Die Entscheidung ist ein schwerer politischer Fehler."

      Der Punkt des Artikels ist, dass es eben KEINE "politische" Entscheidung sondern saubere Rechtsanwendung ist, wie ein Richter sie dem Rechtsstaat schuldet. Jede entgegengesetzte Entscheidung wäre politisch gewesen und als solche ein schwerer Fehler.

      Das ist eben "echt" Frankreich (also eigentlich im Sinne des RN): Krimineller Machtmissbrauch wird mit Machtentzug bestraft, und niemand ist davor gefeit - Vive la Republique und so. Kennt man ja aus der Geschichte, wurde gerade dort auch schon mal deutlich brutaler gehandhabt. Ich finde es nur konsequent.

    • @Newjoerg:

      "Das wird nach hinten losgehen."



      Sie meinen, es bleiben zu wenige aufrichtige Politiker übrig?



      Straftäter, die Steuergelder veruntreuen, sollen also wählbar bleiben? Interessante Auffassung.

    • @Newjoerg:

      Die Justiz Frankreichs ist meilenweit von der der Türkei entfernt, sie ist nämlich unabhängig von der Exekutive. Sarkozy wurde bereits in einem Prozess verurteilt, der andere läuft gerade, Le Pen et al. wurden hier in 1. Instanz verurteilt, gehen in Berufung.



      Ob andere in anderen Staaten mit Dingen davonkommen und -kamen, ist irrelevant. Ob irgendwo ein Straftäter frei rumläuft, ist irrelevant für den Prozess, den man gegen einen führt, dessen man habhaft wurde und dem man seine Taten nachweisen kann.

      Politisch ist der RN zu schlagen, stimmt. Wenn aber ein Mitglied des RN straffällig wurde, ist ihm der juristische Prozess zu machen, unabhängig von allem anderen.



      Wo kommen wir hin, wenn wir sagen: Ach, Korruption? Aber ist ein Politiker, der muss abgewählt werden, juristisch ist da nix machbar.

    • @Newjoerg:

      > Die Entscheidung ist ein schwerer politischer Fehler.

      Daniel Cohn-Bendit wies am heutigen 1. April im Deutschlandfunk darauf hin, dass die Partei Le Pens es war, die gefordert hat, dass Politiker, die Gelder veruntreuen, lebenslang nicht mehr zu Wahlen antreten dürfen.

      Le Pen beschwert sich also jetzt über die juristischen Folgen eines Gesetzes, dass sie selbst initiiert hat.

    • @Newjoerg:

      Dura sed lex. Ihr Standpunkt, anscheinend sehr moralisch, ist hier in Frankreich auf die Formel gebracht worden: die Souveränität des Volkes oder die Souveränität der Politiker verteidigen? Ich wäre eher für ersteres, es sei denn wir meinen, Politiker stehen über dem Recht. Übrigens, Modem, Juppé und zuletzt Sarkozy hat es auch erwischt. Zu Recht.

    • @Newjoerg:

      Ein schwerer politischer Fehler? Gewaltenteilung? War da vielleicht mal was? Wir sind hier schließlich nicht in Russland, der Türkei oder Ungarn!

  • Jetzt werden die radikal Rechten sich in ihrer "Opferrolle" suhlen. Ich aber freue mich über die unbeirrbare Justiz in Frankreich.

    • @Hans Dampf:

      ich mich auch.

    • @Hans Dampf:

      Nehme ein wenig Distanz zu den "Fanbases" ein. Du wirst erkennen, der Drops ist schon seit einiger Zeit gelutscht. Die Versuche die Flammen auszupusten, fachen nur das Feuer weiter an. Es gibt keinen Ausweg mehr. Die EU geht vor unseren Augen unter. Verschiedene Indikatoren zeigen es seit einiger Zeit an. Jetzt kann eigentlich keiner mehr daran vorbei sehen. Scheinbar gelingt es aber denen noch, die politisch stark identifiziert sind. Naja, der Kampf um den Erhalt des Status Quo beginnt hässlich zu werden und das dürfte erst der Anfang sein, denke ich.

  • "Es ist im internationalen Kontext auch ein Urteil gegen die schleichende Trumpisierung."

    und was haben die Gerichtsurteile gegen Trump in den USA nochmal bewirkt? Hat er deswegen etwa die Wahlen verloren?

    • @Gerald Müller:

      Das Gerichtsurteil gegen Le Pens Veruntreuung öffentlicher Gelder erfolgte im französischen und europäischen - insofern auch internationalen - Kontext und nach sorgfältigem juristischen Standard demokratischer Verfassung. Was spricht denn Ihrer Meinung nach dagegen? Doch nicht, dass Rechtsprechung in den USA anders organisiert ist und anders praktiziert wird.



      Gegenfrage also: Worauf wollen Sie hinaus, was schlagen Sie vor?

  • Also das mit dem „Urteil gegen die schleichende Trumpisierung“ müssen Sie erklären - man könnte das durchaus als politisch motiviert deuten, was aber eben nicht Kennzeichen einer unabhängigen Justiz wäre. Wenn das Urteil angefochten und möglicherweise kassiert würde? Was dann? Wäre das dann der lange Arm des Donald Trump bzw. „Kuschen“ vor Rechten/Autokraten? Der Autor scheint nicht zu bemerken, wie sehr er selbst verbal (ungewollt?) in Richtung „Gewaltenteilung nach Gutsherrenart“ driftet.

    • @Earl Offa:

      Umgekehrt: Die französische Justiz funktioniert (Le Pen, Sarkozy, Bettencourt-Skandal...). Im Gegensatz dazu hat die amerikanische Justiz schlechter funktioniert, hatte schon mehr politische Löcher, die Trump die Wiederwahl ermöglichten.