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Seniorenticket in HamburgBesser eine bequeme Straßenbahn

Kaija Kutter

Kommentar von

Kaija Kutter

Hamburg beehrt seine Alten zu Weihnachten mit einem um 14 Euro vergünstigten Deutschlandticket. Dabei muss der ÖPNV für sie erst mal zugänglich werden.

Ruckelt Se­nio­r*in­nen viel zu sehr hin und her, da hilft auch kein Deutschlandticket: Linienbus in Hamburg Foto: Marcus Brandt/dpa

K urz vor Weihnachten, während Jugendprojekte in Hamburg mit Kürzungen kämpfen, verkündeten Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und Verkehrsenator Anjes Tjarks (Grüne) eine Wohltat für die Senioren. Ab nächsten Mai sollen alle Hamburger, die 67 Jahre und älter sind, das Deutschlandticket für ermäßigte 49 Euro bekommen, statt der dann fälligen 63 Euro.

Neun Millionen Euro kostet die Subvention im Jahr. Die Stadtregierung lobt sich, so sichere man soziale Teilhabe und Mobilität bis ins hohe Alter. Doch die Reaktionen sind gemischt. Der Landesseniorenbeirat murrt. Man hätte lieber ein 29-Euro Ticket für den Geltungsbereich der Hansestadt. Der Steuerzahlerbund spricht von Förderung mit der Gießkanne. Das Alter allein sei kein geeignetes Kriterium. „Bedürftigkeit entscheidet, nicht das Geburtsjahr“.

Recht hat er. Für Menschen, die im Alter von Grundsicherung leben, gibt es in Hamburg zwar den Sozialrabatt, so dass ihr Deutschlandticket derzeit 22,50 Euro und ab Januar 27,50 Euro kostet. Doch für Menschen, die mit wenigen hundert Euro durch den Monat kommen müssen, ist auch das noch zu teuer. „Arme Seniorinnen beliben weiter außen vor“, kritisiert denn auch Klaus Wicher, der Hamburger Landesvorsitzende des Sozialverbands SoVD.

Er fragt, warum die Stadt Hamburg das Deutschland-Ticket nicht wenigstens für bedürftige Senioren kostenfrei anbietet, wo es doch seit diesem Jahr alle Hamburger Schüler durch die Stadt spendiert bekommen. Doch dieses Schülerticket hat gewiss auch die Funktion, die junge Generation an die Nutzung von Bus und Bahn zu gewöhnen.

Ob das umgekehrt auch dieses Senioren-Ticket schafft? Gewiss, für Menschen, die nicht von der bestehenden Sozialermäßigung profitieren, aber dennoch wenig Rente haben, ist auch die nun angekündigte Entlastung hilfreich.

Hamburgs Busse fahren zu ruckelig und wackelig und schleudern die Alten hin und her.

Doch den harten Kern der verrenteten Autofahrer wird man so nicht erweichen. Es wird viele Alte geben, die lieber weiter mit dem Auto zu Supermarkt oder Arztbesuch fahren, statt sich in die Hände des öffentlichen Nahverkehrs zu begeben. Hamburgs Busse fahren zu ruckelig und wackelig und schleudern die Alten hin und her. Und in eine Untergrundbahn hinab zu steigen, kostet ältere Damen und Herren noch mal extra Überwindung. Es ist eine Generation, die das Autofahren gewöhnt ist und die autogerechte Stadt als selbstverständlich sieht. Die die 1978 abgeschaffte Straßenbahn nur noch aus Jugendtagen erinnert. Die aber selber gern beim Autofahren aus dem Fenster schaut und nostalgisch bekannte Orte und Gebäude betrachtet.

Es gäbe eine Alternative

Rot-Grün spannt die Alten nun mit dem Senioren-Ticket-Light, wie man es nennen könnte, vor ihren verkehrspolitischen Karren. So erinnerte Finanzsenator Dressel, der eigentlich gerade im Sozialbereich zum Sparen aufruft, was die Stadt verkehrspolitisch alles plant. Man investiere allein in 2025 und 2026 eine Milliarde Euro in den „Schnellbahnausbau“ und dann von 2027 bis 2030 noch mal 2,8 Milliarden Euro, davon allein 1,5 Milliarden Euro in die neue Untergrundlinie U5. Doch diese eine Linie bedient, wenn mal fertig, nur wenige Haltestellen und liegt so tief unter der Erde, dass sie nur mühsam mit Rolltreppen zu erreichen ist. Das ist physisch und psychsich eine Barriere für ältere Menschen.

Von einem Bruchteil dieses Gelds, das hier in die Erde vergraben wird – und das sollte eigentlich auch den Steuerzahlerbund interessieren – könnte Hamburg ein Stadtbahn-Netz bauen, in die ältere Menschen bequem und barrierefrei einsteigen können. Teils existieren die Trassen dafür sogar noch. Aus der Straßenbahn könnten sie auch schön aus dem Fenster schauen. Das ist ein netter Zeitvertreib. Hamburg braucht ein seniorengerechtes Verkehrsangebot, die Straßenbahn wäre eins.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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19 Kommentare

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  • Sehe ich auch so.

    Bin ich mit dem ÖPNV unterwegs, sehe ich so oft, dass ältere Leute das nur mit großer Mühe schaffen.

    Und für alte Menschen gilt: In Deutschland mit dem Zug zu fahren, davon kann man nur abraten. Die Verspätungen, verpasste Verbindungen etc. Nein danke.

    Von der Qualität Japans, der Schweiz und anderer Länder sind wir längst ein Universum entfernt.

    Und es wird immer schlimmer. Trotz der gigantischen neuen Extra-Schulden gehe ich jede Wette ein, dass sich in den nächsten 20 Jahren nichts positiv verändert. Im Gegenteil.

  • "Doch diese eine Linie (neue U-Bahnlinie U5) bedient, wenn mal fertig, nur wenige Haltestellen..."

    Wenige Haltestellen? Es werden 22 sein und damit nahezu genau so viele wie bei der U2 oder U3 und sogar deutlich mehr als die U4. Lediglich die U1 ist deutlich länger mit 47 Haltepunkten.

  • Will nur kurz darauf hinweisen, dass es in der Verkehrspolitik nicht um Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit geht, sondern um Wertschöpfungsketten. Die sind bei Tunnelbauten und Schnellbahnstrecken für die beteiligten Tiefbauunternehmen und Zulieferer erheblich lukrativer als beim Bau von Straßenbahnen. Und dass im Verkehrssektor nicht nur Tunnelbauten IMMER teurer werden als Politiker:innen glauben, dürfte so neu nicht sein. Das ist gut für private Unternehmensgewinne und Umsätze aus klammen kommunalen und staatlichen Haushalten.



    Niemand ist gezwungen, klüger zu werden.

    • @Drabiniok Dieter:

      In der Realität kriegt man überirdische Verkehrsprojekte gar nicht durchgedrückt aufgrund der NIMBYs, denen man alle mögliche Werkzeuge in die Hand gegeben hat, um auch wirklich jedes Projekt zum erliegen zu bringen. Man denke hier nur um die Erneuerung der Sternbrücke in Altona. Es wäre naiv zu denken man könnte irgendwelche Stadtbahntrassen quer durch Hamburg verlegen ohne durch X Instanzen gehen zu müssen - hier braucht man sich nur den massiven Widerstand gegen die alte Stadtbahnplannungen in Erinnerung rücken.

      • @Ingenieur87:

        Es wäre naiv zu denken, man könnte irgendwelche Stadtbahntrassen quer durch Hamburg verlegen...



        genau das ist der Punkt! In der Theorie klingt das alles logisch und einfach, in der Praxis wäre es wahrscheinlich: Deutschlandtempo

  • In diesem Artikel geht einiges durcheinander.



    Menschen, die erst jetzt beginnen, den ÖPNV zu nutzen, den sie geschaffen haben und dabei feststellen, dass er für sie im Alter nicht genehm ist?



    Diese Generation hat doch zuverlässig immer genau diejenigen gewählt, die diese verfehlte Verkehrspolitik umgesetzt haben, jetzt als Opfer darzustellen ist schon sehr schräg.



    Diese Generation wollte den ÖPNV unter der Erde. Sie wollte die als altmodisch und umkomfortabel betrachtete Straßenbahn abschaffen und keine neue bauen gegen jede Vernunft. Sie wollte die Fahrbahn allein für ihre Autos. Hat nicht daran gedacht, dass sie im Alter andere Mobilitätsbedarfe haben wird.



    Und jetzt entdecken sie die Nachteile, unter denen viele Menschen schon seit langem leiden?

    • @Life is Life:

      Straßenbahnen abgeschafft zu haben, gilt mittlerweile weltweit als riesiger Fehler.

      Und diese neu zu installieren hat der Westen kein Geld mehr.

      Der Westen ist auf Schulden gebaut.

    • @Life is Life:

      Wer leidet denn unter dem Hamburger Bus- und Bahnsystem? Innerhalb der Stadt ist es jetzt schon ziemlich gut und die neue U5 schließt die letzten (und leider schon viel zu lange bestehenden Lücken). Nahezu alle U- und S-Bahnhöfe sind barrierefrei zugänglich. Darüber hinaus wird zukünftig bei den U-Bahnen eine 90-Sekunden-Taktung mehr Menschen als je zuvor befördern, ganz abgesehen davon das U- und S-Bahnen besser und schneller als Straßenbahnen sind und auch viel mehr Menschen in ihren Zügen aufnehmen können.

    • @Life is Life:

      "Menschen, die erst jetzt beginnen, den ÖPNV zu nutzen, den sie geschaffen haben und dabei feststellen, dass er für sie im Alter nicht genehm ist?"

      Nein, angeblich können Senioren in Hamburg nicht mit Bussen fahren, weil die zu sehr schaukeln würden. Und deshalb sollte man ein komplett neues Straßenbahnnetz bauen, damit die ans Auto domestiszierten Senioren, ohne verschaukelt zu werden, ähnlich wie im Auto über Hamburgs Straßen chauffiert werden können.



      Allerdings wird diese Seniorengeneration bei Fertigstellung eines Straßenbahnnetzes keine Mobilitätsangebote mehr benötigen.

  • Klar, eben mal den kompletten öffentlichen Nahverkehr umbauen, weil die Hamburger Busfahrer offenbar wie junge Rowdys fahren. Vielleicht sollten man die Busfahrer austauschen, in anderen Städten fahren die ganz geschmeidig - oder wird hier eine Berufsgruppe verleumdet?

    • @FraMa:

      Es liegt nicht an den Busfahrern, sondern an den anderen Verkehrsteilnehmern. Und wenn ein Radfahrer einfach mal zwischen 2 parkenden Autos rausgefahren kommt haben sie als Busfahrer nur zwei Möglichkeiten - Radfahrer zu überfahren oder scharf zu bremsen.



      Wie wäre es den, wenn die jungen Fahrgäste einfach mal die Siztplätze den Senioren anbietet? War früher ganz normal.

  • Weil "Hamburgs Busse fahren zu ruckelig und wackelig und schleudern die Alten hin und her" soll in Hamburg ein komplett neues Straßenbahnnetz gebaut werden?



    Fahren denn Busse in anderen Städten nicht so ruckelig wie in Hamburg? Muss man auf dem Land dann auch Straßenbahnen für Senioren bauen?



    Und vor allem, kostet ein Seniorenticket für Straßenbahnen denn viel weniger als 49 Euro?

  • Ich habe für meine häufigste Strecke mit der U-Bahn 25 min zu fahren (meist klappt der Umstieg), aber 10 min hin zur Haltesteööe und am Ziel 10 min von der U-Bahn bis zur Haustür. Und am Anfang der U-Bahn-Fahrt auch tagsüber bis zu 10 min Wartezeit..

  • Tunnelmania heißt ein kleines Büchlein, das irgendwo in meinem Haushalt stehen muss. Die Frage, warum man im 20 Jahrhundert wie besoffen begann, Tunnel zu graben, für die es (noch) keinen Verkehrsbedarf gab. Ähnliche Fragen stellen sich auch beim Anblick der Hochhauspläne, denn auch Hochhäuser sind nicht die Antwort auf Platzmangel, - zumindest, wenn man an der Zahl der Autos nichts verkleinern will - sondern in vieler Hinsicht erheblich aufwendiger als Häuser im menschlichen Maßstab.



    Woher kommt die Begeisterung für die jeweils "größte", aufwendigste Lösung.?



    Unbegrenzte Reichweite für die, die bloß mal aufs Amt, zum Arzt, zum Sonntagskaffee wollen.



    Es stimmt schon, der Bus ist eine Achterbahn, da wären schon 30 sec mehr pro Haltestelle ein Gewinn für die Fahrgäste, ganz ohne Tiefbaufirmen. Ich kanns nicht vorrechnen, wieviel mehr Personalkosten das ausmacht, aber ich vermute, mit einer klugen Kombination von Bussen, die kleinteilig jede Straßenecke erschließen und Bussen, die die weiten Strecken in großen Schritten überbrücken, ist der Kostenunterschied nicht so groß und eine Tram könnte auch diese großen Schritte anbieten, falls man vorher in die Gleise investiert.

  • Irgendwo hört es dann aber auch auf. 49 Euro für Rentner bzw. 29 Euro für Menschen die zusätzlich Grundsicherung beziehen, sind preislich unschlagbare Möglichkeiten um mobil zu bleiben. Dann auch noch die notwendigen Kapazitätserweiterungen durch S und U-Bahn Bau einzustellen, die notwendig sind um die Massen an Menschen zur Arbeit und Ausbildung zu bewegen, damit Rentner ein nostalgisches Transportmittel nutzen können, ist dann nur noch wahnsinnig.

  • "... und liegt so tief unter der Erde, dass sie nur mühsam mit Rolltreppen zu erreichen ist. Das ist physisch und psychsich eine Barriere für ältere Menschen."

    Ich hoffe stark, dass Hamburg an Rollstulfahrer denkt und Fahrstühle auf den U-Bahnhöfen einbaut.

    Immerhin leben wir im Jahr 2025.

    Die physische Barrierefällt dann schon mal weg.

    Und welche psychische Barriere sollte das sein?

    Hat der Hamburger ÖPNV so schlechte Busfahrer?

  • Für Ältere ist eine Straßenbahn sicherlich sinnvoll - im hamburgweiten Kontext ist die U5 das sinnvollste. Die Straßen sind voll genug, die U-Bahn befördert in viel kürzerer Zeit exorbitant mehr Menschen (im 90 SEKUNDEN Takt!). Sie wird unterirdisch an den wichtigsten Verkehrsachsen entlangfahren und neue Stadtteile anbinden. Wie man speziell Älteren da die Hemmungen nehmen kann - darüber muss man sicherlich nachdenken, aber das U5-Bashing ist ein wenig geschmacklos. Wir brauchen diese Linie dringend

    • @Ida-Marie Hammel:

      Und noch mehr brauchen wir die feinteilige Erschließung der Stadtteile mit der Straßenbahn ohne weite Wege zu den weitaus selteneren UßBahnhaltestellen.

  • Vielen Älteren würden generell günstigere Einzelfahrscheine mehr helfen, besonders denen mit geringer Rente, bei denen auch 49 € zu viel Geld sind.

    Das würde auch bei Autofahrern die Wechselbereitschaft - auf zweckmäßigen Fahrten - mehr fördern.

    Drei Hin- und Rückfahrten im Monat gratis wären auch eine gute Idee, aber kompliziert zu verwalten.