Scholz, Kahrs und der Cum-Ex-Skandal: Schuldig bei Verdacht?

Wie tief steckt Olaf Scholz in der Hamburger Cum-Ex-Affäre? Geraunt wird viel, doch die Unschuldsvermutung gilt auch für den Kanzler.

Olaf Scholz grinsend

Erinnerungslücken, berechtigte Fragen abgewehrt: Er hat Anteil daran, dass die Gerüchteküche kocht Foto: Kay Nietfeld/dpa

Was ist neu in der Affäre um Olaf Scholz und die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank? In einem Schließfach des früheren SPD-Politikers Johannes Kahrs wurden mehr als 200.000 Euro Bargeld gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat das Geld nicht beschlagnahmt. Es kann aus illegalen Quellen stammen – aber das ist nur eine Vermutung. Dass es etwas mit dem Cum-Ex-Deal der Warburg-Bank zu tun hat, ist ebenfalls eine Vermutung. Die dritte Spekulation ist, dass Olaf Scholz etwas mit diesem Geld zu tun haben könnte. Der frühere Linkspartei-Politiker Fabio De Masi behauptet trotzdem: „Dieses Schließfach ist Sprengstoff für den Bundeskanzler.“ Hier sitzt nicht nur die Metapher schief.

In der Affäre um Scholz und die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank wird derzeit viel nahegelegt und insinuiert. Das verhüllt, dass es derzeit nichts grundstürzend Neues gibt, das Scholz zusätzlich belastet. Die Kölner Staatsanwaltschaft vermutet, dass in der Hamburger Finanzbehörde Mails gelöscht wurden. Das muss dringend aufgeklärt werden – betrifft aber erst mal die Behörde und nicht Scholz. So wird viel geraunt und gemutmaßt. Geht es hier um Sensationsgier oder um Aufklärung?

Tatsache ist: Scholz war als Erster Bürgermeister politisch dafür verantwortlich, dass in Hamburg einer Bank erlaubt wurde, geraubtes Geld behalten zu dürfen. Das war ein gravierendes politisches Versagen. Aber das ist nicht Gegenstand der Spekulationen, die derzeit ins Kraut schießen.

Fakt ist zudem: Scholz hat 2016 den Warburg-Banker Christian Olearius getroffen. Kurz danach verzichtete die Hamburger Finanzbehörde auf die Rückzahlung von 47 Millionen Euro aus den kriminellen Cum-Ex-Geschäften. Man muss kein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um zu fragen, ob es zwischen diesen beiden Ereignissen einen Zusammenhang gab. Aber: Dies ist bisher nur eine Vermutung. Die entscheidende Frage lautet, ob Scholz der Finanzbehörde nahegelegt hat, auf die Millionen zu verzichten. Der Kanzler bestreitet das vehement. Einen Beweis, dass er lügt, gibt es nicht.

Nun ist Scholz nicht das Opfer einer medialen Kampagne. Er hat selbst gehörigen Anteil daran, dass die Gerüchteküche überkocht. Scholz hat lange hartnäckig alle berechtigten Fragen abgewehrt. Dass er sich an die Treffen mit dem Warburg-Banker nicht erinnern konnte, hat seine Glaubwürdigkeit erschüttert. Es wäre erfreulich, würde er am Freitag im Untersuchungsausschuss in Hamburg endlich weniger schmallippig auftreten.

Trotzdem: Schuldig bei Verdacht ist keine brauchbare Haltung. Auch nicht, wenn es um die mögliche Verquickung von Macht und Geld geht. Die Unschuldsvermutung gilt für alle. Auch für den Kanzler.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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