Ungerechte Lastenverteilung: Superreiche entrichten kaum Steuern
Die Mittelschicht zahlt, Milliardäre zahlen nicht. Eine neue Studie des EU Tax Observatory zeigt, wie ungerecht Steuern weltweit erhoben werden.
Immerhin einen Erfolg gibt es zu vermelden: Für reiche Privatpersonen ist es schwieriger geworden, ihr Vermögen in Steueroasen zu verstecken, weil der internationale Datenaustausch tatsächlich greift. Die individuelle Steuerflucht sei um etwa zwei Drittel zurückgegangen. Für den französischen Ökonomen Gabriel Zucman beweist das: „Steuerflucht lässt sich effizient bekämpfen, wenn es den politischen Willen gibt.“
Zucman leitet das EU Tax Observatory, das an der Paris School of Economics angesiedelt ist und von der EU teilweise finanziert wird. Zucman ist eine Art Wunderkind der Wirtschaftswissenschaften. Der heute 36-jährige hat bereits vor zehn Jahren bahnbrechende Studien zur globalen Steuerflucht vorgelegt, wofür ihm jetzt die John-Bates-Clark-Medaille verliehen wurde. Neben dem Nobelpreis ist diese Medaille die wichtigste Auszeichnung in der Ökonomie.
An Zucmans neuer Studie haben weltweit rund hundert Wissenschaftler mitgewirkt. Eines ihrer weiteren Ergebnisse ist, dass die globale Mindeststeuer für multinationale Konzerne bisher ein Flop ist. Der Plan sah vor, dass alle Konzerne mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen sollten, was das weltweite Aufkommen um knapp zehn Prozent steigern sollte. Doch die Einnahmen haben global nur um etwa drei Prozent zugenommen, weil zahlreiche neue Schlupflöcher geschaffen wurden.
Krasse Ungerechtigkeit gefährdet Demokratie
Das größte Problem ist jedoch, dass die Milliardäre kaum besteuert werden – woran vor allem ihre Heimatländer schuld sind. Die Superreichen dürfen zu Hause Holdings gründen und dort ihr Einkommen verstecken. Die Steuerlast für die Milliardäre entspricht lächerlichen 0 bis 0,5 Prozent ihres Gesamtvermögens.
Die Mittelschicht zahlt, die Milliardäre nicht. „Diese krasse Ungerechtigkeit gefährdet unsere Demokratie“, warnt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, der ein Vorwort zur Studie beigesteuert hat.
Zucman schlägt daher vor, eine globale Mindeststeuer auch für Milliardäre einzuführen, die zwei Prozent des Vermögens entspricht. „Das ist der logisch nächste Schritt nach der globalen Mindeststeuer für Unternehmen.“ Weltweit wären weniger als 3.000 Milliardäre betroffen – was aber jährlich knapp 250 Milliarden Dollar an Steuern bringen würde.
Parallel zur Studie erscheint ein „Atlas der Steueroasen“, der erstmals die Steuerflucht in jedem Land dokumentiert (atlas-offshore-world.org). Das Ergebnis: Deutschland verliert bei den Gewinnsteuern mehr Einnahmen als jedes andere Land auf dieser Welt, denn der Schwund liegt hierzulande bei 26,2 Prozent. In Großbritannien fehlen 25,1 Prozent, in Costa Rica 24,8 Prozent und in Ungarn 24,5 Prozent. In den USA hingegen beträgt die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit nur 11,9 Prozent.Auch bei den Steueroasen führt Europa, wie dem Atlas zu entnehmen ist: Irland, die Niederlande, Luxemburg und die Schweiz helfen Unternehmen sehr gern dabei, Steuern zu vermeiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe