Studie zum Tempolimit: Es könnte so einfach sein
Ein Bündnis fordert ein allgemeines Tempolimit noch vor der Wahl. Gesundheit, Sicherheit und Klima würden davon profitieren. Und doch kommt es nicht.
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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Sozialverband VdK und die Gewerkschaft der Polizei fordern ein generelles Tempolimit auf Autobahnen noch vor den Neuwahlen. Die Geschwindigkeitsbeschränkungen für andere Straßen sollten außerdem verschärft werden. Das würde die Sicherheit im Verkehr verbessern und hätte positive Effekte auf Gesundheit und Klima, argumentieren die Organisationen. Für das Vorhaben wäre keine parlamentarische Mehrheit im Bundestag nötig. Mit Zustimmung des Bundesrates könnte ein Tempolimit als Verordnung umgesetzt werden.
Hohes Einsparungspotenzial
Anlass für die Forderung ist eine Studie, die das Umweltbundesamt (UBA) am Donnerstag veröffentlicht hat. Die spielt verschiedene Szenarien von Geschwindigkeitsbegrenzungen durch. Demnach könnten bis 2030 rund 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, sollte ab dem kommenden Jahr ein Limit von 100 Kilometern pro Stunde (km/h) auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen in Kraft treten. Das Tempolimit sei damit die günstigste und effektivste Maßnahme, um die Minderungslücke im Verkehrssektor zu reduzieren, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Die Minderungslücke beschreibt den Unterschied zwischen der erwarteten Einsparung von Treibhausgasen aufgrund von implementierten oder geplanten Maßnahmen und den Einsparungen, die für bestimmte Sektoren festgelegt wurden. Bei Verstößen gegen die Sektorvorgabe drohen zwar keine Sanktionen mehr, seit das Klimaschutzgesetz im Juli reformiert worden und die sektorbezogenen Einsparungsziele abgeschafft worden sind.
Dennoch gibt es nach wie vor Zielvorgaben für einzelne Sektoren. Die Minderungslücke im Verkehrssektor liegt nach Angaben des Bundesumweltministeriums aktuell bei 180 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bis 2030. Ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften könne sie also um rund ein Drittel verkleinern, sagte Resch.
Grüne und SPD für Tempolimit
Die Studie des UBA untersucht auch andere Geschwindigkeitsszenarien. Bei einer Beschränkung von 130 km/h auf der Autobahn und 100 km/h auf Landstraßen würde die Einsparung bis 2030 deutlich geringer ausfallen. Sie läge dann nur bei rund 15 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Sowohl SPD als auch das Bündnis 90 / Die Grünen fordern in ihren Programmentwürfen für die Bundestagswahl ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Für so eine Verordnung könnten sie sich auch jetzt schon einsetzen, sagt Robin Kulpa, der bei der DUH für die Themen Verkehr und Luftreinhaltung zuständig ist. Da Geschwindigkeitsbegrenzungen über die Straßenverkehrsordnung geregelt würden, nicht über das Straßenverkehrsgesetz, bräuchte es dafür keine Mehrheit im Parlament.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Detlef Müller, hält ein Tempolimit noch vor der Bundestagswahl jedoch für ausgeschlossen. Obwohl der Weg über eine Verordnung „einen gewissen Charme“ habe, bräuchten solche Entscheidungen einen gesellschaftlichen Konsens, der sich in parlamentarischen Mehrheiten ausdrücken müsse, so Müller. Die Pressestelle der Grünen verweist auf Anfrage der taz lediglich auf einen Auszug aus dem Wahlprogrammentwurf, in dem es unter anderem heißt, ein Sicherheitstempo von 130 km/h auf Autobahnen sei überfällig.
Das Bündnis aus DUH, VdK und Gewerkschaft der Polizei (GdP) begründet seine Forderung auch mit Verweis auf Verkehrssicherheit und Gesundheit. Schließlich würde der UBA-Studie zufolge auch die Luftverschmutzung durch ein Tempolimit erheblich reduziert. So könne die Belastung durch Stickstoffoxide aus dem Straßenverkehr um bis zu 16 Prozent und die durch Feinstaub um rund 11 Prozent zurückgehen.
Michael Mertens, stellvertretender Bundesvorsitzender der GdP, betont, dass zudem die Unfallgefahr durch ein Tempolimit erheblich gesenkt würde. VdK-Präsidentin Verena Bentele macht sich darüber hinaus für ein Limit von 30 km/h innerorts stark. Das würde gerade für ältere und bewegungseingeschränkte Menschen den öffentlichen Raum sicherer machen. Von höherer Luftqualität in Ortschaften würden außerdem vor allem ärmere Menschen profitieren, die oft an Hauptverkehrsstraßen wohnten.
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