Hamburger U-Bahn-Bau wird teurer: Unterirdische Planung

Hamburgs U5 wird eine Milliarde teurer. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) hofft auf Geld vom Bund, die Linke will lieber eine Straßenbahn bauen.

Drei Menschen stehen am Eingang vor zwei Tunnelröhren, die linke ist beleuchtet, die rechte dunkel

U-Bahn-Röhren im Hauptbahnhof Nord: Rechts liegt die Zukunft der U5 Foto: Flor!an/Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

HAMBURG taz | Mit nur einer Gegenstimme hat Hamburgs Verkehrsausschuss am Dienstag dem Senat gestattet, mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich für den Bau der „U5-Ost“ zu verplanen. Das erste, fast sechs Kilometer lange Stück der ­U-Bahn-Linie von der Großsiedlung Steilshoop zur Bürostadt City-Nord sollte ursprünglich 1,8 Milliarden Euro kosten. Jetzt sind es 2,9 Milliarden Euro – das entspricht 475 Millionen Euro pro Kilometer.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und seine Mitarbeiter machten die Inflation und den Ukraine-Krieg für die Kostenexplosion verantwortlich. Habe man für eine Tonne Stahl ursprünglich einen Preis von 1.000 Euro kalkuliert, seien es jetzt 1.800 Euro. Neben „Basiskosten“ hätten auch neue Anforderungen und Erkenntnisse zur Preissteigerung geführt.

23 Stationen soll die U5 eines Tages mal haben und auf 24 Kilometern zum Zentrum hin und wieder weg fahren. Das würde, wenn es bei diesem Kilometerpreis bleibt, für die ganze Strecke Kosten von „elf, zwölf, vielleicht 13 Milliarden Euro“ bedeuten, rechnete die Linken-Politikerin Heike Sudmann dem Senator vor. Und sie fragte, ob denn ein „Schrecken mit Ende“ nicht besser wäre als ein „Schrecken ohne Ende“. Eine Straßenbahn zum Beispiel würde nur einen Bruchteil kosten.

Doch Tjarks will die U5 vom Bund mitfinanzieren lassen. Bis zu 75 Prozent zahlt der übers „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“, vorausgesetzt, dass der wirtschaftliche Nutzen die Kosten überwiegt. Bisher hieß es in Drucksachen, das dies die U5-Ost allein nicht erreicht. Doch Tjarks will jetzt die ganze U5-Linie vom Bund bewerten lassen und sagte, er sei „optimistisch“, eine Förderung zu bekommen. Die Summe sei besser als die einzelnen Teile.

Verkehrssenator hofft auf Geld vom Bund

Allerdings dürften die restlichen 19 Kilometer ab City-Nord Richtung Hauptbahnhof über die Universität bis hoch nach Lokstedt noch mal teurer werden. Die Autoren einer Machbarkeitsuntersuchung hatten 2019 der Stadt empfohlen, den Jungfernstieg ganz im Süden auszulassen, weil dort ohnehin schon viele Linien hinführen.

Für den Hauptbahnhof, wo die U5 an zwei alte, auf Vorrat gebaute Röhren aus den 1960ern anschließen soll, empfahlen sie, diese beiden Röhren jeweils in der Mitte mit den bereits von der Linie U2 genutzten Nachbarröhren zu einer Halle zu verbinden. Denn in den Röhren, die nur schmale drei Meter Bahnsteig haben, sei der „Platzbedarf sowohl für die Entrauchung als auch für die Entfluchtung für die zukünftig zu erwartende Fahrgastmenge äußerst kritisch zu bewerten“.

Doch um diese Baumaßnahmen sicher durchzuführen, hätte der Boden gefroren werden müssen. Das wiederum birgt das Risiko, dass sich in Folge der Ausweitung des Erdreichs die Gleise des Hauptbahnhofs oben drüber anheben. So steht es im Protokoll des Verkehrsausschusses vom Februar 2021. In der Folge entschied die Verkehrsbehörde, nun doch den Jungfernstieg anzufahren, damit der Hauptbahnhof von U5-Fahrgästen entlastet wird. Dafür muss der Jungfernsteig nach unten vertieft und die Alster in einem Bereich trockengelegt werden. „Das verursacht sehr hohe Kosten“, merkte Sudmann an.

Für den Hauptbahnhof-Nord plant die zuständige U5-Projektgesellschaft, die „Geo­metrie“ der alten Röhren gar nicht zu verändern und lediglich vier bestehende Durchgänge zwischen den genutzten und den bisher ungenutzten Bahnsteigen zu „reaktivieren“. Diese Variante allerdings wurde in der Machbarkeitsuntersuchung von 2019 verworfen.

Dieter Doege, Nahverkehrsexperte

„Die U5 wird nach der Second-Avenue-Linie in Manhattan die teuerste U-Bahn, die je gebaut wurde“

Doch laut Projektgesellschaft ist das kein Problem. So hätten Simulationen gezeigt, dass eine Personenanzahl, die einem vollbesetzten Zug plus einem Drittel wartender Fahrgäste entspricht, innerhalb der Selbstrettungszeit die Haltestelle verlassen könnte. „Es gibt bei der Planung viele Unwägbarkeiten“, sagte hingegen der Nahverkehrsexperte Dieter Doege. „Klar ist, die U5 wird nach der Second-Avenue-Linie in Manhattan die teuerste U-Bahn, die je gebaut wurde.“

Tjarks betonte im Ausschuss, dass die inflationsbedingten Preissteigerungen keinen Einfluss auf den Nutzen-Kosten-Faktor hätten. Derzeit werde für die ganze U5-Linie eine standardisierte Bewertung vorgenommen, deren Ergebnis noch im Sommer erwartet werde. Ergibt das Ergebnis einen guten Wert, will Tjarks im Herbst einen Antrag für die U5-Ost beim Bund einreichen, um noch 2023 eine Förderzusage zu bekommen.

Sudmann, die einzige Gegenstimme im Ausschuss, sah indes keine Basis dafür, dass die Bürgerschaft der Entscheidung zustimmt. „Der Senat verlangt einen Blankoscheck.“ Selbst wenn die U5 positiv bewertet werde, konkurriere sie im Bund mit fast 300 anderen Projekten für die Bundesförderung, für die nur eine Milliarde in 2023 und zwei Milliarden ab 2024 zur Verfügung stünden.

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