Umfragehoch für Thüringer AfD: Falsche Strategien gegen Höcke

Auch in Thüringen kann sich die AfD Hoffnungen machen, stärkste Kraft zu werden. Sie setzt auf ein Thema, das im Osten viele umtreibt: Sozialpolitik.

Thüringer Bratwürste auf dem Grill

Thüringer Bratwürste schmecken eigentlich ganz gut – vor allem, wenn man sie nicht zu braun anbrät Foto: imago images/Bild13

Die jüngsten Umfragen sind bestürzend. Nicht nur in Sachsen und Brandenburg, auch in Thüringen kann sich die AfD jetzt Hoffnungen machen, bei der Landtagswahl im Herbst stärkste Kraft zu werden. Laut einer neuen Befragung liegt sie mit 24 Prozent nur noch knapp hinter der Linkspartei auf Platz zwei. Im Vergleich zum März hat sie 4 Prozentpunkte dazugewonnen – und zwar mit einem Landeschef und Spitzenkandidaten Björn Höcke, der wie kaum ein Zweiter für die Radikalisierung der ohnehin radikal rechten Partei steht und damit in den vergangenen Wochen erneut Furore machte.

Höckes Aussagen sind der Hauptbeleg des Verfassungsschutzes für dessen Verdacht, dass der „Flügel“ der AfD ein rechtsextremer Auswuchs ist. Der eigene Bundesvorstand bescheinigte ihm einst „eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus“. Dass er früher unter Pseudonym für ein NPD-Blatt geschrieben hat, bestreitet er zwar, scheut aber vor einer entsprechenden eidesstattlichen Erklärung zurück. Und der Personenkult, den seine AnhängerInnen inzwischen um ihn betreiben, lässt selbst manche in der AfD erschauern.

Allein: Ein Viertel der Thüringer WählerInnen scheint das überhaupt nicht zu stören. Wer also glaubt, mit moralischen Appellen oder dem Verweis auf rechtsextreme Verstrickungen die AfD im Osten bekämpfen zu können, liegt falsch. All das zieht nicht nur nicht, sondern scheint sogar noch mehr AfD-SympathisantInnen in die Arme der Partei zu treiben.

Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.

Der AfD gelingt es hier zunehmend, sich als die einzig wahre Interessenvertreterin der Ostdeutschen, gar als Vollenderin der friedlichen Revolution von 1989 zu inszenieren. Damit knüpft sie geschickt an das in Ostdeutschland weit verbreitete Gefühl an, nicht wahrgenommen und nicht repräsentiert zu werden. Also Deutsche zweiter Klasse zu sein. Das Versprechen der AfD: diesen Zustand zu beenden. Auch wenn sie bei der Pro­blem­lösung sehr im Ungefähren bleibt, scheint das ein verlockendes Angebot zu sein. Wer die AfD im Osten bekämpfen will, muss daran etwas ändern.

Zudem setzt die AfD stark auf ein Thema, das in Ostdeutschland besonders viele umtreibt: Sozialpolitik. Dass diese von Höcke und Co völkisch grundiert wird, macht sie für nicht wenige besonders attraktiv.

So weit die schlechte Seite der thüringischen Umfrage. Man kann ihr Ergebnis allerdings auch ganz anders lesen. Erstmals seit Langem scheint eine rot-rot-grüne Mehrheit in Thüringen wieder möglich zu sein. Für eine Regierung also, die für eine weltoffene Gesellschaft steht. Das zumindest ist doch eine gute Nachricht.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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