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Scheitern des Westens in AfghanistanDas Ende des Werteexports

Der Abzug der USA und ihrer Verbündeten aus Afghanistan stellt in jederlei Hinsicht eine Zäsur dar. Die Welt von morgen wird anders geordnet sein.

So lieblich kann eine Brücke sein Illustration: Katja Gendikova

O ffensichtlich ging es dem Westen in Afghanistan nicht wesentlich um wirtschaftliche oder geopolitische Interessen, wie einige Kritiker des Einsatzes gemeint haben. Sonst hätte man sich nicht so ohne Weiteres zum Rückzug entschlossen. Dass man sich bei dessen Folgen verschätzte, ist auch nicht anzunehmen. Der US-Geheimdienst ist in den Analy­sen, auf die sich jetzt alle berufen, davon ausgegangen, das bestehende Regime werde sich in Kabul nur drei bis neun Monate behaupten können.

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Der Westen hat der aufgerüsteten afghanischen Armee nicht zugetraut, sich erfolgreich gegen die Taliban zu behaupten. Die Entscheidung zum Truppenabzug war die Entscheidung, Afghanistan aufzugeben. Das hätte man kaum getan, wenn man sich den Zugriff auf die dortigen Bodenschätze hätte sichern oder das Land am Hindukusch als Bastion einer geopolitischen Kon­trolle Zentralasiens hätte ausbauen wollen.

Was aber waren dann die Motive, aus denen heraus die US-Amerikaner und Europäer über fast zwanzig Jahre hinweg riesige Geldsummen in das Land hineingepumpt, eine gewaltige Militär­präsenz aufrechterhalten und zahllose Hilfsorganisationen dort alimentiert haben? Die Terrorbekämpfung allein kann es kaum gewesen sein, denn die dortigen Al-Qaida-Basen waren schnell zerschlagen, sodass man, wäre es allein um sie gegangen, spätestens 2003 hätte abziehen können.

Zweifellos hätte man auch danach dafür sorgen müssen, dass sie nicht erneut aufgebaut werden, aber das hätte man, wie das auch in den pakistanischen Stammesgebieten der Fall war, mit einer Kombination aus Späh- und Kampfdrohnen sowie dem gelegentlichen Einsatz von Spezialkommandos sehr viel einfacher und billiger haben können. Auf diese Weise wird man wohl auch reagieren, falls sich in Afghanistan erneut international agierende Terrorgruppen etablieren sollten.

Biden folgte Trump

Letztlich bleibt bei der Motivsuche nur die Verbindung von „regime change“ und „nation building“, die dem westlichen Agieren zugrunde lag, also die politische, gesellschaftliche und mentale Umgestaltung der afghanischen Gesellschaft, die aus den Fesseln von islamistischer Ideologie und bäuerlichen Traditionen befreit werden sollte. Etwas Ähnliches hatte die Sowjetunion fast ein Jahrzehnt lang ebenfalls versucht – und war daran gescheitert.

Der erste grundsätzliche Fehler der westlichen Afghanistan-Intervention bestand darin, dass man die Gründe des sowjetischen Scheiterns nicht sorgfältig analysierte, sondern sich mit der Vorstellung begnügte, die Sowjets seien als Unterdrücker ins Land gekommen, während man selbst ja als Befreier und Helfer auftrete. Das war eine Selbstbeschreibung, die man durch die Wahrnehmung des westlichen Eingreifens seitens der Afghanen hätte ergänzen müssen – und zwar durch jene, die auf dem Land leben und sich Traditionen und Religion verbunden fühlen. Wahrscheinlich hätte man dann eine Vorstellung davon bekommen, auf was für ein Projekt man sich einließ und wie viele Jahrzehnte man veranschlagen musste, um eine Aussicht auf Erfolg zu haben.

Das war allenfalls rudimentär der Fall. Stattdessen kam es, zumal in Europa und hier insbesondere in Deutschland, zu einem Überbietungswettbewerb der Werte, die man in Afghanistan einpflanzen, und der Normen, an denen man sich dabei orientieren wollte. Wenn man schon mit Militär in die Region hineinging, dann musste das moralisch rechtfertigbar sein und entsprechende humanitäre Effekte haben.

Das passte gut mit der Vorstellung einer regelbasierten, wertgebundenen und normorientierten Weltordnung zusammen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts die politischen Vorstellungen beflügelte: Wenn man schon mit den westlichen Menschen- und Bürgerrechten nicht gegen China ankam und auch Russland sich ihnen gegenüber zunehmend widerspenstig zeigte, dann konnte man an der Peripherie dieser Machtblöcke zeigen, wie gut liberale Freiheit und wirtschaftliche Prosperität zusammengingen. Afghanistan sollte zum Musterfall, wenn nicht gar Hebel bei der globalen Verwirklichung einer regel- und wertebasierten Ordnung werden, und das erklärt die Beharrlichkeit, mit der man an dem Projekt noch festhielt, als sich immer größere Probleme bei seiner Umsetzung zeigten.

Das Ende einer wertebasierten Weltordnung

Folgt man dieser Rekonstruktion, so hat der Westen über bald zwei Jahrzehnte keine Kosten und Mühen gescheut, das Ziel einer grundlegenden Transformation der afghanischen Gesellschaft zu verfolgen. Darüber kann und darf der überstürzte und chaotische Rückzug der letzten Tage mitsamt seinen gerade in humanitärer Hinsicht verheerenden Begleiterscheinungen nicht hinwegtäuschen.

Sie ziehen zurzeit die Aufmerksamkeit auf sich, aber das langfristig Folgenreiche ist nicht nur der in jeder Hinsicht miserable Umgang mit den Ortskräften, sondern die grundsätzliche Entscheidung zum Rückzug aus Afghanistan. Der vormalige US-Präsident Trump hatte sie getroffen, aber der jetzige Präsident Biden wollte sie nicht revidieren, was er hätte tun können. Wie er selbst zum Rückzug steht, wurde in seiner jüngsten Erklärung deutlich, in der er meinte, eigentlich sei es den USA ja nur um Terrorbekämpfung gegangen, und das Vorhaben des „nation building“ sei nur eine Begleiterin dessen gewesen.

Auch unter Biden also haben sich die USA von der Vorstellung einer regel- und wertebasierten Weltordnung verabschiedet. Die Demolierung dieser Idee war kein Trump’sches Zwischenspiel, wie so mancher geglaubt hat. Sie ist definitiv. Denn die Europäer, auch das hat sich jetzt in Kabul gezeigt, sind nicht in der Lage, dieses Projekt anstelle der USA weiterzuführen. Insofern ist der Rückzug aus Afghanistan eine Zäsur von globaler Bedeutung. Der Rückzug des Westens, des Militärs und der Hilfsorganisationen ist nicht nur einer aus dem Land am Hindukusch, sondern auch ein Abschied von der globalen Ordnungsidee, die weiter zu verfolgen zu teuer kommt und zu viele Kräfte bindet.

Mit dem Historiker Paul Kennedy kann man das als ein Herausschlüpfen der USA aus der Falle des „imperial overstretch“ beschreiben. Oder grundsätzlicher: Eine Weltordnung, die zu ihrem Funktionieren auf einen „Hüter“ angewiesen ist, steht nun ohne Hüter da. Die Vereinten Nationen sind dafür zu schwach, zumal sie in allen wichtigen Fragen politisch gelähmt sind. Die USA fühlen sich damit überfordert; und China, von dem einige erwartet haben, dass es diese Aufgabe übernehmen würde, ist erkennbar zu umsichtig, um sich auf ein solches Projekt einzulassen.

Keine Werteorientierung in China und Russland

Zweifelsohne gibt es geopolitische Gewinner des westlichen Scheiterns in Afghanistan. China und Russland sind hier als erste zu nennen, wenngleich für sie mit der Verabschiedung des Westens aus der Region auch Risiken verbunden sind. Pakistan und Iran sind Anwärter auf einen hegemonialen Machtgewinn. Es ist wahrscheinlich, dass das zu neuen Konflikten führt, über die sich indes nur spekulieren lässt. Was man jetzt aber schon konstatieren kann, sind Kompromisslinien zwischen China bzw. Russland zu den in Afghanistan siegreichen Taliban.

Diese mischen sich nicht in das Uigurenproblem der Chinesen ein und unterstützen auch keine Offensive islamistischer Akteure in die einst der Sowjetunion zugehörigen zentralasiatischen Republiken. Dafür kooperieren Russen und Chinesen mit den Taliban in wirtschaftlicher Hinsicht. Darauf sind diese dringend angewiesen. Russland und China verzichten aber auf einen menschen- und bürgerrechtlichen Werteexport und lassen die Taliban ungestört ihr Emirat errichten. Das dürfte der Modus Vivendi sein, mit dem in nächster Zeit am Hindukusch zu rechnen ist.

Zum Verzicht des Westens auf die globale Durchsetzung einer an seinen Vorstellungen orien­tierten Weltordnung kommt also noch der Umstand hinzu, dass seine Konkurrenten und Kontrahenten, China und Russland, aufgrund ihrer Werteindifferenz nach außen für viele Regime, seien sie nun eher autoritär oder stärker ideologisch ausgerichtet, die attraktiveren Bündnispartner darstellen. Der Westen ist durch seine Werteorientierung in doppelter Hinsicht im Nachteil.

Zunächst, weil viele auf Distanz bleiben, da sie den damit verbundenen Erwartungen nicht folgen wollen, und sodann, weil die werteorientierten Vorhaben des „nation building“ ausgesprochen aufwendig sind, gewaltigen Ressourceneinsatz erfordern und leicht angreifbar und zu zerstören sind. Das haben zuletzt nicht nur Libyen und der Irak, sondern insbesondere auch Afghanistan gezeigt. Man wird davon ausgehen müssen, dass die Ära des Werteexports zu Ende ist. Die Erwartungen in eine regelbasierte globale Ordnung lassen sich nur noch unter Minimalbedingungen aufrechterhalten.

Ein Regime der Einflusszonen

Was heißt das? Ohne das Vorhandensein eines Hüters der Ordnung, der sich um die Verwirklichung der Werte kümmert und für die Einhaltung der Regeln sorgt, wird sich die weltpolitische Ordnung schnell verändern. Es dürfte ein Regime der Einflusszonen entstehen, in dem die USA und China, Russland und Indien sowie die Europäische Union, sofern sie handlungsfähiger wird, als Akteure auftreten. Der neuralgische Punkt dieser Ordnung werden die Überschneidungszonen und Zwischenräume der Einflusszonen sein sowie die Territorien, an denen keiner der großen Akteure interessiert ist, weswegen er sich weder um deren politische Stabilität noch wirtschaftliche Pros­perität sorgt.

Parallel dazu werden die Nichtregierungsorganisationen, die als Wertebeobachter und Normverwalter auftreten, an Bedeutung und Einfluss verlieren, jedenfalls in globalen Fragen. Innerhalb des eigenen, in diesem Fall westlichen Einflussgebiets werden sie indes weiter hinreichend zu tun haben. Das Problem der Proliferation von Atomwaffen wird wieder eine stärkere Rolle spielen, weil sich viele, die bislang auf die von den USA bereitgehaltenen Schutzschirme vertraut haben, nunmehr fragen, ob sie sich darauf dauerhaft verlassen können. Auch darin dürfte Afghanistan eine Zäsur darstellen.

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52 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Danke an taz Leser Thomas, er hat eine sehr angenehme Stimme und macht den Vorlese-Job sehr professionell, großes Lob!



    Zu Afghanistan äußere ich mich jetzt nicht, da mein Blutdruck gerade optimale ist.

  • Das Problem, dass wir mit unseren Wertevorstellungen als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit das chinesische Regime stärken, ist sowohl in Afrika als auch in Asien und der Pazifikregion zu sehen. China macht viele Staaten bewusst finanziell abhängig - ohne danach zu fragen, was mit dem Geld anschließend geschieht, ohne moralische Belehrungen von angeblich besser Wissenden und ohne bürokratische Anforderungen, sprich öffentliche Ausschreibungen und Verwendungsnachweise.



    Afghanistan ist nicht wirklich ein Problem für den Westen, China und die chinesische Politik des finanziell abhängig machens von ganzen Regionen sind dagegen ein massiv unterschätztes Problem hier im Westen.

  • "Eine Weltordnung, die zu ihrem Funktionieren auf einen „Hüter“ angewiesen ist, steht nun ohne Hüter da":



    Ich kann nur sagen, gottseidank und endlich! Wollen wir nun mündige unabhängige Länder sein, oder doch lieber nur Zöglinge bleiben?!



    "Verzicht des Westens auf die globale Durchsetzung einer an seinen Vorstellungen orien­tierten Weltordnung":



    Endlich scheint die Zeit der Kolonialmächte allmählich zu Ende zu gehen!

  • Es geht nicht um Westen, es geht um Nato als Teil Westens, vom Verteidigungsbündnis seit 1949 im Kalten Krieg gegen UdSSR nach Implosion der Blöcke 1989-91 in einer befreiten Welt mit neuen Optionen auf militärische, wirtschaftliche Assoziationen, in der die USA nicht mehr Land ungeahnter Möglichkeiten sind sondern die ganze Welt, Nato über seine Mitgliedsstaaten zum Kontrollbündnis zu machen, zu wissen, wer was in welchen Ländern an Projekten in der Röhre hat wie Türkei Streben nach Remake 1919 untergegangenen Osmanischen Reiches, Deutschlands Nordstream II, Sonderweg mit Moskau an EU, Nato vorbei, diese zu stoppen, zu verschleppen, wenn das nicht gelingt, sich auf Strategie US Präsident Richard Nixons im Vietnamkrieg 1970 zu verlegen "Mad Man Government" an seinen Sicherheitsberater Henry Kissinger zu adressieren (Greg Grandin Buch 2016: „Kissingers langer Schatten“) über US Außenpolitik Nimbus der Unberechenbarkeit zu verbreiten bis hin zu atomarem Erstschlag aus nichtigem Anlass, Feinde wie Partner in Duldungsstarre versetzt im angestrebten Sinne gefügig zu stimmen, als letzten Ausweg Nato out of Area Projekte wie Afghanistaneinsatz i2001 nach Nine Eleven zu starten, Ausnahmezustände nach innen, außen zu aktivieren, Nato Kontrolle durch gegenseitige Einflussnahme zu zementieren. Alles geheim unter Rubrik "Globale Außenpolitik" zu verharren, dabei 82 Millionen Geflüchtete inner-, außerhalb ihrer Ländern, lt. UNHCR Bericht 2020, 240 Millionen Arbeitsmigranten*nnen mit ungesichertem Status ungerührt in Kauf zu nehmen.



    Insofern ist es n. m. E. keine Zäsur, wenn Nato sich beim Kriegsschauplatz Hopping aus Afghanistan 2021 zurückzieht, sondern Bestätigung der Anlässe Nato Existenz 2.0. Denn geballter Terrorismus aus unterschiedlich regionalem Streben findet heute international durch private Söldnerarmeen besetzt, mittenmang Militär Berater verschiedener Länder wie USA, GUS, England, Frankreich, Deutschland in Mali, RD Kongo in sog. Stabilisierungsmissionen statt.

  • Ein wirklich guter Artikel, der das ganze Afghanistan-Dilemma gut umschreibt. Da ist auch die ARTE-Doku "Afghanistan - das verwundete Land" sehr aufschlussreich.



    Vielleicht das Hauptproblem - in überwiegend islamisch geprägten patriachalisch regierten/nicht-regierten Ländern funktioniert das Nation-Buildung nach dem Motto "am westlichen Wesen soll die Welt genesen" eben nicht - man kann das Nachkriegs-Deutschland oder -Japan nicht mit Afghanistan oder dem Irak vergleichen. Daran ist aber nicht nur der Westen schuld - sondern eben auch und in erster Linie die Bewohner.



    Und noch eine Anmerkung: Auch die nun so hoch geschätzten "Ortskräfte" haben oft nicht nur aus Überzeugung für die westlichen Werte als Ortskräfte gearbeitet - sondern vor allem auch wegen des zum Teil "westlichen Lohnes" und den Einflußmöglichkeiten und vielen anderen Gründen, z.B. das Land verlassen zu können. Und davon haben vor allem die Afghanen in Kabul profitiert - aber kaum jemand auf dem Lande. Daher durfte man sich nie wundern dass der Gegensatz Stadt - Land so groß gewesen ist.

  • Großes Kompliment an den Autor und die TAZ. Solch einen Artikel hätte ich hier nie erwartet.



    Und es wird spannend welche Konsequenzen gerade die Moral- und Wertapostel bei uns in DE und der EU insgesamt daraus ziehen werden. Wie wollen wir zukünftig vorgehen wenn in einem Land die Werte nicht auf unserem Niveau sind, ggfs. sogar durch mehr oder weniger legal an die Macht gekommene Kräfte aus unserer Sicht reduziert werden? Durch Gesetze die uns nicht gefallen, oder im schlimmsten Fall sogar mit Waffengewalt gegenüber der eigenen Bevölkerung.



    Die Gelegenheit zur Kritik, insbesondere der USA, ist jetzt noch einmal gegeben. Aber sie haben uns ja jetzt sehr deutlich gezeigt das sie uns kaum noch als relevanten Partner sehen. Besserwisser mag keiner auf Dauer. Gegen etwas oder jemanden zu sein ist einfach. Aber zukünftig muss gerade die Linke, aber am Ende wir alle anfangen realistische Handlungsoptionen für solche Situationen zu formulieren. In der Verzweiflung zu verharren und Ideale zu beschreiben sind keine. Direkte und indirekte militärische Intervention / Unterstützung, wirtschaftliche & finanzielle Sanktionen, .... Mittels Lieferkettengesetz Unternehmen dazu verpflichten unsere Werte in anderen Ländern umzusetzen? Bis wann redet man noch mit nicht genehmen Regierungen? Den Königsweg gibt es nicht. Also gibt es nur 2 Optionen: Handeln, auch auf die Gefahr hin falsch zu handeln, oder selbstgefällig schlaue Kommentare von sich zu geben.



    Wollen wir mitspielen auf der Weltbühne, die nicht mehr auf UdSSR & "Friends" vs. USA & "Friends" reduziert ist? Unsere Werte als DE und EU offensiv vertreten? Auch wenn es einmal unangenehm wird.



    Aber das gilt ja schon im kleinen, vor Ort. Etwas zu unternehmen, etwas zu schaffen ist die Herausforderung.



    Ob es um CO2 Reduktion, leben auf Pump oder Wertepolitik geht.

  • Die Bundesregierung hatte Trump mit seinem 'America First' wohl falsch verstanden-

  • Hat mal jemand darüber nachgedacht, dass die NATO in Afghanistan vielleicht einfach nur versucht hat, ihr gegebenes Wort zu halten?

    2001 war klar, dass Al Quaeda mit Afghanistan eine Basis hatte, die ihre terroristischen Möglichkeiten multiplizierte - Terroristen, die sich nirgends frei bewegen können, ver(sch)wenden ihre meiste Zeit, um Logistik und Kommunikation am Laufen zu halten, ohne erwischt zu werden. Deshalb wurden die Warlords der Nordallianz hochgerüstet und logistisch unterstützt, damit sie die Taliban stürzen und bin Laden seine Basis wegnehmen konnten. Aber Karsai, Abdullah & C.o. haben natürlich gewusst, dass sie allein das Land nicht gegen eine Gegenoffensive der Taliban würden halten können. Also haben sie von ihren Unterstützern Zusicherungen verlangt und die - wieder im Tausch gegen westlichen Einfluss beim Wiederaufbau - auch erhalten.

    Die Geschichte des "Nation Building" zeigt, dass solche Aktivitäten immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein können. Fällt die mitgebrachte neue Werteordnung auf fruchtbaren Boden (so wie nach meinem Dafürhalten bislang nur in Japan und dem geschlagenen Nazireich), kann sie sich aus eigener Kraft nachhaltig etablieren. Meistens ist das aber gründlich in die Hose gegangen und hat nur ein autokratisches Regime durch ein neues ersetzt - egal ob die "Nation Builder" Kapitalisten oder Kommunisten waren. Das war 2001 in Washington, Brüssel, London, Berlin etc. bekannt. Deshalb hat man in Afghanistan mit dem gearbeitet, was an politischen Kräften da war, und nicht versucht, neue aus dem Boden zu stampfen.

    Ich weiß nicht, weilche Zusicherungen die Nordallierten damals genau bekommen haben - möglicherweise eine 10-Jahres-Garantie, die vor zehn Jahren erneuert wurde, weil man sich damals noch, wenn auch sicher nicht am Ziel, so doch auf einem guten Weg sah. Aber aus meiner Sicht war immer klar, dass ein Scheitern der Bemühungen immer im Raum stand und auch niemand meinte, der Westen könne es verhindern, wenn es passiert.

  • Der sog. "Werteexport" des "Westens" bestand in Drohnen, Bomben und Raketen. Und in der Zusammenarbeit mit verbrecherischen korrupten Warlords, die ihr Geld mit Drogenhandel verdienen. Er bestand vorrangig darin, Rache zu nehmen und ein ganzes Land in Geiselhaft zu nehmen, aus diesem Land einen Truppenübungsplatz zu machen und der NATO einen neuen Zweck zu geben. Er bestand darin, die Drohnenmorde als Mittel der Auseinandersetzung gesellschaftsfähig zu machen, zu etablieren und zu perfektionieren und der ganzen Welt zu zeigen, dass Feinde nirgends sicher sind - zumindest wenn sie auf der eigenen Feindesliste stehen. Angeführt von einem Land, das den Internationalen Strafgerichtshof nach Kräften bekämpft, Abu Ghraib und Guantanamo und weltweit Foltercamps zu verantworten hat.

    Nun ist das leider nur brutale Besatzung und schlecht schönzureden, doch im 21. Jhdt zeigt der "Westen" in solchen Fällen gern eine wohlklingende Rechtfertigung vor. Also wurde der Rachefeldzug/die Kampagne garniert mit humanitären Aktionen durch einen Tross an NGOs, die sich über die Gelegenheit und Einnahmen freuten und den Rahmen ignorierten oder nicht verstanden, dass sie nur als Alibi in diesem nicht erklärten Krieg missbraucht wurden. Vielleicht verstehen sie es jetzt.

    Zumindest einige, und viele Außenstehende, haben das jetzt verstanden, die sich bisher vom Framing und der Propaganda haben einlullen lassen. Denn wie wichtig dem "Westen" aka NATO ihre Unterstützer vor Ort und was die so gemacht haben wirklich waren, konnte die ganze Welt gut beim Abzug der Besatzer beobachten und zog Schlüsse daraus. Nur deswegen wurden ungeplant und nachträglich noch einige rausgeholt, das Werteexport-Framing war in Gefahr, sich völlig in Luft aufzulösen. Deswegen ist jetzt auch so viel die Rede davon - es muss aufrecht erhalten werden, um kommende Kriegseinsätze hübsch zu verpacken.

    Parallel dazu die zunehmende Aggressivität gegenüber China und, mittlerweile auf Platz 2 der Feindesliste, Russland.

    • @uvw:

      "Und in der Zusammenarbeit mit verbrecherischen korrupten Warlords, die ihr Geld mit Drogenhandel verdienen."

      Das stimmt, die Warlords sind korrupt und finanzieren sich teilweise mit Dorgenhandel. Allerdings finanzieren sich auch die Taliban hauptsächlich aus dem Drogenanbau und -handel. Das ist (leider) die einfachste Art viel Geld zu verdienen.

    • @uvw:

      Der Großteil der Afghanen ist unter 20 Jahre alt. Der Großteil der Afghanen - zumindest in Großstädten -durfte also erleben, wie Mädchen in die Schule gehen, Hobbies nachgehen und als Erwachsene arbeiten dürfen, statt wie unter den Taliban als Sklavinnen gehalten zu werden.



      Zu sagen, dass es nur brutale Besatzung war, zeugt von extremer Menschenfeindlichkeit aufgrund tiefsitzender Ressentiments gegenüber Transatlantikern. Die Afghanen sind für Sie mehr Schachfiguren als sie es für die NATO-"Besatzer" waren. Eine ganze Generation, die einen Großteil des Landes ausmacht, durfte ein besseres Leben kennenlernen. Auch wenn es nicht lange gewährt hat und nie für die Ewigkeit bestimmt war.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich glaube die Menschenrechte sind universell, ich glaube die Lektion aus dem zweiten Weltkrieg und dem Horror der Nazi Herrschaft muss sein die Demokratie zu verbreiten und die Autokraten weltweit zurückzudrängen. Die Amerikaner können das nicht die sind zu sehr abhängig von ihren Saudischen Verbündeten die die hasserfüllte Ideologie des Islamismus in alle Welt tragen. Europa muss militärisch autark werden und es muss ein Mentalitätwechsel einsetzen das es das Wert ist 100 Jahre in Ländern wie Afghanistan zu bleiben und zu kämpfen um den Menschen dort Demokratie zu bringen und ein Leben in Würde zu ermöglichen und ja das kostet Geld und Blut.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @83379 (Profil gelöscht):

      Warum in die Ferne schweifen? In Syrien gäbe es genug zu tun.



      Dann kann man sich langsam vorarbeiten.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Außenpolitische Nullzinspolitik

  • Der Westen -



    Die Werte -



    Der Kolonialismus.



    Wissen Sie wie Stammeskriege stattfinden? Haben Sie schon mal in der nichtwestlichen Welt länger gelebt, geforscht oder teilgenommen?



    Ich würde sagen, es ist ein großer Unterschied, das Vorgehen der NATO und der westlichen Staaten nach innen als inkonsequent zu bezeichnen, als nicht genügend gerecht oder als grundlegend unmenschlich.



    Die antiwestlichen Gruppen können sich auch verbünden:



    die Anastasia-Siedler, der Kreml, die Nazis, die PFLP und Al-Qaida und das iranische Regime. Sie sind so wissenschaftsfeindlich und antimodern wie die Taliban.



    Alle Menschen haben in Brasilien von der Moderne profitiert. Die dortige Gewalt ist eine Form der Inkonsequenz.

  • Datt is aba auch ärgerlich,



    weder der Essayist, noch die Kommentatoren können einen der üblichen Gründe für die Anwesenheit der Truppen finden.



    Keine Ausbeutung der Bodenschätze oder Menschen. Keine Koloniebildung.

    Vielleicht ist es viel simpler. Es wurde versucht, militärische Kontrolle (auf einem niedrigeren Niveau) zu halten, und dafür der Bevölkerung zu helfen. Das dabei auf westliche Werte gesetzt wurden, sollte niemand verwundern. Sonst wäre es ja auch eine Aneignung fremder Werte gewesen.



    Die Umsetzung hat wohl auch in einigen Städten und bestimmten Schichten geklappt.



    Aber man hat die Augen verschlossen vor allen anderen Bereichen und der Korruption etc. Zur Begründung des Einsatzes im eigenen Land kann man halt nur positive Sichten gebrauchen.

    Der Rückzug ist dann zwangsläufig. Ob man es als großes Scheitern sehen muss, sei dahingestellt, schliesslich hat es nie ernsthaft das ganze Land betroffen.

    So ist es doch positiv für alle, der "Westen" braucht sich nicht mehr zu engagieren und Tote zu beklagen, der Osten und Norden kann neue Einflussgebiete gewinnen, lokale Kräfte können sich auf ihrer Identität besinnen, ohne Fremdbestimmung.

  • Vielen Dank fuer die interessante aber nach meiner Meinung falsche Analyse. Die Analyse ist falsch, weil sie auf Annahmen aufbaut, die nicht zutreffen.

    Wir sollten aufhören von Werteexport zu reden und zu schreiben, wenn dies nur offizielle Politpropaganda ist.

    Als ich 2002 in Afghanistan war, um Projekte fϋr die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu identifizieren, habe ich Herat im Westen von Afghanistan besucht und mit Herrn Ismael Khan gesprochen. Herr Khan war damals offizieller Gouverneur der Provinz und ehemaliger “Warlord”.

    Menschen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen in Herat hatten Angst mit mir ϋber die Situation zu sprechen, da dies an Herrn Khan weitergeleitet wϋrde und ein falsches Wort den Tod bedeuten könnte. Die einzige Gelegenheit fϋr ein offenes Gespräch war im Auto, wenn kein Fahrer und keine andere Person anwesend waren.

    Ich traf Herrn Khan und kritisierte, dass ihn die Ratschläge seines Gesundheitsdirektors der Provinz offensichtlich nicht interessierten. Anschliessend sagten mir meine Afghanischen KollegInnen, dass ich froh sein könnte, ein ausländischer Besucher zu sein. Ansonsten wäre ich morgen tot.

    Deshalb kann ich diese Erfahrung nur mit dem Englischen Sprichwort zusammenfassen “With friendly allies like these who needs enemies?”



    Falls dies die Strategie des sogenannten “Westens” war, um Demokratie, Menschen- und Frauenrechte in Afghanistan zu verteidigen, muss niemand ϋberrascht sein, wenn es mit einem politischen und militärischen Disaster endet.

    • @Reinhard Huss:

      "Ich traf Herrn Khan und kritisierte, dass ihn die Ratschläge seines Gesundheitsdirektors der Provinz offensichtlich nicht interessierten."

      Sie sind ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten in Afghanistan aufgetreten wie die alles besser wissenden Kolonialisten im späten 19. Jahrhundert ... und wundern sich, dass Ihr "Rat" bei den Afghanen zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr wieder raus ging?

    • @Reinhard Huss:

      1. Frage: Was war die Alternative zu Herrn Khan? Hätte man den effektiv durch ein kontruktives Misstrauensvotum o. ä. beseitigen können, oder wäre nicht der einzige realistische Weg gewesen, einfach nur wieder Schlächter gegen Schlächter auszutauschen?

      2. Frage: Welche Regierung hat eigentlich je behauptet, der Einsatz in Afghanistan habe immer primär darauf abgezielt, aus dem Land mithilfe solch feiner Menschen wie Herrn Khan ein liberal-demokratisches Paradies nach westlichem Wunschtraum zu machen - und man würde das ganz sicher auch hinkriegen? Ich kann mich eher an "Wir tun unser Bestes (und wissen nicht, ob das reichen wird)." erinnern.

      Hauptziel war 2001 doch ganz klar, die Staatsmacht, die Al Quaeda einen sicheren Hafen bot, gegen eine zu tauschen, die stattdessen die systematische Jagd auf Al Quaeda ermöglichte. Und die brauchte auch nach der Machtübernahme weiter westliche Unterstützung dabei, das Land unter Kontrolle zu halten und den Menschen das Gefühl zu geben, dass es ihnen besser geht. Der Westen hat diese Hilfe - nach SEINEN Vorstellungen, was für ein Staat da gebaut werden sollte - geleistet, bis er nicht mehr umhin konnte, die Situation zu einem Fass ohne Boden zu erklären. So sieht das aus meiner Sicht aus.

      Ihr - sehr eindrückliches - Erlebnis zeigt, welcher Wind den Helfern mit und ohne Uniform in Afghanistan dabei immer schon entgegenwehte. Aber niemand in politischer Verantwortung hat das meines Wissens je aktiv geleugnet - außer vielleicht Karsai & Co., aber denen hat es doch hierzulande nie jemand geglaubt - außer vielleicht Unbeteiligten, die damals die Ansprüche raufgeschraubt haben und jetzt am lautesten schreien, weil sie nicht erfüllt wurden...

    • @Reinhard Huss:

      Ich habe leider nicht verstanden, warum wegen dieser Erfahrung, die Sie gemacht haben, die Analyse Herrn Münklers falsch sein soll.

      Die Episode zeigt vielmehr, woran der Werteexport scheiterte.

    • RS
      Ria Sauter
      @Reinhard Huss:

      Danke für diesen Einblick in die Wirklic hkeit!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Stattdessen kam es, zumal in Europa und hier insbesondere in Deutschland, zu einem Überbietungswettbewerb der Werte, die man in Afghanistan einpflanzen, und der Normen, an denen man sich dabei orientieren wollte.""

    ""Russland und China verzichten aber auf einen menschen- und bürgerrechtlichen Werteexport und lassen die Taliban ungestört ihr Emirat errichten.""

    ==

    Der Rückzug des Westens bedeutet auch das er den Taliban erlaubt Ihr Emirat zu errichten - wobei dieser Umstand auf die Ereignisse des sowjetischen Einmarsches im Jahr 1979/1980 hinweist:



    Die russischen Truppen inklusive Geheimdienst entfernten alle religiös orientierten - konservativ orientierten Kräfte aus dem politisch - öffentlichen Leben und aus dem Schuldienst - die sind nie wider aufgetaucht - und diese Ereignisse haben wohl mit dazu beigetragen das die Mujahedin eine entscheidende Kraft in Afghanistan werden konnten.

    Das ist bei den Amerikanern anders gelaufen - ehemalige Häftlinge aus Guantanamo sitzen jetzt in der sich formierenden Taliban - Junta -



    siehe Mohammed Nabi Omari, der jetzt Governeur in Khost ist. Er wurde 2014 nach 12 Jahren aus der Haft entlassen.

  • Eine "Ära des Werteexports" hat es in meinen Augen nie bzw. nur auf dem Zeitungspapier gegeben. Mir ist zumindest keine militärische Intervention der USA nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt, die sich auch nur einigermaßen mit der Verteidigung von Werten oder Menschenrechten begründen lässt.

    Das gilt auch für Afghanistan. Wenn ich mich recht erinnere, wurde der Einsatz wenige Stunden nach dem Anschlag am 11. September verkündet, eine Kurzschlussreaktion, völlig unvorbereitet, und so ging's dann ja auch zu Ende...

    Dass die USA nicht schon 2003 wieder abgezogen sind, um sich voll auf ihr eigentliches Ziel und Interessengebiet, den Irak, zu konzentrieren, lässt sich am besten mit dem alten Macchiavelli-Satz erklären: Man kann einen Krieg beginnen, aber niemals beenden, wann man will.

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @Totti:

      ""Wenn ich mich recht erinnere ....""



      ===



      Einen Tag nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 verabschiedete der Sicherheitsrat der UN die Resolution 1368.

      Diese Resolution verurteilte die Ereignisse vom 11. September 2001 als grauenhafte Terroranschläge und als Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit. Die Resolution bekräftigt das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung und bestätigt die Notwendigkeit, alle erforderlichen Schritte gegen zukünftige Bedrohungen zu unternehmen. Am 14. September 2001 verabschiedeten dann beide Kammern des Kongresses der USA das Gesetz "Authorization for Use of Military Force Against Terrorists". US-Präsident George W. Bush und der Kongress unterzeichneten es am 18. September 2001.

      Ohne Fakten findet weder eine Diskussion statt - noch gibt es für diesen Fall eine Chance auf Aufklärung ...........

  • Ein Regime der Einflusszonen klingt nach 1984 :-(

  • Wenn von überlegenen Werten (des Westens) die Rede ist, klingt das doch sehr nach einem globalen Kulturkampf, der in diesem Fall auf dem Rücken der Afghanen ausgetragen wurde … Samuel P. Huntington (“clash of civilisations”) lässt grüßen.

  • "Offensichtlich ging es dem Westen in Afghanistan nicht wesentlich um wirtschaftliche oder geopolitische Interessen, wie einige Kritiker des Einsatzes gemeint haben. Sonst hätte man sich nicht so ohne Weiteres zum Rückzug entschlossen."

    Der Einmarsch in Afghanistan ist 20 Jahre her. Seitdem hat sich einiges getan in Hinblick auf die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

    "Einige Kritiker" könnten durchaus anführen, daß sich dadurch der Wert Afghanistans (sowie anderer Staaten, die fossile Brennstoffe entweder fördern oder als Transitland gelten) in geopolitischer Hinsicht stark reduziert hat.

  • "Offensichtlich ging es dem Westen in Afghanistan nicht wesentlich um wirtschaftliche oder geopolitische Interessen, wie einige Kritiker des Einsatzes gemeint haben. Sonst hätte man sich nicht so ohne Weiteres zum Rückzug entschlossen."

    Wirklich? Man brauchte halt einen guten Vorwand um die fortgesetzte Existenz der NATO zu rechtfertigen und Trillionen von Dollar aus der öffentlichen Hand auf die Konten der Waffenindustrie zu transferieren. Da kam der islamistische Terrorismus als Feindbild gerade recht. Inzwischen hat man sich aber auf China als neues Feindbild festgelegt und der Krieg gegen den Terror wurde damit als Rechtfertigungsgrundlage obsolet.

    Aber vielleicht bin ich da auch zu zynisch und wir haben wirklich Politiker die naiv genug sind zu glauben man könnte mittels Folter und Drohnenmorden für eine bessere Menschenrechtslage in Afghanistan sorgen könnte. Wer's glaubt wird selig...

    • @Tobsen:

      Trillionen?



      In Europa ist der Umsatz mit Militärgerät doch längst kein ökonomischer Faktor mehr. Die BRD kauft für einen kleinen einstelligen Milliardenbetrag jährlich militärisches Gerät. Gilt für alle anderen EU Staaten auch. Selbst in den USA ist es keine 1 Billionen / Jahr. Bis zur Trillionen gehen also noch ein paar 100 Jahre ins Land.



      Und wenn sie analysieren wo in den USA die entsprechenden Firmen und die großen Stützpunkte der Army angesiedelt sind wird ihnen auch klar das das längst auch ein riesen Arbeitsplatzsicherungsprogramm für strukturschwache Gebieten ist.



      Lassen sie doch einfach mal die Ideologie beiseite und arbeiten mit Fakten. Dann, und nur dann kann man Handlungsoptionen ableiten.

      • @Sputnik-HH:

        Sorry, ich habe immer Schwierigkeiten mit dem Hin- und Herrechnen zwischen amerikanischer und deutscher Zählweise. Nach letzterer sind es in den USA zwischen 2004 und 2020 wohl "nur" ca. 12 Billionen Dollar für Militärausgaben gewesen. In der amerikanischen Zählweise entspricht das 12 trillion.



        (Quelle: de.statista.com/st...ausgaben-der-usa/)

        Aber ist die genaue Zahl hier wirklich entscheidend? Mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit für lokale Arbeitsplätze scheinen Sie ja indirekt einzuräumen dass es hier primär um Krieg als Geschäft geht und nicht unbedingt um einen selbstlosen "Werteexport", oder?

    • @Tobsen:

      Ich bezweifle, dass die Existenz der NATO gefährdet gewesen wäre, wenn niemand in Afghanistan einmarschiert wäre.

      Nun ist islamistischer Terrorismus ja nicht nur ein Feindbild, sondern sehr real.

      Da soll es z. B. mal in einer großem Staat in den USA zwei Hochhäuser gegeben haben ...

      Ja, vielleicht sind Sie wirklich zu zynisch.

      Zynismus verleitet einen dazu, unpassende Fakten wehzulassen.

      • @rero:

        Nun ja wenn es zu lange keinen klar definierten Feind gibt, dann besteht schon die Möglichkeit, dass die Notwendigkeit eines Kriegsbündnisses irgendwann mal in Frage gestellt wird.

        Weshalb sich die NATO ja sehr schnell nach dem Ende des Kalten Kriegs - und nicht erst nach 9/11 - auf den Islam als neues Feindbild eingeschossen hat.

        Ich sage nicht, dass es keinen islamistischen Terrorismus geben würde oder dass dieser keine Gefahr sei. Ich sage wer einen Hammer schwingt, für den sieht jedes Problem aus wie ein Nagel. Und wo das hinführt sehen wir ja dieser Tage.

  • Münkler bringt schärfer zum Ausdruck was sämtliche Politikberater der SWP wie aus dem Automat ausspucken.



    Das ist die Selbstabschaffung des Westens und der Aufklärung.



    Doch Menschenrechte sind nicht westlich. Gelten sie nicht global, so gelten sie nirgends.



    Kampf für die Bürgerrechte und Freiheit ist kein Kolonialismus.



    Immer die demokratie-interessierten Menschen unterstützen gegen die Angreifer.



    Nie sich zurückziehen, denn wo ist das Zurück, in dem es kein Außen gäbe? Die Welt ist rund.

  • Ich würde die Rolle der Amerikaner bei der Verbreitung von Westkultur weniger in den Vordergrund rücken, dafür mehr in Frage stellen. Dazu muß man die eigene Position entsprechend profilieren, das können wir in Europa nicht. Das bedeutet wir haben Nachbesserungsbedarf, nicht die Amerikaner. Die können weiter von einem Fettnäpfchen ins andere treten und glauben, damit die Chefrolle übernehmen zu müssen. Selbst schuld, wer bei einem solchen Spiel mitmacht.

  • "... genügen unseren eigenen Werten bei weitem nicht."

    Eine stark religiöse protestantisch christliche Sichtweise, die den Menschen immer als unzureichend, "schlecht" ansieht.

    Deshalb aber gleich die universellen Menschenrechte als die "unsrigen" zu bezeichnen is schon irgendwie krass.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Afghanistan ist das Ende von Nation Building und Werteexport des Westens.

    In Zukunft müssen wir schauen das unsere Werte nicht selber durch eine steigende Zahl von Diktaturen - die auch noch zusammenarbeiten - unter die Räder kommen.

  • Werte? "wir", die so überlegenen, genügen unseren eigenen Werten bei weitem nicht.

    Ab Ghraib. Guantanamo. Waterboarding. Das tägliche Ertrinken im Mittelmeer (und, als besonders zynisches Sahnehäubchen: das Kriminalisieren derer, die zu helfen versuchen). Armut in den reichsten Ländern.

    Nein, solange "wir" unsere "Werte" so leben haben wir leider wenig zu exportieren.

    • @tomás zerolo:

      Es ist auch total arrogant mit unserem westlichen Selbstbild, Russen, Chinesen und einigen anderen, Werte abzusprechen. Der Kern unserer westlichen Werte ist der Profit, sich auf den Rücken anderer zu bereichern. Das hat im 16'ten Jahrhundert angefangen als im großen Maßstab Kolonien ausgeplündert wurden, und setzt sich noch heute fort, wenn Kriege für die Rüstung's Lobby geführt werden, wie vermutlich in Afghanistan. Das hat Spuren im kollektiven Gedächtnis ganzer Nationen hinterlassen. Kein Wunder setzen die sich massiv zu Wehr, weil die Geschichte ja genug Beispiele aufzeigt was unsere westlichen Werte angerichtet haben.

    • @tomás zerolo:

      Natürlich haben wir Werte, für die es zu kämpfen lohnt. Und während Sie in Ihrem Kämmerlein von der perfekten Welt träumen und sich überlegen fühlen können (von Überlegenheit ist im Artikel übrigens nichts zu lesen. In wessen Hirn das wohl herumschwappt?), bemühen sich westliche NGOs, die in autoritären Staaten kaum noch geduldet werden, um Kompromisse, auch wenn die wahrscheinlich nicht Ihren persönlichen Ansprüchen genügen.

    • @tomás zerolo:

      Werte?

      Welche Wertetruppe vertreten Sie? Nur offen und mit Namen raus damit. Wenn Sie was besseres auf Lager haben als die liberalen Demokratien, dann nur raus damit. Aber bitte keine nicht existierenden Luftschlösser.

  • Der Werteexport ist am Ende. Der Werteimport geht jedoch weiter, wie auch Robert Habeck angemerkt hat:



    www.welt.de/politi...schinen-sitzt.html

  • Früher nannte man das Imperialismus,



    es hat auch Ähnlichkeit mit Kolonialismus. Wir der Westen wissen wie es besser für euch wird!



    Es reicht nicht die Standbilder umzustürzen. Die Idee muss fallen.



    Von daher Chapeau!

  • „Ich denke es ist erst der Anfang des Werteexports und Nation Building, was heißt, Staaten der Dritten Welt in das 21te Jahrhundert zu holen. Es geht ja auch nicht anders, soll die Erde für den Menschen bewohnbar bleiben.“



    Das ist Angesichts einer Welt, die durch kapitalistische Prinzipien, und das sind die Werte die hier gemeint sind, skrupellos an den Rand des Abgrunds gebracht wurde, vorsichtig gesagt: unverfroren. „Werteexport“ via überlegener „Militärtechnik“ „Es geht ja auch nicht anders “… Schauderhaft.

  • Der Werteexport ist nicht am Ende!



    Das die USA und ihre Verbündeten bei der Sorgfalt geschlampt haben, wie auch in ihren eigenen Ländern auf den Menschen zu Gunsten der schnellen Profite letztlich nur mit "Trickle down" reagierten, muss ja nicht bedeuten das der Ansatz falsch war. Es reicht halt nicht Geld den vermeintlichen Performern zu überlassen.

    Wir dürfen nicht vergessen das seit dem Beginn der invasiven Terrorbekämpfung sich die Technik rapid geändert respektive verbessert hat. So ist es durchaus jetzt möglich, ohne den umfassenden Einsatz von Truppen via Drohne tödliche gezielte Schläge durchzuführen. Wer die Robotertechnik auf den Webseiten der General Dynamics verfolgt der kann ermessen, bei mittlerweile Purzelbaum schlagenden Robotern die durch den Wald turnen, wie weit die Taleban vom 21ten Jahrhundert weg sind, und wie chancenlos sie gegenüber zukünftiger Militärtechnik sind.

    Geht es um China und Russland als Konkurrenz des Westens, so ist gleichsam vorher zu sehen, das diese autokratisch geführten Staaten dann mit ihrem "Latein" am Ende angekommen sein werden, wenn sich die Gunst der Massen durch Konsum erkauft einerseits, und die Angst vor dem Absturz andererseits Bahn bricht.



    Und beide Staaten ,als Nachbarn zu den Taleban, wollen, nicht überraschend, zusammenarbeiten um dem Terror der Taleban notfalls vorzubeugen. Das klingt nicht gerade als sei man über den neuen Nachbarn erfreut.

    Also was haben andere Staaten besseres zu bieten? Ganz zu schweigen von den toten Chinesen in all den Ländern die ach so erfolgreich von Chinesischen Investoren beglückt wurden.



    Ich denke es ist erst der Anfang des Werteexports und Nation Building, was heißt, Staaten der Dritten Welt in das 21te Jahrhundert zu holen. Es geht ja auch nicht anders, soll die Erde für den Menschen bewohnbar bleiben.



    Nur muss dieses Nation Building nachhaltiger geschehen und sich am Menschen orientieren.

    • @Thomas Rausch:

      Die Gunst der Massen durch Konsum erkauft und die Angst vor dem Absturz — das klingt nach den Konflikten in den USA und Europa.

    • @Thomas Rausch:

      Werteexport und Staaten der “Dritten Welt” in das 21.te Jahrhundert “holen”?



      Klingt ziemlich vermessen, wo wir Westler - im Vergleich zu China und Indien etwa - eben erst selbst den Bäumen entstiegen sind … wenn wir die Sache mal aus kulturgeschichtlicher Perspektive betrachten.

    • @Thomas Rausch:

      Mit einem guten Ansatz zu scheitern, ist immer noch Scheitern, und wenn China und Russland nichts Besseres zu bieten haben, heißt das, dass sich das Schlechtere durchsetzt. Dann im Sinne des Besseren aus dem Hinterhalt Leute erschießen zu wollen, ist weder okay noch erfolgverprechend.

      Ich stelle aber auch den Ansatz in Frage. Ging es darum, Demokrat:innen in Afghanistan beim Aufbau von Strukturen zu helfen, oder eigene Konzepte anzuwenden? Und waren diese eigenen Konzepte nicht viel eher Rache mit nachträglichem menschenrechtlichen Anstrich, um das eigene Handeln zu legitimieren?

      Ich finde den Artikel sehr gut. Sehr klar und beängstigend nüchtern.

    • @Thomas Rausch:

      "So ist es durchaus jetzt möglich, ohne den umfassenden Einsatz von Truppen via Drohne tödliche gezielte Schläge durchzuführen."



      Sie sind sowas von zynisch.



      Abgesehen davon hat ja der Friedensnobelpreis Träger Obama das schon praktiziert. Wie man sieht ohne Erfolg, aber mit Kollateral Schäden.

      • @chinamen:

        Zivilisierte Staaten haben die Todesstrafe abgelegt. Und jemanden - auch einen Verbrecher - ohne Gerichtsverfahren zu töten (und die Familie und ein paar unbeteiligte Angestellte noch dazu), ist alles andere als rechtsstaatlich.



        Diese westlichen "Werte" sollen sich andere Völkern mit Gewalt eintrichtern lassen?



        Und was ist mit den Internierungslagern in den Mittelmeerländern? Die Chinesen werden "böse" genannt, weil sie Uiguren einsperren, nur weil sie Muslime sind. In Lipa, Moria, und wie sie alle heißen, werden Menschen eingesperrt, nur weil sie Muslime oder Afrikaner sind. Das ist jetzt "gut"?



        Der Pfarrer, der Enthaltsamkeit von der Kanzel predigt, sollte sich halt nicht im Puff erwischen lassen.

      • @chinamen:

        anschließe mich

    • @Thomas Rausch:

      In Afghanistan hat man auf jeden Fall für den Bau von was auch immer nachhaltig alle Brücken abgerissen. Auch noch gesagt, wie Biden, Nationbuilding, Werteexport, hat man ja in Wirklichkeit nie gewollt. Wenn man es wirklich gewollt hätte, dann hätte man auch viel mehr darein investieren müssen, aber das hat man schon all die Jahre NICHT gemacht und die allerwenigsten im Westen hat es interessiert. Das gleiche in Libyen u im Irak. Man hat es in Wirklichkeit nie versucht. Weshalb genau genommen der Wertexport auch nicht gescheitert ist, weil er bis auf ein paar Alibi-Mädchenschulen (ob die allein schon dafür einstehen können ist auch zweifelhaft) einfach nicht stattgefunden hat. Obendrauf bleiben als dauerhafte Erinnerung ~100.000 Tote Zivilisten, wohl nicht wenige verursacht durch willkürliche Bombardements der westl. Truppen. Vielleicht ein Grund warum die afghan. Armee obwohl angebl soviel besser ausgerüstet u personell ausgestattet als die Taliban, das von uns installierte Regime nicht gewillt war aufrecht zu erhalten.



      Ein wenig mglw verwertbaren Technologiegewinn dürften die Taliban auch einstreichen, wie man so hört. Panzer, Flugzeuge, Dronen, Datenbanken u sonstiges Equipment zur elektronischen Identifizierung ihrer Untergebenen. Und der eine oder andere der zurückgebliebenen ehemaligen Unterstützer der westl Truppen, der für sie die Technik steuert wird sich auch finden. Jedenfalls wenn sie nicht total bescheuert sind. Es ist auch einer gehörigen Portion Arroganz geschuldet, wenn wir auch jetzt noch die Taliban unterschätzen. Am Ende könnte der Aufenthalt der westl Truppen vielleicht sogar die Keimzelle für eine neue konkurrierende Macht in der Region gesät haben. Dass die USA jetzt den Ansatz zu einer werte- und rechtsbasierten Politik mit Stärkung d UNO u d Völkerrechtes unter Ausschluss eines exkl extralegalen Interventionsrechtes verfolgen, wäre wünschenswert u könnte die Welt stabilisieren u dem Kampf gg den Klimawandel nützen- aber das glaub ich nicht.