Studie zur AfD: Partei darf verboten werden
Die AfD ist verbotsreif, analysiert das Institut für Menschenrechte. Sie widerspricht dem Grundgesetz, Mitglieder gehörten entwaffnet.
Die AfD habe sich seit ihrer Gründung 2013 stetig radikalisiert und zu einer rechtsextremen Partei entwickelt. In ihrer Programmatik sei mittlerweile die rassistische national-völkische Ausrichtung fest verankert, die sich nicht nur auf Mitglieder des offiziell aufgelösten „Flügels“ beschränke. Sie missachte mit ihrer Ausrichtung die im Grundgesetz verankerte Garantien der Menschenwürde sowie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip – folglich erfülle die Partei die Voraussetzungen für ein in Artikel 21 des Grundgesetzes vorgesehenes Verbot.
Man wolle mit der Analyse auch dazu beitragen, dass die AfD als die klar rechtsextreme Partei wahrgenommen werde, die sie sei. Cremer sagte in einem Pressegespräch: „In der Medienberichterstattung ist immer noch fälschlich von einer ‚rechtspopulistischen Partei‘ die Rede oder von einer ‚in Teilen rechtsextremen‘.“ Wenn die AfD aber wie eine demokratische Partei wahrgenommen und so behandelt werde, trage das zum „sehr gefährlichen Prozess der Normalisierung“ bei, ergänzte Nele Allenberg, die im DIFM Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik ist.
Die Lage ist anders als bei der NPD
Das im Jahr 2001 gegründete Deutsche Institut für Menschenrechte orientiert sich am „Pariser Prinzip“ der Vereinten Nationen. Es ist politisch unabhängig, wird jedoch vom Bundestag über den Haushalt finanziert. Es forscht zu Menschenrechtsfragen und prüft die Einhaltung etwa der UN-Behindertenrechtskonvention, der Istanbul-Konvention oder der UN-Kinderrechtskonvention.
Ein Verbotsverfahren könnte der Bundestag, der Bundesrat oder die Regierung beantragen. Am Ende müsste das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte 2017 an mangelnder Relevanz – das kann man von der AfD allerdings nicht behaupten angesichts ihrer Präsenz in fast allen Parlamenten und derzeitigen Umfragewerten bei 18 Prozent.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als „rechtsextremen Verdachtsfall“ und deren Jugendorganisation Junge Alternative als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein.
Höcke und der Nationalsozialismus
Als Belege für die antidemokratische Ausrichtung der AfD sieht der Rechtswissenschaftler Cremer unter anderem Grundsatz- und Wahlprogramme, das Sozialkonzept und öffentliche Äußerungen von AfD-Politiker*innen: Die AfD erkenne nicht alle Deutschen als solche an und strebe an, „allein willkürlich bestimmen zu können, wer in Deutschland lebt und wer nicht, was Deportationen deutscher Staatsangehöriger und damit die Anwendung grund- und menschenrechtswidriger Gewalt einschließt“, wie es in der Zusammenfassung der Studie heißt.
Cremer nannte auf Nachfrage der taz etwa Äußerungen Gaulands als Beispiel dafür, die ehemalige Integrationsbeauftragte und jetzige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) in Anatolien entsorgen zu wollen – eine Äußerung, für die er in der Partei weitgehend Rückendeckung bekam. Ebenso findet sich in der Studie Höckes Forderung von einem „großangelegten Remigrationsprojekt“, bei dem man nicht um „wohltemperierte Grausamkeit“ herumkommen würde.
In der Partei setze sich zunehmend der Kurs des rechtsextremen Björn Höcke durch, der derzeit auch wegen der Verwendung der SA-Losung „Alles für Deutschland“ angeklagt ist. In der Analyse heißt es, Höcke ziele „offen auf eine am Nationalsozialismus orientierte Gewaltherrschaft“ ab und beeinflusse die Ausrichtung der gesamten AfD als führende Stimme auch ohne Posten auf Bundesebene maßgeblich.
Selbst die Anwendung von Gewalt als Ziel der Partei lässt sich laut Studie belegen: Insbesondere wiederum mit Äußerungen von Höcke, die sich positiv auf den Nationalsozialismus beziehen oder wenn dieser etwa innerparteiliche Gegner „ausschwitzen“ wolle, womit er sich unverhohlen auf das von den Nationalsozialisten betriebene Vernichtungslager beziehe. Er habe damit den Wunsch zum Ausdruck gebracht, „innerparteiliche Widersacher zu eliminieren“, analysiert die Studie.
Insbesondere verweist Studienautor Cremer aber auf Höckes Buch: Demnach würden am Ende nach einem von Höcke gemalten Umbruch „noch genug Angehörige unseres Volkes vorhanden sein“, zitiert er Höcke. „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“ Alle diejenigen, die nicht die völkisch-nationalistische Ideologie der AfD verwirklichen wollten, „würden beseitigt“, folgert die Studie.
Weil die extrem rechte Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele planvoll verfolge, lägen alle im Artikel 21 vorgesehenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot vor. Gleichwohl gebe es einen Ermessensspielraum der Antragsberechtigten, nachdem man auch zum Schluss kommen könne, die politische Auseinandersetzung mit der AfD zu suchen, wie DIFM-Direktorin Beate Rudolf im Vorwort schreibt.
Politikwissenschaftler sehen Verbot kritisch
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der viel zum NPD-Verbotsverfahren publiziert hat, sieht ein AfD-Verbot hingegen kritisch: „Ein Parteiverbot ist kein probates politisches Mittel. Es hat den Abschreckungseffekt verloren und den Appeal einer autoritären Maßnahme, die das Märtyrer-Gefühl bei der AfD und ihren Wählern eher noch verstärken würde.“
Demokratietheoretisch sei es völlig unvertretbar, eine Partei abzuschaffen, die in fast allen Parlamenten sitzt. Man müsse ein breites gesellschaftliches, über das Antifa-Milieu hinausreichendes Bündnis für Demokratie aufbauen, die AfD politisch stellen und ausgrenzen. Gewaltsame Bestrebungen müsse man strafrechtlich verfolgen. In der Analyse unterscheidet sich Leggewie hingegen weniger: „Die AfD sind im Kern Neo-Faschisten, die den Parlamentarismus zerstören wollen, um ein autokratisches Regime zu errichten.“
Auch der Kommunikationsforscher und Politikberater Johannes Hillfe ist eher skeptisch, ob ein Parteiverbot hilft: „Ein Verbot der rechtsextremen AfD löst nicht das gesellschaftliche Problem rechtspopulistischer Einstellungen, die weit über die Partei hinausgehen. Es ist ein manifestes Demokratieproblem, wenn Menschen aus Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik eine rechtsextreme Anti-System-Partei wählen wollen.“ Wenn man juristisch scheitere, liefert man der Partei zudem ein starkes Argument, mit dem sie sich jahrelang verharmlosen und behaupten kann, dass sie eine demokratische Partei wäre, so Hillje.
„Es muss darum gehen, der Normalisierung der AfD entgegenzuwirken und Menschen für demokratische Politik zu gewinnen“, sagt Hillje. Alle Demokraten seien aufgefordert, die AfD politisch zu isolieren und den Unzufriedenen bessere Angebote zu machen. Sie sollten „selbstkritisch mit dem Aufwind von Demokratiefeinden umgehen und nicht ihre Narrative legitimieren. Um Vertrauen in ihre Veränderungspolitik zurückzugewinnen, sollte die Ampel soziale, ökonomische und alltagskulturelle Sicherheit bieten.“
Abgrenzung und Entwaffnung gefordert
Für das Institut für Menschenrechte ergeben sich aus ihrer Analyse Einordnung jedenfalls Schlussfolgerungen für die politische Praxis: Man könne der von der AfD ausgehenden Gefahr für die Demokratie nur begegnen, „wenn sich die anderen politischen Parteien unmissverständlich“ von der AfD auf allen Ebenen abgrenzen. Zuletzt bröckelte die sogenannte Brandmauer vor allem auf kommunaler Ebene.
Laut dem Institut für Menschenrechte müssten zudem sämtliche Bildungsinstitutionen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als wichtige Themenfelder verinnerlichen, wozu auch die Einordnung der AfD gehöre. Der Staat müsse darüber hinaus konsequent AfD-Mitglieder entwaffnen und Disziplinarverfahren einleiten, wenn Beamt*innen, Soldat*innen oder Richter*innen für die AfD einträten, weil diese dadurch ihre verfassungsrechtliche Treuepflicht verletzten.
AfD-Mitglieder seien überdies vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung aus dem Staatsdienst zu entlassen. Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung müsse man von der staatlichen Förderung ausschließen und ihr die Gemeinnützigkeit aberkennen, weil sie rassistisches und rechtsextremes Gedankengut verbreite.
Grundsatzprogramm belege völkische Ausrichtung
Die DIMF-Studie sieht die rassistische national-völkische Ausrichtung der AfD fest in der Programmatik verankert: Bereits das Grundsatzprogramm 2016 sei auf das „Ideal einer kulturell homogenen Bevölkerung“ ausgelegt gewesen, die es gegen „importierte kulturelle Strömungen“ zu verteidigen gelte. Das Programm sei ein Beispiel dafür, dass rassistische Argumentationsmuster heutzutage nicht allein auf physische Merkmale oder biologistische Begründungen Bezug nähmen, sondern auf Kultur oder Religionszugehörigkeit.
Dabei nehme die AfD „eine Hierarchisierung von Menschen vor, indem sie nicht nur die ‚deutsche Identität‘ als ‚Leitkultur‘ hervorhebe, sondern auch durch „die Betonung einer vermeintlich unangebrachten Gleichstellung verschiedener Kulturen“ Menschen abwerte, die nach ihren Vorstellungen nicht Teil der „einheimischen Kultur“ seien – das widerspreche den Garantien aus dem ersten Artikels des Grundgesetzes und bringe ein rassistisches und national-völkisches Konzept zum Ausdruck.
Im Wahlprogramm 2017 hätten sich ähnliche Aussagen direkt gegen Muslime gerichtet und die völkische Ausrichtung damit untermauert, womit der Grundsatz der gleichen Menschenwürde eines jeden Individuums fundamental in Frage gestellt würde. Im Wahlprogramm zu letzten Bundestagswahl 2021 finde sich ebenfalls ein Menschenbild von einem (deutschen) „Uns“ und den „anderen“, das dem Grundgesetz diametral entgegenlaufe.
Verwendung von Kampfbegriffen
Ebenso zeige sich die national-völkische Ausrichtung im Konzept zur Sozialpolitik von 2020, das vorsieht soziale Leistungen wie die Rente anhand völkischer Kriterien zu beschränken. Das bewertet das Institut als „offensichtlich grund- und menschenrechtswidrig. Schon der Ansatz, Nicht-Deutsche von der Rentenversicherung auszuschließen, wäre nicht zu rechtfertigen“, heißt es.
Hinzu komme, dass das AfD-Führungspersonal rechtsextreme Kampfbegriffe verwende. Ob Parteichef Tino Chrupalla das sprachlich im Nationalsozialismus verankerte Wort „Umvolkung“ nutze, Gauland von „Bevölkerungsaustausch“ rede oder Weidel von „Kopftuchmädchen“ und „sonstigen Taugenichtsen“ spreche – die Führungsspitze habe ihre rassistische national-völkische Positionierung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Die grundgesetzwidrige Ausrichtung finde ihre Fortsetzung in der „Bagatellisierung nationalsozialistischer Verbrechen“, wie bei Gaulands „Vogelschiss“-Äußerung und „offenen Bekenntnissen zum Nationalsozialismus“, wie etwa Siegbert Droeses Foto an der Wolfsschanze mit Hand auf dem Herz.
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