Traditionserlass bei der Bundeswehr: Mehr Wehrmacht wagen
Die Bundeswehr erweitert den Kanon ihrer Soldaten, in deren Tradition sie stehen will. Bei manchen Wehrmachts-Soldaten will man es nicht mehr so eng sehen.
Im Traditionserlass von 2018 wird die Wehrmacht als ganzes als nicht traditionswürdig bezeichnet. Einzelne Wehrmachts-Soldaten können aber in das Traditionsgut der Bundeswehr aufgenommen werden, vorausgesetzt sie haben sich durch eine Leistung, wie eine „Beteiligung am militärischen Widerstand“ gegen die Nationalsozialisten, ausgezeichnet.
Jetzt soll diese Regelung erweitert werden: Fortan sollen „nicht nur diejenigen Angehörigen der Wehrmacht, die dem militärischen Widerstand zuzuordnen sind“, sondern auch solche, die nach 1945 beim Aufbau der Bundeswehr mitgewirkt haben, in den Traditions-Kanon der Bundeswehr aufgenommen werden. Denn, so heißt es in den ergänzenden Hinweisen, die der Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, am 12. Juli 2024 intern verschickt hat: „Die rund 40.000 von der Wehrmacht übernommenen ehemaligen Soldaten hatten sich zu großen Teilen im Gefecht bewährt und verfügten somit über Kriegserfahrungen, die beim Aufbau der Bundeswehr unentbehrlich waren.“
Künftig brauche die Bundeswehr deshalb Beispiele „für militärische Exzellenz, Einsatzbereitschaft und den Willen zum Kampf zum Ziel, wenn es der Auftrag erfordert“, begründet Rohrschneider die ergänzenden Hinweise in einer Weisung. Gleichzeitig warnt die Ergänzung aber auch davor, Kriegstüchtigkeit auf das „Fallen im Einsatz“ zu reduzieren. Das bleibe zwar „unzweifelhaft Beispiel für soldatische Tugenden wie treues und tapferes Dienen“, aber: „Es ist jedoch nicht per se als Beispiel für traditionsstiftende militärische Exzellenz, herausragende Haltung oder militärischen Erfolg geeignet.“
NSDAP-Mitglied gewesen zu sein, ist okay
Angehängt ist der Ergänzung eine Liste 24 „traditionsstiftender Personen“. Dort findet sich dann unter anderen Brigadegeneral Heinz Karst, der in der Bundeswehr die „Überbetonung des zivilen Anteils an der Inneren Führung“ kritisiert habe. Das Verteidigungsministerium weiß über ihn anerkennend zu berichten: „Wurde für seine auf Kriegstauglichkeit gerichteten Positionen Anfang der 70er Jahre unter anderem durch das Spiegel-Magazin öffentlich kritisiert.“
Oder Oberst Erich Hartmann, wegen 352 Luftsiegen im Zweiten Weltkrieg „erfolgreichster Jagdflieger der Militärluftfahrt“. Später habe er „wohlargumentiert die Einführung des ‚Starfighters‘“ kritisiert, also des Kampfflugzeuges, das für seine hohe Absturzrate berüchtigt war. Ebenfalls gewürdigt wird Konteradmiral Erich Topp „im Zweiten Weltkrieg einer der erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten“. Denn das frühere Mitglied von NSDAP und SS „setzte sich nach 1945 sehr kritisch mit der eigenen Vita sowie der Rolle der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg auseinander“.
Wehrmachtssoldaten zu würdigen, sei generell problematisch, findet dagegen Günter Knebel von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Damit würden sie aufs „rein Soldatische“ reduziert: „Hier wird der Kontext außer acht gelassen, in dem die Soldaten gekämpft haben“, kritisiert er.
Zeitlose soldatische Tugenden gebe es nicht, betont auch Jakob Knab, Sprecher der Initiative gegen falsche Glorie, die sich kritisch mit der Traditionspflege der Bundeswehr auseinandersetzt. „So wird die Kriegstüchtigkeit der Wehrmacht enthistorisiert und damit entnazifiziert.“ Mit der Ergänzung werde der Traditionserlass „in die falsche Richtung gelenkt“, kritisiert Knab. Die Bundeswehr solle nicht kriegstüchtig, sondern abwehrbereit sein: „Es reicht, wenn sie ihren Soldateneid ernstnehmen, da braucht man keine Vorbilder aus der Wehrmacht.“
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